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    Deutscher Bundestag — 263. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. Mai 1953 12791 263. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. Mai 1953. Geschäftliche Mitteilungen 12792C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Wittenburg und Hagge 12793A Nächste Fragestunde, — Sperrfrist für die Einreichung von Fragen 12793B Änderungen der Tagesordnung 12793B Kleine Anfrage Nr. 332 der Fraktionen der FDP, DP, FU betr. Erklärung des Rates der Freien Tschechoslowakei vom 4. Juli 1952 (Nrn. 4235, 4309 der Drucksachen) . 12793A Kleine Anfrage Nr. 333 der Fraktion der SPD betr. Verbesserung der Leistungen der Rentenversicherungen (Nrn. 4269, 4314 der Drucksachen) 12793A Frage 1 der Kleinen Anfrage Nr. 334 der Fraktion der SPD betr. Einbeziehung von Berlinern in die Zusatzversorgungsanstalt des Bundes und der Länder sowie in die Zusatzkasse der Bundesbahnversicherungsanstalt (Nrn. 4270, 4315 der Drucksachen) 12793A Frage 2 der Kleinen Anfrage Nr. 334 der Fraktion der SPD betr. Einbeziehung von Berlinern in die Zusatzversorgungsanstalt des Bundes und der Länder sowie in die Zusatzkasse der Bundesbahnversicherungsanstalt (Nrn. 4270, 4310 der Drucksachen) 12793B Erste Beratung des Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung und des Entwurfs eines Gesetzes über die Beschränkung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Nr. 4278 der Drucksachen) 12793C Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12793C Erste Beratung des von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Kaffeesteuergesetzes (Nr. 4057 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Kaffeesteuergesetzes (Nr. 4266 der Drucksachen) sowie mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Teesteuergesetzes (Nr. 4267 der Drucksachen) 12793C Dr. Besold (FU), Antragsteller . . 12793D Frau Lockmann (SPD), Antragstellerin 12795A, C Gundelach (KPD) 12795B Peters (SPD) 12796B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sowie an den Haushaltsausschuß 12797B Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Nrn. 4311 der Drucksachen, Umdruck Nr. 886) 12793B, 12797B Dr. Fricke (DP), Berichterstatter . . 12797C Dr. Kreyssig (SPD) 12798A Niebes (KPD) 12799C Naegel (CDU) 12799D Abstimmungen 12797D, 12800A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung (Nr. 4092 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 4294 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 887 bis 891, 893, 894) 12793B, 12800C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 12800C, 12814A Wirths (FDP) 12807C Walter (DP) 12807D Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . 12808A, 12809C, 12810C, 12811D, 12813B Renner (KPD) 12808C, 12815B Seuffert (SPD) . . 12808D, 12810A, 12812A, 12813D, 12814D Dr. Meitinger (FU) 12810D Frau Lockmann (SPD) 12811A Niebes (KPD) 12811C Dr. Miessner (FDP) 12812D Raestrup (CDU) 12814B Abstimmungen 12807B, C, 12808A, B, C, 12810D, 12811B, 12812C, 12813A, 12814A, 12815A, 12817B Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 4296 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Bundesversorgungsge- setzes (Nr. 4177 der Drucksachen) . . . . 12817C Storch, Bundesminister für Arbeit 12817C, 12821D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 12818A Frau Dr. Probst (CSU) 12818C Maerkl (FU) 12819B Bazille (SPD) 12819C, 12825B Dr. Mende (FDP) 12822A Renner (KPD) 12824A Arndgen (CDU) 12825C Löfflad (DP) 12826A Überweisung an den Kriegsopfer- und an den Haushaltsausschuß 12826B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland (Nr. 4295 der Drucksachen) . . . . 12826C Überweisung an den Kriegsopfer- und an den Rechtsausschuß 12826C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz) (Nr. 3430 der Drucksachen); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (Nr. 4292 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 892, 895) 12826C Geritzmann (SPD): als Berichterstatter 12826D Schriftlicher Bericht 12839 Kohl (Stuttgart) (KPD) 12827A, 12829B, C, D, 12830C, 12831A, C Günther (CDU) 12827C, 12830A Renner (KPD) 12827D, 12833A Pohle (SPD) 12832B Dr. von Golitschek (FDP) 12832C Dr. Atzenroth (FDP) 12832D Schmücker (CDU) 12833C Abstimmungen . . . 12827B, 12829A, C, 12830B, 12831A, B, D, 12833B, D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der Steigerungsbeträge und Grundbeträge in der Rentenversicherung der Angestellten (Nr 4271 der Drucksachen) 12834A Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 12834A Storch, Bundesminister für Arbeit 12834D Horn (CDU) 12835A . Richter (Frankfurt) (SPD) 12835D Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß 12836C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau (Nr. 3611 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 4290 der Drucksachen) 12836D Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Berichterstatter 12836D Beschlußfassung 12838A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der tierischen Erzeugung (Tierzuchtgesetz) (Nr. 4161 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 4272 der Drucksachen) 12838A Schill (CDU), Berichterstatter . . 12838B Beschlußfassung 12838C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 885) 12838D Beschlußfassung 12838D Nächste Sitzung 12793B, 12838D Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Entwurf eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Nr. 4292 der Drucksachen) 12839 Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 263. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz) (Nrn. 3430, 4292 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Geritzmann. A. Behandlung des Gesetzentwurfs im Bundestag In der 219. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 18. Juni 1952 wurde der Entwurf eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz) — Drucksache Nr. 3430 — dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zur federführenden Behandlung unter Beteiligung des Ausschusses für Arbeit überwiesen. Der Kriegsopferausschuß hielt am 27. Juni 1952 eine öffentliche Informationssitzung ab, um den interessierten Organisationen und Dienststellen Gelegenheit zu geben, ihre Stellungnahme zum Regierungsentwurf mündlich vorzutragen. Ferner unternahm der Ausschuß vier Besichtigungsfahrten, um sich über die Besonderheiten der Beschäftigung Schwerbeschädigter in einigen Wirtschaftsbetrieben, über die Durchführung der Arbeitsvermittlung und über die Tätigkeit und Zusammenarbeit der Landesarbeitsämter, Arbeitsämter und Hauptfürsorgestellen bei Durchführung der Gesetze über die Beschäftigung Schwerbeschädigter an Ort und Stelle zu unterrichten. In insgesamt 31 Vollsitzungen und 11 Sitzungen von 3 Unterausschüssen hat der Ausschuß — soweit erforderlich unter Hinzuziehung von Sachverständigen — den Gesetzesstoff eingehend durchberaten. Anfang Februar 1953 wurden die bis dahin gefaßten Beschlüsse des Ausschusses in einer Gegenüberstellung mit dem Regierungsentwurf allen beteiligten Verbänden und Dienststellen zur schriftlichen Stellungnahme übersandt. Der Ausschuß für Arbeit befaßte sich am 27. März und 15. April 1953 mit dem Entwurf. B. Inhalt und Aufbau des Gesetzentwurfs Mit dem Entwurf des Schwerbeschädigtengesetzes soll die in § 27 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes enthaltene Ankündigung verwirklicht werden, die Beschaffung von Arbeitsplätzen für Beschädigte und Hinterbliebene sowie den Arbeitsschutz durch besonderes Gesetz zu regeln. Ein Schwerbeschädigtengesetz, das den Schwerbeschädigten für die Aufnahme und Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit Hilfe und Schutz bietet, besteht bekanntlich seit über 30 Jahren. Es hat sich als eines der wertvollsten sozialpolitischen Gesetze erwiesen. Doch die Pflichtquote für die Beschäftigung Schwerbeschädigter von 2 v. H. der Arbeitsplätze und gewisse andere Vorschriften genügten nicht mehr, um der Not der schwerbeschädigten Kriegs- und Arbeitsopfer zu steuern, deren Zahl durch den zweiten Weltkrieg um mehr als das Dreifache gestiegen war. Man half sich nach dem Zusammenbruch bis 1949 durch Gesetze und Verordnungen auf Zonen- und Länderebene, zunächst vielfach sogar auf noch kleinerer regionaler Ebene. Die hierdurch eingetretene verwirrende Rechtszersplitterung durch einheitliches Bundesrecht zu ersetzen, das den Nachkriegserfordernissen