Rede von
Peter
Jacobs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, nicht der Meinung sein zu können, die Herr Kollege Günther zum Ausdruck gebracht hat, daß der Antrag vom Dezember vergangenen Jahres bereits entscheidende Auswirkungen auf die Maßnahmen der Zollbehörden in ihrer Gesamtheit gehabt habe. Eben die quasi makabre Aktualität des Vorfalls am vergangenen Samstag in meinem Heimatbezirk zwingt uns, bei der Beratung dieses Antrags mit aller Entschiedenheit zu verlangen, daß nicht irgendwann, sondern daß jetzt Entscheidendes geschieht, nachdem es in dem langen Zeitraum seit Einbringung des Antrags, vom Dezember vergangenen Jahres bis heute, offenbar versäumt worden ist, solche Richtlinien an die Zollverwaltung herauszugeben, so daß Vorfälle wie die vom vergangenen Samstag einfach unmöglich sind.
Sie müssen mir erlauben, gerade im Hinblick darauf, daß, gemessen an der sonstigen Art der Berichterstattung, über diese Dinge verhältnismäßig wenig in die Öffentlichkeit gedrungen ist, einiges von dem zu schildern, was sich dort getan hat. Es ist ein Unterschied, ob im Zuge von Gewaltmaßnahmen, die irgendwelche Verbrecher gegen die Ordnungsorgane anwenden, Schüsse fallen oder ob, wie am vergangenen Samstag, am hellen Tage weitab von der Grenze in einem Gebiet, in dem in den letzten Jahren so gut wie keine Aufgriffe erfolgt sind, auf das also die Bezeichnung „sündige Grenze" weiß Gott nicht angebracht wäre, ein Mann, der zwar, wie die einseitige Darstellung berichtet, des Schmuggels überführt werden konnte, von einem Beamten in Zivil mit dem Karabiner erschossen wird.
Und das, obwohl nach mir gewordenen Informationen die Schießbestimmungen für die Zollbeamten dahin auszulegen sind, daß Karabiner am Tage überhaupt nicht, sondern nur in der Nacht verwandt werden dürfen und dann nur zur Stellung von flüchtenden Autos. Hier hat es sich doch darum gehandelt, daß ein sicherlich krimineller Mensch, der nach der Darstellung der Zollverwaltung —
eine andere liegt noch nicht vor — im Saargebietbeheimatet war und dort wegen krimineller Delikte wiederholt bestraft worden sein soll, im Raum Hermeskeil angeblich Schmuggelgut verkauft hat, daß das einem Zollbeamten mitgeteilt worden ist, der zufällig nicht im Dienst war und nun nichts Eiligeres zu tun hatte, als irgendwohin zu laufen, wie es heißt, sich einen Karabiner auszuleihen und dann auf den Mann, nachdem er auf wiederholte Anrufe nicht stehengeblieben ist, nach zwei Warnschüssen zu schießen. Natürlich hat wieder das Opfer — wie es in der Darstellung heißt — den Fehler begangen, im Augenblick des auf die Beine gezielten Schusses sich zu bücken, — wie wir immer wieder feststellen, daß die Opfer, die ja nachher kein Zeugnis mehr geben können, weil sie tot sind, das Gegenteil dessen tun, was der Scharfschütze erwartet, daß sie, wenn er beabsichtigt, ihnen nur ins Bein zu schießen, in eine Stellung gehen, die es unmöglich macht, das zu tun.
Ich erwähne das nur, um den Nachweis dafür zu erbringen, wie zwingend die Maßnahmen sind, vor allem aber auch im Hinblick auf die Rechtsstellung der Beamten selbst, die ja nicht mehr ein noch aus wissen. Die Beschwerden über diesen Vorfall und das gebieterische Verlangen, mich um diese Dinge in meiner Eigenschaft als Volksvertreter zu kümmern, kamen ausnahmsweise nicht aus der Zivilbevölkerung, sondern von Beamten der Zollverwaltung, deren Namen zu nennen — wie Sie begreifen werden — ich nicht in der Lage bin. Es geht darum, sie aus dieser unmöglichen Situation herauszubringen. Mir ist mitgeteilt worden, daß der Leiter des Hauptzollamtes in Trier noch kürzlich informatorisch erklärt haben soll, daß er jeden, der nicht nach einem zweiten Warnschuß einen gezielten Schuß abgebe, disziplinarisch zur Verantwortung ziehen wolle.
