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ID0126205400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 262. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953 12747 262. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 12748D, 12780A Erste Beratung der Entwürfe von Gesetzen betr. Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission, die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland, die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 (Nr. 4260 der Drucksachen) 12749A Dr. Adenauer, Bundeskanzler : . 12749C Dr. Kopf (CDU) 12752C Dr. Gülich (SPD) 12756B Jaffé (DP) 12758A Dr. Reismann (FU) 12759C Fisch (KPD) 12760C Dr. Preusker (FDP) 12762A Dr. Etzel (Bamberg) (Fraktionslos) 12763A Scharnberg (CDU) 12763D Mellies (SPD) 12763D Überweisung an einen Sonderausschuß 12764A Zur Geschäftsordnung, betr. Mittagspause: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12764B Mellies (SPD) 12764C Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes (Nr. 4225 der Drucksachen) 12764C Storch, Bundesminister für Arbeit 12764C Freidhof (SPD) 12766A Frau Kalinke (DP) 12766D Renner (KPD) 12767D Arndgen (CDU) 12768C Erler (SPD) 12769B Dr. Atzenroth (FDP) 12769C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Kriegsopferausschuß 12770B Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nr. 4224 der Drucksachen) 12748D, 12770C Ehren (CDU), Anfragender . . . . 12770C Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . . . 12771C Unterbrechung der Sitzung . . . . 12772D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Decker, Dr. Besold u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz (Nr. 4226 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Freiherr von Aretin, Dr. Reismann u. Gen. betr. Volksentscheid in der Pfalz (Nr. 4227 der Drucksachen) 12748D, 12772B Dr. Decker (FU), Antragsteller . . 12772B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12773B Eberhard (FDP) 12774A Wagner (SPD) 12774D Neber (CDU) 12776C Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12777A Niebergall (KPD) 12778A Freiherr von Aretin (FU) 12778B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr 4286 der Drucksachen) 12749A Dr. Atzenroth (FDP): als Berichterstatter 12779C als Abgeordneter 12782B Seuffert (SPD) 12780B Kunze (CDU) 12781B Dr. Reismann (FU) 12782B Wackerzapp (CDU) 12783A Abstimmungen 12780A, 12783D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes (Nr. 4248 der Drucksachen) 12783D Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 12783D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Haferaufkauf (Nrn. 4236, 4036 der Drucksachen) 12784A Tobaben (DP), Berichterstatter . 12784A Beschlußfassung 12784B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Freiherrn von Aretin (Nr. 4257 der Drucksachen) 12784B Müller (Hessen) (SPD), Berichterstatter 12784B Beschlußfassung 12784D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abg. Langer (Nr. 4258 der Drucksachen) . . . 12784D Abgesetzt 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisen bahnen (Nr. 4228 der Drucksachen) 12785A Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone (Nr. 4223 der Drucksachen) 12785A Frau Kalinke (DP) 12785B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Nachwuchs für supranationale Behörden (Nr. 4222 der Drucksachen) 12785C Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß, den Haushaltsausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß 12785C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Familienbeirat (Nr. 4229 der Drucksachen) 12785D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12785D Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) 12785D Dr. Bertram (Soest) (FU), Antragsteller (schriftliche Begründung) 12785D, 12790 Dr. Schöne (SPD) . . . 12786A, 12789C Dr. Preusker (FDP) 12787C Dr. Meitinger (FU) 12789A Loritz (Fraktionslos) 12789A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12789D Bildung der Gruppe Wirtschaftliche Aufbauvereinigung 12789D Nächste Sitzung 12780A, 12789D Anlage: Schriftliche Begründung des Abg. Dr. Bertram (Soest) zum Antrag der Fraktion der FU betr. steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nrn. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) . . 12790 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 262. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Bertram (Soest) (Umdruck Nr. 878) zum Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) (Nr. 4230 der Drucksachen) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Unser Antrag wurde zu einem Zeitpunkt vorgelegt, als die Untersuchungen eines internationalen .Ausschusses noch nicht begonnen hatten. Dieser internationale Ausschuß wurde am 5. März 1953 beauftragt, von der Hohen Behörde des Kohle- und Stahlpools auf folgende Fragen zu antworten: Da die Umsatzsteuern in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft verschieden sind, welches wären dann für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Marktes die wirtschaftlichen Folgen: a) eines Systems a, das durch Befreiungen bei der Ausfuhr und durch Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr die Erzeugnisse mit den im Bestimmungslande geltenden Umsatzsteuern belasten würde, b) eines Systems b, bei welchem auf die Erzeugnisse, gleichgültig wohin sie innerhalb des gemeinsamen Marktes geliefert werden, aus- schließlich die im Ursprungslande geltenden Umsatzsteuern zur Anwendung kämen? Der internationale Ausschuß, unter dem Vorsitz von Professor Tinbergen und nach Anhörung aller beteiligten Länder, ihrer Organisationen und ihrer maßgebenden Fachleute, ist zu dem einstimmigen Votum gelangt, daß man die Gesamtheit der direkten und indirekten Steuern, also das Steuersystem eines Landes, abwägen müsse, wenn man auch nur die Wirkungen bei der Ausfuhr gewährter Befreiungen, Erstattungen und Ausgleichsabgaben für das Marktgeschehen beurteilen wolle. Von dieser These ausgehend kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß Maßnahmen, die nötig werden sollten, sobald der gemeinschaftliche Markt eintritt, um Funktionsstörungen durch steuerliche Folgewirkungen zu vermeiden, nicht in die Kompetenz der Hohen Behörde, sondern der einzelnen Regierungen fallen. Zu der gleichen Schlußfolgerung waren die Antragsteller vor dem internationalen Tinbergen-Ausschuß gelangt. Die Hohe Behörde kann zwar Zölle und zollähnliche Steuern beseitigen, nicht jedoch kann sie Befreiungen, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben ändern, die nur dazu dienen, Inlandsbelastungen der Ware mit Steuern indirekter oder direkter Art auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen die Startgleichheit herstellen, nicht wie Zölle ungleichmäßig wirken. Die Ermittlungen des Tinbergen-Ausschusses haben auch die Frage geprüft, ob nicht über das erlaubte Maß des Ausgleichs hinausgehende steuerliche Manipulationen festzustellen seien. Es hat sich ergeben, daß die Befreiungen ebenso wie die Ausgleiche überall gegenwärtig niedriger sind als die Gesamtbelastung durch, die Steuer auf den Umsatz. Es ist nach der Überzeugung der Antragsteller jedoch notwendig, die negative Feststellung über die Befugnisse der Hohen Behörde zu benutzen, den Weg nach Europa nunmehr weiterzugehen, indem man sich in den nationalen Parlamenten über eine Methode zur Vereinheitlichung des Steuersystems berät und entsprechende Beschlüsse faßt. Die nationalen Gewalten sind es, die nunmehr ihre Steuersysteme nach gemeinsamen Leitideen zu ordnen hätten. Daß die Europäische Gemeinschaft ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten auf weiteren als den Vertragsgebieten große Schwierigkeiten erfahren wird, war unsere Überzeugung schon bei der Beschlußfassung über das Vertragswerk: Jetzt gilt es, den zweiten Schritt zu tun! Wenn deshalb die Bundesregierung eine entsprechende steuerliche Ermächtigung erhalten soll, so soll sie diese Ermächtigung in die Lage versetzen, durch Verhandlungen mit den anderen vertragschließenden Staaten eine steuerrechtliche Vereinbarung zu treffen, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglicht. Die Hohe Behörde wird ein entsprechendes Ersuchen an die Mitgliedstaaten richten. Mit Absicht wurde es vermieden, über steuerrechtliche Einzelheiten sowie über Einzelheiten der voraussichtlich eintretenden Marktstörungen zu berichten. Diese Fragen sollten, schon um internationale Verstimmungen zu vermeiden, in einem Sonderausschuß behandelt werden. Im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen schlagen wir einen 7er Ausschuß vor, in dem die antragstellende Fraktion als Antragsteller vertreten wäre. Wir beantragen daher: 1. Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses, 2. Überweisung unseres Antrags an diesen Ausschuß. Bonn, den 20. April 1953 Dr. Bertram (Soest)
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    Rede von Friedrich Wilhelm Wagner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Antrag, den formell die Föderalistische Union zeichnet, der aber faktisch von der Frakion der Bayernpartei gestellt ist, von einer anderen Schau aus betrachten. Die Bayernpartei ist, wenn ich recht unterrichtet bin,


