Rede von
Anton
Eberhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zu dem Antrag der Rückgliederung der Pfalz an Bayern im besonderen, sondern ganz allgemein gesehen möchte ich zunächst folgendes sagen: Die Freie Demokratische Partei hält sich schon nach Programm und Zielsetzung verpflichtet, der Frage der innerdeutschen Ländergliederung ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Bei einer notwendigen Länderneugliederung wird deshalb meine Partei unter allen Umständen darauf Bedacht nehmen, daß nicht Gedankengänge verwirklicht werden, die eine rückschrittliche Lösung bedeuten würden.
Als eine rückschrittliche Lösung wäre meines Erachtens im heutigen Kleinstdeutschland z. B. die Wiederbildung von Exklaven anzusehen,
die, in heutiger Sicht betrachtet, sowohl in volksmäßiger wie auch wirtschaftlicher Hinsicht als Fehllösung anzusprechen wäre.
Den südlichen Teil des Landes Rheinland-Pfalz bildete die Exklave Rheinpfalz, die von 1815 bis 1945 bestanden hat. Sie ist im Westen verkleinert um die sogenannte Saarpfalz, bestehend -aus den Kreisen Homburg, St. Ingbert und Blieskastel, die die Besatzungsmächte schon im Jahre 1918 wie wiederum im Jahre 1945 mit dem Saarland vereinigt haben.
Der Freien Demokratischen Partei kommt es deshalb darauf an, wirtschaftlich gesunde und alle Bevölkerungsteile befriedigende Länder zu haben und, falls noch nicht allenthalben vorhanden, diese neu zu schaffen. Deshalb werden wir Fragen dieser Art mit besonderer Sorgfalt prüfen, bevor wir unsere Entscheidung treffen.
Wir dürfen auch nicht in den Fehler verfallen, neu Geschaffenes, einerlei aus welchen Gründen, kurzerhand über Bord zu werfen. Wir haben auch hier die Pflicht, sorgfältigst zu prüfen, was untragbar und unzumutbar oder was, von der gesamtdeutschen Schau aus, den Gegebenheiten und Forderungen unserer Zeit am besten entspricht und auch förderlich ist. Gemessene Zurückhaltung und temperiertes Abwarten in dieser Frage bedeuten nicht Mangel an Verantwortungsfreude und Bekennermut, sondern Verantwortungsbewußtsein und Sorgfaltspflicht gegenüber Volk und Vaterland.
Im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Innenministers zu Art. 29 möchte ich noch folgengendes sagen: Die Stellungnahme zu dem Antrag Drucksache Nr. 4227 setzt auch voraus, daß man sich zunächst den Art. 29 des Grundgesetzes etwas näher ansieht. Es ist nicht uninteressant, zu wissen, daß die Formulierung des Art. 29 keine in Zeitnot geborene ist, wie das etwa für den Art. 18 der Weimarer Verfassung gilt. Tatsache dürfte sein, daß in den Ausschußberatungen über Art. 29 größte Sorgfalt darauf verwendet wurde, eine Verwässerung der gefundenen Formulierungen der Absätze 1 bis 7 auszuschließen. Der Wortlaut des Art. 2 läßt durchaus die Frage zu, ob ein einzelner Volksteil eines Landes, das sich aus nur abgetrennten Volksteilen früherer Länder zusammensetzt, einen Volksentscheid für sich allein rechtlich verlangen kann oder ob in einem solchem Falle nicht alle in diesem Land zusammengefaßten Volksteile nur gemeinsam einen Volksentscheid begründen können. Bei der Prüfung dieser Frage muß man sich vergegenwärtigen, daß das Land Rheinland-Pfalz ein völlig neu geschaffenes Land ist.
Deshalb vertrete ich die Auffassung, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung des Art. 29 die Absicht verfolgte, zum Ausdruck zu bringen, daß am Anfang nur eine das gesamte Bundesgebiet umfassende Neuregelung stehen kann.
Diese Absicht findet ihre fundierte Begründung darin, daß etwa notwendig werdende Gebietsveränderungen eine Fülle von Fragen aufrollen, die nur in der Sicht eines Gesamtrahmens sowohl wirtschaftspolitisch als auch innen- und außenpolitisch am gegebenen X-Tage geregelt werden können.
Für die Länderneugliederung sind gemäß Art. 29 allein der Bundestag und der Wille der Bevölkerung der in Frage kommenden Teile des Bundesgebietes maßgebend und nicht die Länder,
wie das seinerzeit Art. 18 der Weimarer Verfassung vorsah.
Man wende nicht ein, daß man anläßlich der Neuregelung des Südweststaates Überlegungen dieser Art nicht angestellt habe. Der Herr Innenminister hat bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei der in Art. 118 des Grundgesetzes vorgesehenen Regelung um eine Sonderregelung gehandelt hat. Wenn man aber dem Willen der Bevölkerung Rechnung tragen und den Willen eines Bevölkerungsteils ergründen will, dann darf die Frage nicht etwa nur so lauten: Wünschen Sie die Rückgliederung an Bayern?, sondern dann müßte sie etwa lauten: 1. Wünschen Sie die Rückgliederung an Bayern? 2. Wünschen Sie den Anschluß an den Südweststaat? 3. Wünschen Sie die Beibehaltung des status quo? Nur wenn man die Frage in dieser oder ähnlicher Form stellt, kann man nach meiner Überzeugung den echten Volkswillen ergründen.