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    Deutscher Bundestag — 271. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Juni 1953 13397 271. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Juni 1953. Geschäftliche Mitteilungen 13398C, 13405A, 13414D Ergänzungen der Tagesordnung: Aufsetzung des Antrags betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung des Abg. Dr. Brill 13398C, 13440A Antrag auf Überweisung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Nr. 4423 der Drucksachen) an den Haushaltsausschuß 13398D, 13444C Dr. Horlacher (CSU) 13398D Schoettle (SPD) 13398D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nr. 4345 der Drucksachen) 13399A Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht 13399A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abg. Frau Dr. Steinbiß, Pohle, Dr. Hammer, Frau Kalinke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens (Nr. 4351 der Drucksachen) . . . 13399A Frau Dr. Mulert (FDP), Antragstellerin 13399B Beschlußfassung 13400A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen (Nr. 3440 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge (Nr. 4371 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 956) 13400B Frau Niggemeyer (CDU), Berichterstatterin 13400B Renner (KPD) 13405B, 13407A, 13409B, 13411D Frau Döhring (SPD) 13408D Junglas (CDU) 13409B, 13411A Funcke (FDP) 13410A Striebeck (SPD) 13410A Abstimmungen . 13406D, 13408C, 13410A, 13412D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken (Nr. 4299 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 4377 der Drucksachen, Umdruck Nr. 946) 13413B Dr. Hammer (FDP) 13413B Abstimmungen 13413B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesevakuiertengesetzes (Nr. 4180 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 4380 der Druck- sachen, Umdrucke Nrn. 963, 965, 966) . 13413C Frau Nadig (SPD), Berichterstatterin 13413D Freiherr von Aretin (FU) 13414D Frau Strobel (SPD) . . . . 13415B, 13415C Gundelach (KPD) 13416B Huth (CDU) . . . 13415B, 13416C, 13418A Dr. Hammer (FDP) . . . 13417B, C, 13418D Frau Dr. Steinbiß (CDU) 13418D Abstimmungen 13415C, 13419A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Nr. 3232 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 4397 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 955) 13419B Frau Dr. Steinbiß (CDU), Berichterstatterin 13419B Abstimmungen 13421A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Abg. Günther, Frau Dr. Weber (Essen) u. Gen. betr. Schußwaffengebrauch im Zolldienst (Nrn. 4254, 3914 der Drucksachen) 13421B Gleisner (SPD), Berichterstatter . 13421C Günther (CDU) 13421D Jacobs (SPD) 13422A, 13424C Dr. Schillinger, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finan- zen 13423B Dr. Mende (FDP) 13424A Beschlußfassung 13425B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene (Zweites Heimkehrergesetz) (Nr. 4316 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FU, den Abg. Merten, Frau Hütter u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4318 der Drucksachen), mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der FDP, DP u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4446 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4426 der Drucksachen) 13425B Frau Dr. Probst (CDU), Antragstellerin 13425C, 13431A Merten (SPD), Antragsteller 13427A, 13436A Storch, Bundesminister für Arbeit 13428C Frau Hütter (FDP) 13428D Löfflad (DP) 13430B Euler (FDP) 13433D, 1343913 Müller (Frankfurt) (KPD) 13434B Ribbeheger (FU) 13435C Müller-Hermann (CDU) 13438D Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und an den Haushaltsausschuß 13439D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung des Abg. Dr. Brill (Nr. 4453 der Drucksachen) . . . 13398C, 13440A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . 13440A Beschlußfassung 13440B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abg. Kuntscher, Schütz, Dr. Götz u. Gen. betr. Verbilligte Bahnfahrten für Heimatvertriebene und Flüchtlinge (Nrn. 4350, 3963 der Drucksachen) 13440B Dr. Mücke (SPD), Berichterstatter 13440B Beschlußfassung 13440C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 945) 13440C Beschlußfassung 13440C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betr. berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nm. 4366, 4328 der Drucksachen) 13440C Kemmer (CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 13445 Frau Thiele (KPD) 13440D Priebe (SPD) 13442A ( Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . 13443D Beschlußfassung 13444C Nächste Sitzung 13444D Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betr. berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nr. 4366 der Drucksachen) 13445 Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 271. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FU (BP-Z) betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nrn. 4366, zu 4366, 4328 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Kemmer Die Ausschüsse für Fragen der Jugendfürsorge und für gesamtdeutsche Fragen haben in einer gemeinsamen Sitzung den interfraktionellen Antrag über die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der Jugendlichen, die aus der Sowjetzone geflohen sind, in der Form einstimmig angenommen, wie sie der Mündliche Bericht wiedergibt. Um das Problem zu kennzeichnen und schärfer zu umreißen, erscheinen einige Vorbemerkungen allgemeiner Art angebracht. In diesem Jahre sind im Januar über 2000, im Februar 2257, im März 4738, im April 4551, im Mai 3011 und vom 1. bis zum 7. Juni 972 Jugendliche von Berlin ausgeflogen worden. Seit Mitte Mai standen weniger Flugzeuge für diesen Zweck zur Verfügung. Daher geben die beiden letztgenannten Ziffern kein genaues Bild über die Gesamtzahl, da noch nicht alle Jugendlichen von Berlin ausgeflogen werden konnten. Schon rein zahlenmäßig steht man hier vor einer Aufgabe, die mit den üblichen Hilfsmaßnahmen nicht mehr gemeistert werden kann. Dazu kommt, daß diese Jugendlichen, geprägt durch das Sowjetsystem, nach nachhaltigen Erlebnissen unter diesem Regime, einsam und unerfahren, Opfer vieler Enttäuschungen, die auf überspannte Erwartungen folgten, einer besonderen Betreuung bedürfen, die geeignet ist, ihre menschliche, berufliche und gesellschaftliche Eingliederung zu bewirken und zu gewährleisten. In diesen Jugendlichen darf nicht das Gefühl entstehen, als ginge es ihnen heute besser, wenn sie bessere FDJler gewesen wären. Um eine gute Eingliederung zu erreichen, schlägt der Ausschuß zwar keine Patentlösung vor; wohl aber bietet der Antrag eine Fülle von Möglichkeiten dar, die je nach Art der Jugendlichen, nach den örtlichen Gegebenheiten und nach den Möglichkeiten der verschiedenen Trägergruppen ausgeschöpft werden können. Nur die wichtigsten Gesichtspunkte sollen erläutert werden. Zunächst waren die Ausschüsse sich einig in der Forderung, den Aufenthalt der Jugendlichen in Berlin so kurz wie irgend möglich zu halten. Unverzüglich soll ein zentrales Jugendlager eingerichtet werden, um es den Jugendlichen zu ersparen, von Stelle zu Stelle quer durch Berlin fahren und die verschiedenen Punkte passieren zu müssen, die zur Abwicklung des Aufnahmeverfahrens vorgesehen sind. Bis zur Schaffung eines zentralen Jugendlagers soll sich das ganze Notaufnahmeverfahren in den vorhandenen Jugendlagern abwickeln. In den Berliner Lagern sowohl wie in den Jugendauffanglagern Sandbostel und Westertimke ist die Zahl erfahrener Jugendbetreuer auf 1 : 15 zu erhöhen; desgleichen ist für eine ausreichende Zahl von Berufsberatern und Jugendvermittlern Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck sind die in allen Lagern tätigen Lagerdienste der Jugendverbände, die Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, die den Jugendlichen im Lager eine große Hilfe bedeuten, zu unterstützen und zu fördern. Auch in den Auffanglagern der Bundesrepublik soll der Aufenthalt möglichst kurz sein. Der Ausschuß warnt mit Nachdruck und mit allem Ernst vor der Täuschung, als ob mit der Vermittlung der Jugendlichen in irgendeine Arbeit das Problem gelöst sei. Man weiß, daß der weitaus größte Teil der Jugendlichen berufsfremd in die Landwirtschaft und den Bergbau vermittelt wird, wo sehr bald, oft schon nach den ersten Tagen die Fluktuation einsetzt und die Hälfte der Jugendlichen davonläuft. Weiter ist bekannt, daß mit der Vermittlung in den Beruf nach allen, was diese jungen Menschen an Leiden und Enttäuschungen erlebt haben, noch keineswegs eine gesellschaftliche oder gar staatspolitische Eingliederung vollzogen ist. Daher schlägt der Ausschuß nach dem Lageraufenthalt für solche Jugendliche, die nicht sofort den normalen und naturgegebenen Weg der Familienzusammenführung und der echten Vermittlung in den erlernten oder gewünschten Beruf unter gleichzeitiger Unterbringung in einem Jugendwohnheim oder bei einer guten Familie gehen können, in Gestalt einer Zwischenstufe verschiedene Lösungen bis zur endgültigen Eingliederung vor. Die Reihenfolge der Aufzählung dieser Hilfen bedeutet nun, wie ausdrücklich betont sei, nicht etwa eine Rangfolge oder einen verschiedenen Grad der Wertung; vielmehr handelt es sich um Möglichkeiten, die je nach der Art der Jugendlichen, nach den örtlichen Verhältnissen und nach den Bedingungen bei den verschiedenen Trägergruppen ausgeschöpft werden (Kemmer) können. Auch dazu nur einige kurze Erläuterungen. Den Jugendgemeinschaftswerken, von denen in Punkt 1 und 2 die Rede ist, obliegt eine doppelte Aufgabe: sie sollen einmal die geistige Akklimatisierung an die Arbeits- und Lebensbedingungen der westlichen Welt erleichtern, sie sollen zum zweiten die Eingliederung in den Arbeitsprozeß und in eine möglichst passende Arbeitsstelle, also eine individuelle Berufsvermittlung gewährleisten, die oft erst durchführbar ist, wenn man einen Jugendlichen schon länger kennt. Für Jugendliche, die in die Landwirtschaft vermittelt werden können, wohlgemerkt: in freie Stellen, da uns ja nicht damit gedient ist, künstlich Arbeit zu schaffen, ist die Einrichtung von Jugendgemeinschaftswerken von besonderer Bedeutung. Zwei Möglichkeiten haben sich hierbei bewährt: Zunächst da, wo es notwendig erscheint, die Unterbringung kleiner Gruppen in Heimen, von denen aus die Jugendlichen beim Bauern arbeiten; ferner dort, wo es möglich ist, die