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ID0126208400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 262. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953 12747 262. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 12748D, 12780A Erste Beratung der Entwürfe von Gesetzen betr. Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission, die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland, die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 (Nr. 4260 der Drucksachen) 12749A Dr. Adenauer, Bundeskanzler : . 12749C Dr. Kopf (CDU) 12752C Dr. Gülich (SPD) 12756B Jaffé (DP) 12758A Dr. Reismann (FU) 12759C Fisch (KPD) 12760C Dr. Preusker (FDP) 12762A Dr. Etzel (Bamberg) (Fraktionslos) 12763A Scharnberg (CDU) 12763D Mellies (SPD) 12763D Überweisung an einen Sonderausschuß 12764A Zur Geschäftsordnung, betr. Mittagspause: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12764B Mellies (SPD) 12764C Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes (Nr. 4225 der Drucksachen) 12764C Storch, Bundesminister für Arbeit 12764C Freidhof (SPD) 12766A Frau Kalinke (DP) 12766D Renner (KPD) 12767D Arndgen (CDU) 12768C Erler (SPD) 12769B Dr. Atzenroth (FDP) 12769C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Kriegsopferausschuß 12770B Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nr. 4224 der Drucksachen) 12748D, 12770C Ehren (CDU), Anfragender . . . . 12770C Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . . . 12771C Unterbrechung der Sitzung . . . . 12772D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Decker, Dr. Besold u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz (Nr. 4226 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Freiherr von Aretin, Dr. Reismann u. Gen. betr. Volksentscheid in der Pfalz (Nr. 4227 der Drucksachen) 12748D, 12772B Dr. Decker (FU), Antragsteller . . 12772B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12773B Eberhard (FDP) 12774A Wagner (SPD) 12774D Neber (CDU) 12776C Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12777A Niebergall (KPD) 12778A Freiherr von Aretin (FU) 12778B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr 4286 der Drucksachen) 12749A Dr. Atzenroth (FDP): als Berichterstatter 12779C als Abgeordneter 12782B Seuffert (SPD) 12780B Kunze (CDU) 12781B Dr. Reismann (FU) 12782B Wackerzapp (CDU) 12783A Abstimmungen 12780A, 12783D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes (Nr. 4248 der Drucksachen) 12783D Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 12783D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Haferaufkauf (Nrn. 4236, 4036 der Drucksachen) 12784A Tobaben (DP), Berichterstatter . 12784A Beschlußfassung 12784B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Freiherrn von Aretin (Nr. 4257 der Drucksachen) 12784B Müller (Hessen) (SPD), Berichterstatter 12784B Beschlußfassung 12784D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abg. Langer (Nr. 4258 der Drucksachen) . . . 12784D Abgesetzt 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisen bahnen (Nr. 4228 der Drucksachen) 12785A Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone (Nr. 4223 der Drucksachen) 12785A Frau Kalinke (DP) 12785B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Nachwuchs für supranationale Behörden (Nr. 4222 der Drucksachen) 12785C Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß, den Haushaltsausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß 12785C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Familienbeirat (Nr. 4229 der Drucksachen) 12785D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12785D Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) 12785D Dr. Bertram (Soest) (FU), Antragsteller (schriftliche Begründung) 12785D, 12790 Dr. Schöne (SPD) . . . 12786A, 12789C Dr. Preusker (FDP) 12787C Dr. Meitinger (FU) 12789A Loritz (Fraktionslos) 12789A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12789D Bildung der Gruppe Wirtschaftliche Aufbauvereinigung 12789D Nächste Sitzung 12780A, 12789D Anlage: Schriftliche Begründung des Abg. Dr. Bertram (Soest) zum Antrag der Fraktion der FU betr. steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nrn. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) . . 12790 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 262. