Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf ist eine Tatsache, so scheint es mir, beruhigend: In der Begründung zu dem Gesetz wird auf eine Statistik von 1951 Bezug genommen. Ich glaube, Frau Kollegin Strobel, man kann bei der Auswertung dieser Statistik nicht von der Kopfzahl ausgehen, sondern muß die Haushaltungen als solche zugrunde legen, weil uns ja die Haushaltungen vor allem auch wohnungsmäßig belasten. Nach dieser Statistik haben sich 1951 109 000 Haushaltungen gemeldet, die eine Rückführung wünschten. Auch ich bin Ihrer Ansicht, und zwar auf Grund von Informationen, die mir von einem sachverständigen Verband gegeben wurden, daß sich 1951 tatsächlich nicht alle Familien gemeldet haben, weil sie mißtrauisch waren, ob diese Meldung wirklich Sinn hätte und ob wirklich etwas geschehen würde. Ebenso wie Sie, Frau Kollegin Strobel, bin ich also der Ansicht, daß die effektive Ziffer höher liegen wird. Wenn das Gesetz herauskommt, werden sich trotz der inzwischen vergangenen Zeit zweifellos mehr Familien zur Rückführung melden. Aber selbst wenn man hier etwas daraufschlägt, kommt man doch schlimmstenfalls zu einer Ziffer, die einen mit einem gewissen Optimismus erfüllt. Wir können also doch wohl hoffen, daß, wenn allgemein der Wille da ist, sich dieser unglücklichen Evakuierten wirklich tatkräftig anzunehmen, dieses Problem in einer verhältnismäßig kurzen Zeit gelöst werden kann. Sehen wir uns doch einmal die Wohnungsbauziffern an! Gegenüber den Neubauziffern von Wohnungen sind die Evakuierten-Zahlen durchaus nicht erschreckend. Ich darf daran erinnern, daß wir etwa beim Lastenausgleich vor wesentlich größeren Ziffern gestanden haben, und das Problem haben wir auch angepackt. Alles in allem glaube ich also, daß wir hier tatsächlich einmal einen gewissen Optimismus hegen dürfen, vorausgesetzt natürlich, daß der Wille da ist, die Vorschriften dieses Gesetzes in der Praxis nun auch wirklich energisch durchzuführen.
Etwas optimistischer als Frau Kollegin Strobel bin ich auch in einem anderen Punkt: Jeder von uns würde es begrüßt haben, wenn besondere finanzielle Mittel für die Durchführung des Gesetzes vorgesehen wären. Leider bestehen hier Grenzen, die wir alle kennen und die zu überwinden leider nicht einfach ist. Trotzdem enthält aber das Gesetz keineswegs nur leere Versprechungen. Mir scheint vielmehr das Wesentliche zu sein, daß jetzt eindeutige Rechtsansprüche auf Rückführung gegeben werden und daß z. B. auch in § 9 — der die Wohnungsfrage regelt und den ich als das Kernstück des Entwurfs ansehe — jetzt eindeutig festgestellt wird, daß die Evakuierten ein entsprechendes Vorzugsrecht auf Berücksichtigung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Wohnungen haben. Das ist doch immerhin etwas, was bisher gefehlt hat und worüber sich unsere evakuierten Mitbürger bisher beklagt haben: daß sie durch das Fehlen eines solchen einwandfrei gesetzlich verankerten Anspruchs gegenüber den anderen Geschädigtengruppen benachteiligt gewesen seien! Ich glaube, man kann sich also insofern durchaus mit der Grundtendenz des Gesetzes einverstanden erklären und die Auffassung vertreten, daß das Gesetz nicht nur Versprechungen enthält, sondern doch positive Leistungen bringt.
Wir haben etwas Sorge vor der Möglichkeit, daß das Gesetz vielleicht mit Rücksicht auf die Bestim-
mungen der §§ 2 und 3 wieder verschiedene Klassen von Evakuierten entstehen lassen könnte. Das möchten wir unbedingt vermieden wissen. Ich bin hier der Auffassung des Herrn Kollegen Kunze: Wir kommen gar nicht darum herum, diese Fragen der Regelung durch Rechtsverordnungen vorzubehalten. Wir können in einem Gesetz diese Fülle von Einzelfällen nicht eindeutig regeln, wenn die Verabschiedung des Entwurfs nicht große Verzögerungen erleiden soll. Ich halte an sich die Vorschrift des § 3 für ausreichend. Auch der Herr Minister hat ja auf diese Probleme hingewiesen. Ich möchte nur noch besonders auf die meines Erachtens beachtlichen Vorschläge aufmerksam machen, die der Bundesrat gerade zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten zu § 20 gemacht hat.
Auf weitere Einzelheiten möchte ich hier in der ersten Lesung nicht eingehen, nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Gesetz von den Verwaltungsstellen, die es durchführen sollen, nicht nur mit dem Verstande und nicht nur in Erfüllung einer Amtspflicht, sondern vor allen Dingen mit dem Herzen durchgeführt wird. Hinter diesen Paragraphen stehen schwere menschliche Schicksale. Denken wir doch einmal an das alte Ehepaar, das ein Leben lang in einer Großstadt lebte und nun auf dem Dorfe lebt mit der Aussicht, da das Leben beschließen zu müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, jemals etwa in sein geliebtes goldenes Mainz zurückkehren zu können; das sind schon menschliche Tragödien und schwere menschliche Schicksale, die gerade diese Alten getroffen haben! Deshalb begrüßen wir es besonders, daß auch meine Vorredner gerade diese Alten erwähnt haben. Wir sollten im Ausschuß gerade auch die Frage prüfen, was wir für die Sicherung der Rückführung dieser alten Menschen, die oft ein Leben lang gearbeitet und dem Volke etwas geleistet haben, tun können.
Abschließend noch ein paar Worte zum weiteren Verfahren: Ich kann mich hier namens meiner Freunde nur dem Antrag von Herrn Kollegen Kunze anschließen. Wir bitten unsere anderen Kollegen um Zurückziehung ihrer weitergehenden Anträge. Es scheint uns völlig ausreichend, wenn der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung allein zur Beratung dieses Entwurfs bestimmt wird. Wie Herr Kollege Kunze schon sagte, kann ja der Ausschuß für innere Verwaltung notfalls andere Ausschüsse hören, wenn er das für notwendig hält. Das Gesetz scheint mir doch so gut ausgearbeitet zu sein, daß wir eigentlich in Kürze eine Vorlage für die zweite Lesung erwarten dürfen. Hier kommt es vor allem auf Schnelligkeit an! Lieber schnell das Gesetz herausbringen, als durch Mitwirkung von mehreren Ausschüssen, die alle mehr oder minder überlastet sind, die Verabschiedung verzögern! Deswegen die Bitte, daß wir uns mit der Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung begnügen!