Unterbringung von Jugendlichen in Familien. In beiden Fällen ist entscheidend, daß sozialpädagogisch geschulte Betreuer den einzelnen Jugendlichen in allen einschlägigen Fragen beraten und überhaupt die Vermittlerrolle zwischen Jugendlichen und Bauern und zwischen Jugendlichen und den Behörden übernehmen. Für die in Jugendgemeinschaftswerken untergebrachten Jugendlichen übernimmt diese Funktion der Heimleiter, für die in Familien Untergebrachten, die ein offenes Gemeinschaftswerk bilden sollen, sollte auf etwa 25 bis 30 Jugendliche ein sozialpädagogisch geschulter Betreuer kommen, der diese Aufgaben wahrnimmt. Nach den gleichen Grundsätzen sollte auch die in die Hauswirtschaft vermittelte weibliche Jugend betreut werden. Nur so kann es gelingen, die verhängnisvolle und unerträgliche Fluktuation vor allem der berufsfremd in die Landwirtschaft und Hauswirtschaft vermittelten Jugendlichen zu verhüten und sie etwa nach einem halben Jahr in den erlernten, gewünschten oder zumindest zumutbaren Beruf zu vermitteln. Um aber die zweckmäßige und endgültige Unterbringung zu fördern und zu erleichtern, ist es unerläßlich, bei allen Landesarbeitsämtern eine zentrale Kartei einzurichten und durch eigene Berufsberater und Jugendvermittler den Jugendlichen mit Hilfe der verschiedenen Überbrückungsmaßnahmen eine zuverlässige Berufsvermittlung zu gewährleisten. Manche Sonderprobleme entstehen für Schüler und Studenten, für Jugendliche mit abgebrochener Lehrausbildung, für die weibliche Jugend und für reine Sozialfälle. Für diese Gruppen müssen die Richtlinien weiter gefaßt werden; es gilt, die Ausbildung zu sichern. Schülern höherer Lehranstalten muß in Internatsoberschulen die Möglichkeit zum Abitur gegeben werden, da in den meisten Fällen kein Schulsystem und kein Lehrplan anwendbar ist. Abiturienten, die die Reifeprüfung nach 1951 bestanden haben und deren Abitur nicht anerkannt wird, soll durch besondere Einrichtungen Gelegenheit zur Erlangung der Universitätsreife geboten werden. Für Studierende muß ein Weg zur Finanzierung der ersten beiden Semester gefunden werden, da nach dem bisherigen System erst dann Stipendien gewährt werden können. Für Jugendliche am Ort der endgültigen Eingliederung sind im Antrag eine Reihe von Hilfen vorgesehen, die die Eingliederung erleichtern sollen. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 4. Darin wird die Bundesregierung ersucht, einen Aufruf an den Bundesjugendring und die Jugendverbände zur Aufnahme aller Jugendlichen aus der sowjetischen Besatzungszone in Jugendgruppen und an die Bevölkerung zur Übernahme von Patenschaften durch einheimische Familien zu erlassen. Die Gelassen- heit und Teilnahmslosigkeit weitester Kreise der Bevölkerung und der Öffentlichkeit am Schicksal dieser Jugend ist eine ebenso große Gefahr wie die Verkennung der Probleme und die irrtümliche Meinung, es sei ja schon alles getan. Der Bundesjugendring hat bereits einen Aufruf an die ihm angehörenden Verbände erlassen. Es bedarf aber noch eines Appells an die gesamte Öffentlichkeit, der das große Anliegen an alle Schichten des Volkes heranträgt. Weiter wird die Bundesregierung ersucht, zur Finanzierung aller vorgeschlagenen Maßnahmen die Möglichkeiten des AVAVG und des Gesetzes zur Änderung des AVAVG sowie andere finanzielle Hilfen wie Lastenausgleich, Sondermittel zur Eingliederung von Sowjetzonenflüchtlingen, sozialer Wohnungsbau usw. voll auszuschöpfen und durch geeignete Maßnahmen für eine zweckmäßige Koordinierung der Mittel zu sorgen. In diesem Zusammenhang hat man es im Ausschuß sehr beklagt — und alle Praktiker haben es bestätigt —, daß das Labyrinth von Verordnungen und Zuständigkeiten nachgerade undurchdringlich und die Beherrschung der Materie zu einer Wissenschaft besonderer Art geworden ist. Daher wird die Bundesregierung besonders eindringlich gebeten, zu allen im Antrag verlangten Maßnahmen Erlasse und Richtlinien herauszugeben, die es den Trägern und den Heimleitern erlauben, ohne Zuziehung von Spezialgelehrten ihre Anträge wenn irgend möglich an nicht allzu viele Instanzen zu stellen. Die Schwierigkeit liegt in den verschiedenen Sozialgesetzen, durch die eben verschiedenartige Gleise gelegt werden. Aber vielleicht gelingt durch eine richtige Weichenstellung auf dem Verwaltungswege doch eine Koordinierung. Der Ausschuß richtet an die Bundesregierung schließlich die dringende Bitte, sich bei der Ausarbeitung der Richtlinien der Erfahrungen der Trägergruppen zu bedienen, die bisher diese Arbeit geleistet haben, und angesichts der Dringlichkeit des Problems dem Bundestag Planung und Richtlinien bis zum 30. Juni vorzulegen. Bonn, den 12. Juni 1953 Kemmer Berichterstatter
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    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich darf eingangs meiner Ausführungen der Überzeugung Ausdruck geben, daß alle Parteien dieses Hohen Hauses gleichermaßen durchdrungen sind von dem Bewußtsein der Dankesverpflichtung des deutschen Volkes angesichts der Größe der von den deutschen Kriegsgefangenen, Internierten und Zivilverschleppten stellvertretend für das ganze Volk getragenen Opfer und vollbrachten Leistungen.