Rechnung trägt und die in neuerer Zeit gewonnenen Erfahrungen verwertet, ist der Zweck des neuen Gesetzes. Besondere Bedeutung kommt der Abgrenzung des Personenkreises, der Festsetzung der Pflichtquote, der Förderung der Beschäftigung von Kriegerwitwen und der Regelung der Ausgleichsabgabe bei Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht zu. Darauf wird bei Behandlung der einzelnen Abschnitte noch eingegangen. Die weitaus meisten Schwierigkeiten bei den Vorarbeiten ergaben sich bei Beratung der Vorschriften über die Regelung der Zuständigkeiten für die Durchführung. Obwohl der Kriegsopferausschuß den ernsten Willen aller beteiligten Dienststellen, den Schwerbeschädigten die beste gesetzliche Hilfe zu geben, durchaus anerkennt, hatte er doch den Eindruck, daß der Regierungsentwurf bei der Wahl des einzuschlagenden Weges sich zu stark von wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten hat leiten lassen. Der Kriegsopferausschuß betrachtet das Schwerbeschädigtengesetz in erster Linie als Fürsorgegesetz und ist der Auffassung, daß die praktische Durchführung nur auf dem Boden für- (Geritzmann) sorgerischen Denkens und Fühlens fruchtbar sein kann. Die Bundesregierung ihrerseits ist der Auffassung, daß es sich primär um ein Arbeitsvermittlungsgesetz mit besonderem fürsorgerischen Einschlag handelt und die wirksamste tatsächliche Hilfe bei der Eingliederung dieses Personenkreises in das Arbeitsleben durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben unter selbstverständlicher Beachtung der Fürsorge- und Betreuungsbedürftigkeit des Personenkreises geleistet werden könne. Auch Sparsamkeitsgesichtspunkte wurden hierfür angeführt. Der Kriegsopferausschuß hat sich diesen Erwägungen insoweit nicht verschlossen, als er die Arbeitsvermittlung und die hiermit in engem Zusammenhang stehenden Aufgaben den Dienststellen der Bundesanstalt übertragen will. Die an sich erwünschte Lösung, die Arbeit der Hauptfürsorgestellen und der Bundesanstalt im Interesse einer engen Zusammenarbeit an das gegenseitige Einvernehmen zu binden, war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Um so mehr erwies sich eine klare Abgrenzung und Feststellung der Zuständigkeiten von Fürsorge und Arbeitsverwaltung als notwendig. Unterschiedliche Auffassungen zwischen dem Kriegsopferausschuß und dem Ausschuß für Arbeit, die noch nicht restlos bereinigt werden konnten, haben sich nur in folgenden Punkten ergeben: § 2 Abs. 1 und 2 des Entwurfs in der Fassung des Kriegsopferausschusses sieht vor, daß für die Gleichstellung bestimmter Gruppen körperbehinderter Personen, die nicht Schwerbeschädigte nach § 1 sind, mit den Schwerbeschädigten die Hauptfürsorgestellen zuständig sein sollen. Bundesregierung und Ausschuß für Arbeit halten die Zuständigkeit der Bundesanstalt für notwendig. Man ist dort der Auffassung, daß nur die Bundesanstalt, die die Arbeitsvermittlung sowohl für Schwerbeschädigte als auch für die sonstigen Beschädigten durchführt, den Umfang der nicht besetzten oder noch zu gewinnenden Pflichtplätze für Schwerbeschädigte und die Vermittlungshemmnisse im Einzelfall kennt, zu beurteilen in der Lage ist, ob die Gleichstellung notwendig ist und ob sie zu einer Beeinträchtigung der Unterbringung Schwerbeschädigter führt. Der Kriegsopferausschuß hingegen konnte in dieser Frage seinen Standpunkt nicht aufgeben. Die Gleichstellung betrachtet er in besonderem Maße als einen Fürsorgeakt, der zu den umfangreichen sonstigen Fürsorgebemühungen oft den unumgänglich notwendigen Schlußstein bilden muß, um einen Fürsorgebedürftigen vor dem wirtschaftlichen Abgrund zu bewahren oder das Schicksal einer notleidenden Familie wieder freundlicher zu gestalten. Nach allen Erfahrungen in den vergangenen Jahrzehnten besteht keinerlei Gefahr, daß die Hauptfürsorgestellen von der Gleichstellungsbefugnis in zu großem Umfang Gebrauch machen werden. In § 4 hat der Kriegsopferausschuß entsprechend den Wünschen des Ausschusses für Arbeit für die Bestimmung von Arbeitsplätzen für Schwerstbeschädigte (Absatz 1 Satz 2) und für Anrechnungen auf die Pflichtquote in bestimmten Fällen (Absätze 3 und 4) die Zuständigkeit der Bundesanstalt vorgesehen, allerdings mit der Einschränkung, daß der Hauptfürsorgestelle das Vorschlagsrecht eingeräumt werden soll. Dem Einwand, daß durch eine Anrechnungsbefugnis der Hauptfürsorgestellen Unordnung in das Überwachungsverfahren der Bundesanstalt hineingetragen würde, ist damit begegnet; andererseits ist sichergestellt, daß in diesen Angelegenheiten, die ausschließlich die Schwerstbeschädigten oder die am schwersten unterzubringenden Beschädigten betreffen, die Hauptfürsorgestelle die Initiative behält. Auch zu § 8 Abs. 4 ist der Kriegsopferausschuß in etwa den Wünschen des Arbeitsausschusses gefolgt und damit einverstanden, daß die Bundesanstalt für die Anrechnung von höchstens 2 Kriegerwitwen auf einen Pflichtplatz für Schwerbeschädigte zuständig sein soll. Während der Ausschuß für Arbeit jedoch nur das Benehmen mit der Hauptfürsorgestelle hergestellt wissen will, wünscht der Kriegsopferausschuß, daß die Anrechnung auf Vorschlag der Hauptfürsorgestelle erfolgen soll. Der Ausschuß für Arbeit verweist auf die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesanstalt für die Arbeitsvermittlung der Witwen und Ehefrauen, während der Kriegsopferausschuß auch diese Angelegenheit vom fürsorgerischen Standpunkt betrachtet. Insgesamt kann nach langwieriger und hingebungsvoller Arbeit aller Beteiligten eine erfreuliche Annäherung und Übereinstimmung der Auffassungen festgestellt werden. Der Erlaß gerade dieses Gesetzes ist außerordentlich dringend. Niemand wird die Verantwortung übernehmen wollen oder können, die Annahme des Gesetzes wegen der erwähnten geringfügigen Streitpunkte zu verzögern, denn viele Schwerbeschädigte draußen im Lande setzen auf dieses seit langem erwartete Gesetz ihre einzige große Hoffnung, wieder Arbeit zu erhalten. Aus 38 Paragraphen, die der Regierungsentwurf vorsah, sind nach den Beschlüssen des Kriegsopferausschusses 42 Paragraphen geworden. Die Einteilung in 9 Abschnitte ist die gleiche geblieben. Bei der folgenden Behandlung einzelner Vorschriften des Entwurfs kann nur auf die bedeutendsten Anderungen gegenüber dem Regierungsentwurf eingegangen werden. C. Der Entwurf im einzelnen Erster Abschnitt: Geschützter Personenkreis Bei der Abgrenzung des Personenkreises muß davon ausgegangen werden, daß der Schutz und die Wirksamkeit um so geringer ist, je größer der Personenkreis gezogen wird. Mit Rücksicht auf die außerordentlich angestiegene Zahl der Kriegsopfer nach dem zweiten Weltkrieg mußte der Ausschuß gegenüber den Wünschen auf Erweiterung des Personenkreises leider kurztreten. In den bisherigen Personenkreis der schwerbeschädigten Kriegs- und Arbeitsopfer hineingenommen sind jedoch die politisch Verfolgten mit Erwerbsminderungen um wenigstens 50 v. H., die ebenso wie die Kriegs- und Arbeitsopfer im Dienst für das ganze Volk zu Schaden gekommen sind, die Zivilblinden, die schon bisher unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Gleichstellung mit den Schwerbeschädigten hatten, sowie die Besatzungspersonenbeschädigten, bei denen das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 1945 eingetreten ist; die Besatzungspersonenbeschädigten nach dem ersten Weltkrieg sind bereits durch Einbeziehung in das Bundesversorgungsgesetz Schwerbeschädigte nach § 1 Abs. 1 Buchst. a. Andererseits sind zwei Personenkreise, die der Regierungsentwurf in den Personenkreis der Schwerbeschädigten hineingenom- (Geritzmann) men hatte, und zwar die Gehörlosen und (für eine Beschäftigung im Bergbau) die Bergmannsversorgungsscheininhaber, nach Anhörung von Sachverständigen und eingehender Beratung aus § 1 wieder herausgenommen worden. Bei der schon erwähnten notwendigen engen Abgrenzung des Personenkreises konnte der Ausschuß den Gehörlosen die Schwerbeschädigteneigenschaft nicht zuerkennen, weil ihre körperliche Beeinträchtigung anderer Art ist als die der Schwerbeschädigten; auf dem für sie geeigneten Arbeitsplatz sind sie nicht behindert, in gewissen Beschäftigungen sogar besser geeignet als hörende Arbeitskräfte. Ihre Arbeitsbetreuung wird sich deshalb in erster Linie auf die Sicherstellung der Eignung des Arbeitsplatzes und seiner Umgebung richten müssen, ohne daß Arbeitsplätze der Schwerbeschädigten beansprucht werden müssen. Bei den Bergmannsversorgungsscheininhabern mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 50 v. H. ist in Abänderung des Regierungsentwurfs nur die Anrechenbarkeit auf Pflichtplätze im Bergbau (§ 6 Abs. 4), nicht aber die Zuerkennung der Schwerbeschädigteneigenschaft mit ihren sonstigen Vorteilen vorgesehen. Hinsichtlich der Gleichstellungen — § 2 — ist noch zu erwähnen, daß im wesentlichen die bisherigen Vorschriften übernommen worden sind. Abweichend hiervon soll bei den in Absatz 1 genannten Minderbeschädigten nicht mehr wie früher die Voraussetzung gelten, daß die Unterbringung der Schwerbeschädigten nicht beeinträchtigt wird. Es kommen fast nur die minderbeschädigten Kriegsopfer in Betracht, denen durch das Schwerbeschädigtengesetz eine Besserstellung verschafft werden muß, weil die Schwierigkeiten ihrer Unterbringung auf den gleichen Ursachen wie bei den Schwerkriegsbeschädigten beruhen, zumal sie bei den Vorschriften über die Ausgleichsrente im Bundesversorgungsgesetz nicht in ausreichendem Maße bedacht werden konnten. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit, den das Versorgungsamt festsetzt, ist im übrigen nicht gleichbedeutend mit dem Grad der Vermittlungsfähigkeit, der bei Minderbeschädigten oft geringer ist als bei manchen Beschädigten mit schweren Körperschäden. Die Frage der Zuständigkeit für Gleichstellungen ist bereits behandelt. Zweiter Abschnitt: Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber Zu § 3 schlägt der Kriegsopferausschuß vor, in den Kreis der in Anspruch zu nehmenden Arbeitgeber allgemein solche mit 7 und mehr Arbeitsplätzen einzubeziehen und die Pflichtquote für Betriebe nicht auf 6, sondern auf 8 v. H. festzusetzen. Damit würde im Bundesgebiet die Regelung getroffen, die in der amerikanischen Zone schon jetzt besteht. Im Grundsatz hält es der Ausschuß für günstiger, den Arbeitgebern von vornherein die Größe der Aufgabe deutlich zu machen und im Einzelfall er einen Nachlaß zu gewähren, als über die gesetzliche Quote hinauszugehen. Die Absätze 2 und 4 bieten ausreichende Handhaben, den Umfang der Beschäftigungspflicht den praktischen Notwendigkeiten und der verschiedenen Aufnahmefähigkeit in Verwaltung und Wirtschaft anzupassen. Zur Beurteilung des Gesamtumfanges der zu schaffenden Pflichtplätze läßt sich eine genaue Rechnung nicht aufstellen; jedoch schon nach den Schätzungen der Bundesregierung verbleibt bei der von ihr vorgeschlagenen Pflichtquote von 6 v. H. eine Fehlzahl von einigen zehntausend Pflichtplätzen, deren Ausgleich die Bundesregierung von der freiwilligen Entschließung der Arbeitgeber zur Aufnahme von Schwerbeschädigten und einer Erhöhung der Quoten für einzelne Zweige der Wirtschaft und im Einzelfall erwartet. Der Kriegsopfer- und mit ihm der Arbeitsausschuß konnte diesen Überlegungen nicht folgen, da durch eine Reihe von Umständen und Anrechnungsmöglichkeiten Pflichtplätze für die eigentlichen Schwerbeschädigten ausfallen werden. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß z. B. das Land Bayern im Falle der Beibehaltung der Fassung des Regierungsentwurfs den Verlust von 33 000 Arbeitsplätzen für Schwerbeschädigte und hierdurch große Unruhe und vergrößerte Arbeitslosigkeit unter den Schwerbeschädigten befürchtet. Der Ausschuß bittet daher, seinem Vorschlag zu folgen, und erwartet von der Bundesanstalt, daß die Arbeitgeber bei Durchführung des Gesetzes nicht über das erforderliche Maß hinaus in Anspruch genommen werden. Bei den §§ 4 bis 7 ist es im wesentlichen nur zu kleinen Verfeinerungen gekommen, die keine grundsätzliche Bedeutung haben. Am bedeutsamsten erscheint, daß in kleinen Betrieben der Arbeitgeber selbst, wenn er Schwerbeschädigter ist, und auch in gewissem Umfange die in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber lebenden Verwandten und Verschwägerten auf den Pflichtplatz angerechnet werden sollen. In § 8 sind zugunsten der Witwen und Ehefrauen von Kriegs- und Arbeitsopfern gegenüber dem Regierungsentwurf zusätzlich Maßnahmen zur Arbeits- und Berufsförderung vorgesehen. Zu § 9, der die Erhebung einer Ausgleichsabgabe bei Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht vorsieht, war die Höhe der Abgabe stark umstritten. Die eine Seite hielt den Betrag von 50,— DM, insbesondere für kleinere Betriebe, für zu hoch, während die andere Seite als Ausgleich für die Nichtbeschäftigung eines Schwerbeschädigten die Zahlung eines Betrages bis zur Höhe eines vollen oder halben Monatslohnes forderte. Der Ausschuß hält den Betrag von 50,— DM unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Geldwertes für angemessen und verweist auf die in Absatz 3 vorgesehene Möglichkeit der Herabsetzung oder des gänzlichen Erlasses. Aus fürsorgerischen Gründen hält der Ausschuß ferner eine geringe Erweiterung des Verwendungszwecks der aufkommenden Gelder für notwendig. Dritter Abschnitt: Besondere Pflichten der Arbeitgeber und Betriebsräte, Vertrauensmann der Schwerbeschädigten In § 11 ist die in Absatz 2 des Regierungsentwurfs vorgesehene Verpflichtung der Arbeitgeber zur Erstattung von Einzelanzeigen über Entlassungen und sonstige Vorgänge gestrichen worden, deren Kenntnis an sich notwendig ist, um den Stand der Erfüllung der Beschäftigungspflicht für den einzelnen Arbeitgeber zu beurteilen. Diese Kenntnis muß sich das Arbeitsamt auf anderem Wege, und zwar mit Hilfe der Krankenkassenanzeigen nach § 24 des Kündigungsschutzgesetzes, verschaffen. § 12 entspricht der seit 30 Jahren bestehenden Rechtslage; neu ist nur die Verpflichtung der Arbeitgeber zur Führung eines Verzeichnisses der durch das Gesetz betreuten Personen. Diese Neu- (Geritzmann) erung ist für die praktische Durchführung des Gesetzes dringend erwünscht. Auch § 13 hat entsprechende Vorschriften im alten Schwerbeschädigtengesetz als Vorläufer. Der neue Absatz 6, der die Wahl eines Hauptvertrauensmannes vorsieht, geht auf die Anregung eines Beschädigtenverbandes zurück. Vierter Abschnitt: Kündigungsschutz Die Vorschriften über den Kündigungsschutz sind gegenüber der Regierungsvorlage nur insoweit geändert worden, als der Antrag des Arbeitgebers nicht beim Arbeitsamt, sondern unmittelbar bei der Hauptfürsorgestelle einzureichen ist. Wie die Bundesregierung hält es der Ausschuß für notwendig, die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle nicht an eine bestimmte Frist zu binden. Die Zeitdauer, die die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle benötigt, wird immer nur durch die notwendige Dauer sorgfältiger Erhebung aller Begleitumstände bestimmt werden können. Auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidungen weist nur eine Sollvorschrift in § 17 Abs. 1 Satz 1 hin. Andererseits ist der Ausschuß dem Votum des Bundesrates beigetreten, wonach dem Schwerbeschädigten nach einer für ihn ungünstigen Entscheidung noch mindestens 4 Wochen der Betriebszugehörigkeit — nicht 2 Wochen, wie es die Bundesregierung vorgesehen hatte — verbleiben sollen. Hierdurch wird es ihm oft möglich werden, unmittelbar anschließend eine andere Beschäftigung aufzunehmen. Die sonstigen Vorschriften entsprechen dem bisherigen Recht. Fünfter Abschnitt: Durchführung des Gesetzes Entsprechend der Auffassung des Kriegsopferausschusses sind bei den Vorschriften über die Zuständigkeiten die Hauptfürsorgestellen der Bundesanstalt vorangestellt worden, um den Fürsorgecharakter des Gesetzes zu unterstreichen. Neben den Beschwerdeausschüssen, die nach § 27 a bei den Landesarbeitsämtern eingerichtet werden, muß nach Ansicht des Kriegsopferausschusses bei jedem Landesarbeitsamt ein besonderer beratender Ausschuß für die Aufgaben, die der Regierungentwurf in § 28 den „Ausschüssen für Schwerbeschädigte" übertragen wollte, tätig werden. Dieser beratende Ausschuß soll im Landesarbeitsamtsbezirk die Kraft ausstrahlen und die Initiative wecken, die nötig sind, um die gesetzliche Aufgabe bis zur geeigneten Unterbringung des letzten arbeitsfähigen Schwerbeschädigten zu erfüllen. Er soll mit Hilfe seiner Verwurzelung in der Wirtschaft sozusagen der wirtschaftspolitische Motor sein, der den Arbeitsämtern die Wege zur Unterbringung der Schwerbeschädigten ebnen hilft. Im übrigen soll zur Aufgabenverteilung, die der Entwurf in den §§ 21 und 22 vorgenommen hat, besonders darauf hingewiesen werden, daß gerade die klare