Wieweit das zutrifft, kann ich im einzelnen nicht beurteilen, da mir auf eine entsprechende Anfrage von der Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz mitgeteilt wurde, daß der ganze Vorfall dem Herrn Bundesfinanzminister übergeben worden sei und man daher nicht in der Lage sei, mich darüber hinaus zu informieren. Ich solle mich dieserhalb an den Herrn Bundesfinanzminister wenden. Das tue ich jetzt, wenn auch nur an seinen Platz, in der Hoffnung, daß das, was hier gesagt wird, ihm zu Ohren kommt, und in der Hoffnung, daß dieser Fall nicht nur über den bürokratischen Weg seine Erledigung findet. Denn dann würde man erst zu Entscheidungen und Ergebnissen kommen, wenn wieder einige Unfälle passiert sind.
In der letzten Zeit ist in Deutschland infolge der gesamten politischen Entwicklung eine Gruppe von Leuten wiederum in zunehmendem Maße der Meinung, auch besondere Rechte zu haben, weil sie Uniform tragen. Der Vorfall in Hermeskeil, um den es sich hier handelt, steht ja nicht allein da. Ich darf darauf hinweisen — das war schon Gegenstand einer Anfrage in der vergangenen Fragestunde —, daß auf einem Flugplatz ebenfalls im Bezirk Trier, in Spangdahlem, Leute, die ebenfalls in Uniform steckten, eine quasi Strafexpedition gegen ein ganzes Dorf unternommen haben, weil sie der Auffassung waren, als Träger einer Uniform dazu berechtigt zu sein, Kollektivstrafmaßnahmen gegen ein Dorf zu unternehmen, nachdem einem einzelnen von ihnen infolge einer Schlägerei angeblich irgend etwas passiert ist.
Wogegen wir uns mit Leidenschaft und mit Entschiedenheit zur Wehr setzen, ist, daß in Deutschland wieder mit der Mißachtung des zivilen Lebens begonnen wird.
Diesen Leuten muß das Bewußtsein wieder nahegebracht werden, daß alles andere, auch wenn es Uniform trägt, nur Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck zu sein hat und daß es ausschließlich dazu da ist, den Bedürfnissen der zivilen Bevölkerung zu dienen.
Ich wünsche deshalb, daß der verantwortliche Leiter, und in diesem Fall nach meiner Auffassung intellektuelle Urheber des Vorfalls, nämlich der Leiter des Hauptzollamts in Trier entsprechend zur Verantwortung gezogen wird für den Fall, daß er wirklich erklärt hat, er ziehe jeden zur Verantwortung, wenn er nach einem zweiten Warnschuß nicht einen gezielten Schuß abgebe. Was heißt es beispielsweise, meine Damen und Herren, wenn dieser Mann auf mein Telegramm hin seiner vorgesetzten Dienstbehörde gegenüber erklärt, das Bundesfinanzministerium habe angeordnet, Karabiner anzuwenden, um den größeren Unsicherheitsfaktor, der beim Pistolengebrauch entstehe, auszuschalten? Unsicherheitsfaktor — für wen? Für das Opfer, das die Chance hätte, von einem Pistolenschuß nicht sofort getötet zu werden? Oder ein Unsicherheitsfaktor für den, der die Waffe anwendet, von dem man also quasi verlangt, ganze Arbeit zu leisten und, wenn er schon schießt, den Betreffenden möglichst zu liquidieren? Meine Damen und Herren, wir haben aus gutem Grund, glaube ich, und unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung, in der gerade unser Volk sich befindet, die Todesstrafe im Grundgesetz abgeschafft. Auch dieses Haus hat sich gelegentlich einer Debatte in seiner Mehrheit noch einmal dazu bekannt, die Todesstrafe für Delikte abzuschaffen, die, was die menschliche Gesellschaft anlangt, weiß Gott schwerwiegender Natur sind.
Wir möchten nicht, daß über den Umweg leichtfertiger Schießerlasse oder dadurch, daß Leute, wenn sie eine Waffe in die Hand bekommen, der Meinung sind, nun schießen zu müssen, für ein Delikt wie Schmuggel die Todesstrafe wieder eingeführt wird.