Rede von
Paul
Lücke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ordnung des Bodenrechts in Deutschland stellt zweifellos die schwierigste Aufgabe dar, die noch der Lösung harrt. Der Bundestag hat diese Frage bisher noch nicht lösen können. Das Baulandbeschaffungsgesetz, das uns in den beiden Ausschüssen seit nunmehr drei Jahren befaßt, steht vor der Verabschiedung. Es stellt den ersten Schritt auf dem Wege zu dieser Lösung dar. Eines der wesentlichen Ziele dieses Gesetzes ist es, jeder Familie den Zugang zu Grund und Boden zu ermöglichen.
Es ist heute nicht Zeit rind Gelegenheit, die Grundsätze des neuen Bodenrechts zu diskutieren. Ich darf daher für meine Freunde und mich auf folgende Grundsätze verweisen, die die Meinung der CDU zu dieser Frage darstellen.
In der Erkenntnis, daß eine breite Eigentumsbildung im Wohnungsbau auf die Dauer nur durch Schaffung eines geordneten Bodenrechts möglich ist, wird die baldige Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes bejaht und gefordert. Wesentlich im Baulandbeschaffungsgesetz ist die Regelung der Entschädigung, die auch der Interpellation zugrunde liegt und ebenfalls von Herrn Bundesminister Erhard angeschnitten worden ist. Sie wird im Baulandbeschaffungsgesetz in dem bedeutenden § 7 geregelt.
Zur endgültigen Regelung der Bodenbewertungsfrage bedarf es jedoch der Verabschiedung eines Bodenbewertungsgesetzes. Um diese Forderung zu verwirklichen, bemühen sich ein Teil meiner Freunde und ich darum, ein Bodenbewertungsgesetz zu erarbeiten, das der Bodenspekulation wirksam begegnet. Sinn eines derartigen Bodenbewertungsgesetzes ist, daß gerechte Bodenpreise geschaffen, vor allem aber — ich wiederhole es —, daß der Bodenspekulation begegnet werden kann.
Man wird mich fragen, ob denn die Bodenspekulation heute noch eine derartige Bedeutung habe. Dazu, meine Damen und Herren, ließe sich eine Menge sagen und ließe sich eine Reihe Beispiele anführen. Wir können zur Beantwortung dieser Frage schon im Raume von Bonn verbleiben. Dadurch, daß Bonn Bundeshauptstadt wurde, ist hier eine Unordnung im Bodenrecht eingetreten — selbst in weit von Bonn entfernt gelegenen Gebieten —, die man immerhin zu einem großen Teil als Bodenspekulation ansehen muß. In dem von uns vorgesehenen Entwurf eines Bodenbewertungsgesetzes soll vor allem sichergestellt werden, daß nach Aufhebung des Preisstopps vom Jahre 1936,
) der die längst überholte Preisentwicklung nur noch trügerisch überdeckt, alle nicht auf Arbeits- und Kapitaleinsatz beruhenden Wertsteigerungen zugunsten der Allgemeinheit abgeschöpft werden.
Mit diesen Grundsätzen bekennt sich die CDU zu der Sozialverpflichtung, die auf dem Grund und Boden beruht. Sie bekennt sich damit weiter zu dem Grundsatz, daß nur über ein geordnetes Bodenrecht möglichst viele der entwurzelten Menschen, vor allem der Vertriebenen, der Ausgebombten und der jungen Familien, wieder mit Grund und Boden versehen werden können. Nur so wird es auf die Dauer möglich sein, diese entwurzelten Menschen wieder mit dem Heimatboden zu verwurzeln.
