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ID0125909300

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    Deutscher Bundestag — 259. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. April 1953 12573 259. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen 12575A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Pferdmenges, Dr. Pünder, Storch, Frau Schroeder (Berlin), Dr. Glasmeyer, Ewers, Dr. Schäfer, Schmitt (Mainz), Böhm, Eberhard, Ritzel, Henßler, Schuler, Hoecker, Horn 12575B Änderungen der Tagesordnung . . 12575C, 12627A Berichtigung zur Beschlußfassung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen 12575D Nächste Fragestunde, — Sperrfrist für die Einreichung von Fragen 12575D Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Neuregelung der Abgaben auf Mineralöl 12575D Gesetz über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes 12576A Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts . . 12576A Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) 12576A Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952 12576A Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens 12576A Gesetz zur Änderung des Zolltarifs aus Anlaß der Errichtung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 12576A Kleine Anfrage Nr. 261 der Fraktion der SPD betr. Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche und von Dauerarbeitsplätzen für ältere Angestellte und Arbeiter (Nrn. 3306, 4245 der Drucksachen) 12576A Kleine Anfrage Nr. 324 der Abg. Strauß u. Gen. betr. Stornierung von Exportaufträgen (Nrn. 4153, 4238 der Drucksachen) 12576A Kleine Anfrage Nr. 325 der Fraktion der SPD betr. Weihnachtszuwendungen an den früheren Postminister Ohnesorge (Nrn. 4195, 4262 der Drucksachen) . . . 12576B Kleine Anfrage Nr. 326 der Fraktion der SPD betr. Schuldenanerkenntnis (Nrn. 4206, 4252 der Drucksachen) 12576B Kleine Anfrage Nr. 327 der Fraktion der FDP betr. Unterbringung der Personen nach Art. 131 des Grundgesetzes (Nrn. 4207, 4251 der Drucksachen) 12576B Kleine Anfrage Nr. 330 der Fraktion der SPD betr. Bevollmächtigter für die Filmwirtschaft (Nm. 4233, 4261 der Drucksachen) 12576B Kleine Anfrage Nr. 331 der Fraktion der SPD betr. Entschädigungsgesetz für Kriegsgefangene, Zivilinternierte und Zivilverschleppte (Nrn. 4234, 4253 der Drucksachen) 12576B Bericht des Bundesministers der Justiz über die Frage der Auslieferung des Frantisek Kroupa aus Norwegen nach Deutschland (Nr. 4244 der Drucksachen) 12576C Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und der Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1951/52 (Nr. 4263 der Drucksachen) 12576C Dritte Beratung des Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes (Nrn. 4182, 3861 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Umdrucke Nm. 844, 849, 860 bis 868) 12576C Peters (SPD): als Berichterstatter 12576C als Abgeordneter . . . . 12578B, 12586B, 12588A, 12589A, D Brönner (CDU) 125'76D Dr. Bertram (Soest) (FU) . . 12579C, 12589B Dr. Hammer (FDP) 12580B, 12582B, 12583C Niebes (KPD) 12581A Bausch (CDU) 12581C, 12583A Schoettle (SPD) . 12582C Behrisch (SPD) 12583C Dr. Wellhausen (FDP) 12584C Eickhoff (DP) 12585B Neuburger (CDU) 12585D, 12587D, 12588C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 12586C Gengler (CDU) 12587B Dr. Kather (CDU) 12590B Seuffert (SPD) 12590B Abstimmungen 12585C, D, 12588C, 12589C, D, 12590D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (Nr. 4199 der Drucksachen) . . . . 12591A Neuburger (CDU), Antragsteller . 12591A Überweisung an die Ausschüsse für Geld und Kredit, für Finanz- und Steuerfragen und für Wirtschaftspolitik . . 12592A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft (Nr. 4247 der Drucksachen) 12592B Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Geld und Kredit 12592B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Vogel, Dr. Mende, Walter u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Rundfunks (Nr. 4198 der Drucksachen) 12592B Dr. Vogel (CDU), Antragsteller . 12592C, 12613B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12595B Dr.-Ing. e. h. Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen 12599A Eichler (SPD) 12599D Maerkl (FU) 12603A de Vries (FDP) 12603C Renner (KPD) 12604C Brookmann (CDU) 12605D Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12609A Walter (DP) 12611B Marx (SPD) 12612A Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films und an den Rechtsausschuß . . 