Nur dem Finanz- und Steuerausschuß. Das Wort zur Begründung von 3 b hat der Abgeordnete Richter.
Richter (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob die Zeit vorgeschritten ist oder nicht, die Frage der Gewährung von allgemeinen Kinderbeihilfen auf gesetzlicher Basis ist von so großer Bedeutung, daß der Bundestag auch in dieser Stunde und in dieser Woche noch die Zeit haben muß, nach Möglichkeit die Voraussetzung zu schaffen, daß in der nächsten Woche eine gesetzliche Regelung durch dieses Haus erfolgt.
Sie sollten mir deshalb gestatten, einige grundsätzliche Ausführungen zu unserem Antrag zu machen.
Die SPD-Fraktion bedauert außerordentlich, daß es bisher nicht möglich war, auf diesem Gebiet eine gesetzliche Regelung zu treffen, obwohl der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion über die Gewährung von allgemeinen Kinderbeihilfen die Drucksachennummer '774 trägt und am 23. März 1950 in diesem Hause eingebracht worden ist. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich mit dieser Drucksache befaßt. Ein Arbeitsstab im Bundesrat, zu dem neben Mitgliedern des Bundesrates auch noch
Sachverständige aus dem sozialen Leben der Bundesrepublik hinzugezogen wurden, hat sich ebenfalls mit dieser Angelegenheit befaßt. Der Sozialpolitische Ausschuß hat aus seiner Mitte eine Kornmission gewählt, und man hat sich gemeinsam mit Vertretern des Arbeitsstabes auf einen sogenannten Referentenentwurf, der das Datum 20. April 1951 trägt, verständigt. Als dieses Arbeitsergebnis im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestags zur Diskussion gestellt wurde, wurde von seiten der CDU-Fraktion erklärt, daß sie die Sache noch etwas ausgesetzt sehen möchte, da sie einen eigenen Gesetzentwurf im Bundestag einbringen wollte. Das ist dann auch mit der Drucksache Nr. 2427 vom 4. Juli 1951 geschehen. Im Unterschied zu dem Antrag der SPD, nach dem allgemeine Kinderbeihilfen an alle vom ersten Kind ab gewährt, die Beträge aus öffentlichen Mitteln genommen und die Durchführung bereits bestehenden Stellen wie Finanzämtern und Postämtern übertragen werden sollten -- es waren also keine neuen Behörden, sondern ein ganz einfaches Verfahren ohne wesentliche Kosten vorgeschlagen —, sah der CDU-Entwurf eine andere Regelung vor. Nach ihm sollten Familienausgleichskassen geschaffen, die Kinderbeihilfen erst ab drittem Kind gewährt werden und anderes mehr.
Wir haben alle Entwürfe in einem vom Sozialpolitischen Ausschuß erneut eingesetzen Unterausschuß beraten. Dabei sind wir zu einem Ergebnis gekommen, das praktisch dem entspricht, was in dem neuen SPD-Antrag Ihnen heute unterbreitet wird, den ich zu begründen die Ehre habe.
In ihm kommt — wenn ich das kurz erläutern darf — zum Ausdruck, daß die Leistungen vom dritten Kind ab gewährt werden sollen. Wir schlagen vor, daß erst vom 1. Oktober 1954 ab, also nach einem Jahr, die Kinderbeihilfen vom zweiten Kind ab gewährt werden sollen. Es wird weiter vorgesehen, daß nur der Kreis beihilfefähig ist, der die ganze Zeit unumstritten war. Die Höhe der Beihilfe beträgt 20 DM pro Kind und Monat. Auch das entspricht der einheitlichen Ansicht. Die Zahlung der Beihilfen soll vierteljährlich, und zwar im zweiten Monat des Vierteljahres, für die in Betracht kommenden Kinder an die Beihilfeberechtigten erfolgen. Die Beihilfen sollen frei sein von Steuern und Sozialabgaben und nicht der Pfändung unterliegen. All das entspricht dem Ergebnis der Verhandlungen. Die Beiträge sollen erstens durch Abgaben der Arbeitgeber entsprechend der von ihnen zu zahlenden Lohnsteuer und zweitens durch Zahlungen der Selbständigen aufgebracht werden, sofern letztere ein jährliches Einkommen über 3600 DM haben. Der Beitrag der Selbständigen beträgt 1 v. H. des 3600 DM übersteigenden Jahreseinkommens und die von den Arbeitgebern aufzubringenden Beiträge 10 v. H. der Lohnsteuer. Für die Beiträge ist Steuerfreiheit vorgesehen.
Als Institutionen zur Durchführung der Aufgaben ist eine gemeinsame Familienausgleichskasse sowohl für die in abhängiger Arbeit Stehenden als auch für die Selbständigen in einfachster, zweckentsprechendster Form vorgesehen. Als Organe dieser Familienausgleichskasse schlagen wir einen Vorstand, der aus 9 Mitgliedern, und einen Ausschuß, der aus 45 Mitgliedern besteht, vor.
Diese Vertreter sollen sich nicht nur aus den Sozialpartnern oder sonstigen Gruppen zusammensetzen, sondern der Bundestag soll sie nach dem bekannten System wählen, das für die Wahl und Zusammensetzung von Ausschüssen maßgebend ist, so daß alle Bevölkerungskreise, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, kirchliche Kreise und sonstige Stellen in diesem Ausschuß und auch in dem Vorstand der Familienausgleichskasse vertreten sind, da ja die Gewährung der Kinderbeihilfe durch die Familienausgleichskasse eine Angelegenheit ist, die das gesamte Volk angeht.
Für die Geschäftsführung ist ein Organ vorgesehen, das aus drei Mitgliedern besteht.
Als Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Gesetzes schlagen wir den 1. Oktober dieses Jahres vor.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, daß wir mit der Vorlage nicht einfach unseren Vorschlag, den wir dem Hohen Hause im Jahre 1950 unterbreitet haben, wiederholen; denn dann könnten Sie uns erwidern: Das ist unannehmbar, das ist ein wahltaktisches Manöver, ihr wollt lediglich versuchen, jetzt noch etwas zu realisieren, was in den vergangenen zwei, drei Jahren nicht verwirklicht werden konnte. — Nein, wir schlagen Ihnen nur das vor, was sich aus den Diskussionen im Ausschuß und in den Kommissionen als Ergebnis herausgestellt hat. Da haben wir uns, und zwar alle Vertreter der Parteien, die daran teilgenommen haben, zu einem Kompromiß zusammengerauft, weil wir glaubten, daß noch von diesem Bundestag die gesetzliche Regelung der Gewährung von Kinderbeihilfen vorgenommen werden muß. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß das jetzt nur noch auf dem Wege geht, den Ihnen die SPD-Fraktion mit dem Antrag Drucksache Nr. 4562 vorgelegt hat. Unser Verlangen läßt sich auch zeitlich noch verwirklichen, wenn der Sozialpolitische Ausschuß, dem ich diese Sache zu übertragen bitte, am kommenden Montag dazu Stellung nimmt und das Hohe Haus am nächsten Mittwoch die zweite und dritte Lesung dieses äußerst wichtigen Gesetzentwurfes vornimmt, damit eine Grundlage für den Familienausgleich geschaffen wird.
Ich darf noch auf eine Pressemitteilung eingehen. In einer Zeitung lautet die Überschrift zu einem Artikel „Kinderbeihilfen bleiben ein Wahlschlager — Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten — Koalition nicht einig". Ich hoffe, daß das nicht eintritt und wir in der nächsten Woche feststellen können: Der Bundestag hat das Gesetz über die Gewährung von Kinderbeihilfen einstimmig beschlossen.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.