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Bertram (Soest) (Umdruck Nr. 878) zum Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) (Nr. 4230 der Drucksachen) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Unser Antrag wurde zu einem Zeitpunkt vorgelegt, als die Untersuchungen eines internationalen .Ausschusses noch nicht begonnen hatten. Dieser internationale Ausschuß wurde am 5. März 1953 beauftragt, von der Hohen Behörde des Kohle- und Stahlpools auf folgende Fragen zu antworten: Da die Umsatzsteuern in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft verschieden sind, welches wären dann für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Marktes die wirtschaftlichen Folgen: a) eines Systems a, das durch Befreiungen bei der Ausfuhr und durch Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr die Erzeugnisse mit den im Bestimmungslande geltenden Umsatzsteuern belasten würde, b) eines Systems b, bei welchem auf die Erzeugnisse, gleichgültig wohin sie innerhalb des gemeinsamen Marktes geliefert werden, aus- schließlich die im Ursprungslande geltenden Umsatzsteuern zur Anwendung kämen? Der internationale Ausschuß, unter dem Vorsitz von Professor Tinbergen und nach Anhörung aller beteiligten Länder, ihrer Organisationen und ihrer maßgebenden Fachleute, ist zu dem einstimmigen Votum gelangt, daß man die Gesamtheit der direkten und indirekten Steuern, also das Steuersystem eines Landes, abwägen müsse, wenn man auch nur die Wirkungen bei der Ausfuhr gewährter Befreiungen, Erstattungen und Ausgleichsabgaben für das Marktgeschehen beurteilen wolle. Von dieser These ausgehend kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß Maßnahmen, die nötig werden sollten, sobald der gemeinschaftliche Markt eintritt, um Funktionsstörungen durch steuerliche Folgewirkungen zu vermeiden, nicht in die Kompetenz der Hohen Behörde, sondern der einzelnen Regierungen fallen. Zu der gleichen Schlußfolgerung waren die Antragsteller vor dem internationalen Tinbergen-Ausschuß gelangt. Die Hohe Behörde kann zwar Zölle und zollähnliche Steuern beseitigen, nicht jedoch kann sie Befreiungen, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben ändern, die nur dazu dienen, Inlandsbelastungen der Ware mit Steuern indirekter oder direkter Art auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen die Startgleichheit herstellen, nicht wie Zölle ungleichmäßig wirken. Die Ermittlungen des Tinbergen-Ausschusses haben auch die Frage geprüft, ob nicht über das erlaubte Maß des Ausgleichs hinausgehende steuerliche Manipulationen festzustellen seien. Es hat sich ergeben, daß die Befreiungen ebenso wie die Ausgleiche überall gegenwärtig niedriger sind als die Gesamtbelastung durch, die Steuer auf den Umsatz. Es ist nach der Überzeugung der Antragsteller jedoch notwendig, die negative Feststellung über die Befugnisse der Hohen Behörde zu benutzen, den Weg nach Europa nunmehr weiterzugehen, indem man sich in den nationalen Parlamenten über eine Methode zur Vereinheitlichung des Steuersystems berät und entsprechende Beschlüsse faßt. Die nationalen Gewalten sind es, die nunmehr ihre Steuersysteme nach gemeinsamen Leitideen zu ordnen hätten. Daß die Europäische Gemeinschaft ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten auf weiteren als den Vertragsgebieten große Schwierigkeiten erfahren wird, war unsere Überzeugung schon bei der Beschlußfassung über das Vertragswerk: Jetzt gilt es, den zweiten Schritt zu tun! Wenn deshalb die Bundesregierung eine entsprechende steuerliche Ermächtigung erhalten soll, so soll sie diese Ermächtigung in die Lage versetzen, durch Verhandlungen mit den anderen vertragschließenden Staaten eine steuerrechtliche Vereinbarung zu treffen, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglicht. Die Hohe Behörde wird ein entsprechendes Ersuchen an die Mitgliedstaaten richten. Mit Absicht wurde es vermieden, über steuerrechtliche Einzelheiten sowie über Einzelheiten der voraussichtlich eintretenden Marktstörungen zu berichten. Diese Fragen sollten, schon um internationale Verstimmungen zu vermeiden, in einem Sonderausschuß behandelt werden. Im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen schlagen wir einen 7er Ausschuß vor, in dem die antragstellende Fraktion als Antragsteller vertreten wäre. Wir beantragen daher: 1. Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses, 2. Überweisung unseres Antrags an diesen Ausschuß. Bonn, den 20. April 1953 Dr. Bertram (Soest)
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    Rede von Dr. Joachim Schöne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Drucksache Nr. 4230 bedeutet, in einfachen Zahlen dargestellt und auf die beiden Beispielländer Deutschland und Frankreich angewandt, daß Deutschland bei einem Export von Stahl nach Frankreich eine Rückvergütung von 4,7 % fallenläßt. Als Gegenleistung dafür wird der deutsche Stahl in Frankreich nicht mit 20 % Ausgleichsabgabe belastet. Frankreich dagegen läßt bei einem Stahlexport nach Deutschland eine Rückvergütung von 19,6 % fallen. Als Gegenleistung dafür wird französischer Stahl in Deutschland nicht mit 4 % bis 6 % Ausgleichsabgabe belastet. Damit würde französischer Stahl in Deutschland denselben Preis haben wie in Frankreich. Sinngemäß würde deutscher Stahl in Frankreich denselben Preis wie in Deutschland haben.