12614B Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesevakuiertengesetzes (Nr. 4180 der Drucksachen) 12614D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12614D Morgenthaler (CDU) 12616B Frau Strobel (SPD) . . . . 12617B, 12622C Kunze (CDU) 12619C Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 12620C Freiherr von Aretin (FU) 12621B Gundelach (KPD) 12621D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12622D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Hilfe für die sittlich gefährdete Jugend in den Räumen Baumholder, Kaiserslautern, Bitburg und Worms (Nrn.4191, 3691 der Drucksachen) 12622D Hübner (FDP), Berichterstatter . 12622D Jacobs (SPD) 12624A Frau Strohbach (KPD) 12625B Frau Dietz (CDU) 12626A Beschlußfassung 12626D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Freiherrn von Aretin (Nr. 4219 der Drucksachen) . . 12626D Für erledigt erklärt 12627A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen) . . 12627A Abgesetzt 12627A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Subventionen für das bundeseigene Kupferschieferbergwerk in Sontra sowie kommunale Erstausstattung für die Gemeinden Sontra, Nentershausen, Rockensüß und Solz (Nr. 4196 der Drucksachen) 12627A Dr. Arndt (SPD), Antragsteller 12627A, 12630B, 12632A Sabel (CDU): zur Sache 12628C, 12631C zur Abstimmung 12632A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 12629D Überweisung an den Haushaltsausschuß, den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Kommunalpolitik 12632C Nächste Sitzung 12632C Die Sitzung wird um 13 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Käte Strobel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Herren und Damen! Es ist höchste Zeit, daß dem Bundestag ein Gesetz vorgelegt wird, das den Evakuierten, besser gesagt, den einheimischen Heimatvertriebenen, die Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen aus dem Osten gibt. Dieses Gesetz muß auch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Dieses Problem berührt ein ganz besonders trauriges Kapitel menschlichen Leids der Kriegs- und Nachkriegsjahre. Unwillkürlich ist man veranlaßt, an den Bombenkrieg und seine Folgen und an jene furchtbaren Tage und Nächte zu denken.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es handelt sich hier in besonderem Maße um Menschen, die schon während des Krieges als erste auf der Landstraße gewesen sind. Diejenigen unter uns, die selber aus der Großstadt oder ihrem Heimatland heraus evakuiert worden sind, wissen, wieviel unsägliche Mühe, Plage und Not damit verbunden war. Heute ist es so, daß jene, die noch draußen sind, gerade die schwächsten unter den Evakuierten Sind.

    (Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

    Diejenigen, die sich aus eigener Kraft nicht haben helfen können, haben zum Teil die Hoffnung und den Glauben an die Gerechtigkeit aufgegeben. Es ist unsere Aufgabe, ihnen mit diesem Gesetz zu beweisen, daß der Deutsche Bundestag ihnen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gibt wie allen anderen Geschädigtengruppen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    In dieser Beziehung bin ich der Meinung, daß die
    Vorlage der Regierung leider nicht ganz den Forderungen entspricht, die der Bundestag einige Male einstimmig aufgestellt hat. Wenn ich mich recht erinnere, war Gegenstand unserer Beschlüsse immer die Bereitstellung von Mitteln sowohl für die Rückführung und für den Wohnungsbau als auch für soziale Betreuungsmaßnahmen im Zufluchts- wie im Rückkehrort. Ich vermisse in dem uns vorliegenden Gesetz allerdings das, was am allernotwendigsten wäre, die Bereitstellung von Mitteln. Bis jetzt sind die Evakuierten immer wieder vertröstet worden. Wenn nun ein Gesetz speziell für sie gemacht werden soll, dann kann es nicht ausschließlich aus der Anerkennung ihrer Notlage, aus Versprechungen und aus Hinweisen, daß sie bevorzugt zu berücksichtigen sind, bestehen, sondern dann muß man, meine ich, einen Schritt weitergehen und bereit sein, aus Haushaltsmitteln für den Wohnungsbau und für die notwendige soziale Betreuung der Evakuierten etwas Besonderes zu tun.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es wird unsere Aufgabe sein, in den Ausschüssen dafür zu sorgen, daß der Gesetzgeber den notwendigen Schritt weiter geht, als die Regierung in ihrem Entwurf gegangen ist. Insofern verdient dieser Gesetzentwurf nicht uneingeschränktes Lob, weil ihm eben eine ganze Anzahl Mängel anhaften.
