Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Form, in der die zweite Beratung des Haushaltsplans durchgeführt worden ist, schon eine so scharfe Kritik sogar in bürgerlichen Zeitungen gefunden hat — ich nehme an, daß Sie die Zeitungen morgens vor dem Kaffeetrinken lesen —, bin ich der Meinung, daß wir jetzt nicht noch dieses üble Bild dadurch abrunden dürfen, daß wir ein Gesetz in zweiter Lesung verabschieden, ohne den Inhalt des Gesetzes genau zu kennen.
— Das, was ich sage? — Ihre Konzeption ist falsch! Wir kennen die Endzahlen nicht, die in diesem Gesetzentwurf festgelegt werden sollen,
und wir machen im Bundestag solche Experimente, bei denen sich die Gemeindevertreter der kleinsten Gemeinde, des kleinsten Kleckerdorfes mit Recht weigern würden, wenn sie etwas zum Beschluß erheben sollten, was sie in der Endkonsequenz nicht kennen. Man kann also die zweite Beratung nicht zum Abschluß bringen, Herr Schoettle. Man kann nicht etwas „mit Vorbehalt" verabschieden. Man kann keine Unbekannten erster, zweiter und dritter Größe in einen Beschluß, der Gesetz werden soll, hineinarbeiten.
Sie können nur eine Konsequenz ziehen: die Abstimmung über diesen Gesetzentwurf absetzen, bis die neue Vorlage — korrigiert gemäß den Beschlüssen, die das Plenum gefaßt hat — hier vorliegt. Jedes andere Vorgehen ist ein Bruch der Verfassung.
Es geht nicht um eine Entschließung; es geht doch um ein Gesetz, das wir annehmen sollen, und Sie können doch nicht aus Bequemlichkeitsgründen oder weil Sie sich nicht die Blöße geben wollen, kundzutun, daß nun Änderungsanträge beschlossen worden sind, Sie können doch nicht, um diesen
Eindruck zu verwischen, die Verfassung brechen! Das können Sie doch nicht!
— Doch, das hat mit Verfassung zu tun. Wie Gesetze anzunehmen sind, ist in der Verfassung geregelt.
— Ich werde mir von Ihnen vorschreiben lassen, ob ich zurückschreien darf oder nicht. Noch sind Sie j a nicht der Präsident, der die Ordnung regelt. Beruhigen Sie sich also schon einmal und setzen Sie sich ernstlich, mit verfassungsmäßig begründeten Argumenten, mit mir auseinander.
Ich bin also der Meinung und erhebe das auch zum Antrag, daß die Abstimmung im Augenblick nicht durchgeführt werden kann, weil wir nicht wissen, über welchen Gesetzesinhalt wir überhaupt abzustimmen haben.