    Der Antrag will — und der Ton dieses Antrags liegt auf dem letzten Halbsatz — einen Wegfall der Exportrückvergütungen und der Importbelastungen zugleich und außerdem nur dann, wenn es in allen Mitgliedsländern gleichzeitig geschieht.
    Nun, meine Damen und Herren, ökonomisch gesehen könnte ein solcher Antrag nur Beifall finden, vorausgesetzt, daß er sich realisieren ließe. Die Unmöglichkeit seiner Realisierung hat sich jedoch gerade in den letzten Wochen im sogenannten Steuerstreit der Montan-Union herausgestellt. Die nationalwirtschaftlichen Grenzen stellten sich für die Montangüter — in vielen Jahrzehnten gewachsen — bis zum Wirksamwerden der Hohen Behörde so dar, daß die Zölle den eigentlichen Schutzwall bildeten und daß man versuchte, mittels Ausfuhrrückvergütungen über diese Mauern in das andere Land hinüberzuspringen, wie man andererseits versuchte, durch entsprechende Ausgleichsabgaben das Herüberspringen des anderen zu verhindern. Durch die Montan-Union werden nun die Zollmauern eingeebnet. Es bleiben jedoch zunächst die gleichsam auf diese Mauern aufgestockten Rückvergütungen und Ausgleichsbelastungen.
    Rückvergütungen und Ausgleichsbelastungen ihrerseits aber sind nur aus dem in dem betreffenden Lande bestehenden Steuersystem zu erklären. Gerade mit den Beispielländern Deutschland und Frankreich stoßen Länder mit grundsätzlich unterschiedlichen Steuersystemen aufeinander. Deutschland kennt erhebliche direkte Steuern für die Unternehmen, kennt als indirekte Steuer nur die Umsatzsteuer. Ausgleichsabgaben und Rückvergütungen beziehen sich im Grundsatz nur auf die indirekten Steuern, sind also relativ niedrig. Frankreich dagegen kennt keine direkte Besteuerung der Unternehmen, kennt verhältnismäßig hohe indirekte Steuern. Ausgleichsabgaben und Rückvergütung sind also relativ hoch.
    Durch die Montan-Union werden nun nicht nur die Zollmauern eingeebnet. Die Hohe Behörde beabsichtigt offensichtlich, den am 1. Mai 1953 beginnenden gemeinsamen Markt für Stahl damit zu eröffnen, daß als Diskriminierung erklärt wird, wenn Steuern oder Abgaben, bei denen der Verkäufer einen Anspruch auf Befreiung und Rückvergütung hat, in den Preis, den der Käufer zu zahlen hat, einbezogen werden. Mit einfachen Worten: Rückvergütungen im grenzüberschreitenden Verkehr sollen fallen, Importausgleichsabgaben bleiben ungeschoren. Auf mein eingangs gebrachtes Zahlenbeispiel angewandt, würde dies bedeuten: Deutschland gibt bei einem Stahlexport nach Frankreich den Stahl um 4,7 % billiger ab; dafür wird er in Frankreich mit 20 % belastet. Frankreich gibt bei einem Stahlexport nach Deutschland den Stahl um 19,6 % billiger ab; dafür wird er in Deutschland mit 4 bis 6 % belastet.
    Es ist offensichtlich, daß auf solchem Wege in allerkürzester Frist eine erdrückende Einfuhr französischen Stahls zu erwarten ist. Monsieur Ricard, Leiter des französischen Stahlwerkverbandes, sagte kürzlich, daß Frankreich nunmehr mit Hilfe des Montanvertrages einen Absatzanspruch auf den größeren deutschen Markt zu realisieren strebt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Kurzum, bei der Steuerfrage handelt es sich sicher um mehr als um eine einfache technische Angelegenheit.