    Gestatten Sie mir, besonders zu einigen dieser Mängel Stellung zu nehmen. Es genügt einfach nicht, zu sagen: Die Evakuierten sind „bevorzugt" an Arbeitsplätze zu vermitteln; denn wir wissen, daß diese Forderung für andere Geschädigtengruppen in einer Reihe von Gesetzen bereits verankert ist. Wie soll dann die ausführende Behörde eigentlich die Frage der Reihenfolge usw. entscheiden, wenn die gesetzlichen Handhaben und Hinweise immer nur so lapidar sind?
    Darüber hinaus ist es auch nicht damit getan, daß man sagt: Die Betreuungsmaßnahmen können erst in Kraft treten, wenn die Rückführung erfolgt ist. Bitte, denken Sie einmal daran, daß sich der größere Teil der Evakuierten, die heute noch fern ihrer Heimat auf dem Lande leben müssen, aus Witwen mit Kindern und aus alten Leuten mit Enkeln zusammensetzt, vielfach jungen Menschen, deren Berufsvorbildung und Berufsausbildung durch die Evakuierung eben ungeheuer gelitten hat und noch leidet! Wenn man diese Leute vertrösten will, bis sie zurückgekehrt sind, dann sind die jungen Menschen teilweise über das Alter der Berufsausbildung hinaus. Man muß den jungen Leuten heut e in ihrer gegenwärtigen Situation eine Berufsausbildung geben, man muß die alten Leute heute betreuen und unterstützen.
    Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß ein Großteil der Evakuierten aus der gegenwärtigen Sowjetzone stammt. Diese Menschen haben zumindest zunächst keine Möglichkeit, in ihre ursprüngliche Heimat zurückzukehren. Sollen sie nun deswegen auch auf alle Betreuungsmaßnahmen verzichten müssen, weil ihr Schicksal sowieso schon unerträglicher und unangenehmer ist als das der anderen? Es ist notwendig, daß man das Gesetz in dieser Beziehung sehr stark verbessert.
    Ein weiterer Mangel des Gesetzes ist, daß man sich in entscheidenden Fragen auf Rechtsverordnungen zurückzieht. Wir kennen ja die Zeit, die das Parlament und seine Ausschüsse brauchen, um ein gutes Gesetz zustandezubringen. Wenn man sich dann noch in wichtigen Fragen, wie z. B. in den Fragen der Einbeziehung der Sowjetzonen-


    (Frau Strobel)

    evakuierten in die Maßnahmen des Gesetzes, auf künftige Rechtsverordnungen bezieht, dann bedeutet das nur, daß diese Menschen wieder warten, warten und warten sollen und letzten Endes gerade noch so am Rande irgendwie zurechtkommen sollen. Es handelt sich doch um Menschen, die einen langen Leidensweg hinter sich haben. Teilweise sind sie seit zehn und mehr Jahren vom Heimatort getrennt. Sie haben in ihrem gegenwärtigen Wohnort keine oder nur sehr wenig Arbeitsmöglichkeiten. Zum größeren Teil haben sie schon vor zehn Jahren Hab und Gut verloren. Sie haben vielleicht ihre liebsten und vom Ernährungsstandpunkt her wichtigsten Angehörigen verloren oder sie leben unter den besonders schwierigen Verhältnissen, die die Verkehrslage mit sich bringt. Der Herr Bundesinnenminister hat bereits die Situation der Pendler angesprochen. Gerade in den Fällen, in denen der Mann in der Großstadt arbeitet und seine Familie, seine Frau mit den Kindern weitab von seiner Arbeitsstätte auf dem Lande leben muß, ist schon die materielle Lage dieser Familien wesentlich schwerer, aber daraus entsteht auch manche Gefährdung für den Bestand der Familien, für die Erziehung der Kinder usw.