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ID0127101200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 271. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Juni 1953 13397 271. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Juni 1953. Geschäftliche Mitteilungen 13398C, 13405A, 13414D Ergänzungen der Tagesordnung: Aufsetzung des Antrags betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung des Abg. Dr. Brill 13398C, 13440A Antrag auf Überweisung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Nr. 4423 der Drucksachen) an den Haushaltsausschuß 13398D, 13444C Dr. Horlacher (CSU) 13398D Schoettle (SPD) 13398D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nr. 4345 der Drucksachen) 13399A Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht 13399A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abg. Frau Dr. Steinbiß, Pohle, Dr. Hammer, Frau Kalinke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens (Nr. 4351 der Drucksachen) . . . 13399A Frau Dr. Mulert (FDP), Antragstellerin 13399B Beschlußfassung 13400A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen (Nr. 3440 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge (Nr. 4371 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 956) 13400B Frau Niggemeyer (CDU), Berichterstatterin 13400B Renner (KPD) 13405B, 13407A, 13409B, 13411D Frau Döhring (SPD) 13408D Junglas (CDU) 13409B, 13411A Funcke (FDP) 13410A Striebeck (SPD) 13410A Abstimmungen . 13406D, 13408C, 13410A, 13412D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken (Nr. 4299 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 4377 der Drucksachen, Umdruck Nr. 946) 13413B Dr. Hammer (FDP) 13413B Abstimmungen 13413B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesevakuiertengesetzes (Nr. 4180 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 4380 der Druck- sachen, Umdrucke Nrn. 963, 965, 966) . 13413C Frau Nadig (SPD), Berichterstatterin 13413D Freiherr von Aretin (FU) 13414D Frau Strobel (SPD) . . . . 13415B, 13415C Gundelach (KPD) 13416B Huth (CDU) . . . 13415B, 13416C, 13418A Dr. Hammer (FDP) . . . 13417B, C, 13418D Frau Dr. Steinbiß (CDU) 13418D Abstimmungen 13415C, 13419A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Nr. 3232 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 4397 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 955) 13419B Frau Dr. Steinbiß (CDU), Berichterstatterin 13419B Abstimmungen 13421A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Abg. Günther, Frau Dr. Weber (Essen) u. Gen. betr. Schußwaffengebrauch im Zolldienst (Nrn. 4254, 3914 der Drucksachen) 13421B Gleisner (SPD), Berichterstatter . 13421C Günther (CDU) 13421D Jacobs (SPD) 13422A, 13424C Dr. Schillinger, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finan- zen 13423B Dr. Mende (FDP) 13424A Beschlußfassung 13425B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene (Zweites Heimkehrergesetz) (Nr. 4316 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FU, den Abg. Merten, Frau Hütter u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4318 der Drucksachen), mit der Ersten Beratung des von den Fraktionen der FDP, DP u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4446 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener (Nr. 4426 der Drucksachen) 13425B Frau Dr. Probst (CDU), Antragstellerin 13425C, 13431A Merten (SPD), Antragsteller 13427A, 13436A Storch, Bundesminister für Arbeit 13428C Frau Hütter (FDP) 13428D Löfflad (DP) 13430B Euler (FDP) 13433D, 1343913 Müller (Frankfurt) (KPD) 13434B Ribbeheger (FU) 13435C Müller-Hermann (CDU) 13438D Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und an den Haushaltsausschuß 13439D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung des Abg. Dr. Brill (Nr. 4453 der Drucksachen) . . . 13398C, 13440A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . 13440A Beschlußfassung 13440B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abg. Kuntscher, Schütz, Dr. Götz u. Gen. betr. Verbilligte Bahnfahrten für Heimatvertriebene und Flüchtlinge (Nrn. 4350, 3963 der Drucksachen) 13440B Dr. Mücke (SPD), Berichterstatter 13440B Beschlußfassung 13440C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 945) 13440C Beschlußfassung 13440C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betr. berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nm. 4366, 4328 der Drucksachen) 13440C Kemmer (CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 13445 Frau Thiele (KPD) 13440D Priebe (SPD) 13442A ( Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . 13443D Beschlußfassung 13444C Nächste Sitzung 13444D Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betr. berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nr. 4366 der Drucksachen) 13445 Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 271. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FU (BP-Z) betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nrn. 4366, zu 4366, 4328 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Kemmer Die Ausschüsse für Fragen der Jugendfürsorge und für gesamtdeutsche Fragen haben in einer gemeinsamen Sitzung den interfraktionellen Antrag über die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der Jugendlichen, die aus der Sowjetzone geflohen sind, in der Form einstimmig angenommen, wie sie der Mündliche Bericht wiedergibt. Um das Problem zu kennzeichnen und schärfer zu umreißen, erscheinen einige Vorbemerkungen allgemeiner Art angebracht. In diesem Jahre sind im Januar über 2000, im Februar 2257, im März 4738, im April 4551, im Mai 3011 und vom 1. bis zum 7. Juni 972 Jugendliche von Berlin ausgeflogen worden. Seit Mitte Mai standen weniger Flugzeuge für diesen Zweck zur Verfügung. Daher geben die beiden letztgenannten Ziffern kein genaues Bild über die Gesamtzahl, da noch nicht alle Jugendlichen von Berlin ausgeflogen werden konnten. Schon rein zahlenmäßig steht man hier vor einer Aufgabe, die mit den üblichen Hilfsmaßnahmen nicht mehr gemeistert werden kann. Dazu kommt, daß diese Jugendlichen, geprägt durch das Sowjetsystem, nach nachhaltigen Erlebnissen unter diesem Regime, einsam und unerfahren, Opfer vieler Enttäuschungen, die auf überspannte Erwartungen folgten, einer besonderen Betreuung bedürfen, die geeignet ist, ihre menschliche, berufliche und gesellschaftliche Eingliederung zu bewirken und zu gewährleisten. In diesen Jugendlichen darf nicht das Gefühl entstehen, als ginge es ihnen heute besser, wenn sie bessere FDJler gewesen wären. Um eine gute Eingliederung zu erreichen, schlägt der Ausschuß zwar keine Patentlösung vor; wohl aber bietet der Antrag eine Fülle von Möglichkeiten dar, die je nach Art der Jugendlichen, nach den örtlichen Gegebenheiten und nach den Möglichkeiten der verschiedenen Trägergruppen ausgeschöpft werden können. Nur die wichtigsten Gesichtspunkte sollen erläutert werden. Zunächst waren die Ausschüsse sich einig in der Forderung, den Aufenthalt der Jugendlichen in Berlin so kurz wie irgend möglich zu halten. Unverzüglich soll ein zentrales Jugendlager eingerichtet werden, um es den Jugendlichen zu ersparen, von Stelle zu Stelle quer durch Berlin fahren und die verschiedenen Punkte passieren zu müssen, die zur Abwicklung des Aufnahmeverfahrens vorgesehen sind. Bis zur Schaffung eines zentralen Jugendlagers soll sich das ganze Notaufnahmeverfahren in den vorhandenen Jugendlagern abwickeln. In den Berliner Lagern sowohl wie in den Jugendauffanglagern Sandbostel und Westertimke ist die Zahl erfahrener Jugendbetreuer auf 1 : 15 zu erhöhen; desgleichen ist für eine ausreichende Zahl von Berufsberatern und Jugendvermittlern Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck sind die in allen Lagern tätigen Lagerdienste der Jugendverbände, die Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, die den Jugendlichen im Lager eine große Hilfe bedeuten, zu unterstützen und zu fördern. Auch in den Auffanglagern der Bundesrepublik soll der Aufenthalt möglichst kurz sein. Der Ausschuß warnt mit Nachdruck