Aufgabenverteilung und das beiderseitige Wissen um die eigene Zuständigkeit die Zusammenarbeit der beiden beauftragten Dienststellen fördern soll, die sonst wahrscheinlich in ein wenig sinn- und zweckvolles Neben- und Gegeneinanderarbeiten ausarten würde. Nicht zuletzt möchte der Ausschuß jedoch den Eingangssatz des § 20 herausgestellt wissen. Er besagt nicht weniger, als daß die Arbeitgeber soweit wie irgend möglich die Schwerbeschädigten in erster Linie freiwillig, also auf Grund eigener freier Entschießung, einstellen und beschäftigen sollen. Das Schwerbeschädigtengesetz bleibt in jedem Falle ein Gesetz des guten Willens. Daran ändert auch nichts, daß der Ausschuß bei seinen Wünschen für die Festlegung des Umfangs der Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber über den Entwurf der Regierung hinausgeht. Vielmehr bittet der Ausschuß die Mitglieder des Hauses, die selbst Arbeitgeber sind oder den Arbeitgeberkreisen nahestehen, zu würdigen, daß er sich bei der Abgrenzung des Personenkreises der Schwerbeschädigten große Zurückhaltung auferlegt hat und die Arbeitgeber bei der Handhabung der Durchführung des Gesetzes nicht mehr in Anspruch genommen wissen will, als dies zur Unterbringung der Schwerbeschädigten unbedingt erforderlich ist. Sechster Abschnitt: Fortfall des Schwerbeschädigtenschutzes Neu ist die Vorschrift des § 24 Satz 2, in dem ausdrücklich bestimmt wird, daß Beschädigte, deren Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als 50 v. H. herabgesetzt worden ist, noch für 1 Jahr dem Arbeitgeber auf den Pflichtsatz angerechnet werden. Neu gegenüber dem alten Schwerbeschädigtengesetz ist ferner die Ergänzung in § 25, daß auch die Verweigerung der Teilnahme an einer notwendigen beruflichen Bildungsmaßnahme zum zeitweiligen Verlust der Schwerbeschädigteneigenschaft führen kann. Siebenter Abschnitt: Beschwerde und Beschwerdeausschüsse Es erwies sich als verfassungsrechtlich nicht möglich, vorzusehen, daß im Beschwerdeverfahren eine Länderdienststelle, beispielsweise die Hauptfürsorgestelle, die Entscheidung einer Bundesdienststelle oder umgekehrt eine Bundesdienststelle die Entscheidung einer Länderdienststelle ändert oder aufhebt. Aus diesem Grunde mußte aus dem Regierungsentwurf nicht nur das an vielen Stellen des Gesetzes vorgesehene Einvernehmen zwischen Hauptfürsorgestelle und Bundesanstalt gestrichen, sondern auch die Bildung getrennter Beschwerdeausschüsse bei den Landesarbeitsämtern und Hauptfürsorgestellen, jene für Entscheidungen aus dem Aufgabenbereich der Arbeitsverwaltung, diese für Entscheidungen der Hauptfürsorgestellen, vorgeschrieben werden. Dem § 26 Abs. 2 des Regierungsentwurfs, wonach in Kündigungsangelegenheiten von Schwerbeschädigten des öffentlichen Dienstes oder der Bundesbahn und Bundespost die zuständige oberste Landes- oder Bundesbehörde endgültig entscheiden soll, konnte der Kriegsopferausschuß nicht zustimmen. Diesen Schwerbeschädigten ginge damit der besondere Kündigungsschutz verloren, den der in der freien Wirtschaft beschäftigte Schwerbeschädigte besitzt. Der Kriegsopferausschuß hat sich in sehr eingehenden und wiederholten Verhandlungen mit Sachverständigen um eine besondere Lösung der Frage, in welcher Art hier eine Beschwerdeinstanz geschaffen und tätig werden kann, bemüht. Er glaubt, sie in § 27 Abs. 3 gefunden zu haben. Dem Einwand, daß der öffentliche Dienst nicht mit den gleichen Maßstäben wie die freie Wirtschaft gemessen werden und in seine Personalpolitik nicht durch einen bei der Hauptfürsorgestelle bestehenden Ausschuß eingreifen lassen kann, muß entgegengehalten werden, daß die zuständige Dienstaufsichtsbehörde nach dem Vorschlag des Kriegsopferausschusses die Arbeitgebersitze im Beschwerde- (Geritzmann) ausschuß der Hauptfürsorgestelle einnimmt und von den 7 Ausschußmitgliedern nur 1 schwerbeschädigter Arbeitnehmervertreter und evtl. die sozial erfahrene Persönlichkeit nicht dem öffentlichen Dienst angehören. Es ist daher alles getan, um den besonderen Bedürfnissen des öffentlichen Dienstes gerecht zu werden. Achter Abschnitt: Sonstige Vorschriften Durch die Folgen des zweiten Weltkrieges sind viele Personen notleidend und auf dem Arbeitsmarkt betreuungsbedürftig geworden. Der Schwerbeschädigte jedoch trägt für die ganze Dauer seines Lebens einen schweren Körperschaden; oft mußte er beruflich umsatteln und im vorgerückten Lebensalter mit dem Aufbau einer Existenz neu beginnen. Es ist nur recht und billig, wenn ihm in § 30 vor allen anderen betreuungsbedürftigen Personenkreisen ein Vorrang eingeräumt wird, der nunmehr — nach Absatz 2 — ausdrücklich auch gegenüber dem Personenkreis des Gesetzes nach Artikel 131 des Grundgesetzes gelten soll. In § 32 a sind die Vorschriften über die Beschäftigung Schwerbeschädigter in Heimarbeit, ergänzt durch die im Ausschuß erarbeiteten weiteren Vorschriften, im Interesse besserer Lesbarkeit des Gesetzes zusammengefaßt. § 32 b Abs. 1 gibt den Dienststellenleitern die zusätzliche Aufgabe, darauf hinzuwirken, daß ein angemessener Anteil Schwerbeschädigter unter den Beamten erreicht wird. Nach Absatz 2 soll die Hauptfürsorgestelle auch bei vorzeitiger Pensionierung von Beamten und vor der Entlassung von Widerrufsbeamten, soweit es sich um Schwerbeschädigte handelt, gehört werden. Die im § 33 vorgesehene bevorzugte Berufszulassung muß nach Auffassung des Kriegsopferausschusses auch den Witwen und Ehefrauen im Sinne des § 8 Abs. 1 zugute kommen. Neunter Abschnitt: Ordnungwidrigkeiten, Straf-, Durchführungs-, Übergangs- und Schlußvorschriften Die Vorschriften des § 34 sind im Interesse der Rechtseinheitlichkeit redaktionell überarbeitet worden. § 34 a ist systematisch nunmehr besser untergebracht. Zu § 35 Abs. 1 konnte auf die im Regierungsentwurf vorgesehenen Durchführungsvorschriften zu § 2 — Gleichstellung — verzichtet werden, da der geänderte § 2 bereits die erforderlichen Vorschriften enthält. Auch Durchführungsvorschriften zu § 35 Abs. 1 Buchst. h bzw. g über die Verwendung der Ausgleichsabgabe durch die Hauptfürsorgestellen` erscheinen entbehrlich. Die Regelung der halbjährlichen oder jährlichen Anzeigenerstattung der Arbeitgeber nach § 11 und die Führung des Verzeichnisses nach § 12 Abs. 5 ist auch ohne eine ausdrückliche Ermächtigung möglich. Zu § 36 ist die Fassung des Bundesrates, der die Bundesregierung zugestimmt hat, übernommen worden. Im Land Berlin — § 36 a — zählen alle Körperbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 v. H. zu den Schwerbeschädigten; außerdem gilt dort einheitlich eine Pflichtquote von 10 v. H. Eine Umstellung der Berliner Vorschriften entsprechend den Vorschriften für das Bundesgebiet würde in Berlin zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Der im § 6 Abs. 2 getroffenen Regelung für Filialbetriebe kann sich Berlin z. Z. ebenfalls nicht anschließen. Es ist daher vorgesehen, daß bezüglich dieser 3 Punkte — Personenkreis, Pflichtquote, Filialbetriebe — die in Berlin bestehende Regelung weiter gilt. § 37 Abs. 1 Satz 2 bestimmt schließlich, daß die Vorschriften über die Ausgleichsabgabe in den Ländern, in denen z. Z. noch die Pflichtquote des alten Schwerbeschädigtengesetzes von 2 v. H. gilt, im Interesse eines reibungslosen Übergangs auf das neue Recht erst am 1. November d. Js. in Kraft treten. Bonn, den 16. April 1953. Geritzmann Berichterstatter
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht in den Hausstreit zwischen dem VdK und dem Bundesminister für Arbeit eingreifen. Wir wissen, daß auch innerhalb der einzelnen Kriegsopferverbände Streit herrscht, und vielleicht wird Herr Kollege Renner gleich auch seinerseits wieder Herrn Kollegen Bazille zu diesem Streit von seiner Warte aus etwas sagen. Also wir sollten hier nicht allzusehr, Herr Bundesarbeitsminister, diesen Hausstreit vertiefen, Ich gebe Ihnen Recht: in den Publikationsorganen der Verbände wird die Arbeit der parlamentarischen Vertreter hier nicht immer voll gewürdigt, ja, manchmal wird in sehr unsachlicher Weise polemisiert. Aber es ist nicht nur Ihr Ministerialdirektor, Herr Bundesarbeitsminister, der Zielscheibe zum Teil überspitzter und persönlicher Angriffe gewesen ist; es waren auch andere, auch ich selbst war in der „Fackel" einmal Opfer sehr unsachlicher Berichterstattung. Sie sehen, Ihr Ministerialdirektor befindet sich in guter Gesellschaft, wenn man so sagen darf.