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die mangelhafte Unterbringung der Evakuierten kann man sicher niemandem zum Vorwurf machen. Aber wir müssen doch bei einem solchen Gesetz daran denken, daß eben das Leben auf dem Lande — bitte, ich habe es selber einige Jahre mitgemacht — in Notunterkünften, in denen man weder Wasser noch elektrisches Licht hat, den Lebensgewohnheiten der Großstädter in keiner Weise entspricht. Die alten Leute, die ein Leben lang in der Großstadt tätig waren, die nun draußen sitzen und nicht sehen, daß man sich wirklich ernsthaft bemüht, sie in ihre Heimat zurückzuführen, haben heute teilweise Angst, daß sie ihre Rückkehr nicht mehr erleben. Wenn wir nun lediglich im Rahmen der bereits bestehenden Mittelvergabe für den Wohnungsbau, die ja, wie hier bereits gesagt worden ist, zum größten Teil schon zweckgebunden ist, den Evakuierten versprechen, daß sie bevorzugt in Wohnungen vermittelt werden, dann ist ihnen damit eben nicht gedient, wenn wir nicht gleichzeitig entsprechende Mittel bereitstellen, die den betroffenen Rückkehrgemeinden die Möglichkeit des zusätzlichen Wohnungsbaus geben. Denn es gibt in der Bundesrepublik gewisse Schwerpunkte, so z. B. in Nordrhein-Westfalen oder in Bayern, in Niedersachsen, in Hamburg usw.; von dem allgemein menschlichen und seelischen Problem, das diese ganze Frage beinhaltet, gar nicht zu sprechen.
    Die Lebensbedingungen der Evakuierten sind zum Teil mindestens genau so schlecht wie die der Heimatvertriebenen, oft noch schlechter. Aber denken wir bitte auch daran, daß es für die Evakuierten ja möglich wäre, in ihre Heimat zurückzukehren, weil ihre Heimat die Bundesrepublik ist. Obwohl es also keinen politischen Hinderungsgrund dafür gibt, leben sie heute noch draußen, fühlen sich verlassen und vergessen, und ich habe den Eindruck, manchmal sind sie es auch. Um so notwendiger ist es, daß man in diesem Gesetz nicht nur schöne Dinge verspricht, nicht nur schöne Worte findet, sondern auch tatsächlich dafür sorgt, daß nicht nur die Rückführung, sondern auch die soziale Betreuung im gleichen Maße durchgeführt wird wie bei allen anderen Geschädigtengruppen.
    Im einzelnen darf ich zum Gesetz sagen, daß sich nach unserer Auffassung die Anerkennung als Evakuierte auf alle erstrecken muß, nicht nur auf diejenigen, die auf behördliche Anordnung die Heimat verlassen haben, sondern auch auf jene, die aus eigenem Entschluß gegangen sind, um sich und ihre Kinder vor den Auswirkungen des Bombenkrieges zu schützen, die also praktisch vor dem Tod davongelaufen sind. Auch daß man im Gesetz die Evakuierung nach dem 8. Mai 1945 und aus dem ehemaligen Reichsgebiet nur zusätzlich durch eine Rechtsverordnung anerkennen will, scheint uns der tatsächlichen Lage nicht gerecht zu werden. Im Gesetz ist auch nur vorgesehen, daß eine Rückführung an einen anderen als den ursprünglichen Heimatort nur dann möglich ist, wenn der Evakuierte dort einen Arbeitsplatz gefunden hat. Mir erscheint die Zusammenführung der Familien im Rahmen der Rückführung mindestens genau so notwendig. All den alten Leuten, die ihre Kinder irgendwo in einer Großstadt leben haben und die zu ihren Kindern ziehen wollen, muß man die Möglichkeit geben, auch für ihre Rückführung die Vorteile des Evakuiertengesetzes in Anspruch zu nehmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Darüber hinaus sind wir durchaus der Meinung, daß die Rückkehr nur eine freiwillige sein kann, daß aber ein Rechtsanspruch aller Evakuierten, die aus kriegsbedingten Gründen ihre Heimat verlassen haben, auf die Rückführung verankert werden muß.