    Meine politischen Freunde und ich sind weiterhin der Überzeugung, daß dieser Dankespflicht nur durch einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf umfassende Leistungen — wie ich vorhin schon sagte — genügt werden kann, die in individueller Anpassung an die Besonderheiten des Einzelschicksals den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit zu entsprechen vermögen. Ich zitiere hier den Bundestagsbeschluß, der heute schon zweimal angesprochen worden ist, ohne aber vollständig wiedergegeben worden zu sein. In dem damaligen einmütigen Beschluß aller Parteien hieß es: ,,... eine Entschädigung zu gewähren nach Maßgabe der Grundsätze sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen". Ich darf unter der Sicht des einstimmigen Bundestagsbeschlusses, insbesondere unter Berücksichtigung der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, die vorliegenden beiden Gesetzentwürfe über eine Entschädigung an die ehemaligen Kriegsgefangenen, Internierten und Zivilverschleppten betrachten. Ich darf die Zustimmung der Fraktionen der FDP und der DP annehmen, wenn ich feststelle, daß das von den Abgeordneten Merten und Frau Hütter, der SPD und der FU vorgelegte Heimkehrer -Entschädigungsgesetz Mängel aufweist. Der Gesetzentwurf teilt die Entschädigungsberechtigten in verschiedene Gruppen auf. Es gibt Bevorrechtigte und solche, die es nicht sind. Dabei finden divergierende Gesichtspunkte Anwendung. Einerseits findet eine Bevorzugung rein unter dem Gesichtspunkt der Zeitdauer der Gefangenschaft statt, d. h. Barauszahlungen erhalten bevorzugt diejenigen, die nach dem 31. Dezember 1948 noch in Kriegsgefangenschaft gewesen sind. Daneben sind soziale Merkmale maßgebend, aber nicht in individueller Sicht, sondern in einem Gruppenkatalog von Bevorzugten, die zugleich Heimatvertriebene, Ausgebombte und Schwerbeschädigte sind. Diese sollen innerhalb von 6, 9 und 12 Monaten nach Anerkennung des Anspruchs bevorzugt Auszahlungen erhalten, und zwar mit der Begründung, die Häufung des Schicksals rechtfertige die Priorität. Es wird aber nicht gesehen, daß für die genannten Gruppen bereits große Sozialgesetze wirksam sind, wodurch Rechtsansprüche bestehen, die einen Wiederaufbau der Existenz ermöglichen oder bereits ermöglicht haben. Dabei ist in § 30 des Antrags der SPD zum Ausdruck gebracht, daß die Leistungen nicht doppelt gegeben werden sollen. Wenn man sich schon dessen bewußt ist, daß in diesen Fällen bereits Leistungen nach anderen Gesetzen gegeben werden können und man ja nicht doppelt geben will, warum schafft man dann im HeimkehrerEntschädigungsgesetz für diese Gruppen Vorrechte gegenüber anderen Heimkehrern, die zwar auch mit schwersten Kombinationen von Schicksalsschlägen zu kämpfen haben, die aber nicht in der Lage sind, das sie zusätzlich belastende Schicksal in ein anderes großes Sozialgesetz einzufügen.