    (Heiterkeit.)

    Es ist das gute Recht des Kollegen Bazille von der Opposition, hier Kritik zu üben. Es ist auch sehr erfreulich, daß es Spannungen gibt und Kritik seitens der Verbände geübt wird. Entscheidend ist meines Erachtens nur, daß diese Kritik sachlich geführt wird und diese Spannungen sich fruchtbar auswirken. Ich könnte mir denken, daß bei einer sachlicheren Behandlung der Kriegsopferprobleme in den Publikationsorganen, vor allem auch jetzt vor dem Wahlkampf, den Kriegsopfern selbst der größte Dienst erwiesen werden wurde.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wir haben im Dezember vorigen Jahres hier seitens unserer Fraktion angekündigt, daß wir eine Novelle zum Bundesversorgungsgesetz einbringen würden. Wir haben dann, als das Bundesarbeitministerium eine eigene Regierungsvorlage angekündigt hatte, von unserer Novelle Abstand genommen. Als Ziel nannten wir damals die etwa 20- bis 25 %ige generelle Rentenerhöhung, um jene Teuerung abzufangen, die sich seit dem Jahre 1950 allenthalben, nicht zuletzt durch außenpolitische und außerhalb des deutschen Einflusses liegende
    Einwirkungen, bemerkbar gemacht hatte. Wir wissen, daß wir damals die Grund- und Ausgleichsrenten auf den Index von 1950 berechnet hatten und daß heute, im Jahre 1953, längst eine generelle Erhöhung fällig gewesen wäre. Wir nannten damals auch als eine Summe etwa 300 Millionen DM, weil wir glaubten, daß das etwa die Einsparungen wären, die in dem bisherigen Ansatz in der Kriegsopferversorgung zu verzeichnen wären. Diese Novelle hier verzeichnet Mehrausgaben in Höhe von 200 Millionen DM. Ich glaube, es ist noch nicht das letzte Wort über die Höhe der Mehrausgaben gesprochen. Ich bin durchaus der Meinung, die der Bundesrat in der Novelle verzeichnet hat, daß man noch weitergehen sollte und alle Einsparungen auf dem Kriegsopfersektor wieder rückfließen sollten zu einer Erhöhung der Leistungen für die Kriegsopfer und daß keineswegs eine andere Transferierung dieser Mittel statthaft sei.
    Aber, Herr Kollege Bazille, Ihre allgemeine Verdammung dieser Novelle geht vielleicht doch zu weit. Ich bin der Meinung, es geht der Novelle genau so wie mancher schönen Frau: sie ist besser als ihr Ruf!

