Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan für die sogenannten Verteidigungskosten schließt mit einer Ausgaben-summe von 9,6 Milliarden DM; das sind 35 % der gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts. Es ist für die Art und Weise, wie dieses Haus den Bundeshaushaltsplan behandelt, bezeichnend, daß der Berichterstatter für diesen so wichtigen und die Lebenshaltung der Bevölkerung so sehr beeinflussenden Einzelplan für Besatzungskosten nicht mehr als drei Minuten aufgebracht hat. Ebenso bezeichnend ist es, daß sich zur Aussprache über diesen Mammuthaushaltsplan meines Wissens außer mir bis jetzt noch niemand zum Wort gemeldet hat.
Dieser Haushaltsplan ist in Wirklichkeit ein Plan zur Durchführung des Generalvertrags und des EVG-Vertrags. Aus seiner ganzen Anlage und Begründung geht hervor, daß ihm die Verpflichtung zur Leistung eines Finanzbeitrags gemäß dem EVG-Vertrag, also einem bis zum heutigen Tag noch nicht rechtskräftigen Vertrag, zugrunde liegt. Der Vertrag ist bis jetzt nur in der Bundesrepublik von den beiden parlamentarischen Organen akzeptiert worden. Man kann annehmen, daß er nie in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Trotzdem wird dieser Haushaltsplan vorgelegt, als ob wir uns bereits mitten in der Durchführung des EVG-Vertrags befänden. Auch der Haushaltsausschuß hielt es nicht für nötig, den von mir geschilderten Umständen Rechnung zu tragen. Immer noch wird der Hauptausgabentitel in dem Plan mit der Summe von 9 Milliarden DM als „Beitrag der Bundesrepublik an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft" angeführt.
Faktisch ist dieser Haushaltsplan eine Aufstellung über die Besatzungskosten. Die insgeheim vorgesehenen Ausgaben für die westdeutsche Aufrüstung, für die Durchführung des Programms des Herrn Blank, für die Aufstellung und Ausrüstung der 12 Divisionen, die vorläufig in Aussicht genommen sind, sind in diesem Plan noch mit keinem Pfennig enthalten. Warum sagt man dem Volke nicht die ganze Wahrheit? Warum überschreibt man diesen Plan mit „Verteidigungslasten", obwohl doch die eigentlichen Aufrüstungskosten erst noch kommen sollen und dieser Plan im wesentlichen nur die Ausgaben für die Okkupationsmächte enthält?
Man muß bei diesem Anlaß einmal vergleichen, wie sich die Lasten für das Volk aus der Okkupation seit 1950 gesteigert haben. Die Okkupationskosten betrugen im Jahre 1950 4 Milliarden DM, im Rechnungsjahr 1950/51 5,5 Milliarden DM, 1951/52 6,6 Milliarden DM, 1952/53 7,2 Milliarden DM. Und nach diesem Plan betragen sie für 1953/54 9,6 Milliarden DM.
Ich kann infolge der gestern so willkürlich beschränkten Redezeit leider nicht auf die ganze ungeheuerliche Bedeutung dieser Dinge eingehen. Lassen Sie mich lediglich noch ein paar Bemerkungen zu dem System der Irreführung der Bevölkerung machen, das in der ganzen Anlage dieses Haushaltsplans zum Ausdruck kommt.
Laut vorliegender Drucksache sollen für das erste Vierteljahr des laufenden Rechnungsjahrs entspre-
chend einer Festlegung nach dem EVG-Vertrag, der noch gar nicht rechtskräftig ist, monatlich 850 Millionen DM ausgegeben werden. Für die weiteren neun Monate des Rechnungsjahrs sollen im Rahmen des für die EVG vorgesehenen Verfahrens monatlich jeweils 716 Millionen DM aufgebracht werden. Aber nirgends finden wir eine Garantie dafür, daß es bei diesem willkürlich angenommenen Betrag von 716 Millionen DM monatlich bleibt. Das ist nur eine Annahme des Herrn Bundesfinanzministers; sie ist durch keinerlei ausländische Garantieerklärung gegenüber diesem Hause oder gegenüber dem Volk gedeckt.
Auf der Pressekonferenz am 25. April dieses Jahres hier in Bonn hat der Finanzminister eine andere Darstellung gegeben, als sie in den Zahlen dieses Haushaltsplans zum Ausdruck kommt. Damals hat Herr Schäffer gesagt, daß für die ersten sieben Monate je 600 Millionen DM, insgesamt also 4,2 Milliarden DM, zu zahlen seien. Den von ihm errechneten Restbetrag für die weiteren fünf Monate in Höhe von 4,8 Milliarden DM hat er so verteilt, daß monatlich 950 Millionen DM zu leisten seien. Er verschweigt dem Volke, daß diese 950 Millionen DM pro Monat vorläufig als der regelmäßig zu zahlende Betrag anzusehen sind, so daß wir im Jahr auf eine Summe von 11,4 Milliarden DM an reinen Besatzungskosten kämen
und nicht auf die hier im Etat genannte Summe von 9,6 Milliarden. Wie will der Minister für Finanzen diese Differenz von fast 2 Milliarden erklären? Wir finden weder im Bericht noch in der vorliegenden Drucksache darüber ein Wort.
Zum Schluß noch eine Bemerkung. In der Einleitung zum Haushaltsplan — —