    Jedoch — und das ist das Argument aus dem Schumanplan selbst — handelt es sich hier nicht um richtige ökonomische Werte, sondern um Diskriminierungen bzw. Subventionierungen. Mit der Steuererhebung verlangt der Staat von der Wirtschaft einen entsprechenden Anteil an den öffentlichen Kosten der Produktion überhaupt. Wären die Steuersysteme in beiden Ländern grundsätzlich gleich — also direkt und indirekt in etwa gleichem Verhältnis —, so würde lediglich die besondere öffentliche Last des betreffenden Staates zum Ausdruck kommen. Das ist es, was die Hohe Behörde in ihrem ersten Exposé als „geographische Gegebenheit" bezeichnete. Die Dinge liegen jedoch so, daß die Steuersysteme grundverschieden sind, daß im Lande Deutschland mit den erheblichen direkten Steuern die gesamten Anteile der Industrie an den öffentlichen Kosten der Produktion abgedeckt werden, und daß im Lande Frankreich, das keine direkten Steuern erhebt, die öffentlichen Produktionskosten allgemeiner Art im indirekten Wege aufgebracht werden.
    Das Land Deutschland verzichtet nach dem Gedanken der Hohen Behörde nun auf den indirekten Steuerteil; denn die allgemeinen Produktionskosten sind durch die direkten Steuern gedeckt. Das Land Frankreich erhebt dagegen von dem außer Landes gehenden Teil der Produktion überhaupt keine allgemeinen Produktionskosten; es erhebt sie lediglich von dem Teil der Produkte, die von außen her in das Land kommen. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß eine solche Politik eine bewußt grobe Verzerrung des Bildes der Grundindustrien, insbesondere der eisenschaffenden Industrie, im Gefolge haben muß.
    Die von mir geschilderte Diskriminierung durch ein solches Vorhaben der Hohen Behörde muß sich um so nachhaltiger auswirken, als die Ausgleichsabgaben in Höhe und Wirkung als Aufstockung auf ein Zollsystem, das im Laufe vieler Generationen gewachsen war, geschaffen waren. Nun, da die Zölle für die Montanerzeugnisse im Gemeinschaftsraum beseitigt sind, klafft eine Lücke, die durch ein entsprechendes Anheben der Abgaben steuerlicher Art ausgeglichen werden muß, wenn die Gemeinschaft nicht mit zusätzlichen Verzerrungen beginnen soll.


    (Dr. Schöne)

    Es wird von anderer Seite argumentiert werden müssen, daß man eine Gemeinschaft, wie sie der Schumanplan sein will, nur auf organischem Wege wird erreichen können. Als Sprecher der SPD wäre es mir ein Leichtes, all die Argumente zu wiederholen, die meine Freunde und ich anläßlich der parlamentarischen Beratung des Schumanplans vorgebracht haben. Ich möchte es nicht tun, sondern nur daran erinnern. Wir haben seinerzeit mit nachdrücklichem Ernst auf die Tendenz hingewiesen, die nun bedauerlicherweise in greifbare Nähe gerückt ist. Einzelheiten möchte ich mir ersparen, um nicht in die Nachbarschaft derer zu geraten, die — seinerzeit eifrige Verfechter und Befürworter der Montan-Union — sich heute die Dinge bei Licht besehen und sich mit lauter, überlauter Stimme dagegen wenden.
    Zur Begrundung der Haltung meiner Freunde darf ich über das oben Dargelegte hinaus mit allem Nachdruck und tiefem Ernst folgendes hervorheben. Zu den „geographischen Gegebenheiten", so sagt das erste Exposé der Hohen Behörde, gehören einerseits die Steuer, andererseits die Löhne und soziale Bedingungen. Versucht man nun mit dem „Koste es, was es wolle!" die geographischen Gegebenheiten an dem einen Punkt, nämlich bei den Steuern, zu korrigieren, zu planieren, so konzentriert man die geographische Unterschiedlichkeit rücksichtslos und mit entsprechender Wucht auf die dann noch verbleibende Unterschiedlichkeit, nämlich die Löhne und Sozialleistungen.