    (Heiterkeit.)

    Vergessen Sie doch letzten Endes nicht den Umfang des Kriegsbeschädigtenproblems. Sie haben selbst genannt: Viereinhalb Millionen Rentenberechtigte, die einen Jahresaufwand von fast dreieinhalb Milliarden nötig haben. Jede kleine Veränderung wirkt sich sofort in hohen Millionenbeträgen aus. Es muß hier ausgesprochen werden: Das Bundesversorgungsgesetz als das erste große Sozialgesetz neben dem Wohnungsbaugesetz ist trotz aller Kritik das beste Kriegsopferversorgungsgesetz der Welt mit den höchsten Leistungen angesichts der gewaltigen Zahl der Kriegsopfer, die wir zu beklagen haben.

    (Bravo!-Rufe rechts.)

    Meine Damen und Herren! Auch wir bekennen uns in dieser generellen Betrachtung des Gesetzes in der ersten Lesung zu der Grundrente als einem unverzichtbaren Ehrensold. Ich teile durchaus die Meinung des Kollegen Bazille und auch der Frau Kollegin Probst, daß im Ausschuß viele Verbesserungen noch eingearbeitet werden müssen, und ich folge wörtlich. Herr Kollege Bazille, der Aufzählung. die Sie hier eben gegeben haben. Ich möchte sie nicht wiederholen; sie entspricht auch meiner eigenen Auffassung.
    Die Kapitalisierung, die seinerzeit, vor drei Jahren, nur auf das Achtfache des Jahresbetrages innerhalb eines Zehnjahreszeitraums angesetzt wurde, ist diesmal auf das Neunfache festgesetzt. Nun, damals wurde mein Wunsch, den ich hier vortrug, das gleich zu tun, mit versicherungsmathematischen Argumenten abgelehnt. Ich frage mich: Warum haben wir nicht schon damals, vor drei Jahren, statt der achtfachen die neunfache Jahresleistung bei der zehnjährigen Kapitalabfindung in Anrechnung gebracht? Ich frage mich auch: Was geschieht mit denen, die bisher nur einen achtfachen Jahresbetrag bekommen haben? Ich hoffe doch, daß für sie ein gewisser Härteausgleich stattfindet; denn ich sehe nicht ein, daß die bisher Abgefundenen sich mit dem Achtfachen begnügen müssen, während in einigen Wochen das Neunfache der Jahresrente gezahlt wird.
    Zu dem Problem der Freibeträge folge ich Ihnen ebenfalls, Frau Kollegin Probst und Herr Kollege Bazille. Wenn man die Renten erhöht, muß man


    (Dr. Mende)

    analog auch die Freibeträge erhöhen. Ich glaube, hier müßte überhaupt der Schwerpunkt einer Änderung des Bundesversorgungsgesetzes liegen. Was ist denn das Entscheidendste für die Kriegsopfer? Daß sie in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden, daß sie also wieder in Arbeit und Brot kommen und sich als vollwertige und nicht als behinderte Menschen fühlen. Man kann aber nicht jemandem einen Anreiz zur Arbeit dadurch geben, daß man ihm an der Rente das abzieht, was er im Beruf verdient. Man kann ihn nicht für seine Arbeit durch Abzüge bestrafen. Daher stehe ich nach wie vor auf dem Standpunkt — und das ist auch der Standpunkt meiner Fraktion und Partei —, daß die Freibeträge nicht hoch genug angesetzt werden können, um den Arbeitsanreiz zu fördern. Im übrigen fließt ja über die Steuerleistung ein großer Teil jener Mehrausgaben in den Staatssäckel zurück.

    (Abg. Pohle: Na also, da wäre es schon die die Mehrheit.)

