Rede von
Dr.
Hans
Henn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion schließt sich dem Antrag, die Freilassung des Westberliner Journalisten Herbert Kluge zu fordern, vollinhaltlich und mit allem Nachdruck an. Wir sind auf das tiefste erschüttert über die Umstände, die zu Kluges Verhaftung und Verurteilung führten, wenn auch zahlreiche vorangegangene Fälle schon eindeutig den Weg bezeichneten, auf dem sich die sowjetische und in ihrem Gefolge die sowjetzonale Strafjustiz auf deutschem Boden zu bewegen gedenkt. Das Verfahren gegen Kluge ist auf Grund von Tatbeständen erfolgt, die wir nie und nimmer als Straftatbestände anerkennen können und anerkennen werden. Letzten Endes liegt ja der ganzen Aktion nichts anderes zugrunde als eine geradezu krankhafte Furcht vor jeder Form der öffentlichen Berichterstattung. Was müssen die Stellen, was muß das System alles zu vertuschen und zu verbergen haben, das derartige Gesichtspunkte zu einem wichtigen Faktor seines Denkens und seines Handelns macht. Wir haben schon keinerlei Verständnis dafür, wenn die sowjetischen Stellen in ihrem eigenen Lande dem selbstverständlichen Anspruch der Bevölkerung auf umfassende Unterrichtung schroff ablehnend gegenüberstehen. Was schlecht ist, muß auch als schlecht kritisiert werden können. Es ist geradezu grotesk, hieraus den Tatbestand der Spionage und Boykotthetze ableiten zu wollen. Wir müssen uns aber auf das schärfste dagegen verwahren, daß derartige Gesichtspunkte der sowjetischen Justiz unter Durchbrechung des Territorialprinzips auf deutsches Gebiet übertragen werden. Und wir haben nur Verachtung für die sowjetzonalen Dienststellen und Menschen, die sich willfährig zu Dienern dieses fremdländischen Rechtsempfindens machen. Es sind schon vor Kluge zahllose deutsche Menschen von den Sowjets und ihren sowjetzonalen Helfern ohne rechten Grund verhaftet und zu unmenschlich harten Strafen und langjähriger Haft verurteilt worden. Dieses Schicksal hat insbesondere eine ganze Anzahl Journalisten betroffen. Wir fordern für sie alle aus Anlaß des Falles Kluge eine Überprüfung der gegen sie ausgesprochenen Urteile. Wir fordern vor allem aber mit allem Nachdruck auch die Durchführung ordentlicher Gerichtsverfahren in allen Fällen, wo das nicht geschehen ist, und in diesem Zusammenhang die Nachprüfung der erhobenen Beschuldigungen. Wir fordern weiterhin dann auch als ein Mindestmaß von Menschlichkeit, daß die Angehörigen von Verhafteten und Verurteilten eine Nachricht, überhaupt eine Nachricht, über den Verbleib und das Schicksal der Verhafteten bzw. Verurteilten erhalten.
Es war vorhin davon die Rede, daß die sowjetischen Stellen ihre angebliche neuerliche Bereitschaft dokumentieren möchten. Solche Akte anderswo selbstverständlicher Humanität wären geeignete Sofortmaßnahmen.
Mit dem vorliegenden Antrag ist ein umfassender Komplex von Fragen angeschnitten, der dringend einer eingehenden Klärung bedarf. Meine Fraktion schließt sich deshalb auch der Forderung des Antrags an, daß dem Ausschuß für gesamt-
deutsche Fragen ein eingehender Bericht über das gesamte vorliegende Material erstattet wird.