Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Von den Problemen im Haushalt ist sicherlich der Etat der Kriegsfolgelasten und das Erbe der Kriegsfolgelasten das tragischste und das erschütterndste, aber auch das schwierigste. Bei der Fülle der Forderungen und Ansprüche wurde uns die Lösung aller sozialen Probleme, die sich daraus ergeben, fast unmöglich gemacht. Wir haben in diesem Jahre bedauert, daß es nicht möglich war, auch während des letzten Haushaltsjahrs in der Lösung der Kriegsfolgelasten und der aus ihr sich ergebenden Forderungen Wege einzuschlagen, die es gestatten, nach der Rangfolge gleichberechtigter und gerechter Forderungen das, was uns als Summe der großen deutschen Not in der Konkursmasse übriggeblieben ist, zu verteilen. So müssen auch wir sagen, daß die Leistungen, die in dieser Zeit gegeben werden konnten — so ungeheuer groß auch die Zahlen erscheinen mögen —, doch überall da nicht ausreichend sind, wo es sich um eine echte Hilfe individueller Art handelt. Vielleicht konnten sie auch an der einen oder anderen Stelle nicht so sinnvoll und gerecht gegeben werden, weil es außerordentlich schwer ist, ein System sozialer Leistungen zu finden, das für so große Massen von der sozialen Not Betroffener wirksame Hilfe in individuellster Art bringt.
Wir glauben aber heute und an dieser Stelle sagen zu müssen, es kommt nicht darauf an, daß wir bei der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz — ich möchte in gleichem Atemzug nennen die Forderungen des Lastenausgleichs, die Forderungen der Heimkehrer, die Forderungen der Kriegsgefangenen, die Forderungen all der vielen, die noch vor der Tür stehen und auf Lösungen vergeblich gewartet haben — Hoffnungen erwecken oder un-
gedeckte Wechsel ausstellen, die nachher nicht eingelöst werden können. In voller sittlicher Verantwortung müssen wir uns vielmehr über die Rangfolge und über die Möglichkeit der Verwirklichung klar sein. Auch wir hätten sehr gern gesehen, wenn beim Bundesversorgungsgesetz die Möglichkeit bestanden hätte, größere Leistungen zu gewähren, wie sie auch uns besonders im Hinblick auf die Witwen und Waisen und im Hinblick auf die Probleme, die von Herrn Renner angeschnitten worden sind, vorgeschwebt haben, allerdings in anderer Rangordnung.
Wir glauben nicht, daß das Problem der Heiratsabfindung das Aktuellste ist. Wir glauben aber, daß das Problem der Erhaltung der Rente für die Kriegerwitwe, die eine zweite Ehe eingeht und unversorgt ist, sehr aktuell und sehr wichtig ist. Wir meinen, daß gerade die Kriegsgeneration der deutschen Frauen, die so viele Opfer gebracht hat, bei der künftigen Entwicklung der Gesetzgebung anders und besser berücksichtigt werden muß. Wir hoffen auch, daß alle Maßnahmen, die zur Erlangung bzw. Wiedergewinnung der beruflichen Tüchtigkeit und der Leistungsfähigkeit dienen — die in diesem Gesetz schon maßgeblich berücksichtigt sind und auch im Haushalt ihren Niederschlag finden —, aufrechterhalten und in Zukunft noch mehr ausgebaut werden.
Abschließend möchte ich unserer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß noch in diesen Haushalt zusätzlich die Übergangssumme von 10 Millionen DM für die Novelle zum Heimkehrergesetz hineingekommen, daß hier also eine Übergangslösung für den Resthaushalt geschaffen ist. Wir freuen uns, daß der Bundesfinanzminister uns die Zusage gegeben hat, daß die sich aus der Novelle, die wir noch in der nächsten Woche verabschieden werden, ergebenden Leistungen im künftigen Haushalt auch wirklich garantiert sein werden.
Im Anschluß an die Novelle zum Heimkehrergesetz möchte ich noch eine Frage anschneiden, die mir besonders wichtig erscheint. Wenn wir das Problem der Nachkriegsnot betrachten und an die großen Kreise denken, die durch die Gesetzgebung und durch diesen Haushalt noch nicht vollkommen befriedigt werden konnten, dann stehen vor allen Dingen die Menschen vor uns, die unter den Folgen des Zeitalters des Fragebogens, des Lagers und der Angst, unter den Folgen des Terrors und all des Unrechts, das in den vergangenen Jahrzehnten über unser Volk gekommen ist, gelitten haben, die Menschen, die „Opfer" geworden sind. Es ist ein besonderes Anliegen der Deutschen Partei, hier auszudrücken, daß für uns bei der Entschädigung eine gleichberechtigte Rangfolge aller Opfer des Terrors, des Lagers und der Leiden gegeben ist. Wir werden nicht zustimmen, daß etwa ein Entschädigungsgesetz für Opfer des Nationalsozialismus verabschiedet wird, wenn nicht auch die Opfer des Stalinismus und die Opfer, die von deutschen Soldaten und deutschen Menschen in den Lagern der westlichen europäischen Mächte gebracht worden sind, berücksichtigt werden. Wir wollen auch nicht die Opfer der Ostzone und die vielen deutschen Frauen und Männer vergessen, die heute noch in den Arbeitslagern des Ostens schmachten. Deshalb haben wir den Wunsch, daß noch in diesem Parlament eindeutig Bekenntnis abgelegt wird, daß keines dieser Leiden etwa mit „fünf Mark" oder mit „einer Mark" pro Tag abgegolten werden kann, sondern daß nur eine sinnvolle und gerechte Abgeltung aller dieser Leiden möglich ist. Wir wünschen, daß diese Abgeltung im
Bundestag ihren gesetzlichen Niederschlag mit einem gedeckten Wechsel findet, der dann auch eingelöst wird.