    Ich möchte an Frau Abgeordnete Hütter und Herrn Kollegen Merten die Frage richten, warum der „Nur-Heimkehrer" — wenn ich so sagen darf — der Jahre 1947/48, der keine anderweitigen Rechtsansprüche als solche nach dem Heimkehrergesetz hat, in bezug auf die Entschädigung und ihre Auszahlung so sehr viel schlechter gestellt wird. Es handelt sich dabei um eine besonders große Gruppe von schwer betroffenen Heimkehrern: 1947 waren es 220 000 und 1948 500 000, in diesen zwei Jahren sind also 720 000 zurückgekehrt. Demgegenüber sind in den folgenden Jahren bis heute 347 600 in der Heimat eingetroffen. Sinnvoll wäre es doch gewesen, zu fragen, wer bisher noch von keiner Seite etwas erhalten hat, und dann besonders diesen Heimkehrern ein Vorrecht zu geben, und nicht umgekehrt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Diese — wenn ich so sagen darf — „Nur-Heimkehrer" der Jahre 1947/48 sollen nach dem Entwurf der SPD zunächst keine Barauszahlungen, sondern nur Schuldverpflichtungen des Bundes erhalten, die mit 5 % jährlich zu verzinsen sind. Diese Schuldverpflichtungen sind innerhalb von fünf bzw. sechs Jahren jeweils in gleichmäßigen Partien, und zwar nach banktechnischen Verfahren, auszulosen. Es ist an sich schon höchst fragwürdig, einen erfahrungsgemäß besonders notleidenden Kreis von Heimkehrern aus den Gruppen der Bevorrechtigten auszusondern und unter minderes Recht zu stellen. Sie zum Gegenstand des Zufalls einer bankmäßigen Auslosung werden zu lassen, erscheint mir und meinen Freunden untragbar. Das individuell verschiedene Bedürfnis spielt bei einem solchen System keine Rolle mehr. Der Mensch wird dabei überhaupt nicht ins Auge gefaßt. Der Ablauf der Berücksichtigung ist rein mechanisch -technischer Art in Anlehnung an die Spielregeln des Kapitalverkehrs und die Gepflogenheiten des Wertpapiermarkts.
    Man muß sich die praktischen Auswirkungen vor Augen halten. Ein notleidender Heimkehrer des Jahres 1947 oder 1948, der, durch Versprechungen ermuntert, auf seine wenn auch nur geringe Entschädigung wartet, erlebt nun mit Verbitterung, wie sein begüterter Nachbar, dem ein glücklicheres Geschick Gesundheit und Besitz erhalten hat, zuerst und vor ihm seine Entschädigung ausgezahlt erhielte. Ein solches Verfahren des Zufalls in einem Zeitpunkt anzuwenden, da der Heimkehrer, insbesondere der in Notstandsgebieten wohnende, der noch nicht seinen richtigen Dauerarbeitsplatz gefunden hat, immer noch mit seiner Familie in der Arbeitslosenfürsorge notdürftig sein Dasein fristen muß, — das kann nicht der Sinn eines Heimkehrergesetzes sein. Wir können einem solchen System, das Ungerechtigkeiten und soziale Spannungen im Gefolge haben muß, nicht beipflichten.
    Ich muß darauf hinweisen, daß der Teil des SPD-Entwurfs, der sich mit Existenzaufbau, Hausrat und Wohnraum beschäftigt, nicht in ein Ent-


    (Frau Dr. Probst)

    schädigungsgesetz gehört, sondern in ein echtes Sozialgesetz, weil die Leistungen ja unter sozialen Gesichtspunkten gegeben werden. Im übrigen bilden diese Leistungen ja einen Teil des Zweiten Heimkehrergesetzes. Der inzwischen von den Parteien der FDP und DP eingebrachte Entschädigungs -Gesetzentwurf erkennt diese Fehlerquellen des Entwurfs der Frau Hütter, des Herrn Kollegen Merten und der SPD-Fraktion und vermeidet sie. Der Gesetzentwurf der FDP-DP-Fraktion sieht gleichmäßig für alle Gruppen Schuldverschreibungen des Bundes mit 7 Jahren Laufzeit vor. Die Rangfolge der Auszahlung ist konsequenterweise gleichmäßig für alle nach sozialen Gesichtspunkten vorgesehen.
    Meine Herren und Damen, gestatten Sie, daß ich nunmehr grundsätzliche Ausführungen zu den beiden Gesetzentwürfen mache. Beide EntschädigungsGesetzentwürfe gründen ihre Leistungen allein auf die Zeitdauer. So wesentlich der Gesichtspunkt ist, so erhebt sich aber die Frage, ob die Zeitdauer allein tatsächlich das einzige Kriterium ist, das die Schwere des Schicksals und die Intensität der negativen Auswirkung bestimmt, sowohl des Schicksals in der Gefangenschaft wie des Schicksals der Familie in der Heimat.
    Unter Umständen kann eine nicht so lange andauernde Zeit der Gefangenschaft ein schwereres seelisches und körperliches Trauma verursacht haben.

    (Abg. Dr. Mende: Wie will man das aber nachprüfen?)

    Die Erfahrung lehrt, daß die Schicksale außerordentlich verschieden gewesen sind. Wer die Elendszüge der Heimkehrer der Jahre 1947 und 1948 erlebt hat, dem hat sich unauslöschlich der erschütternde Eindruck der stumpfen Apathie, des körperlichen und geistigen Hungers eingeprägt, der sich zutiefst in die Substanz der Persönlichkeit hinein ausgewirkt hat. Viele der Heimkehrer des Jahres 1947 und 1948 — und das dürfen wir nicht vergessen — waren ja schon lange vor 1945 in Gefangenschaft gewesen. Wir haben die Erfahrung, daß mitunter in Fällen später Gekommener nicht mehr in solchem Grade die Merkmale äußerster Erschöpfung ausgeprägt gewesen sind.
    Das Nachkriegsschicksal des einzelnen wie seiner Familie ist ebenfalls in tausendfältigen Variationen verschieden. Der Heimkehrer der Jahre 1947 und 1948 war doch noch dadurch zusätzlich schwer betroffen, daß seine Familie zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Besitz von Leistungen der Unterhaltshilfegesetzgebung gewesen ist.