    Nun zur Kostenfrage. Nach dem Gesetz sollen die Kosten für die Rückführung von den Ländern getragen werden, soweit es den Evakuierten nicht zumutbar ist, sie selbst zu tragen. Wir wissen aus der Praxis, daß der Begriff der „Zumutbarkeit" zu sehr vielen Schwierigkeiten Anlaß gegeben hat. Die Zumutbarkeit wird eben in verschiedenen, mehr oder weniger leistungsfähigen Gebieten verschieden ausgelegt. Das Land Nordrhein-Westfalen wird auf diesem Gebiet mehr tun können als die an und für sich schon als Flüchtlingsländer bekannten Länder wie Bayern, Niedersachsen usw. Uns erscheint es dringend notwendig, daß die Rückführungskosten vom Bund übernommen werden, und zwar möglichst für alle Evakuierten. Denn die Evakuierung ist eine Kriegsfolge; infolgedessen ist der Bund für die Kosten der Rückführung zuständig, und zwar nicht nur für die Rückführung von Land zu Land, sondern auch für die Rückführung innerhalb eines Landes.
    In Bayern z. B. befinden sich die meisten Evakuierten aus den Großstädten und den zerbombten Städten wie Nürnberg, Würzburg, München usw. im eigenen Lande. Es ist einfach unmöglich, in einem solchen Falle dem Lande die Rückführungskosten aufzuerlegen; schließlich kann ja das Land nicht dafür, in welchen Gebieten die Evakuierung besonders notwendig war und in welchen weniger. Man muß auch einmal daran denken, daß die Leistungsfähigen inzwischen zurückgekehrt sind und daß es sich bei den noch draußen Lebenden in erster Linie um sozial Schwache handelt.
    Ich stimme mit dem Herrn Minister vollkommen darin überein, habe aber leider im Gesetz die Verankerung dafür nicht gefunden, daß die Heimatgemeinden verpflichtet werden müssen, vor allen Dingen auch die alten Leute in ihre Heimat zurückzunehmen. Aus Erfahrung wissen wir, daß die Heimatgemeinden in erster Linie an den Arbeitsfähigen interessiert sind, an denjenigen, die keine


    (Frau Strobel)

    großen Kosten verursachen. Es liegt uns aber sehr daran, auch die alten Leute sehr rasch in ihre Heimat zurückzuführen. Wie wir festgestellt haben, ist der Anteil der alten Leute an der Gesamtzahl der Evakuierten besonders groß. So sind allein von den Nürnberger Evakuierten, die heute noch draußen sind und zurück wollen, über 15 Prozent über 65 Jahre alt. Wenn wir zu Versammlungen draußen sind, passiert es uns ja allen, daß wir ehemaligen Bürgern unserer Heimatstädte begegnen, und wir wissen, wie sehr sie sich nach der Rückkehr in ihre Heimatstadt sehnen. 31 Prozent — außer den erwähnten 15 Prozent — sind über 50 Jahre alt, also Menschen, die gewissermaßen der besonderen Fürsorge bedürfen. Wir hätten es sehr begrüßt, wenn man im Gesetz besondere Mittel für den Bau von Altersheimen in den Heimatgemeinden nach sogenannten Schwerpunkten zur Verfügung gestellt hätte, und wir werden im Ausschuß darauf hinarbeiten, daß es geschieht.
    Die Wohnraumbeschaffung ist, wie hier schon gesagt wurde, das Kernstück dieses Gesetzes. Nun hat aber der Bundesrat, soviel ich gesehen habe, beantragt, daß das wenige, was die Bundesregierung für die Beschaffung von Wohnraum vorgesehen hatte, auch noch gestrichen wird und diese Frage im Wege einer Rechtsverordnung geregelt werden soll. Dann bleibt überhaupt nichts mehr übrig. Deshalb noch einmal die Forderung, Haushaltsmittel zweckgebunden für den Wohnungsbau für Evakuierte, für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen, für die Schaffung von Lehrstellen bereitzustellen. Im Gesetz ist zwar bestimmt, daß man Anspruch darauf hat; aber es steht nicht darin, von wem die Mittel aufgebracht werden, es steht nicht darin, wieviel Mittel aufgebracht werden sollen, und es steht auch nicht darin, in welchem Zeitraum die Rückführung erfolgen soll.
    Wir betonen: Es war immer, in allen bisherigen Anträgen und Beschlüssen des Bundestags, unsere übereinstimmende Meinung, daß den Evakuierten durch dieses Gesetz die Gleichberechtigung gesichert werden muß. Das gilt auch in bezug auf steuerliche Maßnahmen, in bezug auf Maßnahmen für die selbständigen Gewerbetreibenden, für die freien Berufe, aber im selben Maße auch für die unselbständigen Arbeitnehmer.
