Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Hause ja schon des öfteren mit dem Problem der politischen Gefangenen zu beschäftigen gehabt. Aber sicher werden die Kolleginnen und Kollegen, die bei diesen Debatten anwesend waren, mit mir das Gefühl haben, daß Herr Fisch sich selten so unsicher auf dieser Tribüne bewegt hat, wie am heutigen Tag.
Es ist wohl doch sehr unangenehm, hier etwas vertreten zu müssen, was vom ganzen deutschen Volk als schlecht angesehen werden muß. Herr Kollege Renner, Sie glaubten durch Ihre Zwischenrufe feststellen zu müssen, wie schön es doch bei Ihnen in der Deutschen Demokratischen Republik ist und wie schlecht die Freiheit hier gewahrt wird. Der Herr Kollege Fisch hat ja darauf hingewiesen, und die Kollegin Strohbach hat auf Jupp Angenfort und die anderen Kämpfer hingewiesen, die in der Bundesrepublik in den Gefängnissen schmachten müssen. Ein deutliches Beispiel, meine Herren von den Kommunisten, möchte ich Ihnen doch nennen. Wir reden hier um den Journalisten Kluge, der in einem Geheimverfahren zu 15 Jahren — —
— Darauf möchte ich Ihnen gleich etwas sagen, Herr Kollege Renner. Sie hätten den Zwischenruf nicht machen sollen. — Hier reden wir um den Journalisten Kluge, der zu 15 Jahren verurteilt worden ist.
— Ja, sehen Sie, ich weiß es leider nicht. Ich habe zum erstenmal von Herrn Kollegen Fisch etwas absolut Positives erfahren, der sagte, daß er nachgewiesenermaßen wegen Spionage verurteilt worden sei.
— Ja, was in den Zeitungen steht! — Herr Kollege Fisch, vielleicht werden Sie uns einmal hier mitteilen, wo denn dieser Nachweis bisher geführt worden ist.
— Herr Renner, solche dummen Zwischenrufe müssen Sie doch nicht bei einem Menschen machen, der sich mit den Dingen etwas beschäftigt. Sie sind eben auch so unsicher. Sonst würden Sie nicht in dieser Form etwas sagen.
Gestatten Sie mir, einmal eines zu sagen — und damit will ich den Unterschied zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik aufzeigen —: In der „Deutschen Demokratischen Republik" ist der Journalist Kluge zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. In der Bundesrepublik sitzt der Journalist Gers t dort oben und kann seine Schmähartikel gegen uns loslassen.
Meine Herren von den Kommunisten, ich möchte Ihnen noch eines sagen. Wir mußten uns hier vor drei Jahren mit einem kommunistischen Antrag wegen der Freilassung des Landtagsabgeordneten Lehmann beschäftigen. Sie hatten bekanntlich einen Antrag eingebracht, der wunderbare Grundsätze über die Immunität der Abgeordneten enthielt. Damals ist der Abgeordnete Lehmann nach einer Woche aus britischer Haft entlassen worden. Damals, vor mehr als drei Jahren, hat der Herr Abgeordnete Fisch erklärt, daß er sich um das Schicksal des Berliner Abgeordneten Rüdiger sofort bemühen und mir Kenntnis geben würde, warum er verhaftet sei.
Bis zum heutigen Tage haben Sie in dieser Hinsicht noch nichts gesagt.
Meine Damen und Herren, ich möchte Herrn Fisch hier von der Tribüne des Bundestages an dieses Versprechen erinnern. Herr Lehmann ist damals nach einer Woche von den Briten entlassen worden.
Herr Rüdiger ist seit mehr als vier Jahren in Ihrer Haft, und er hat wegen des Besitzes einer Zeitung 25 Jahre bekommen.
Ich möchte zu dem Angebot, das die Kollegin Strohbach gestern an den Bundestag richtete,
die Bundestagskommission möchte doch in die DDR reisen, an folgendes erinnern. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am 17. Oktober 1951 den Antrag einstimmig angenommen, den Berliner Abgeordneten Werner Rüdiger aus Anlaß seines 50. Geburtstages in Waldheim besuchen zu dürfen. Bisher ist — seit eineinhalb Jahren — immer nur die eine Antwort da, nämlich die, die Sie im „Neuen Deutschland" vom 20. Oktober 1951 nachlesen können:
Die Zuchthauszellen für Präsident Dr. Suhr und die Abordnung des Abgeordnetenhauses sind reserviert. Sie mögen nur kommen!
— Aber Frau Kollegin Strohbach, Sie sagen: „Das ist nicht wahr!" Gehen Sie in die Bibliothek des Deutschen Bundestages! Auf der Seite 2 links unten in der genannten Zeitung — ich habe es hier schon einmal zitiert — können Sie das feststellen, was ich soeben gesagt habe.
— Frau Kollegin Strohbach, reden Sie nicht solche unvorsichtigen Sachen! Ich bin bereit, aus dem gleichen „Neuen Deutschland" nachzuweisen,
daß, als Ihr Fraktionsvorsitzender Reimann inhaftiert wurde, seine Frau und die Delegationen ihn bereits am ersten Tage der Haft im Gefängnis besuchen konnten. Es besteht wohl ein kleiner Unterschied zwischen dieser Praxis und der der DDR, wo die Gefangenen seit Jahren ohne jeden Besuch sind.
Darf ich Ihnen noch etwas sagen, und diese Worte möchte ich gerade an den Kollegen Fisch richten. Nachdem wir hier die Debatte über Werner Rüdiger gehabt hatten, kam eine Kommission hoher Offiziere nach Waldheim und vernahm Werner Rüdiger erneut. Und Werner Rüdiger hat dann monatelang im Keller sitzen müssen!
Das ist die Praxis in der sogenannten „Demokratischen Republik".
Und nun noch ein Letztes. Herr Kollege Fisch, Sie haben mit der Feststellung geschlossen, daß hier eine „Atmosphäre der Verhetzung" geschaffen werden solle, um jede sich bietende Gesprächsmöglichkeit stören zu können. Herr Kollege Fisch und meine Herren von den Kommunisten, ich darf Ihnen, wie ich glaube, nicht nur im Namen der Sozialdemokraten sagen, daß wir wirklich in uns die Verpflichtung haben, uns immer wieder der politischen Gefangenen zu erinnern und immer wieder darauf hinzuweisen, daß diese armen Menschen zu uns zurückkommen müssen. Wenn Sie immer von Frieden reden, dann merken Sie sich: Friede wird erst sein, wenn Dieter Friebe, Kluge, Rüdiger und die anderen politischen Gefangenen wieder unter uns weilen können.