Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als wir den Antrag mit der Nr. 35 zur Überprüfung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes stellten, waren alle diejenigen, die jetzt schon gesprochen haben und noch sprechen werden, im Ausschuß der Meinung, daß das ein Problem sei, das man bis zur Reform der Sozialversicherung zurückstellen sollte.
Und als ich in der 238. und 246. Sitzung hier alle die Dinge aufgezeigt habe, die Frau Korspeter heute noch einmal wiederholte — Sie können es in den Protokollen von 1950 bis 1952 immer wieder nachlesen —, da waren die Töne, die angeschlagen wurden, noch ein wenig temperierter. Aber da lag der Wahlkampf in weiterer Ferne.
Die Reform des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes ist uns ein besonders dringliches Anliegen, weil hier die Gesetzgebung im Hinblick auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit in besonderer Weise revidiert werden muß. Unser Anliegen ist aber nicht nur auf die Reform des § 21 gerichtet. Die Anwendung des Gesetzes hat in ihren praktischen Ergebnissen nicht nur seine Fehler und seine Mängel, sondern auch seine sozialen Ungerechtigkeiten, an denen wir uns nicht schuldig fühlen, leider mit einer bemerkenswerten Deutlichkeit gezeigt. Frau Korspeter hat heute die Frage gestellt, „ob wir dem zustimmen wollen oder nicht". Nein, Frau Kollegin Korspeter, wir glauben nicht, daß es sozialpolitisch, aber noch viel weniger sittlich verantwortbar ist,
Versprechungen zu machen, von denen man nicht weiß, ob man sie halten kann und ob man diese Rente auch in der Zukunft allen 50jährigen in Deutschland — nicht nur den 50jährigen Frauen, sondern auch den 50jährigen Männern, denn wir kämpfen doch gemeinsam für die Gleichberechtigung —
geben. kann.
Sie haben hier einige Dinge über die Finanzlage gesagt. Als ich im Ausschuß dem Herrn Präsidenten Ostermayer einige Fragen stellte, Fragen mit dem Ziele, die Fehler des Anpassungsgesetzes endlich zu beseitigen, waren die Antworten ein wenig anders, als sie heute durch den sozialdemokratischen Blätterwald — von den Gewerkschaften bis zum Reichsbund — rauschen und als sie uns heute gegeben werden.
Frau Korspeter hat hier auch vom gleichen Beitrag und dem gleichen Rechtsanspruch gesprochen. Nur zum Steuer der Wahrheit: Der Beitrag der invalidenversicherten Arbeiter war 5,6 %; er wurde nach dem Anpassungsgesetz auf 10 % erhöht. Das ist aber eine Frage, die sie anscheinend als nebensächlich betrachtet. Für uns gehört zum gleichen Recht bei gleichem Beitrag und gleicher Leistung noch einiges mehr, nämlich die Reform der Steigerungsbeträge, das gleiche Recht, wenn Sie wollen, auch beim Grundbetrag. dann das gleiche Recht, wenn Sie wollen, in der Angestellten- und Invalidenversicherung. Wir wollen es auch nach dem Bundesversorgungsgesetz für alle Witwen, die jetzt noch nicht die unbedingte Witwenrente bekommen, das gleiche Recht dann aber für die vielen älteren Angestellten, Männer und Frauen, die gleich den Invalidenwitwen in derselben ja sehr schwierigen Situation sind. Und weil
wir das wollen, weil es uns wirklich ernst ist mit der Verwirklichung, Herr Richter, und wir nicht nur Wahlparolen meinen, deshalb möchten wir über die finanziellen Auswirkungen ein wenig mehr hören, vielleicht von einem Mitglied Ihrer Fraktion, das im Haushaltsausschuß sitzt.
Ihrem Änderungsantrag in dieser Form können wir schon deshalb nicht zustimmen, weil wir das Sozialversicherungsanpassungsgesetz — hier bin ich einmal ausnahmsweise mit dem Kollegen Renner einig —
grundsätzlich geändert haben wollen. Wir wollen nämlich tatsächlich eine ehrliche Verbesserung haben! Dieses Gesetz können wir aber nur ändern, unter Berücksichtigung auch der sozialen Wirklichkeit, im Hinblick auf die bevölkerungspolitischen Konsequenzen, auf die soziale Struktur, auf die Situation unseres Sozialhaushalts und nicht zuletzt in bezug auf die Konsequenzen, die sich aus der Überalterung und aus dem Anspruch der jetzt Beitrag zahlenden Versicherten an die Selbstverwaltung und die Versicherungsträger morgen und in aller Zukunft ergeben werden. Wir können es uns einfach nicht leisten, angesichts bevorstehender Wahlen sozialpolitische Lösungen für einen Teil zu finden, wenn wir nicht garantieren können — und dieses Versprechen, diese Garantie erwarte ich noch in dieser Stunde von Ihnen —, daß wir diese Leistung an alle 50jährigen in Deutschland, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Rentenversicherung haben, auch geben werden. Wenn Sie uns diese Garantie geben können, dann sind wir begeistert bereit, Ihrem Antrag zuzustimmen.