    (Wagner)

    diejenige Partei, die die bayerischen Belange ganz besonders betont.

    (Abg. Baur [Augsburg]: Aber nur betont!)

    Die Fraktion dieser Bayernpartei stellt nun einen Antrag über Belange, die an und für sich Belange des pfälzischen Volkes sind.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Mitte.)

    Der Antrag der Bayernpartei ist allerdings noch von unserm sehr geschätzten Kollegen Reismann gezeichnet. Ich will nicht die Frage aufwerfen, weil ich viel zu höflich dazu bin, ob alle Unterzeichner dieses Antrages mein wunderschönes Pfälzer Land, meine geliebte Heimat, jemals gesehen haben.

    (Heiterkeit bei der SPD und in der Mitte.)

    Ich hoffe, daß sie genau wissen, wo sie geographisch liegt,

    (erneute Heiterkeit)

    und daß es nicht nur eine Fernverbindung ist, die sie so begeistert.
    Aber wenn die Bayernpartei einen solchen Antrag stellt, dann übersieht sie nicht nur — das werde ich ganz kurz streifen — die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten. Sie prüft die Frage überhaupt nicht gründlich, sondern wirft ihren Antrag oberflächlich aufs Papier. Sie beeilt sich, irgendeinen Antrag zu stellen, der die Pfalz betrifft, nicht um eine sachliche Lösung herbeizuführen, sondern sie stellt diesen Antrag aus innerpolitisch bayerischer Konkurrenz.

    (Abg. Dr. Decker: Gehen Sie damit von Ihren eigenen Gesichtspunkten aus?)

    Sie will damit den übrigen bayerischen Parteien bzw. den Regierungsparteien in Bayern, der CSU vor allem und der SPD, beweisen, daß sie mit Bezug auf ihre Agitation bezüglich Rückgewinnung der Pfalz viel bajuwarischer ist, als diese es sind.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Decker: Das ist ja lächerlich! — Weitere Zurufe.)

    Meine Herren, daß dieser Antrag von vornherein der Ernstlichkeit entbehrt, ergibt sich aus seinen Motiven. Die Bayernpartei hat es gar nicht nötig, mit Bezug auf die Pfalz bayerischer sein zu wollen, als die bayerische Staatsregierung es ist. Die bayerische Staatsregierung bedarf ihres Antriebes auf diesem Gebiete gar nicht.

    (Abg, Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Die Agitation, die sie bei uns in der Pfalz betreibt, ist so stark, daß man beinahe versucht ist, zu sagen, es wäre oft mehr, wenn es weniger wäre.

    (Abg. Baur [Augsburg]: Sehr gut!)

    Allerdings muß ich sagen, sie könnte sich den Ministerpräsidenten von Bayern, Herr Dr. Ehard, zum Vorbild nehmen. Dieser hat bei dem Jubiläum meiner Vaterstadt Ludwigshafen, die Sie vorhin erwähnt haben, mit einer Zurückhaltung und einem Takt gesprochen, der für sich selbst wirkt. Er hat politisches Fingerspitzengefühl, das Ihnen wenigstens fehlt.

    (Abg. Dr. Decker: Die Koalition!)

    — Ich habe mit dieser Koalition nichts zu tun. Ich bin gar nicht so bayerisch!

    (Heiterkeit links.) Er hat die Sache mit einem Fingerspitzengefühl behandelt, das man Ihnen wünschen könnte, von Ihnen aber wahrscheinlich nicht erwarten darf; denn wenn Sie Fingerspitzengefühl hätten, wenn Sie auch nur ein Gefühl für politische Realitäten und für eine politische Psychologie hätten, dann hätten Sie einen solchen Antrag niemals eingebracht. Wie kommen Sie denn ausgerechnet als bayerische Abgeordnete, als Urbayern dazu, solche Anträge zu stellen, wo doch in diesem Hause in allen großen Parteien soundso viele Abgeordnete aus der Pfalz, geborene Pfälzer, sitzen?


    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. Decker: Das ist eine bayerische Sache!)

    — Das ist eine pfälzische Sache, und es ist nicht Ihre Sache, über unsern Kopf hinweg über unser eigenes Land zu verfügen. Wir verteidigen die Interessen und die Rechte unseres eigenen pfälzischen Landes.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Wir verteidigen es gegen Sie! Dann will ich Ihnen noch eines sagen: wenn Sie wollen, daß die Pfalz niemals zu Bayern zurückkehrt, dann brauchen bloß Sie weiter so zu agitieren.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte. — Zuruf von der FU: Sie verdrehen die Tatsachen!)

    Nun will ich diese Gelegenheit gar nicht benutzen, mich grundsätzlich über die Neugliederung der Länder — ein außerordentlich wichtiges Kapitel — auseinanderzusetzen. Ich will insbesondere diese Gelegenheit nicht benutzen, zu der Frage Stellung zu nehmen, wohin die Pfalz gehen will, ob sie bei Rheinland-Pfalz bleiben will, ob sie zu Bayern, zum Südweststaat oder zu Hessen will.