    Gestatten Sie mir noch ein letztes Wort zu den von der Regierung angeführten Zahlen. In der Begründung dieses Entwurfs ist darauf hingewiesen, daß etwa 300 000 Menschen in der Bundesrepublik heute rückkehrwillig seien. Wir haben erhebliche Zweifel, ob diese Zahlen der Bundesregierung stimmen. Ich habe sie einmal mit den Zahlen verglichen, die meine Heimatstadt Nürnberg, die in der Betreuung der Außenbürger an sich vorbildlich ist, aufgestellt hat. Wir haben festgestellt, daß 26 982 Nürnberger, die heute noch draußen sind, in ihre Heimatstadt zurückkehren wollen, während die Bundesregierung in ihrer Erhebung 10 500 Nürnberger aufgeführt hat, die zurück wollen. Wenn wir diesen Unterschied auf die Gesamtzahl übertragen, dann würden wir auf eine Zahl von 700 000 rückkehrwilligen Personen kommen, die sich heute noch draußen befinden. Es wird also eine sehr rasche und genaue Erhebung notwendig sein, um feststellen zu können, wieviel Mittel benötigt werden, um den Evakuierten zu ihrem Recht zu verhelfen, ihrer Not zu steuern und sie in ihre Heimat zurückzuführen. Ein gutes Evakuiertengesetz ist ohne Zweifel ein Akt der Gerechtigkeit, ein Akt der Solidarität und vor allen Dingen ein Akt der inneren sozialen Befriedung.
    Wir bitten Sie alle, in diesem Sinne an der Verbesserung des Gesetzentwurfs mitzuarbeiten. Wie schon vorgeschlagen, bitten wir darum, daß der Entwurf dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, aber auch dem Haushaltsausschuß und dem Wohnungsausschuß überwiesen wird, damit speziell die Fragen der Wohnraumbeschaffung und der Höhe der bereitzustellenden Mittel in diesen Ausschüssen geprüft werden können.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Johannes Kunze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, jetzt in der ersten Lesung wie meine Frau Vorrednerin das ganze Gesetz Punkt für Punkt durchzugehen und einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen. Es erscheint mir für die erste Lesung zweckmäßig, zu prüfen, inwieweit dieser Gesetzentwurf grundsätzlich den Willen des Hohen Hauses erfüllt, der in den Entschließungen, die wir gelegentlich der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes gefaßt haben, zum Ausdruck gekommen ist, und inwieweit er noch einige Grundsatzfragen offenläßt. Es dürfte in diesem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber bestehen, daß wir unseren evakuierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Recht auf eine schnelle Rückkehr in die Heimat geben wollen und geben müssen.
    Ich darf aus der Erfahrung, die wir mit diesen ganzen Problemen gemacht haben, einmal folgendes sagen. In dem Regierungsentwurf ist mit vollem Recht eine ganze Reihe von Fragen der Rechtsverordnung und nicht dem Gesetz zugewiesen worden. Warum? Weil dieses Gesetz nur in engster Fühlungnahme mit den Ländern gemacht werden kann und weil eine Fülle von Fragen der Durchführung im einzelnen noch viel stärker das Zusammenwirken von Bund und Ländern erfordert. Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß der größte Teil der Evakuierten innerhalb des Landes und nicht in ein anderes Land evakuiert ist. Als während des Krieges und auch in der Nachkriegszeit Evakuierungen stattfinden mußten, hat doch keiner von uns einen Augenblick daran gedacht, daß jemand, der z. B. aus dem heutigen Gebiet von Rheinland-Pfalz in ein anderes Stück Deutschlands evakuiert wurde, sich eines Tages in einem anderen Lande befinden würde. Diese Fragen zwingen uns, bestimmte Entscheidungen der Rechtsverordnung zuzuweisen. Denn ich fürchte, wenn wir alles das, was ich zum großen Teil ebenso wie Sie, Frau Kollegin, anerkenne, in diesem Gesetz unterbringen und noch soundsoviele Ausschüsse mitbeteiligen wollen, wird mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dieses