und mit allem Ernst vor der Täuschung, als ob mit der Vermittlung der Jugendlichen in irgendeine Arbeit das Problem gelöst sei. Man weiß, daß der weitaus größte Teil der Jugendlichen berufsfremd in die Landwirtschaft und den Bergbau vermittelt wird, wo sehr bald, oft schon nach den ersten Tagen die Fluktuation einsetzt und die Hälfte der Jugendlichen davonläuft. Weiter ist bekannt, daß mit der Vermittlung in den Beruf nach allen, was diese jungen Menschen an Leiden und Enttäuschungen erlebt haben, noch keineswegs eine gesellschaftliche oder gar staatspolitische Eingliederung vollzogen ist. Daher schlägt der Ausschuß nach dem Lageraufenthalt für solche Jugendliche, die nicht sofort den normalen und naturgegebenen Weg der Familienzusammenführung und der echten Vermittlung in den erlernten oder gewünschten Beruf unter gleichzeitiger Unterbringung in einem Jugendwohnheim oder bei einer guten Familie gehen können, in Gestalt einer Zwischenstufe verschiedene Lösungen bis zur endgültigen Eingliederung vor. Die Reihenfolge der Aufzählung dieser Hilfen bedeutet nun, wie ausdrücklich betont sei, nicht etwa eine Rangfolge oder einen verschiedenen Grad der Wertung; vielmehr handelt es sich um Möglichkeiten, die je nach der Art der Jugendlichen, nach den örtlichen Verhältnissen und nach den Bedingungen bei den verschiedenen Trägergruppen ausgeschöpft werden (Kemmer) können. Auch dazu nur einige kurze Erläuterungen. Den Jugendgemeinschaftswerken, von denen in Punkt 1 und 2 die Rede ist, obliegt eine doppelte Aufgabe: sie sollen einmal die geistige Akklimatisierung an die Arbeits- und Lebensbedingungen der westlichen Welt erleichtern, sie sollen zum zweiten die Eingliederung in den Arbeitsprozeß und in eine möglichst passende Arbeitsstelle, also eine individuelle Berufsvermittlung gewährleisten, die oft erst durchführbar ist, wenn man einen Jugendlichen schon länger kennt. Für Jugendliche, die in die Landwirtschaft vermittelt werden können, wohlgemerkt: in freie Stellen, da uns ja nicht damit gedient ist, künstlich Arbeit zu schaffen, ist die Einrichtung von Jugendgemeinschaftswerken von besonderer Bedeutung. Zwei Möglichkeiten haben sich hierbei bewährt: Zunächst da, wo es notwendig erscheint, die Unterbringung kleiner Gruppen in Heimen, von denen aus die Jugendlichen beim Bauern arbeiten; ferner dort, wo es möglich ist, die Unterbringung von Jugendlichen in Familien. In beiden Fällen ist entscheidend, daß sozialpädagogisch geschulte Betreuer den einzelnen Jugendlichen in allen einschlägigen Fragen beraten und überhaupt die Vermittlerrolle zwischen Jugendlichen und Bauern und zwischen Jugendlichen und den Behörden übernehmen. Für die in Jugendgemeinschaftswerken untergebrachten Jugendlichen übernimmt diese Funktion der Heimleiter, für die in Familien Untergebrachten, die ein offenes Gemeinschaftswerk bilden sollen, sollte auf etwa 25 bis 30 Jugendliche ein sozialpädagogisch geschulter Betreuer kommen, der diese Aufgaben wahrnimmt. Nach den gleichen Grundsätzen sollte auch die in die Hauswirtschaft vermittelte weibliche Jugend betreut werden. Nur so kann es gelingen, die verhängnisvolle und unerträgliche Fluktuation vor allem der berufsfremd in die Landwirtschaft und Hauswirtschaft vermittelten Jugendlichen zu verhüten und sie etwa nach einem halben Jahr in den erlernten, gewünschten oder zumindest zumutbaren Beruf zu vermitteln. Um aber die zweckmäßige und endgültige Unterbringung zu fördern und zu erleichtern, ist es unerläßlich, bei allen Landesarbeitsämtern eine zentrale Kartei einzurichten und durch eigene Berufsberater und Jugendvermittler den Jugendlichen mit Hilfe der verschiedenen Überbrückungsmaßnahmen eine zuverlässige Berufsvermittlung zu gewährleisten. Manche Sonderprobleme entstehen für Schüler und Studenten, für Jugendliche mit abgebrochener Lehrausbildung, für die weibliche Jugend und für reine Sozialfälle. Für diese Gruppen müssen die Richtlinien weiter gefaßt werden; es gilt, die Ausbildung zu sichern. Schülern höherer Lehranstalten muß in