Ich brauche nicht — soweit Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kenntnis von der Schwierigkeit dieser Materie besitzen— zu betonen, daß die richtige Lösung dieser Frage vielleicht zu dem Schwierigsten gehört, was es auf innerpolischem Gebiet zu lösen gibt. Es geht — um es ganz einfach zu sagen — darum, die Sozialhypothek — so nennt man das —, die auf dem Grund und Boden ruht, durch Gesetz sichtbar zu machen. Diese Sozialhypothek wird stündlich und täglich erhöht, je mehr Menschen in dieses Gebiet einströmen. Die 10 Millionen Vertriebenen und die aus der Sowjetzone verjagten Menschen bedürfen der Ansiedlung und der Unterbringung. Darum drängt und brennt diese Frage und schreit förmlich nach einer Lösung. In keinem Lande Europas ist die Frage nach einem geordneten Bodenrecht so brennend wie in der Bundesrepublik.
Ich sagte bereits: wir lehnen den Preisstopp als überholt ab, können jedoch im Augenblick einer Aufhebung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke nicht zustimmen, da er das gesamte Preisgefüge im Bodenrecht erschüttern würde. Deshalb haben meine Freunde und ich den interfraktionellen Antrag, der Ihnen vorliegt, mit unterstützt, der die Bundesregierung ersucht, bis zum Inkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes keine weiteren Auflockerungen von Preisvorschriften vorzunehmen.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat erklärt, daß es nicht die Absicht der Bundesregierung ist und war, den Preisstopp für unbebaute Grundstücke aufzuheben. Ich darf, um die Bedeutung dieser Frage für die Allgemeinheit hervorzuheben, auf zwei Eingaben in dieser Angelegenheit verweisen. Zunächst ein Schreiben des Erzbischofs von Köln als Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten auszugsweise verlesen darf. Dieses Schreiben an den Herrn Minister, von dem eine Abschrift meinem Ausschuß zugegangen ist, lautet:
Durch Ihre Verordnung vom 28. November 1952 sind die für den Verkehr mit bebauten Grundstücken geltenden Preisvorschriften aufgehoben worden. Wie ich erfahren habe, wird zur Zeit in Ihrem Ministerium erwogen, ob auch der Verkehr mit unbebauten Grundstücken von den Preisvorschriften befreit werden soll.
Ich bitte, zu überlegen, ob nicht die Aufhebung der noch geltenden Vorschriften zu einer Steigerung der Preise für unbebaute Grundstücke führen wird, so daß die bisher so günstige Entwicklung im Wohnungsbau einen ernsten Rückschlag erfahren könnte.
Im Interesse der sozialen Befriedung innerhalb unseres Volkes müßte meines Erachtens Vorsorge getroffen werden, daß
a) jede Spekulation mit dem Boden und jede Preistreiberei verhindert wird,
b) die Erzielung ungerechtfertigten Gewinns aus Grundbesitz durch den einzelnen unterbleibt,
c) jeder Bauwillige die Möglichkeit zum Erwerb von Grund und Boden zu billigem Preis erhält.
Der Vorsitzende des Rats der evangelischen Kirche in Deutschland, Herr Bischof Dr. Dibelius, schreibt unter anderem:
Unter den zahlreichen Schwierigkeiten, die die Herstellung von Wohnraum hemmen, spielt die Beschaffung billigen Baulandes eine besondere Rolle. Durch Preissteigerung von Grund und Boden wird der Wohnungsbau so verteuert, daß für viele die Hoffnung, zu einem Heim zu kommen, vollends dahinschwindet.
Der vorhandene und praktisch kaum vermehrbare Boden ist ein Gut, das in besonderer Weise der Gemeinschaft zu dienen hat. Darum muß darüber gewacht werden, daß der Preis des Baulandes sozial erträglich bleibt.
Wir sehen deshalb eine vordringliche Aufgabe der Gesetzgebung darin, mit durchgreifenden Maßnahmen ungerechtfertigtem Bodengewinn zu wehren. Wenn ungerechtfertigte Gewinne aus Bauland entstehen, sollen sie zur entsprechenden Entschädigung für im Werte gemindertes Land und zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus verwendet werden. Damit wäre auch die Möglichkeit geschaffen, nach dem Wunsch der Wohnbedürftigen Wohnungen als Siedlerstellen, Heimstätten und Eigenheime zu erstellen.