    Wir erinnern uns ja deutlich daran, daß durch den Schumanplan die Kapitalkosten und entsprechender Unternehmergewinn vertraglich gesichert wurden. Wir werden mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern suchen, daß man die Unterschiedlichkeit der Gegebenheiten auf Löhne und Sozialleistungen abwälzt. Damit täte man nichts anderes, als daß man den Kampf um die Konkurrenzfähigkeit auf den „breiten Schultern" austrüge.
    Dem aufmerksamen Beobachter der deutschen Wirtschaft wird nicht entgangen sein, daß sich in der deutschen eisenschaffenden Industrie die Merkmale der Arbeitsdämpfung und Kurzarbeit mehren. Straßen werden stillgelegt; Walzwerke fahren mit halber Schicht. Diese Symptome sind heute bereits — einen Tag vor dem gemeinsamen Markt für Stahl — sehr, sehr ernst zu nehmen. Ein Zögern mit Korrekturmaßnahmen bringt konsequent einen sprunghaften Rückgang der deutschen Eisenindustrie. In dem Antrag der Föderalistischen Union sind Korrekturmaßnahmen angedeutet. Sie sind sofort zu ergreifen.
    Ich darf Sie namens meiner Freunde bitten, den Antrag Drucksache Nr. 4230 dem Wirtschaftsausschuß und dem Finanzausschuß mit dem Ersuchen zu überweisen, zur Beratung bereits morgen vormittag zusammenzutreten.
    Ich darf abschließend noch einmal folgendes sagen. Das Motiv für die Einstellung der SPD zu diesem Antrag wie überhaupt zu Korrekturanträgen ist das Wohl und Wehe der in der deutschen Eisenindustrie arbeitenden Menschen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fäderalistischen Union beschäftigt sich mit einem Problem, das im Laufe der letzten Wochen bereits im Auftrage der Hohen Behörde der Montan-Union durch den sogenannten Tinbergen-Ausschuß, einen Ausschuß von vier Wissenschaftlern, einem Engländer, einem Holländer, einem Italiener und einem Belgier, untersucht worden ist. Diese Untersuchung ging auf eine Frage zurück, die die Hohe Behörde im Auftrage sowohl des Beratenden Ausschusses als auch des Marktausschusses der Gemeinsamen Versammlung gestellt hatte: Ist es das beste Verfahren einer Harmonisierung des Überganges in den Gemeinsamen Markt, wenn — wie es von der deutschen Seite immer wieder unterstrichen worden und wie es im FU-Antrag aufgenommen worden ist — die Lieferungen an den Gemeinsamen Markt aus jedem Land so vorgenommen werden, als seien es Inlandslieferungen? Das entspräche der Vorstellung, durch die Eröffnung des Gemeinsamen Marktes hätten sich praktisch die Grenzen des einzelnen Marktes auf die gesamte Montan-Union erweitert, d. h. jedes Produkt würde mit allen Steuern und sonstigen Abgaben belastet, die es in seinem Produktionsland trägt, und ohne daß es irgendwelche Rückvergütungen in diesem Produktionsland oder zusätzliche Belastungen im Einfuhrland gäbe, würde der Gemeinsame Markt so weit beliefert, wie eine Konkurrenz möglich ist.
    Demgegenüber stammt aus der ganz anderen Konstruktion einer Produktionssteuer, einer Ein-
    Phasen-Umsatzsteuer in Frankreich die Vorstellung: Es ist doch nicht möglich, von Preisen auszugehen, in denen Steuern enthalten sind, die überhaupt nicht der Produzent zu tragen hat, sondern die der Konsument trägt. Es kommt also darauf an, daß nicht die Verhältnisse im Produktionsland, sondern die im Verbraucherland zum Ausgangspunkt genommen werden, so daß also weiterhin die Umsatzsteuerausgleichszahlungen und die Rückvergütungen wie bisher erfolgen.