    Die Frage der Abfindung der Witwen und der besonderen Sicherstellung der Waisen liegt uns auch aus verschiedenen Gründen am Herzen. Sie wissen, daß es draußen das Bonmot von den „Onkelehen" gibt. Das heißt, eine Witwe verzichtet auf die Eheschließung und begnügt sich mit einer illegitimen Verbindung, weil sie bei der Eheschließung ihrer Rente verlustig gehen würde. Mir scheint, daß es unchristlich und unsozial ist. diesen Zustand der „Onkelehen" weiter zu dulden. Man sollte eine Möglichkeit finden, daß auch bei einer Eheschließung — vielleicht durch eine Kapitalabfindung — der Rentenanspruch der Witwe nicht verlorenginge oder zumindest zu einem Teil einmalig honoriert würde. Es würde uns allen ein Stein vom Herzen fallen, Herr Bundesarbeitsminister, wenn Sie einen Weg fänden, die „Onkelehen" in Zukunft zu vermeiden.
    Was die Waisen anbetrifft, so weise ich hier auf die Klagen der Verbände hin. daß sich die Waisen selbst bei einer Eheschließung nachher nicht gerade einer besonderen Fürsorge erfreuen. Hier hat der Staat, hier haben Land und Gemeinden Vaterstelle oder bei den Vollwaisen_ Elternstelle zu vertreten. Mir scheint, daß das, was wir für unsere Vollwaisen und Halbwaisen tun, bei weitem noch nicht genügt, wenn ich mir vor allem die Berufsförderung und die Schulausbildung für Kriegerwaisen in den benachbarten Ländern, z. B. in Frankreich, ansehe.
    Alles in allem hoffe ich, daß wir im Ausschuß jene Verbesserungen finden, die meine drei Vorredner hier bereits erwähnt haben, und ich hoffe vor allem, daß diese Novelle so schnell wie möglich auch in der zweiten und in der dritten Lesung hier verabschiedet wird. Denn am 3. Juli geht der Bundestag auseinander — so hat es der Ältestenrat heute vorgesehen —, und wir müssen uns daher mit Teillösungen begnügen. Wenn wir nach dieser Novelle 300 Millionen DM mehr aufwenden, ist das schon eine Teillösung. Der neue Bundestag möge seinerseits Wege finden, um vielleicht durch eine Strukturveränderung das Bundesversorgungsgesetz noch besser zu machen, als es ohnehin heute schon ist.
    Mir scheint bei der Kritik am Bundesversorgungsgesetz nicht so sehr das Gesetz ein Gegenstand der Kritik zu sein als vielmehr die Art und der Geist, in denen die Ausführung erfolgt.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Der Wille des Gesetzgebers wird allzusehr draußen durch eine engstirnige Bürokratie in das Gegenteil verkehrt. Ich glaube, der Herr Bundesarbeitsminister sollte streng darauf achten, daß dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen

    (Abg. Arndgen: Das muß den Länderregierungen gesagt werden!)

    und nicht durch allzu strenge Nachuntersuchungen der Renten und durch sonstige Behelligungen eine Unruhe in die Kriegsopfer hineingetragen wird, die wirklich nicht im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes liegt.
    Ich greife Ihren Zwischenrufe auf, Herr Kollege Arndgen, daß die Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes Ländersache sei und die Länder in erster Linie für die Durchführung verantwortlich seien. Daher haben wir vor zwei Jahren bereits seitens unserer Fraktion einen Antrag auf Änderung des Art. 87 des Grundgesetzes eingebracht, der zum Ziel hatte, die Kriegsopferversorgung in die bundeseigene Verwaltung zu überführen. Ich bedaure, daß wir in diesem Hause und im Ausschuß nicht die Zweidrittelmehrheit gefunden haben, die zur Schaffung einer bundeseigenen Kriegsopferverwaltung nötig gewesen wäre. Wir werden diesen Antrag weiter aufrechterhalten; und Sie werden sich kaum versehen, dann werden wir im neuen Bundestag diese Forderung wieder vorbringen. Denn wir glauben, daß eine echte unbürokratische Verwaltung nur auf Bundesebene unter der unmittelbaren Aufsicht des Bundesarbeitsministers und unter der unmittelbaren Überwachung durch dieses Parlament erfolgen kann.

    (Abg. Kühn: Sehr richtig!)

    Wir werden weiter fordern, daß eine Zentralisierung der verschiedenen Abteilungen stattfindet. Ich begnüge mich, Herr Kollege Bazille, nicht einmal mit einer Hauptabteilung. Ich gehe sogar noch weiter. In Frankreich gibt es ein eigenes Ministerium dafür, das Ministère des Anciens Combattants. Dieses Ministerium betreut die Kriegsopfer, die alten Kämpfer, die alten Soldaten und das Kriegsgräberwesen.

    (Zuruf des Abg. Heiland.)

    — Die anciens combattants haben nichts mit Naumann zu tun.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    — Ich habe nichts damit zu tun; trösten Sie sich, Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Heiland, daß ich damit gar nichts zu tun habe.
    Ich könnte mir denken, daß wir vielleicht nach dem bewährten Beispiel Frankreichs eine Bundesstelle oder ein Staatssekretariat einrichten, unmittelbar unter dem Bundeskanzleramt oder dem Bundesarbeitsministerium. In diesem Staatssekretariat sollten betreut sein das Kriegsopferwesen, das Kriegsgräberwesen und das Kriegsgefangenenwesen. Ein Staatssekretariat für das Kriegsopfer-, Kriegsgefangenen- und das Kriegsgräberwesen würde wesentlich dazu beitragen, manches bürokratische Nebeneinander von heute endlich zu beseitigen und einem echten Anliegen der Kriegsopfer entgegenzukommen.
    Diese Gedanken, die ich in einer generellen ersten Betrachtung in der kurzen Zeit nur andeuten konnte, werden sich durch unsere Vorschläge und Anträge sowohl im Ausschuß wie vielleicht auch im neuen Bundestag noch realisieren lassen.

    (Beifall bei der FDP.)




Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Reden wir von der Novelle!

    (Lachen bei der SPD und in der Mitte.)

    Sie ist besser als ihr Ruf, meinte Herr Kollege Mende.

    (Abg. Dr. Mende: Es geht ihr so wie Ihnen, Herr Renner!)