    Wir sind uns voll bewußt, daß die Schwere des Schicksals mit jedem Tag wächst, der der Freiheit beraubt ist. Aber wir müssen uns dennoch fragen, ob ein Gesetzgebungswerk für einen so großen Personenkreis von fast 1 Million deutscher Menschen allein auf diesem einzigen Merkmal der in der Gefangenschaft verbrachten Zeitspanne aufgebaut werden kann. Die Tatsache, daß unter dem alleinigen Gesichtspunkt der Zeitdauer nun in der Höhe der Leistungen bevorzugt und benachteiligt wird, erzeugt eine kollektive Schematik, die dem Einzelschicksal nicht gerecht wird und dieses Einzelschicksal und damit die Persönlichkeit geradezu vergewaltigt.
    Meine Herren und Damen, wenden wir uns doch einmal den Leistungen zu, die dieses Entschädigungsgesetz geben soll. Ich stütze mich dabei auf den Entwurf der DP und der FDP. Die zuletzt, bis zum Juni 1953 zurückgekehrten 200 ehemaligen Kriegsgefangenen erhalten einen Spitzenwert von 4000 DM. Die 1600 Heimkehrer des Jahres 1952 erhalten als Spitzenleistung 3500 DM, in einem 60 %igen Jahresdurchschnitt, den wir ja annehmen müssen, 2190 DM. Die 4000 Heimkehrer des Jahres 1951 erhalten 2920 DM bzw. im 60 %igen Durchschnitt 1752 DM. Die 21 800 Heimkehrer des Jahres 1950 erhalten die Höchstleistung von nur noch 2190 DM, im 60 %igen Durchschnitt 1314 DM. Die 320 000 Heimkehrer des Jahres 1949 erhalten einen Spitzenwert von 1460 DM, im Durchschnitt von 876 DM. Die 500 000 Heimkehrer des Jahres 1948 erhalten am Ende des Jahres 730 DM, im Durchschnitt noch 438 DM. Die zwischen dem 1. Januar 1947 und dem 31. Dezember 1947 Zurückgekehrten erhalten eine Entschädigung, die zwischen 1 DM und 365 DM liegt, d. h. im 60 %igen Durchschnitt nur noch 219 DM.
    Meine Herren und Damen, wenn wir diese Zahlenreihe auf uns wirken lassen und die mit der Zeitdauer absinkende Progression dürftiger Beträge betrachten, dann müssen wir feststellen, daß es doch nicht der Sinn des Anliegens der Heimkehrer sein kann, daß das, was sie für das Vaterland geleistet und geopfert haben, nun in einer so unpersönlichen, kollektiven Weise umgemünzt und abgefunden würde. Diese Leistungen können weder als Ehrensold bewertet, noch kann ihnen irgendeine Symbolkraft beigemessen werden. Sozialpolitisch gesehen ist diese Lösung nicht tragfähig. Diese Beträge sind je nach der Zeitspanne bei dem einen niedriger, bei dem andern höher, ohne jede Anpassung an sein individuelles Einzelschicksal und seine derzeitige Situation. Dabei muß auch gesehen werden, daß die Kehrseite der Entschädigung die Abfindung ist. Wer die Not und die Existenzangst derer erlebt hat, die plötzlich aus der Unterhaltshilfe herausfallen, weil die Schadensbasis dieses Rechtsanspruchs aufgezehrt ist, der fühlt vom Menschlichen her erschüttert die Grenzen des Entschädigungsprinzips im sozialpolitischen Bereich. Ist der Entschädigungsbetrag aufgezehrt, erlischt der Anspruch. Das Entschädigungsprinzip ist nicht auszuweiten, es ist nicht fortzuentwickeln, es ist mit der Höhe des Schadens ein für allemal begrenzt, es ist nicht elastisch,, es paßt sich nicht an, im Gegenteil das Entschädigungsprinzip schnürt die tatsächlichen Persönlichkeitsansprüche ein. Es schafft Kollektivlösungen in willkürlicher Art und letzten Endes immer zuungunsten des echten Bedürfnisses.
    Ein solch starres System nach einem uniformen Gesichtspunkt ist sozialpolitisch nicht in der Lage, die vielfältigen Erscheinungsformen eines so schweren menschlichen Schicksals in sich zu begreifen und soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Es ist sozialpolitisch nicht anwendbar in einem Zeitpunkt, da es zuerst und vor allem darum gehen muß, die tiefe Not, die immer noch in den Kreisen unserer Heimkehrer herrscht, in einer Gesetzgebung zu überwinden, die den Menschen anspricht und seinen persönlichen, seinen besonderen individuellen Rechtsansprüchen entspricht.