    Wären in allen Ländern die steuerlichen Verhältnisse gleich, so könnte man darüber hinwegsehen. Tatsächlich ist es aber so, daß in Frankreich eine viel geringere direkte Steuerbelastung besteht als in Deutschland, dagegen eine indirekte Steuerbelastung von 19 oder sogar, wie behauptet wird, 25 %, während in Deutschland die indirekten Steuern relativ gering sind. Ich darf Ihnen an einem Beispiel zeigen, wohin es führte, wenn man nach dem Vorschlag, wie er sich aus der romanischen Steuerdenkweise ergibt, verführe. Es würde dazu führen, daß Stabstahl, der in Deutschland und in Frankreich im Augenblick ungefähr gleich teuer ist — er kostet bei uns 410 und dort 427 DM —, durch dieses System der Rückvergütung völlig inkommensurabler Steuern bei einer Lieferung nach Deutschland 382 DM kostete, während umgekehrt der deutsche Stahl bei der Lieferung nach Frankreich 467,40 DM kosten würde. Das hieße zwangsläufig einen Wettbewerb der Leistungen auf diesem Gemeinsamen Markt auf einmal in einen Wettbewerb der Finanzminister und der Steuersysteme beider Länder oder beider Länderkategorien umwandeln. Das aber könnte nach unserer deutschen Vorstellung natürlich niemals der Sinn dieses Gemeinsamen Marktes sein.
    Das ganze Problem geht aber viel tiefer, weil es in dieser Teilintegration des Schumanplans, der ja nur Kohle und Stahl umfaßt, auch wieder noch


    (Dr. Preusker)

    die Zusammenhänge innerhalb der Volkswirtschaften — also bei der deutschen zwischen Kohle, Stahl, Maschinenbau usw. und bei der französischen und belgischen entsprechend — gibt. Man würde in dem anderen Falle der Unterstellung der Teilintegration, so wie sie nach dem deutschen System vorgeschlagen worden ist, natürlich in diese Zusammenhänge der einzelnen Volkswirtschaften stärker eingreifen, würde auch dort Schwierigkeiten hervorrufen.
    Im Augenblick könnte man von seiten der deutschen eisenverarbeitenden Industrie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, des Schiffbaus unter Umständen sagen: Na schön, wenn das nun so gemacht werden soll, dann bekommen wir ja auf einmal den Stahl zu wesentlich günstigeren Bedingungen, als ihn etwa die Franzosen selber bekommen. Es wird also zwar in Deutschland eine Beeinträchtigung der Stahlindustrie erfolgen, aber die gesamte Verarbeitung Europas auf dem Gebiet von Eisen und Stahl wird sich in Zukunft in Deutschland konzentrieren. Und auch das war ja niemals der Sinn des Schumanplans, daß nun in den nachfolgenden Industriestufen derartige durch steuerliche Gründe, nicht durch Leistungsgründe bedingte Verschiebungen eintreten sollten.
    Herr Präsident, ich darf noch um ein paar Minuten bitten. Das Problem ist so schwierig, und ich glaube, es ist notwendig, es vor der deutschen Öffentlichkeit auseinanderzulegen.

    (Abg. Albers: Wir treten von unserer Redezeit ab!)

    — Danke sehr!
    Das konnte also niemals der Sinn sein. Und nun darf ich Ihnen einmal etwas darstellen. Wir haben uns bemüht, gegenüber dem Gutachten der Professoren, die nur den Zusammenhang der Volkswirtschaften im einzelnen, im Vertikalen gesehen haben, nun diese anderen Gesichtspunkte zum Tragen zu bringen, und sind uns klar darüber gewesen, daß die im Augenblick mögliche Lösung, die allen Interessen gerecht wird, weder die sein kann, die der Ausschuß der Professoren vorgeschlagen hat, noch im gegenwärtigen Moment die deutsche Vorstellung, weil sie wegen der beschränkten Teilintegration in die anderen Bereiche zu stark eingreift. Auf lange Sicht gesehen, kann es überhaupt keine andere Lösung als die deutsche geben, ist keine andere denkbar; denn auf einem gemeinsamen Markt können letzten Endes nur die Preise regieren und können nicht Kostenfaktoren miteinander in Wettbewerb treten. Man kann es schließlich nicht darauf hinauskommen lassen, daß man nicht mehr die Eisen- und Stahlindustrie — um das Beispiel herauszugreifen — miteinander in Wettbewerb treten läßt, sondern den Herrn Schäffer und seinen französischen Kollegen als Finanzminister und den Herrn Storch und seinen französischen Kollegen als Arbeitsminister und so fort durch alle Kostenfaktoren hindurch.