Internatsoberschulen die Möglichkeit zum Abitur gegeben werden, da in den meisten Fällen kein Schulsystem und kein Lehrplan anwendbar ist. Abiturienten, die die Reifeprüfung nach 1951 bestanden haben und deren Abitur nicht anerkannt wird, soll durch besondere Einrichtungen Gelegenheit zur Erlangung der Universitätsreife geboten werden. Für Studierende muß ein Weg zur Finanzierung der ersten beiden Semester gefunden werden, da nach dem bisherigen System erst dann Stipendien gewährt werden können. Für Jugendliche am Ort der endgültigen Eingliederung sind im Antrag eine Reihe von Hilfen vorgesehen, die die Eingliederung erleichtern sollen. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 4. Darin wird die Bundesregierung ersucht, einen Aufruf an den Bundesjugendring und die Jugendverbände zur Aufnahme aller Jugendlichen aus der sowjetischen Besatzungszone in Jugendgruppen und an die Bevölkerung zur Übernahme von Patenschaften durch einheimische Familien zu erlassen. Die Gelassen- heit und Teilnahmslosigkeit weitester Kreise der Bevölkerung und der Öffentlichkeit am Schicksal dieser Jugend ist eine ebenso große Gefahr wie die Verkennung der Probleme und die irrtümliche Meinung, es sei ja schon alles getan. Der Bundesjugendring hat bereits einen Aufruf an die ihm angehörenden Verbände erlassen. Es bedarf aber noch eines Appells an die gesamte Öffentlichkeit, der das große Anliegen an alle Schichten des Volkes heranträgt. Weiter wird die Bundesregierung ersucht, zur Finanzierung aller vorgeschlagenen Maßnahmen die Möglichkeiten des AVAVG und des Gesetzes zur Änderung des AVAVG sowie andere finanzielle Hilfen wie Lastenausgleich, Sondermittel zur Eingliederung von Sowjetzonenflüchtlingen, sozialer Wohnungsbau usw. voll auszuschöpfen und durch geeignete Maßnahmen für eine zweckmäßige Koordinierung der Mittel zu sorgen. In diesem Zusammenhang hat man es im Ausschuß sehr beklagt — und alle Praktiker haben es bestätigt —, daß das Labyrinth von Verordnungen und Zuständigkeiten nachgerade undurchdringlich und die Beherrschung der Materie zu einer Wissenschaft besonderer Art geworden ist. Daher wird die Bundesregierung besonders eindringlich gebeten, zu allen im Antrag verlangten Maßnahmen Erlasse und Richtlinien herauszugeben, die es den Trägern und den Heimleitern erlauben, ohne Zuziehung von Spezialgelehrten ihre Anträge wenn irgend möglich an nicht allzu viele Instanzen zu stellen. Die Schwierigkeit liegt in den verschiedenen Sozialgesetzen, durch die eben verschiedenartige Gleise gelegt werden. Aber vielleicht gelingt durch eine richtige Weichenstellung auf dem Verwaltungswege doch eine Koordinierung. Der Ausschuß richtet an die Bundesregierung schließlich die dringende Bitte, sich bei der Ausarbeitung der Richtlinien der Erfahrungen der Trägergruppen zu bedienen, die bisher diese Arbeit geleistet haben, und angesichts der Dringlichkeit des Problems dem Bundestag Planung und Richtlinien bis zum 30. Juni vorzulegen. Bonn, den 12. Juni 1953 Kemmer Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Ja, ich weiß! Sie auch schon, Herr Präsident!
    Der § 3 a Abs. 1 hat hier im Entwurf folgende Fassung:
    Bei der Aufstellung von Richtlinien und Richtsätzen muß die Beteiligung von Personen aus
    den Kreisen der Hilfsbedürftigen gesichert sein.
    Ich frage nun alle Fachleute in diesem Hause, ob
    es eine Möglichkeit gibt, diesen Paragraphen buchstabenmäßig zu realisieren. Es gibt keine Organisation von Hilfsbedürftigen. Die Hilfsbedürftigen
    sind ein Personenkreis, der zahlenmäßig und in seiner Zusammensetzung dauernden Schwankungen
    unterworfen ist. Es gibt also gar keine Möglichkeit,
    den Hilfsbedürftigen in diese Mitbestimmung einzuschalten, es sei denn, daß Sie ein Gesetz schaffen,
    daß die Personen, die diese Hilfsbedürftigen zu vertreten berechtigt sind, etwa in der Form einer
    Wahl wie zu den Krankenkassenvorständen zu
    wählen sind. Wenn Sie das nicht tun, bleibt das,
    was hier steht, eine absolut inhaltlose Deklaration.