    Ich darf in diesem Zusammenhang einen Satz aus dem Schreiben eines Heimkehrers, und zwar des Vorsitzenden eines Stadt- und Landkreisverbandes des Bundesverbandes der Heimkehrer, zitieren. Er schreibt unter dem 3. Juni 1953 an seinen Bezirksvorsitzenden wörtlich:


    (Frau Dr. Probst)

    Es gibt in unseren Reihen eine große Anzahl von Kameraden, die nicht nur ausschließlich einen bestimmten Entschädigungsbetrag sehen, sondern die darüber hinaus sehr wohl das Gesamtinteresse der Allgemeinheit über das persönliche Interesse zu stellen wissen. Meiner Ansicht nach kommt es weniger darauf an, daß jeder Heimkehrer einen bestimmten Betrag für seine in der Gefangenschaft geleistete Arbeit erhält, sondern vielmehr darauf, daß dem in tiefster Not befindlichen Heimkehrer, noch mehr aber den Angehörigen im Rahmen eines sozial möglichen Hilfswerks geholfen wird.
    Ich darf nun das Problem aber noch von einer anderen Seite beleuchten. Wir würden mit den vorliegenden Entschädigungsgesetzentwürfen zum erstenmal auf dem Gebiet der Kriegsfolgen den Weg der reinen kollektiven Entschädigung beschreiten. Ehe wir den Weg der Entschädigung von Kriegsfolgen beschreiten, ist es notwendig, daß das Problem aus der Gesamtschau des deutschen Sozial-
    und Wirtschaftsgefüges und auf seine Konsequenz sorgfältig überprüft und durchdacht wird. Ich muß der Sorge Ausdruck geben, daß wir alle — ich nehme die Verwaltung nicht aus — unter dem Übermaß des Arbeitsvolumens der Gefahr verfallen, die Probleme viel zu sehr spezialisiert und aufgesplittert zu sehen. Es kommt darauf an, in dieser wesentlichen Frage den Zusammenhang des großen Ganzen wiederherzustellen und zu sehen.
    Es ist nicht richtig, daß der Lastenausgleich und das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bereits Präjudizien gewesen seien. Betrachten wir einmal in aller Kürze die Grundlagen der bisherigen Sozialgesetze der Deutschen Bundesrepublik! Das Bundesversorgungsgesetz für die Kriegsopfer lehnt das Entschädigungsprinzip ab. Dieses Gesetz kennt weder die Einheitsrente noch die qualifizierte Rente für die sogenannten höherwertigen Berufe. Der verlorene Beruf wird zwar bei der Festsetzung des Erwerbsminderungsgrades berücksichtigt, die Arbeitsfähigkeit wird aber nach dem Gesichtspunkt des allgemeinen Arbeitsmarktes beurteilt. Die Grundrente ist ein Äquivalent für den anatomischen Schaden. Sie ist aber nicht als Ehrensold kollektiv gewertet, sondern sie ist dem Erwerbsminderungsgrad angepaßt und an diesen gebunden. Die Grundrente will den Kriegsopfern den gleichen Start wie den Gesunden im Lebenskampf sichern. Sie dient also der Überwindung des Schicksals und nicht der Abfindung der Vergangenheit. Die Kriegsopfer haben sich bewußt für das fortwirkende individuell angepaßte Versorgungsprinzip entschieden unter Ablehnung der Entschädigung und damit der Abfindung. Der Lastenausgleich enthält die Priorität des Sozialprinzips. Die Entschädigung ist ausdrücklich nur auf den Verlust von Vermögenswerten beschränkt. Die besten Kenner des Gesetzes sind der Meinung, daß der Rechtsanspruch nicht formaljuristischer, sondern sozialethischer Art ist. Der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts liegt ein verbrecherischer Tatbestand zugrunde, der im Sinne der deliktischen Schuidhaftung wiedergutgemacht werden muß. Es ist hier ein besonders gelagerter Tatbestand gegeben, der kein Präjudiz für andere Gebiete des Rechts sein kann, zumal hier eine Bindung von seiten des Länderrechts durch das Grundgesetz gegeben ist.
    Wir beschreiten also in der Tat mit den vorliegenden Entschädigungsgesetzentwürfen zum erstenmal den Weg, Kriegsfolgen entschädigen zu wollen, und zwar mit einem nur ganz losen Bezug auf die soziale Priorität, die ja nur in der Zeitfolge der Auszahlung überhaupt zum Ausdruck kommt. Wir schaffen dann unter Umständen ein Präjudiz mit nicht übersehbaren Folgen. Dabei ist nirgendwo gesagt, ob dieser Entschädigungsanspruch als Abgeltung von im Ausland verlorenen Vermögenswerten für geleistete Arbeit im Sinne des § 34 der Genfer Konvention gedacht ist. Es ist nicht klar gesagt, ob diese Art der Entschädigung als symbolhafte Versinnbildlichung eines Ehrensolds gedacht ist oder ob sie dem Ausgleich der durch den Krieg und seine Folgen erlittenen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden dienen soll.
