Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch viele Jahrhunderte — das reicht bis 1214 zurück — ist die Pfalz unmittelbar oder über das Haus Wittelsbach mit Bayern verbunden gewesen. Gerade die letzten 175 Jahre haben bewiesen, wie glücklich dieses Band für beide Länder sich ausgewirkt hat. Die Verbindung Bayern-Pfalz war bis 1945 für das ganze deutsche Volk eine Selbstverständlichkeit, und es wurde nie bestritten, daß die Pfalz als ein Teil des bayerischen Staates anzuerkennen sei.
Echtes und lebendiges bayerisches Staatsbewußtsein war im links- und im rechtsrheinischen Bayern vorhanden, ein Staatsbewußtsein, das bisher durch kein anderes ersetzt worden ist. Selbst das Dritte Reich hat in seiner Rücksichtslosigkeit eine vollständige Abtrennung der Pfalz vom rechtsrheinischen Bayern nicht durchführen können; dieser Schritt blieb vielmehr den Alliierten nach 1945 vorbehalten, und — das sei ganz besonders hervogehoben — nicht deutsche Interessen, sondern lediglich besatzungspolitische Gesichtspunkte waren hierfür maßgebend. Die Pfalz, die einst ein sorglich gehütetes und gepflegtes Juwel im Kranze der bayerischen Kreise war, ist nun zum Hinterland geworden. Ludwigshafen, das jetzt seinen 100. Geburtstag feiert, eine blühende bayerische Gründung, droht zu einem Vorort zu werden.
Die organischen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der Pfalz haben immer nach Franken und nach Altbayern gereicht, und sie sind trotz mancher Erschwerung bis heute noch nicht völlig abgerissen. Ohne die starke und enge Klammer zwischen dem rechtsrheinischen Bayern und der linksrheinischen Pfalz wäre die Pfalz wahrscheinlich dem Schicksal des Saarlandes oder gar Elsaß-Lothringens verfallen.
— Bitte, studieren Sie einmal die Geschichte! Das
Verhältnis Bayerns zur Pfalz war ein Musterbeispiel für gesunden und lebendigen Föderalismus.
Die Zeit ist nun reif, daß Schritte unternommen werden, um die unglückliche Trennung wieder rückgängig zu machen. In Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes ist für die Neugliederung ein Bundesgesetz gefordert. Der Art. 29 Abs. 2 sieht in einer Kann-Bestimmung ein Volksbegehren vor. In dem Wortlaut ist ausdrücklich das Wort „kann" und nicht „muß" enthalten. Warum? Der Verfassunggeber wollte für den Fall, daß die gesetzgebende Körperschaft des Bundes die Initiative zu einer anstehenden Neugliederung nicht ergreift, der Bevölkerung die Möglichkeit einer eigenen Initiative geben. Offensichtlich ist aber durch diese Kann-Bestimmung nicht ausdrücklich ausgeschlossen, daß der Bundestag von sich aus das Neugliederungsproblem aufgreift. In dem letzteren Fall ist ein Volksbegehren sinnwidrig und überflüssig; denn der auf einen solchen Schritt folgende Volksentscheid gibt der Bevölkerung die Gelegenheit, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen. Gerade das wollen wir durch unsere Anträge zum Problem der Pfalz erreichen. Unser Antrag auf Drucksache Nr. 4226, „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz", bezweckt,
die Grundlage für einen Volksentscheid in der Pfalz zu schaffen. Ein Volksbegehren ist dann nach unserer Ansicht, die ich Ihnen soeben dargelegt habe, überflüssig. Durch die Annahme des Antrages soll vielmehr der Bundestag die Initiative ergreifen und den Volksentscheid veranlassen.
Die Durchführung des geforderten Gesetzes ist durch die Einstellung der Alliierten zum Bonner Grundgesetz heute noch gehindert. Diese Einstellung ist aber weiß Gott überholt. Ein Beschluß dieses Hauses müßte doch die Alliierten veranlassen, von dieser heute unverständlichen Haltung abzugehen.
Wir haben in einem zweiten Antrag, Drucksache Nr. 4227, das Hohe Haus gebeten, der Regierung den Auftrag zu geben, die Voraussetzungen für die Durchführung eines Volksentscheides zu schaffen. Ich darf an das ganze Haus appellieren, unsere Anträge zu unterstützen. Gerade Sie, meine Damen und Herren aus der Mitte des Hauses, haben ja in der letzten Woche den Anschauungsunterricht gehabt, wie gefährlich es ist, in den Bestand der im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen Länder einzugreifen. Daß das Land Baden zerstört und mit Ihrem Zutun eine „Maierei" zusammengeklebt worden ist, bereuen Sie alle miteinander heute schwer.
Das Band zwischen Bayern und der Pfalz ist in Jahrhunderten so eng geworden, daß es ohne Schaden für beide Länder, ja für das ganze deutsche Volk auf die Dauer nicht getrennt werden darf. Helfen Sie uns, es wieder zu knüpfen. Geben Sie den Pfälzern das Recht, über die Stellung ihres Landes im Bund selber zu entscheiden.
Wir beantragen, unsere beiden Anträge dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung zur Bearbeitung zu überweisen.