Rede von
Karl
Gaul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der ersten Lesung des dritten Änderungsgesetzes des Besoldungsrechts im November des vergangenen Jahres hat der Sprecher meiner Fraktion aus der großen Schar der Beamtenschaft zwei besondere Gruppen herausgehoben. Das waren die Erzieher und die Richter. Er hat damals gefordert, daß man wegen der Vorbildung dieser beiden Beamtengruppen, der besonderen Art ihrer Tätigkeit und der Verantwortung in diesen Ämtern die unzureichende Besoldung aufbessern solle. Wir stimmen daher diesem Entwurf des Bundesrats in der Tendenz zu.
Wenn in der Erziehung, in der Schule sich die Folgen einer unzulänglichen Besoldung der Lehrer in einer schlechten Erziehung der Kinder zeigen, so ist diese Tatsache einem großen Teil der Öffentlichkeit bekannt. Vater und Mutter wissen, ob ihr Kind in einer überfüllten Klasse sitzt, und sie wissen, daß, wenn der Lehrer krank ist, keine oder nur eine unzureichende Vertretung gestellt werden kann. Die Folge ist, daß die Erziehung unter diesen Verhältnissen leidet, und dann kümmern sich viel mehr Menschen in der Allgemeinheit um diese Dinge.
Bei den Richtern ist das aber nicht so. Unsere Richter — das kann man zu ihrem Ruhm doch sagen — haben in der Vertretung ihrer eigenen Belange — auch der finanziellen Belange — in Anbetracht der Bedeutung ihres Amtes in der Öffentlichkeit stets eine betonte Zurückhaltung gezeigt. Ich habe kürzlich in einem Bericht über eine im Oktober 1952 in Bonn abgehaltene Tagung erschütternde Beispiele gelesen, so z. B., daß in einem Bezirk Nordrhein-Westfalens, der 603 Richter umfaßt, innerhalb von 6 Monaten 108 Beamte erkrankten, für die kaum Vertreter gestellt werden konnten. In Köln sind für 33 infolge ihrer Überbelastung erkrankte Richter ganze 2 Vertretungen zugebilligt worden. Ich habe weiter in den Berichten über die Bonner Versammlung gelesen, daß beim Amtsgericht in Hannover im August des vergangenen Jahres über 2200 Schöffengerichtssachen nicht erledigt werden konnten, weil die Leute fehlten.
Ich wiederhole deshalb, daß für die Richter etwas getan werden muß. Ich bin allerdings mit der Konsequenz, die der Bundesratsentwurf zieht, nicht ganz einverstanden. Es scheint mir, verehrter Herr Minister Amelunxen, nur ein Teil einer Teilaufbesserung zu sein, denn wenn hier davon geredet wird, daß der qualifizierte Nachwuchs fehlt, dann müßte man doch — vielleicht geschieht das in unserem Beamtenrechtsausschuß — einmal prüfen, ob man nicht ähnlich wie bei den Lehrern auch für die jungen Leute, für die Bewerber und für die Anfänger etwas mehr tun muß.
Meine Damen und Herren., in dem Bericht aus Bonn habe ich gelesen — ich glaube, es war unser hochverehrter Herr Bundesjustizminister, der den Satz gesprochen hat —: Die Richter sind die schlechtest-bezahlten Verteidiger der Demokratie. Ich möchte, daß diesem Satz die Berechtigung genommen wird. Meine Kollegen werden in den Ausschüssen mitarbeiten. Wir wollen dafür sorgen, daß den Richtern ihre besondere Arbeit und ihre hohe Verantwortung, die ihnen ab 1. April noch in einem erheblichen Umfange zugewachsen ist, weil die Lücke in der Gesetzgebung hinsichtlich der Artikel 3 und 117 entstanden ist, dadurch etwas leichter gemacht wird, daß ihnen ein Teil der wirtschaftlichen Sorgen abgenommen wird. Ich bin der Überzeugung, daß der Beamtenrechtsausschuß in wohlwollender und ernster Weise den Entwurf sehr bald erledigen wird.