    Diese verschiedenen Aspekte müssen aber sauber voneinander geschieden werden. Darin sehen meine politischen Freunde und ich eine wesentliche Aufgabe des künftigen Deutschen Bundestags und der kommenden Bundesregierung, die gesamten Fragen, die sich auf sämtlichen Gebieten der Entschädigungsgesetzgebung ergeben, in einer exakten und klarstellenden Weise zu analysieren und in eine wirklich durchdachte und koordinierende Beziehung zueinander wie aber auch zu den einschlägigen Gesetzesgebieten der Sozial- und Rechtspolitik zu bringen. Es kommt darauf an, all diese Fragen, die sich noch in einem Stadium des Werdens befinden, als Einheit zu sehen und aufeinander hin zu beziehen. Ich bin überzeugt, daß es dann gelingen wird, das ganze Hohe Haus auf gemeinsame positive Lösungen zu einigen.

    (Beifall bei der CDU.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe aus den Ausführungen der Frau Kollegin Probst nur das Nein gehört,

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    nur das Nein zu einem Anliegen, dessen Dringlichkeit die Gesamtheit dieses Bundestages eigentlich schon vor zwei Jahren erkannt hatte. Denn der Zeitpunkt der gemeinsamen Erkenntnis, daß zur Entschädigung der Heimkehrer etwas geschehen müsse, lag noch längst vor den Beschlüssen des Bundestags, die wir hier am 27. November 1952 gefaßt haben. Aber spätestens in diesem Zeitpunkt, am 27. November 1952, war der Bundestag sich über zweierlei einig: nicht nur darüber, daß den Heimkehrern eine soziale Eingliederungshilfe gewährt werden müsse — das war der eine Aspekt unseres damaligen Beschlusses —, sondern auch darüber, daß eine die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigende Entschädigung gewährt werden müsse.
    Nun, seitdem haben sich die maßgebenden Vertreter aller Fraktionen dieses Hauses darum bemüht, ein Entschädigungsprinzip zu finden, das diesen beiden Gesichtspunkten möglichst weitgehend entspricht. An den Verhandlungen einerseits mit den Ministerien, andererseits mit dem Heimkehrerverband, Frau Kollegin Probst, haben Sie ja gerade sehr starken Anteil genommen, gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Hütter und mit Herrn Kollegen Merten von der SPD. Dabei hat sich herausgestellt, daß es, um den Heimkehrern die Dankesschuld durch die Tat zu bezeugen, in Anbetracht der ungeheuren Schwierigkeit der Tatbestände, andererseits aber auch in Anbetracht der ungeheuren sozialen Überforderung dieses neuen


    (Euler)

    demokratischen Rechtsstaats überhaupt keine andere Lösung gibt als die einer minimalen Entschädigung. Wenn sich der Heimkehrerverband schließlich damit einverstanden erklärt hat, auf eine Entschädigung abzustellen, die in Anbetracht der unsagbaren Leiden der Heimkehrer minimal ist — wir kennen ja die menschlichen Wracks, die schon in den Jahren 1946/47 vornehmlich aus östlicher Gefangenschaft zu uns zurückgekehrt sind —, wenn sich der Heimkehrerverband damit einverstanden erklärt hat, daß nur eine Minimalanerkennung von 1 DM pro Tag und von einem sehr späten Zeitpunkt an von 2 DM pro Tag in Betracht kommen soll, dann ist das der Ausdruck der Erkenntnis der ganz besonderen Schwierigkeiten, die für uns aus staatspolitischen Gründen bestehen. Wenn das vom Heimkehrerverband anerkannt worden ist und von den Heimkehrern immer wieder zum Ausdruck ,gebracht wird, dann sollten wir für die darin liegende Selbstbeschränkung dankbar sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Diese Selbstbeschränkung unserer Heimkehrer bedeutet eine außerordentliche Tat, die von ihrem staatspolitischen Verantwortungsbewußtsein zeugt; denn gerade die Heimkehrer haben nach unserer Überzeugung einen wirklichen Anspruch auf Entschädigung, mehr als manche anderen Kategorien von Opfern des Nationalsozialismus. Wir sind der Meinung, daß die Männer und Frauen, die mehrere Jahre in Rußland festgehalten waren, mit die schlimmsten Opfer des Nationalsozialismus sind. Wir sollten diese auf staatspolitischer Verantwortung beruhende Tat der Selbstbeschränkung der Heimkehrer in ihren Forderungen nicht dadurch unmöglich machen, daß wir die Antwort geben: Ja, wir sind uns unserer Dankesschuld bewußt, haben aber gegenüber einer sehr mäßigen Entschädigung von 1 DM pro Tag bzw. 2 DM von einem späteren Zeitpunkt an so viele Bedenken der Konstruktion und der Begründung, daß wir selbst dazu nicht kommen. — Auf diese Art und Weise würde das heute gerade in den Kreisen der Heimkehrer sehr stark feststellbare Gefühl staatspolitischer Verantwortung zerstört. Dazu dürfen wir Parlamentarier dieses ersten Deutschen Bundestags keine Mithilfe leisten. Daher sagen wir: nachdem schon allzu lange auf diesem wichtigen Entschädigungsgebiet gezögert worden ist, sollten wir nun alles daransetzen, nicht nur jetzt in die Ausschußberatungen einzutreten, sondern trotz aller Bedenken, die es im einzelnen geben mag, auch dafür zu sorgen, daß dieses Gesetz durch diesen Bundestag noch Wirklichkeit wird.

    (Beifall bei der FDP und DP.)