Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Antrag, den formell die Föderalistische Union zeichnet, der aber faktisch von der Frakion der Bayernpartei gestellt ist, von einer anderen Schau aus betrachten. Die Bayernpartei ist, wenn ich recht unterrichtet bin,
diejenige Partei, die die bayerischen Belange ganz besonders betont.
Die Fraktion dieser Bayernpartei stellt nun einen Antrag über Belange, die an und für sich Belange des pfälzischen Volkes sind.
Der Antrag der Bayernpartei ist allerdings noch von unserm sehr geschätzten Kollegen Reismann gezeichnet. Ich will nicht die Frage aufwerfen, weil ich viel zu höflich dazu bin, ob alle Unterzeichner dieses Antrages mein wunderschönes Pfälzer Land, meine geliebte Heimat, jemals gesehen haben.
Ich hoffe, daß sie genau wissen, wo sie geographisch liegt,
und daß es nicht nur eine Fernverbindung ist, die sie so begeistert.
Aber wenn die Bayernpartei einen solchen Antrag stellt, dann übersieht sie nicht nur — das werde ich ganz kurz streifen — die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten. Sie prüft die Frage überhaupt nicht gründlich, sondern wirft ihren Antrag oberflächlich aufs Papier. Sie beeilt sich, irgendeinen Antrag zu stellen, der die Pfalz betrifft, nicht um eine sachliche Lösung herbeizuführen, sondern sie stellt diesen Antrag aus innerpolitisch bayerischer Konkurrenz.
Sie will damit den übrigen bayerischen Parteien bzw. den Regierungsparteien in Bayern, der CSU vor allem und der SPD, beweisen, daß sie mit Bezug auf ihre Agitation bezüglich Rückgewinnung der Pfalz viel bajuwarischer ist, als diese es sind.
Meine Herren, daß dieser Antrag von vornherein der Ernstlichkeit entbehrt, ergibt sich aus seinen Motiven. Die Bayernpartei hat es gar nicht nötig, mit Bezug auf die Pfalz bayerischer sein zu wollen, als die bayerische Staatsregierung es ist. Die bayerische Staatsregierung bedarf ihres Antriebes auf diesem Gebiete gar nicht.
Die Agitation, die sie bei uns in der Pfalz betreibt, ist so stark, daß man beinahe versucht ist, zu sagen, es wäre oft mehr, wenn es weniger wäre.
Allerdings muß ich sagen, sie könnte sich den Ministerpräsidenten von Bayern, Herr Dr. Ehard, zum Vorbild nehmen. Dieser hat bei dem Jubiläum meiner Vaterstadt Ludwigshafen, die Sie vorhin erwähnt haben, mit einer Zurückhaltung und einem Takt gesprochen, der für sich selbst wirkt. Er hat politisches Fingerspitzengefühl, das Ihnen wenigstens fehlt.
— Ich habe mit dieser Koalition nichts zu tun. Ich bin gar nicht so bayerisch!
Er hat die Sache mit einem Fingerspitzengefühl behandelt, das man Ihnen wünschen könnte, von Ihnen aber wahrscheinlich nicht erwarten darf; denn wenn Sie Fingerspitzengefühl hätten, wenn Sie auch nur ein Gefühl für politische Realitäten und für eine politische Psychologie hätten, dann hätten Sie einen solchen Antrag niemals eingebracht. Wie kommen Sie denn ausgerechnet als bayerische Abgeordnete, als Urbayern dazu, solche Anträge zu stellen, wo doch in diesem Hause in allen großen Parteien soundso viele Abgeordnete aus der Pfalz, geborene Pfälzer, sitzen?
— Das ist eine pfälzische Sache, und es ist nicht Ihre Sache, über unsern Kopf hinweg über unser eigenes Land zu verfügen. Wir verteidigen die Interessen und die Rechte unseres eigenen pfälzischen Landes.
Wir verteidigen es gegen Sie! Dann will ich Ihnen noch eines sagen: wenn Sie wollen, daß die Pfalz niemals zu Bayern zurückkehrt, dann brauchen bloß Sie weiter so zu agitieren.
Nun will ich diese Gelegenheit gar nicht benutzen, mich grundsätzlich über die Neugliederung der Länder — ein außerordentlich wichtiges Kapitel — auseinanderzusetzen. Ich will insbesondere diese Gelegenheit nicht benutzen, zu der Frage Stellung zu nehmen, wohin die Pfalz gehen will, ob sie bei Rheinland-Pfalz bleiben will, ob sie zu Bayern, zum Südweststaat oder zu Hessen will.
Dieser Antrag ist nicht wert, daß man eine grundsätzliche Ausführung daran knüpft.
