Rede von
Josef
Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, sowohl die Änderungsanträge der SPD als auch die der KP abzulehnen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß im Ausschuß für Arbeit der gesamte Fragenkomplex eingehend beraten und überlegt wurde. Ich habe auf die Schwierigkeiten verwiesen, die im Ausschuß erkannt wurden. Das Bundesarbeitsministerium hat uns eine Übersicht über die Schwierigkeiten vorgelegt, die sich ergeben könnten, wenn man den Anträgen so wie sie gestellt sind, stattgeben würde. Dieser so haben sich ja auch die Kollegen, die die Anträge gestellt haben — wenigstens die vom Ausschuß für Arbeit —, nicht verschließen können. Ich sagte schon, daß das Gesetz im Ausschuß für Arbeit bei drei Stimmenthaltungen angenommen wurde.
Meine Damen und Herren, Schwierigkeiten bei der Unfallrente wurden bisher nicht bekannt, weil ja, wie ich vorhin schon einmal sagte, 26 DM monatlich sowieso anrechnungsfrei bleiben. Wenn wir diesen Änderungsantrag annehmen, besteht die Gefahr, daß auch andere Gruppen, beispielsweise die Privatversicherten, mit dem gleichen Rechtsanspruch kommen könnten.
— Sagen Sie das nicht.
Wir müssen uns hier unbedingt die Frage stellen, wo ist die Grenze in der Sozialversicherung, wo ist sie allgemein, und wo ist die Grenze zwischen Versicherung und Fürsorge?
Wir haben heute ein ganzes Bukett von Wünschen auf sozialpolitische Verbesserungen bekommen. Wir sind überzeugt davon, daß es nicht die letzten Wünsche in dieser Legislaturperiode sind.
Ich gebe zu, daß sie im einzelnen etwas für sich haben mögen; aber auch die Antragsteller selbst wissen genau, daß sie im Augenblick nicht durchführbar sind. Wir sollten uns in aller Öffentlichkeit hüten und nicht so tun, als ob das ganze Kapitel Sozialpolitik lediglich ein Verteilungsproblem wäre, bei dem nur die böse Bundesregierung und die Mitglieder der Koalitionsparteien sich als die Unsozialen hinstellen und meinetwegen wie die Gralshüter auf dem Geldsack der Sozialversicherung sitzen. Ich möchte meinen, daß Sozialpolitik weitgehend ein Aufbringungsproblem darstellt.
Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, auch von der Opposition, die als Kenner der Sozialversicherung gelten, teilen mit uns die Sorge um die Zukunft der deutschen Sozialversicherung. Solche Anträge, wie sie heute und vielleicht auch in naher Zukunft noch gestellt werden, vermehren nur unsere Sorgen. Es liegt nicht im Interesse der deutschen Arbeitnehmer und Sozialrentner, daß die Sozialversicherung immer weiter ausgehählt und so für den Einheitstopf reif gemacht wird und immer mehr in die finanzielle Abhängigkeit des Staates gerät. Denn dadurch kommen sowohl Arbeitnehmer, Versicherung und Versicherte als auch die Rentner immer mehr in die Abhängigkeit vom Staat, ja sie kommen in die Abhängigkeit von Funktionären und Managern; und das wollen wir ganz bewußt nicht.
Im vorliegenden Fall darf ich wohl sagen, daß wir einen Unterschied zwischen den Kriegsopfern und den Unfallrentnern gemacht haben. Ich möchte bestimmt keinen Gegensatz zwischen Kriegsgeschädigten und Unfallgeschädigten heraufbeschwören. Aber ich glaube doch sagen zu müssen, daß die Vorausleistungen doch eine unterschiedliche Behandlung von beiden Gruppen rechtfertigen. Diesen Standpunkt vertreten wir nicht, weil wir den Betroffenen die paar Mark, die eine Verbesserung bringen könnte, nicht geben wollten — obwohl hier kein echtes Bedürfnis vorliegt —, sondern die echte Sorge um die Abgrenzung und Erhaltung unserer einst als klassisch bezeichneten Sozialversicherung bewegt uns, das Hohe Haus zu bitten, die gestellten Änderungsanträge abzulehnen.