    (Zuruf von der FU: Nur zu Bayern!)

    Dieser Antrag ist nicht wert, daß man eine grundsätzliche Ausführung daran knüpft.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Zuruf von der FU: Unsachlich!)

    — Unsachlich ist Ihr Antrag! — Über Ihre Ausführungen will ich auch nicht debattieren. Ich weiß nicht, woher Sie wissen, daß in der Pfalz bis 1945 ein „echtes bayerisches Staatsbewußtsein" lebendig gewesen ist, daß die Pfalz ein „sorglich gepflegtes Juwel" war. Wenn Sie in die Pfalz gehen, meine Damen und Herren, seien Sie gegenüber Leuten, die die Geschichte der Pfalz kennen, mit dem „sorglich gepflegten Juwel" etwas vorsichtig! Ich will weitere Ausführungen daran nicht knüpfen, weil ich mich nicht provozieren lassen möchte, in einer Frage eine Festlegung zu treffen, in der meine eigene .pfälzische Partei und auch meine Gesamtpartei eine Festlegung nicht vorgenommen hat. Aber wie gesagt, Ihr Antrag verdient nicht, daß man sich so grundsätzlich darüber auseinandersetzt.
    Herr Dr. Decker, Sie sind kein Jurist,

    (Abg. Dr. Decker: Gott sei Dank!) brauchen es auch nicht zu sein. Aber daß Sie keiner sind, hat man gemerkt; Sie scheinen diesen Antrag formuliert zu haben. Aber Sie haben in Ihrer Fraktion Juristen, und wenn Sie nicht genügend haben, stellen wir Ihnen einige zur Verfügung.


    (Heiterkeit.)

    Wenn Sie nämlich den Artikel 29 des Grundgesetzes nur mit gesundem Menschenverstand


    (Wagner)

    gelesen hätten, hätten Sie gemerkt, daß dieses Grundgesetz einen außerordentlich demokratischen Charakter hat und nicht duldet, daß man über die Länder so hinweggeht, wie Sie es tun wollen.

    (Zuruf von der FU: Wollen wir gar nicht!)

    — Vielleicht passen Sie jetzt auf, damit Sie darüber etwas lernen!

    (Heiterkeit.)

    In Art. 29 Abs. 2 ist das Schicksal der Gebietsteile besonders geregelt, die nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit gewechselt haben. Diese Gebietsteile sollen nun, wenn sie den Wunsch empfinden, von sich aus das Recht haben, ein Volksbegehren zu stellen und darin auszudrücken, daß der nach dem 8. Mai 1945 ohne ihre Zustimmung geschaffene Zustand zugunsten eines anderen Zustandes geändert werden solle. Ihre Auslegung, das sei eine Kann-Bestimmung, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Wenn ein Volksbegehren im Sinne von Art. 29 Abs. 2 in der Pfalz nicht vorliegt, kann der Bundesgesetzgeber überhaupt nicht in Funktion treten. Der Bundestag hat gar kein Recht — außer im Rahmen des Art. 29 Abs. 1, der die Neugliederung des gesamten Bundesgebiets vorsieht —, hier irgendwie tätig zu werden, wenn nicht wir Pfälzer ein Volksbegehren einbringen.
    Ich will nicht auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Herrn Minister Dr Lehr eingehen. Zum Teil bin ich seiner Meinung, zum anderen Teil — aber mir fehlt die Zeit, es zu erörtern — bin ich anderer Meinung.
    Ich will noch eines sagen. Wenn heute meine pfälzische Heimat und ihre Bevölkerung ein solches Volksbegehren einbringen, werden wir als verantwortungsbewußte Deutsche die Dinge so anfassen und so bearbeiten, daß nicht einfach ein Stück aus dem lebendigen Staatskörper herausgerissen wird ohne Rücksicht auf das, was sonst geschieht.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Sehr richtig!)

    Vielmehr werden wir, wenn sich eine Änderung des Staates Rheinland-Pfalz als notwendig erweisen und dem Wunsche der Bevölkerung entsprechen sollte, verantwortungsbewußt für eine Organisation eintreten, bei der nicht meinetwegen Rheinhessen und Koblenz-Trier in der Luft hängen bleiben und einfach aus egoistischen Gründen ein Teil abgetrennt und einem anderen Teil zugeteilt wird, ohne daß man sich das Schicksal der anderen Teile überlegt, die genau so aus deutschen Menschen zusammengesetzt sind wie unser Land.

    (Beifall bei der SPD.)