    (Widerspruch bei der CDU.)

    — Sie können mich ja nachher berichtigen. (Abg. Junglas: Das werden wir dann auch tun!)

    Es gibt keine Organisation der Hilfsbedürftigen. Dieser Personenkreis ist organisationsmäßig nicht zusammengefaßt.

    (Abg. Junglas: Es gibt j a auch keinen Stand der Hilfsbedürftigen!)

    — Eben! Warum schreiben Sie denn hier wider die Wahrheit hinein, daß die Mitarbeit von Personen aus den Kreisen der Hilfsbedürftigen bei der Aufstellung von Richtsätzen gesichert sein soll? Warum steht denn das darin? Das ist eine vollkommen leere, inhaltlose Deklaration.
    Wer stellt die Fürsorgerichtsätze auf? Eine Frage an die Fachleute: Wer stellt sie auf? Die parlamentarischen Körperschaften in den Selbstverwaltungsorganisationen, die Gemeindevertretungen, die Kreisvertretungen etwa? Nein, die stellen sie nicht auf.

    (Abg. Junglas: Wer denn?)

    Nein, die stellen sie nicht auf! Stellen sie die Bezirksfürsorgeverbände auf? Nein, sie stellen sie nicht auf! Stellen etwa die Wohlfahrtsausschüsse in den Gemeinden die Richtsätze auf? Nein, sie stellen sie nicht auf. Die Richtsätze werden aufgestellt durch Anordnungen der zuständigen Landesinnenminister, das ist der Regelfall,

    (Abg. Junglas: I wo!)

    und die parlamentarischen Vertretungen in den Gemeinden sind für diese Regelung sehr dankbar. Diese Regelung entbindet sie nämlich von der Verpflichtung, diese elenden Wohlfahrtsrichtsätze, die z. B. bei uns im Lande seit zwei Jahren keine Aufbesserung erfahren haben, politisch vor den Bürgern der Gemeinde zu verantworten. Die Adenauer-Koalition in der Gemeinde ist geradezu dankbar dafür, daß ihr die höhere Instanz die Festlegung dieser Richtsätze abgenommen hat. Das macht man natürlich nicht in der plumpen Form eines Diktats; man macht es in der Form, daß man sagt: „Wenn die Gemeinden dazu übergehen, höhere Leistungen zu gewähren, als von uns für notwendig und richtig erachtet wird, dann sperren wir die Landeszuschüsse."

    (Abg. Junglas: Wo ist denn das geschehen?)

    Da in der Kriegsfolgenhilfe durchschnittlich etwa 85 % der Leistungen von den Ländern getragen werden, haben die Länderregierungen damit eine geradezu wunderbare Waffe in der Hand, unten in den Gemeinden die Höhe der Wohlfahrtsrichtsätze zu bestimmen.

    (Abg. Junglas: Haben Sie einen Fall, wo das passiert ist?)



    (Renner)

    — Ich habe nicht nur e in en Fall! Lieber Freund,
    Sie müssen auf dieser Plattform mit mir nicht diskutieren. Ich bilde mir ein, über diesen Fragenkomplex mitreden zu dürfen und mitreden zu können.

    (Abg. Junglas: Aber auf der falschen Ebene!)

    Wer mich persönlich kennt, der weiß, daß ich ein Recht habe — auf Grund dreißigjähriger Arbeit in dem Sektor —, sachlich darüber zu diskutieren. So liegen die Dinge.

    (Zuruf von der CDU.)

    — Wenn Sie mich korrigieren wollen, bin ich gern bereit, nachher Ihre Korrektur entgegenzunehmen und mich dann zu dieser Korrektur zu äußern.
    So ist es also im Augenblick in den Gemeinden, und das ist, wie gesagt, ein den Koalitionsparteien in den Gemeinden, diesen kleinen Adenauers und kleinen Schäffers in den Gemeinden

    (Heiterkeit)

    sehr erwünschter Zustand. Sie können dann auf den großen Bruder in Düsseldorf oder Gott weiß irgendwo hinweisen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Den großen Renner! — Heiterkeit.)

    — Sie waren auch schon mal geistreicher!


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wir wollen heute nicht nur Retourkutsche fahren, Herr Renner! (Heiterkeit.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Um dem Dilemma abzuhelfen, daß die berufenen parlamentarischen Körperschaften in den Kreisen und Gemeinden keine Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Höhe der Wohlfahrtsrichtsätze haben, haben wir vorgeschlagen, dem § 3 a Abs. 1 folgende Fassung zu geben:
    Für die Aufstellung von Richtlinien und Richtsätzen sind die Kreis- und Gemeindevertretungen zuständig. Bei der Aufstellung von Richtlinien und Richtsätzen haben Hilfsbedürftige selber das Mitbestimmungsrecht.
    Um den letzten Satz noch einmal klarzumachen: Wir sind der Meinung, daß diese Vertreter der Hilfsbedürftigen durch Wahlen aus dem Kreis der Hilfsbedürftigen heraus genommen werden müssen. Was Sie nämlich unter Beteiligung von Hilfsbedürftigen verstehen, verraten Sie in § 3 a Abs. 3. Da heißt es nämlich ziemlich ehrlich und leichtverständlich:
    Neben oder an Stelle von Personen aus den Kreisen der Hilfsbedürftigen können auch Vertreter derselben, insbesondere solche ihrer Vereinigungen, herangezogen werden.
    Wo gibt es denn diese Vereinigungen? Aber dann werden Sie deutlicher:
    N e b en Personen aus den Kreisen der Hilfsbedürftigen oder Vertretern ihrer Vereinigungen ist die Heranziehung von Vertretern von Vereinen zulässig, die Hilfsbedürftige betreuen.
    Dazu ein Wort: Wir sind keineswegs der Auffassung, daß die karitativen Verbände bei dieser Arbeit, bei der Festsetzung der Wohlfahrtsrichtsätze ausgeschaltet werden sollen. Wir denken das Gegenteil.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Von dem, was Sie sagen, immer!)