Gesetz in dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr zum Zuge kommen. Sie wollen doch bitte daran denken, daß der Bundesrat mit Recht ein ganz besonderes Interesse an diesem Gesetz bekundet. Wir müssen ganz nüchtern ausrechnen, was wir vor Schluß der Legislaturperiode noch fertigbekommen. Es hat keinen Zweck, jetzt lauter Versprechungen mit dem Ziel eines Perfektionismus zu machen, ohne die Überlegung einzuschalten, ob es zeitlich zu schaffen ist. Es wäre das schlimmste, was wir tun könnten, im Ausschuß für innere Verwaltung in gründlichster Arbeit zu versuchen, alles ins Gesetz zu bringen, um die Rechtsverordnung überflüssig zu machen, und dann


    (Kunze)

    zum Schluß nicht mehr fertigzuwerden und die Evakuierten auf das nächste Parlament vertrösten zu müssen, das vielleicht bis Ende des Jahres oder im Frühjahr des kommenden Jahres in der Lage wäre, die Materie neu zu behandeln und endlich zu verabschieden. Wir sollten hier wirklich einmal großzügig sein und uns von dem Grundsatz leiten lassen: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Daß geholfen werden muß, darüber gibt es keine Differenz der Auffassungen. Es dürfte auch keinem Zweifel unterliegen, daß wir uns, nachdem das Vertriebenengesetz verabschiedet worden ist, im besonderen Maße verpflichtet fühlen müssen, nun auch das Evakuiertenproblem anzufassen.
    Ich möchte den Damen und Herren dieses Hohen Hauses, die die Fragen nicht aus ihrer Tätigkeit unmittelbar kennen, folgendes sagen. Wenn ich den Tausenden von Kölnern, die bei uns oben in OstWestfalen und im Lipper Land sitzen und bei gutem Wetter vom Turm des Hermannsdenkmals aus die Spitzen des Kölner Doms sehen, nicht sagen kann: jetzt schaffen wir für euch die Rückkehrmöglichkeit, habe ich einfach etwas versäumt, was ich ihnen zu tun schuldig war.
    Es ist unwichtig, ob wir einzelne Formulierungen verbessern. Aber etwas anderes ist von entscheidender Bedeutung: das Problem darf nämlich nicht unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten angefaßt werden, sondern es dreht sich um den lebendigen Menschen. Das muß im Gesetz zum Ausdruck kommen. Meine Vorrednerin hat diese Seite mit Recht angesprochen. Ich darf den Alten, der ohne seine Schuld aus der Heimat evakuiert werden mußte und jetzt nicht mehr arbeitsfähig ist, also vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nicht an erster Stelle steht, nicht warten lassen, bis er unter der Erde liegt; ich darf ihm nicht Versprechungen machen, von denen ich weiß, daß sie aus zeitlichen Gründen nicht erfüllt werden können.
    Ich schlage vor, daß man allein den Ausschuß für innere Verwaltung mit der Materie befaßt und ihm anheimstellt, den Haushaltsausschuß, wenn er etwa den Haushalt betreffende Bestimmungen in den Entwurf aufnehmen will, von sich aus um eine Stellungnahme zu bitten. Genau dasselbe gälte in bezug auf den Wohnungsbau hinsichtlich des dafür zuständigen Ausschusses. Wir haben es doch bei einem anderen Gesetz erlebt, wie lange die Beratungen gedauert haben, zumal die Ausschüsse zu spät mit der Materie befaßt worden sind. Wenn wir aber jetzt einen Beschluß fassen, wie wir es beim Lastenausgleichsgesetz getan haben, zwingen wir den Vorsitzenden des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, von Fall zu Fall die entsprechenden Ausschüsse zuzuziehen. Auf diese Weise geht die Arbeit schneller vor sich. Ich habe die große Sorge, daß dieses wichtige Gesetz nicht fertig wird, bevor wir auseinandergehen. Wenn wir ein Gesetz bekommen, das in den Vermittlungsausschuß geht, und wir bis zur Neuwahl nicht mehr zusammenkommen, wird eben die Verabschiedung des Gesetzes vertagt. Ich wäre deshalb dankbar, wenn das Plenum meinen Antrag annähme und die Ausschußüberweisung in dieser Form beschlösse.

    (Beifall in der Mitte.)