Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Nach dem Einzelplan für die Finanzielle Hilfe für Berlin sollen zunächst einmal 600 Millionen für die Frontstadtpolitik des Herrn Reuter zur Verfügung gestellt werden. Aber dieser Betrag ist ja nicht der alleinige, der Westberlin zufließt. Ich möchte darauf hinweisen — wir haben das auch hier schon einige Male unter Beweis gestellt —, zu diesen 600 Millionen kommen neben den 35 Millionen aus dem sogenannten Notopfer noch etwa 400 Millionen für Westberlin an wirtschaftlichen Zuschüssen, es kommen ungefähr 105 Millionen für Sozialversicherungsleistungen, 120 Millionen von anderen Stellen, z. B. von der Post, hinzu. Außerdem fließen nach Westberlin noch rund 680 Millionen aus ERP-Fonds und anderen Mitteln. In den letzten Tagen wurde bekanntgegeben, daß die amerikanische Regierung einen weiteren Betrag von 50 Millionen Dollar für Westberlin unter der Bezeichnung „Wirtschaftliche Hilfe" zur Verfügung gestellt hat, die aber offensichtlich einen anderen Verwendungszweck haben sollen. Ich nehme an, daß die Agitationsgelder, die bisher auch von amerikanischer Seite nach Westberlin geflossen sind, aufgebraucht sind und infolgedessen neu aufgefüllt werden sollen. Wenn man alle diese Beträge zusammennimmt, dann ergibt sich, daß nach Westberlin jährlich rund 2 1/2 Milliarden DM fließen.
Wenn wir demgegenüber die Frage beantworten, was nun eigentlich die Folgen hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sind, dann kann doch wohl nicht bestritten werden, daß die Zahl der Arbeitslosen sich noch immer an der 300 000er Grenze befindet und daß auch der Produktionsstand im allgemeinen den von 50 % gegenüber dem Jahre 1936 bisher noch nicht wesentlich überschritten hat.
Was die Ausgabenseite Westberlins anlangt, so werden von den zur Verfügung gestellten Mitteln allein 170 Millionen DM durch den Besatzungskostenetat Westberlins verschlungen. Herr Kollege Brandt sprach als Berichterstatter davon, die Lage in Westberlin sei eine Folge der Spaltung. Das ist zweifellos richtig. Aber dann muß man auch die Schlußfolgerungen ziehen und die Ursachen für diese Lage in Westberlin beseitigen.
Dabei steht doch zweifellos fest, daß die Verantwortung für diese Spaltung — wir haben das oft genug zum Ausdruck gebracht und bewiesen —
auf westlicher Seite zu suchen ist.
Denn die Herren Amerikaner und die Herren auf der Regierungsbank
brauchen West-Berlin für ihre Politik gegen die Deutsche Demokratische Republik, für einen neuen Krieg. Ich glaube, gerade auch die Ereignisse der letzten Zeit beweisen, in welchem Umfang West-Berlin zum Eldorado der Agenten, der Provokateure, der Geheimdienste und der Sabotageorganisationen gemacht worden ist.
Um auf diesem Wege West-Berlin aufzurollen und die Politik des Herrn Reuter, die Frontstadtpolitik, zur Durchführung zu bringen, sollen hier die Gelder mit zur Verfügung gestellt werden. Durch die Bereitstellung dieser Milliarden wird West-Berlin nicht geholfen. Wir sind der Meinung, daß der einzige Weg darin besteht, daß die Spaltung überwunden wird. Die Vorschläge, die seitens der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gemacht worden sind, bezwecken eben, daß sich die Deutschen verständigen, um zur Einheit zu kommen und damit auch die Lage West-Berlins zu bereinigen. Das bedeutet allerdings auch, daß die ganzen geheimen Spalterorganisationen, alle diese Agentenzentralen dann den West-Berliner Boden endgültig verlassen und Friede und Freiheit einkehren werden.