— Unsachlich ist Ihr Antrag! — Über Ihre Ausführungen will ich auch nicht debattieren. Ich weiß nicht, woher Sie wissen, daß in der Pfalz bis 1945 ein „echtes bayerisches Staatsbewußtsein" lebendig gewesen ist, daß die Pfalz ein „sorglich gepflegtes Juwel" war. Wenn Sie in die Pfalz gehen, meine Damen und Herren, seien Sie gegenüber Leuten, die die Geschichte der Pfalz kennen, mit dem „sorglich gepflegten Juwel" etwas vorsichtig! Ich will weitere Ausführungen daran nicht knüpfen, weil ich mich nicht provozieren lassen möchte, in einer Frage eine Festlegung zu treffen, in der meine eigene .pfälzische Partei und auch meine Gesamtpartei eine Festlegung nicht vorgenommen hat. Aber wie gesagt, Ihr Antrag verdient nicht, daß man sich so grundsätzlich darüber auseinandersetzt.
Herr Dr. Decker, Sie sind kein Jurist,
brauchen es auch nicht zu sein. Aber daß Sie keiner sind, hat man gemerkt; Sie scheinen diesen Antrag formuliert zu haben. Aber Sie haben in Ihrer Fraktion Juristen, und wenn Sie nicht genügend haben, stellen wir Ihnen einige zur Verfügung.
Wenn Sie nämlich den Artikel 29 des Grundgesetzes nur mit gesundem Menschenverstand
gelesen hätten, hätten Sie gemerkt, daß dieses Grundgesetz einen außerordentlich demokratischen Charakter hat und nicht duldet, daß man über die Länder so hinweggeht, wie Sie es tun wollen.
— Vielleicht passen Sie jetzt auf, damit Sie darüber etwas lernen!
In Art. 29 Abs. 2 ist das Schicksal der Gebietsteile besonders geregelt, die nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit gewechselt haben. Diese Gebietsteile sollen nun, wenn sie den Wunsch empfinden, von sich aus das Recht haben, ein Volksbegehren zu stellen und darin auszudrücken, daß der nach dem 8. Mai 1945 ohne ihre Zustimmung geschaffene Zustand zugunsten eines anderen Zustandes geändert werden solle. Ihre Auslegung, das sei eine Kann-Bestimmung, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Wenn ein Volksbegehren im Sinne von Art. 29 Abs. 2 in der Pfalz nicht vorliegt, kann der Bundesgesetzgeber überhaupt nicht in Funktion treten. Der Bundestag hat gar kein Recht — außer im Rahmen des Art. 29 Abs. 1, der die Neugliederung des gesamten Bundesgebiets vorsieht —, hier irgendwie tätig zu werden, wenn nicht wir Pfälzer ein Volksbegehren einbringen.
Ich will nicht auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Herrn Minister Dr Lehr eingehen. Zum Teil bin ich seiner Meinung, zum anderen Teil — aber mir fehlt die Zeit, es zu erörtern — bin ich anderer Meinung.
Ich will noch eines sagen. Wenn heute meine pfälzische Heimat und ihre Bevölkerung ein solches Volksbegehren einbringen, werden wir als verantwortungsbewußte Deutsche die Dinge so anfassen und so bearbeiten, daß nicht einfach ein Stück aus dem lebendigen Staatskörper herausgerissen wird ohne Rücksicht auf das, was sonst geschieht.
Vielmehr werden wir, wenn sich eine Änderung des Staates Rheinland-Pfalz als notwendig erweisen und dem Wunsche der Bevölkerung entsprechen sollte, verantwortungsbewußt für eine Organisation eintreten, bei der nicht meinetwegen Rheinhessen und Koblenz-Trier in der Luft hängen bleiben und einfach aus egoistischen Gründen ein Teil abgetrennt und einem anderen Teil zugeteilt wird, ohne daß man sich das Schicksal der anderen Teile überlegt, die genau so aus deutschen Menschen zusammengesetzt sind wie unser Land.
Unser erster Gesichtspunkt in der Pfalz ist, daß wir Deutsche sind. Wir sind ein Grenzland. Wir können uns nicht irgendwelche Abenteuer gestatten.
Wir haben eine Politik der Besinnung zu treiben. Die Politik der Bayernpartei — das beweist dieser Antrag wieder — ist zum Glück nur die Politik einer kleinen Minderheit in Bayern. Wenn diese Politik aber die Politik einer großen Mehrheit wäre, wäre eine Rückgliederung der Pfalz an Bayern für uns in der Pfalz geradezu eine nationale Gefahr.
Ich beantrage, über die beiden Anträge auf Drucksachen Nrn. 4226 und 4227 zur Tagesordnung überzugehen.