Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt des heute zur Entscheidung stehenden Ausschußberichts — das ist hier schon festgestellt worden — sind zwei gleichlautende Anträge der SPD und der DP. Letzterer trägt die Unterschriften der Frau Kalinke und des Herrn Dr. Mühlenfeld. Im Ausschuß, haben wir soeben gehört, hat die Deutsche Partei ihren ursprünglichen Antrag, auch die gesetzliche Unfallrente in einer bestimmten Höhe nicht als Einkommen bei der Bewilligung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung anzurechnen, preisgegeben. Das ist also die Ausgangsbasis.
Nun ist heute von dem Herrn Berichterstatter sinngemäß gesagt worden, daß die Rente nicht außer Berücksichtigung bleiben könne, da sie doch ein „Einkommen" darstelle. Ich glaube, man muß diese Begründung scharf zurückweisen. Die Rente eines Kriegsbeschädigten schlechthin als ein Einkommen im Sinne des üblichen Inhalts dieses Begriffs darzustellen, geht doch wirklich auch am Gedanken des Gesetzgebers vorbei. Die Grundrente sollte doch nach dem Willen des Gesetzgebers kein Einkommen darstellen, sondern der Ersatz sein für die Auswirkungen der Beschädigung, die der Betreffende erlitten hat. Sie sollte ein Ersatz für die Mehraufwendungen geldlicher und auch körperlicher, physischer Natur sein, zu denen der Schwerbeschädigte auf Grund seiner Beschädigung nun einmal genötigt ist.
Die Unfallrente wird nach denselben Prinzipien gegeben. Sie ist nicht etwa ein Ersatz nur für den Lohnausfall, der dem Unfallbeschädigten je nach dem prozentualen Grad seiner Beschädigung erwächst, sondern sie ist auch ein Ersatz für die körperliche Behinderung und für die materiellen Mehraufwendungen, die der Unfallbeschädigte auf Grund seines erlittenen Unfalls machen muß. Deshalb ist es unserer Auffassung nach unlogisch, die Grundrente des Schwerbeschädigten aus dem Bundesversorgungsgesetz anders anzusehen als die Unfallrente.
Wir haben deshalb den von uns ursprünglich für die zweite Beratung vorbereiteten Antrag heute noch einmal eingebracht, der besagt, daß dem § 2 ein § 2 a angefügt werden soll:
Gesetzliche Unfallrenten sind nicht auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung anzurechnen. Weiter sind wir der Auffassung, daß das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1953, also rückwirkend, in Kraft treten soll.
Der Ausschuß hat außerdem gegenüber den beiden Anträgen eine weitere Verschlechterung in der Form vorgenommen, daß er hier empfiehlt, zu bestimmen, die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung dürfe zusammen mit der Grundrente und der Ausgleichsrente nach § 32 des Bundesversorgungsgesetzes den Betrag nicht übersteigen, der beim Vorliegen der Voraussetzungen an Arbeitslosenunterstützung zuzüglich Grund- und Ausgleichsrente zu gewähren wäre. Wenn man schon im Prinzip wenigstens zur Hälfte anerkennt, daß ein Bestandteil der Kriegsopferrente nicht angerechnet werden soll, dann verstehe ich nicht, warum man diesen Grundsatz selber dadurch durchbricht, daß man diese zusätzliche Bestimmung in den Gesetzentwurf aufnimmt.
Wir bedauern also, daß sich der Ausschuß mit dieser Stimmenmehrheit, mit den Stimmen der Regierungskoalition, der Sozialreaktion also,
nicht bewogen gefühlt hat, diesen beiden Anträgen in der ursprünglichen Formulierung stattzugeben. Aber diese Regierung und diese Koalition betreiben nach innen und außen eine Klassenpolitik. Daß diese Regierung nach innen eine unsoziale Politik betreibt, das ist keine Entdeckung nur von mir; das hat ja sogar der verstorbene Dr. Kurt Schumacher bereits in seinem Vorwort zum Tätigkeitsbericht der SPD für 1952 offen ausgesprochen. Und da Sie gelegentlich das Urteil dieses Mannes doch auch auswerten, wenn es Ihnen in Ihre Politik hineinpaßt, so sollten Sie sich bei dieser Gelegenheit auch einmal etwas aus seinen Feststellungen sagen lassen, auch wenn es in Ihre Politik und in Ihre Linie, die Sie dem Volk gegenüber in ihrer Propaganda verfolgen, nicht hineinpaßt. Nur deshalb habe ich diesmal auf Dr. Schumacher als Kronzeugen berufen, auch wenn er aus seiner Erkenntnis keine Konsequenzen gezogen hat. Er hat recht, wenn er den Inhalt Ihrer Politik so charakterisiert: Klassenpolitik nach innen und außen und unsoziale Politik nach innen.