Neben diesen Schreiben des Bischofs Dr. Dibelius und des Erzbischofs Dr. Frings sind eine Menge anderer Schreiben von Organisationen, des Deutschen Volksheimstättenwerks insbesondere, beim Ausschuß eingegangen mit der Bitte, zu verhindern, daß unser Preisgefüge für Grundstücke noch mehr durcheinandergebracht wird. Darum freuen wir uns — ich kann das hier feststellen —, daß es nicht die Absicht der Bundesregierung war — das hat der Herr Bundeswirtschaftsminister noch einmal nachdrücklich betont —, den Preisstopp für unbebaute Grundstücke aufzuheben, bevor durch gesetzliche Regelung sichergestellt ist, daß alle nicht auf Arbeits- und Kapitaleinsatz beruhenden Wertsteigerungen abgeschöpft werden. Ohne dieses Regulativ ist die Lösung der Bodenbewertung nicht möglich. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang, um nicht mißverstanden zu werden, noch einmal darauf hinweisen, daß diese Frage sehr schwer zu regeln ist und daß das in Kürze — wir hoffen, im Monat Mai — zur Verabschiedung anstehende Baulandbeschaffungsgesetz zumindest eine weitergehende Regelung bringt, als sie bis jetzt möglich ist.
Ich fühle mich verpflichtet, in diesem Zusammenhang noch auf eine Sorge hinzuweisen, die meine Freunde bei dieser Gelegenheit ausgesprochen haben möchten. Es handelt sich um das Land der öffentlichen Hand, der Gemeinden, der Städte, des Landes und des Bundes. In der Beratung in der Fraktion wurden von unseren Freunden eine Menge Beispiele gebracht, in denen manchmal auch für öffentliche Grundstücke Preise gefordert werden, die nichts mehr mit dem Preisstopp und mit einem gerechten Bodenpreis zu tun haben. Wir sind des-
halb der Meinung, daß die Bewertung der Grundstücke der öffentlichen Hand beispielhaft zu sein hat und daß die öffentliche Hand — in einzelnen Fällen hat es auch der Bund getan — keine Bodenspekulation betreiben und Schwarzmarktpreise fordern darf. Ich erinnere an den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Wesel und an andere Stellen. Wir werden deshalb bei der gesetzlichen Regelung dieser Frage sehr große Sorgfalt darauf verwenden, dafür zu sorgen, daß auch die öffentliche Hand sich an den Grundsatz hält, daß der Boden keine Ware ist und daß ihm eine soziale Hypothek auferlegt ist, die jeder um der höheren Gerechtigkeit willen zu respektieren hat.
Zum Schluß darf ich den bereits erwähnten Antrag auf Umdruck Nr. 859 noch einmal offiziell verlesen, den alle Fraktionen zu dieser Großen Anfrage gestellt und unterschrieben haben, bis auf, glaube ich, die kommunistische Fraktion.
Der Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum Inkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes keine weitere Auflockerung oder Aufhebung von Preisvorschriften für den Verkehr mit Grundstücken zuzulassen.
Diesem Antrag — und das ist wohl die Begründung, die ich dazu zu geben habe — wurde bereits in der Beantwortung der Interpellation von Herrn Bundesminister Erhard im Inhalt zugestimmt.
Damit ist die Sorge beseitigt, die in weiten Kreisen der Bevölkerung herrscht, daß nunmehr, nachdem der Preisstopp für bebaute Grundstücke und Trümmergrundstücke aufgehoben worden ist, die Aufhebung für unbebaute Grundstücke folgt. Das ist ausgeschlossen, bis die Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes oder weiterer Gesetze erfolgen kann.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, wegen der Bedeutung dieser Frage bitten, diesem interfraktionellen Antrag ohne Ausschußberatung zuzustimmen, damit wir Sicherheit haben, daß keine weiteren Pannen passieren können, wenigstens nicht soweit sie befürchtet wurden.