Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine eigenartige Methode, die hier Platz gegriffen hat, daß man einen Gesetzentwurf, wenn er, wie Herr Kunze sagt, durch eine Zufallsmehrheit noch nicht einmal in den Ausschuß verwiesen werden konnte, nun einfach wieder auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen setzt. Aber da die Tatsache nun einmal vorhanden ist, erscheint es uns immerhin notwendig, zu dem sachlichen Inhalt dieses Antrags noch einige Worte zu sagen, obgleich wir bereits das letzte Mal unsere ablehnende Stellung damit begründet haben, daß dieser Gesetzentwurf eindeutig eine Begünstigung der großen Vermögen darstellt.
Die unbeschränkte Anrechnung von Kriegsschäden in dem vorgesehenen Maße würde das Aufkommen für den Lastenausgleich um jährlich zirka 160 Millionen DM schmälern. Diese Zahl stützt sich auf Berechnungen des Flüchtlingsministeriums, das feststellte, daß der mit dem Gesetzentwurf verbundene Wegfall der Begrenzung das Aufkommen um diesen Betrag vermindert. Dabei ist es absolut unwesentlich, daß man — unter Anwendung eines finanztechnischen Tricks — erklärt, daß der Ermäßigungstarif zu senken sei, wenn der Ausfall den Betrag von 100 Millionen DM jährlich übersteige. Man kann in diesem Fall sogar die Meinung des Herrn Bundesfinanzministers mit heranziehen, der feststellt, daß die Höhe der Ausfälle sich in frühestens drei Jahren abschätzen lasse. Somit ist in der entscheidenden Anlaufszeit die Berechnung des Lastenausgleichs praktisch gar nicht möglich. Man soll dieser Schonungspolitik gegenüber auch die Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts mit heranziehen, da es sich ja hier in der Hauptsache um die Schonung der Betriebe handelt. Das Statistische Bundesamt stellt fest, daß bis Ende des Jahres 1951 allein 2329 Aktiengesellschaften ihr Grundkapital in einem durchschnittlichen Verhältnis von 10 zu 8,5 umgestellt haben. Jede 100 RM-Aktie hat also heute bereits wieder einen Wert von 85 DM. Aber darüber hinaus haben sich die Verhältnisse bis zur Jetztzeit zugunsten der hier in Frage kommenden Abgabepflichtigen noch bedeutend verbessert. Da die Anrechnung der Kriegsschäden in voller Höhe zum großen Teil Betriebe betrifft, ist die Feststellung des Umstellungsverhältnisses im Zusammenhang mit diesem Gesetz politisch besonders wertvoll. Wir stellen deshalb noch einmal fest, daß mit dieser ersten Novelle, die von der Regierungskoalition eingebracht worden ist und von der Sie so viel gesprochen haben, die weitere Entwicklung der Lastenausgleichsgesetzgebung entsprechend dem Willen dieser Mehrheit sich immer mehr zu einer weiteren Schonung des Besitzes und zu einer Belastung der Anspruchsberechtigten entwickelt. Die Hast, die Sie dabei an den Tag gelegt haben, ist absolut verständlich, wenn man weiß, daß die Bundestagswahlen vor der Tür stehen und die Geldgeber Ihrer Parteien auch im Bundestag die
entsprechenden Taten verlangen. Die Einbringung dieses Gesetzes ist eine dieser Taten. Dafür werden Sie von Ihren Geldgebern bezahlt.