    Obwohl Sie durch Ihre Minister in den Ländern auf Grund der verfassungswidrigen Anordnung unseres Polizeiministers gewisse Organisationen aus diesem Arbeitsgebiet ausschalten, sind wir im Prinzip dafür, daß die karitativen Verbände in diese Arbeit eingeschaltet werden.
    Aber wir wollen auch ein direktes Mitwirkungsrecht auf der Basis der Mitbestimmung der hilfsbedürftigen Personen selber, und wir wollen es Ihnen durch diese Neuformulierung vor allen Dingen unmöglich machen, die Dinge so darzustellen, als hätten Sie mit der Vorlage die Mitwirkung der Hilfsbedürftigen selber in irgendeiner Form gesichert. Das haben Sie nicht. Vielleicht sagen Sie mir dann, woher die Hilfsbedürftigen geholt werden sollen, wer die bestimmen soll. Vielleicht sind Sie so freundlich und sagen mir das nachher. Ich bin nicht der Mann, der sich nicht belehren läßt, wenn
    erforderlich ist. Aber ich glaube nicht, daß Sie mich belehren können.

    (Zuruf von rechts: Vorsichtig!)

    Darf ich dann zu Art. I b noch etwas sagen, zu der Formulierung auf Seite 4 des Entwurfs:
    Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über Voraussetzung, Art und Maß der Hilfe zur Erwerbsbefähigung und zur Berufsausbildung erlassen und für die zu gewährenden Beihilfen Pauschalbeträge festsetzen.
    In dieser von Ihnen gebilligten Formulierung ist der Beweis dafür enthalten, was ich vordem gesagt habe. Mit dieser Formulierung ist sichergestellt, daß der Bundesarbeits- und der Polizeiminister die Wohlfahrtspflege im Bundesgebiet in der Höhe des Richtsatzes und auch in der Höhe der ergänzenden Fürsorge festlegen. Wenn der Herr Bundespolizeiminister die Wohlfahrtsrichtsätze festlegt, dann verewigen Sie doch damit den Zustand, den ich kritisiert habe, der augenblicklich besteht, daß unten in der Gemeinde die unserer Überzeugung nach berufenen parlamentarischen Körperschaften bei der Festsetzung der Wohlfahrtsrichtsätze ausgeschaltet sind. Mit diesem Paragraphen beweisen Sie also geradezu die Richtigkeit unserer Darstellung zum tatsächlichen Sachverhalt, der augenblicklich und seit Jahr und Tag in den Gemeinden und Kreisen existiert.
    Wir sind der Meinung, daß die Festsetzung der Wolfahrtsrichtsätze Sache der parlamentarischen örtlichen oder Kreisvertretungen und Körperschaften ist. Wir sind der Auffassung, daß Schluß gemacht werden muß mit dem Zustand, daß man sich unten in den Kreisen und Gemeinden für die erbärmlichen Wohlfahrtsrichtsätze, deren Erbärmlichkeit ja sogar niemand von Ihnen unten an der Basis zu bestreiten wagt, mit der Begründung entschuldigen kann: Wir dürfen nicht, wir können nicht; der große Vater in Düsseldorf oder in Bonn verbietet uns das! Mit diesem Zustand muß Schluß gemacht werden. Wir wollen auch in der Frage die volle Selbstverwaltung in der Gemeinde und die tatsächlich garantierte Mitwirkung des Personenkreises der Bedürftigen, der Unterstützungsberechtigten selber. Darum haben wir diesen Antrag gestellt, und wir bitten Sie, dieser Änderung zuzustimmen.

    (Beifall bei der KPD.)