    Das Problem geht tiefer. Es handelt sich darum, das Prinzip durchzusetzen, das wir bereits in dem europäischen Verfassungsentwurf gefordert haben: über die Teilintegration wegzukommen zur Koordinierung der Währungs-, Kredit- und Finanzpolitik auf der ganzen Linie. Das werden wir im Augenblick nicht erreichen können; das ist eine Aufgabe, die sehr schwer ist. Deshalb geht es im Augenblick darum, für eine Übergangszeit einen vernünftigen
    Kompromiß zu finden. Dieses vernünftige Kompromißangebot kann nur so aussehen, daß im gegenwärtigen Augenblick die Unterschiede in den Steuersystemen einigermaßen ausgeglichen werden, d. h., daß in sämtlichen Ländern nur die Steuer der letzten Verarbeitungsstufe zurückvergütet und bei der Lieferung in das andere Land zugeschlagen wird. Das würde also etwa bedeuten, daß eine Lieferung, die von Frankreich nach Deutschland geht, dort eine Rückvergütung nicht mehr in Höhe von 16 % — die ja die Rückvergütung für Erz, für Schrott, für alle Vorstufen mit enthält —, sondern nur noch für die letzte Stufe der unmittelbaren Produktion des Stahlerzeugnisses erhält — sagen wir 4, 5, 6 % — und daß umgekehrt in Deutschland auch nur diese Belastung hinzutreten würde. Wenn man sich auf dieser Basis zunächst einmal vernünftig einigen kann, wird man das schwierige Unternehmen einer solchen Teilintegration, die nach unser aller Willen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ein Erfolg werden soll, erfolgreich durchführen können.
    Man darf sich jedoch nicht in Dogmen verrennen, die wirklichkeitsfremd sind und an der Realität vorbeigehen. Das gilt z. B. von der Behauptung, daß nur die indirekten Steuern in die Preise eingingen, nicht hingegen die direkten Steuern. Das ist eine Vorstellung, die sicher richtig war, als wir einmal 10 oder 15 °/o Einkommensteuer hatten. Aber wenn heute ein Unternehmen investieren will, muß es das Kapital verzinsen. Es muß die Zinsen verdienen, die es seinen Gläubigern oder Aktionären zahlen muß. Es muß folglich auch die Ertragsteuern verdienen und mit in den Preis einbeziehen. Herr Kollege Schöne hat schon darauf hingewiesen, daß in Art. 3 des Schumanplan-Vertrages diese Erkenntnis enthalten ist.
    Das Gutachten geht also etwas in die Irre. Wir möchten am Vorabend der Eröffnung des Gemeinsamen Marktes vor dem Deutschen Bundestag, vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit und gegenüber den Herren der Hohen Behörde noch einmal deutlich aussprechen, daß eine ungeheuerliche Verantwortung auf ihnen lastet. Wenn die Hohe Behörde einen Weg beschreitet, der zu Gegenmaßnahmen auf deutscher Seite führen müßte, so bedeutet das einen schrecklichen Umweg. Wenn man sich weiterhin auf das Gutachten Tinbergen stützt, bleibt uns auf deutscher Seite praktisch nichts anderes übrig, als die Ermächtigung an den Finanzminister zu geben, daß er die Belastung mit der Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr französischer Produkte in das deutsche Wirtschaftsgebiet ähnlich hoch setzt, wie auf der anderen Seite die Rückvergütungen an den französischen Produzenten sind. Das ist aber nicht der Sinn des Schuman-plans, der auf eine möglichst billige Versorgung und möglichst große Erleichterung der Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern gerichtet ist. Der Sinn des Vertrages geht vielmehr in umgekehrter Richtung. Wir richten deshalb an die Hohe Behörde den Appell, den einzig möglichen Weg zu gehen — die Steuerhoheit bleibt nach dem Schumanplan bei den einzelnen Regierungen —, sich selbst einer Entscheidung zu enthalten, die Regierungen unmittelbar zusammenzurufen, ihnen auf Grund einer Empfehlung die Möglichkeit zu geben, sich auf einer Kompromißbasis, wie ich sie angedeutet habe, zu einigen, so einen vernünftigen und gerechten Start der Montan-Union zu ermöglichen und nicht von vornherein dieses sehr, sehr schwierige und von uns allen mit ernstem Willen


    (Dr. Preusker)

    verfolgte Experiment mit dem Druck zu Gegenmaßnahmen zu belasten, die nicht erfreulich sein können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)