    Sie ist so gut, wie der Herr Finanzminister „gut" ist für die Armen und Kleinen in unserem Lande. So gut ist sie, keinen Deut besser.
    Wir haben heute zwei Vertreter aus zwei Parteien für eine Organisation sprechen hören: die Frau Kollegin Probst und den Herrn Kollegen Bazille. Herr Kollege Bazille , ist Ihnen heute bei Ihrer Kritik nicht Ihr Wort von 1950 bös im Ohr geklungen: „Das ist das Gesetz des guten Willens"? Haben Sie ganz vergessen, wie Sie damals, 1950, dieses Gesetz beurteilt haben? — Und zu den Ausführungen der Frau Probst: Ich bedaure da nur, daß nicht ein Mann für die CDU gesprochen hat; ich hätte dann etwas deutlicher werden dürfen.
    Am 10. Dezember vorigen Jahres, nachdem der kommunistische Antrag auf Zahlung einer vollen 13. Monatsrente zu Weihnachten, der der Forderung der Kriegsopfer entsprochen hat, abgelehnt worden war, gab der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Kriegsopferfragen zur Beschönigung der kriegsopferfeindlichen Haltung der Mehrheit des Bundestages die folgende, heute schon mehrfach zitierte Erklärung ab:
    Die genannten Fraktionen geben dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Zuwendungen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen ihre Zustimmung unter der Voraussetzung, daß die Gewährung einer einmaligen Zuwendung als Ausgleich für die in der rückliegenden Zeit durch die Preiserhöhung eingetretene Minderung der Rentenkaufkraft angesehen werden. Die genannten Fraktionen erwarten, daß die Bundesregierung eine Novelle zum Bundesversorgungsgesetz vorbereitet und dem Bundestag vorlegt, in welcher die Versorgungsbezüge entsprechend dem veränderten Lohn- und Preisgefüge neu festgesetzt werden.
    Ich habe damals den Zwischenruf gemacht: „Das
    nennt man weiße Salbe!"
    Der Herr Minister sagt, die heutige Novelle verwirklicht die Forderungen des Bundestages. Er sagt, sie bringt die Angleichung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge. Dabei wird die Erhöhung der Grundrenten nicht gebracht. Der Herr Minister sagt: Keine Mittel! Der VdK, für den die beiden Bundestagsabgeordneten hier gesprochen haben, verlangt eine Erhöhung der Grundrente um 30 %. Der Entwurf beseitigt nicht die Aufteilung der Rentenbezüge in Grundrente und Ausgleichsrente. Die Ausgleichsrente erfährt eine Erhöhung um erbärmliche 5 DM bis 10 DM im Höchstfall für den Schwerbeschädigten. Die Ausgleichsrente für die Witwen wird um ganze lächerliche 10 DM erhöht. Die Bezugsbedingungen für die Ausgleichsrente erfahren die lächerlich geringfügige Verbesserung, daß der voll Erwerbsunfähige einen Anspruch auf Ausgleichsrente nur dann haben soll, wenn sein „sonstiges Einkommen" statt bisher 130 DM pro Monat 145 DM pro Monat nicht übersteigt.
    Hier ist zu Recht ausgesprochen worden, daß die „Verbesserungen", die diese Novelle bringt, längst durch die im Etat vorgesehenen Ausgabepositionen abgedeckt sind. Es mutet wie ein Witz an, daß man ganz nebenher auch noch dieses „Zehnpfennig-Gesetz", dieses „Teuerungsanpassungsgesetz" mit 3 DM pro Monat beseitigt hat. Darauf haben jetzt die Kriegsopfer, wenn die Novelle durch geht, nun keinen Anspruch mehr. Soll man sich darüber freuen oder soll man darüber weinen? Ich lasse die Frage offen.
    Zusammenfassend stelle ich fest, daß die minimalen Erhöhungen der Rentenbezüge, die diese Novelle bringt, in krassem Mißverhältnis zu den Forderungen der Kriegsopfer und ihrer Organisationen stehen. Sie stellen keinen Ausgleich für die sprunghaft angestiegenen Lebenshaltungskosten dar; sie entsprechen nicht dem veränderten Lohn- und Preisgefüge. Das ist eine Feststellung, die nicht nur ich treffe. Wir Kommunisten werden zur zweiten Beratung der Novelle die Änderungsanträge stellen, die von den Kriegsopfern draußen in Hunderten von Protestkundgebungen und Entschließungen an die Mitglieder des Bundestages und an die Bundesregierung gefordert worden sind. Unsere Anträge werden vor allem darauf hinauslaufen, die Aufspaltung der Rentenbezüge in Grundrente und Ausgleichsrente zu beseitigen und eine Rentenverbesserung zu fordern, die besonders den Schwerbeschädigten, den Kriegerwitwen und -waisen sowie den Kriegereltern die von ihnen geforderte ausreichende Rentenversorgung garantiert.
    Nun noch ein Wort an Herrn Bazille. Er weiß ganz genau, wie die Kriegsopfer draußen zu diesem Gesetz stehen. Er kennt aus eigenem Erleben die Praxis dieses Gesetzes. Wie können Sie sich heute hinstellen, Herr Kollege Bazille, und sagen: Es wird notwendig sein, im Ausschuß dafür zu sorgen, daß das und das und das verwirklicht wird! Sie wissen doch, daß das Ergebnis der Arbeit des Ausschusses mit dem identisch sein wird, was der Herr Finanzminister uns in dieser Novelle beschert hat. Sie haben doch auf diesem Gebiet genug Erfahrungen gesammelt. Ihr Hinweis auf die Möglichkeit, daß im Ausschuß etwas Besseres herauskommt, als die Novelle enthält, ist doch nichts anderes als eine Vertröstung der Kriegsopfer, die von Ihnen Taten sehen wollen und die Ihnen in Frankfurt eindeutig zum Bewußtsein gebracht haben, daß nun Schluß gemacht werden muß mit der Vertröstung der Kriegsopfer auf die Mildtätigkeit des Herrn Ministers oder auf den guten Willen dieser Adenauer-Mehrheit hier im Hause. Sie wissen doch genau, daß die Kriegsopfer Aktionen wollen gegen diese Regierung des Hungers und der Kriegsvorbereitung.

    (Zuruf rechts: Unerhört!)

    Das wissen Sie doch genau. Sich nun hinzustellen und zu sagen: der Ausschuß wird die Besserung bringen, das ist doch — nehmen Sie es mir nicht übel — nichts anderes als ein Ablenkungs- und Täuschungsmanöver an die Adresse der Kriegsopfer. Was die Kriegsopfer brauchen, ist auch nicht das, was Sie heute so bewußt in die Worte gefaßt haben, daß erst die Rentenversorgung gesichert werden müsse, ehe man an die Aufstellung einer neuen Wehrmacht herangehen könne.
    Wer den Kriegsopfern helfen will, der muß sie in den Kampf gegen die Politik der Aufstellung eines deutschen Söldner-Kontingents führen, nicht wahr? Denn wer ihnen wirklich helfen will, muß


    (Renner)

    doch begriffen haben, daß man nicht Sozialgesetzgebung und Kriegsopferversorgung betreiben und gleichzeitig die Milliarden freimachen kann, die der Herr Finanzminister zur Finanzierung des Krieges braucht. — Herr Kollege Bazille, Sie haben Ihrer Fraktion heute bestimmt keinen guten Dienst mit der Ablenkung auf diesen Ausschuß getan.
    Aber was wirklich gewollt ist, hat uns Herr Mende klar gesagt. Er hat gesagt: Wir haben nur noch ein paar Wochen, dann treten wir ab. — Glauben Sie denn, daß Sie mit dieser Novelle irgendeinen denkenden Kriegsbeschädigten dazu bringen können, den Koalitionsparteien die Stimme zu geben?

    (Abg. Dr. Mende: Abwarten!)

    Halten Sie die Kriegsbeschädigten wirklich für idiotisch? Die werden Ihnen bei dieser Wahl die Stimme versagen. Die werden Ihnen bei dieser Wahl aber auch die Quittung für Ihre Kriegsvorbereitungspolitik geben.

    (Abg. Dr. Mende: Herr Renner, Sie sind doch sonst so sachlich!)

    Hier im Bundestag können Sie ja den Schmus noch machen.
    Ich schließe ab mit der Feststellung: die Frau Probst möge ihre heutige Rede in der nächsten Kundgebung ihres Verbandes irgendwo im Lande einmal wiederholen. Dann bekommen die Koalitionsparteien den Beweis dafür, wie die Kriegsopfer draußen im Lande über die AdenauerSchäffersche Kriegspolitik denken.

    (Abg. Euler: Das wissen Sie ja gar nicht!)

    — Warten wir ab. Diesmal fangen Sie sie nicht mehr mit dem Betrug, mit dem Sie sie jetzt vier Jahre hingehalten haben.

    (Abg. Dr. Mende: Glauben Sie, daß die Kriegsopfer Kommunisten wählen werden, Herr Renner? — Abg. Renner: Ja, ich hoffe es! — Heiterkeit.)