    Unser erster Gesichtspunkt in der Pfalz ist, daß wir Deutsche sind. Wir sind ein Grenzland. Wir können uns nicht irgendwelche Abenteuer gestatten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben eine Politik der Besinnung zu treiben. Die Politik der Bayernpartei — das beweist dieser Antrag wieder — ist zum Glück nur die Politik einer kleinen Minderheit in Bayern. Wenn diese Politik aber die Politik einer großen Mehrheit wäre, wäre eine Rückgliederung der Pfalz an Bayern für uns in der Pfalz geradezu eine nationale Gefahr.
    Ich beantrage, über die beiden Anträge auf Drucksachen Nrn. 4226 und 4227 zur Tagesordnung überzugehen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Wagner, ich darf Sie so verstehen, daß Übergang zur Tagesordnung beantragt werden soll, nachdem die vorgesehene Aussprache beendet worden ist.

(Abg. Wagner: Ja natürlich!)

— Sie wollen niemandem jetzt das Wort abschneiden. — Das Wort hat der Abgeordnete Neber.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jakob Neber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern über die staatsrechtliche Seite der beiden vorliegenden Anträge kann ich es mir ersparen, darauf noch im einzelnen einzugehen, zumal ja mein Herr Vorredner, Herr Justizrat Wagner, in so trefflicher Weise den Abs. 2 des Art. 29 des Grundgesetzes herangezogen hat. Ich kann mich darauf beschränken, noch einmal herauszustellen, daß ein Volksbegehren, wie es denkbar wäre, nach diesem Abs. 2 eine ausschließliche Angelegenheit des betreffenden Landesteils, in diesem Falle von uns Pfälzern, ist. Insofern habe ich es eigentlich bedauert, meine lieben bayerischen Freunde, daß ich das schöne alte Lied vernommen habe: „Horch, was kommt von draußen rein".

    (Heiterkeit.)

    Ich hätte gewünscht, daß man sich rechtzeitiger daran erinnert hätte, welche Möglichkeiten das Grundgesetz zur Zeit noch zuläßt. Ich hätte weiter gewünscht, daß man abgewartet hätte, bis nach dem Fallen der Sperre über den besagten Art. 29 die Pfälzer selbst die Initiative ergriffen hätten, um nun zu bekunden, ob sie dem Lande, dem sie 1945 zugeteilt wurden, weiter treu bleiben wollen, ob sie, worauf die Propaganda vielfach zielt, wieder zu Bayern zurück wollen oder welche sonstigen Möglichkeiten für sie dann gegeben wären.
    Auf jeden Fall aber muß bei dieser Gelegenheit einmal herausgestellt werden: Wir fühlen uns gar nicht in der Rolle der Braut, die, sagen wir einmal, um ihres Reichtums willen von ihrem Vater oder von wem sonst verkauft werden will, sondern wir fühlen uns durchaus in ,der angenehmen Rolle, daß unsere eigene Persönlichkeit so liebreizend ist, daß wir uns selbst den angenehmsten Bräutigam suchen können.

    (Große Heiterkeit.)

    Es spielt aber noch etwas anderes eine Rolle. Wir Pfälzer haben zur Zeit noch ganz andere Sorgen. Das können Sie feststellen, wenn Sie bei uns in Versammlungen herumhören, wenn Sie bei uns Tagungen mitmachen und tagtäglich erleben, wie wir uns Gedanken darüber machen, um die Bauern wieder unterzubringen, wie wir die von Landbeschlagnahmen Betroffenen befriedigen und die Heimatvertriebenen unterbringen können, wie wir das Wohnungsproblem und all die anderen vielen, vielen Fragen lösen können, die bei uns eine so vielfache Gestalt angenommen haben, die so mannigfaltig sind, daß sie uns oft zu erdrücken drohen. Wir sind wahrhaftig der Meinung, daß jetzt nicht die Zeit ist, Fragen der Neugliederung voreilig, nur partiell zu lösen, bevor die gesetzlichen Grundlagen geschaffen sind.
    Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt — wir stehen vor den Bundestagswahlen — der denkbar ungeeignetste ist. Wir verwahren uns dagegen, daß durch die Behandlung einer Teilfrage der Neugliederung eine Verwischung der Tatbestände entsteht, wie sie bei der kommenden Bundestagswahl zur Entscheidung gestellt werden.


    (Neber)

    Aus allen diesen Gründen werden wir rheinpfälzischen Abgeordneten der CDU uns dem Antrag, den mein sehr verehrter Herr Vorredner gestellt hat, anschließen.

    (Beifall in der Mitte.)