Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt zwei Methoden der politischen Auseinandersetzung. Die eine besteht darin, bei Meinungsverschiedenheiten die Verschiedenheit der Ausgangsstellungen in Gegensatz zueinander zu bringen, zu vergleichen und dann zu versuchen, die Ansichten über Irrtümer und Einsichten miteinander zu werten und auszutauschen. Es gibt eine andere Methode, die darin besteht, einem andern Absichten zu unterstellen, die er zwar nicht hat, und so eine für das Agitationsbedürfnis
allein reizvolle Polemik gegenüber Absichten, die
gar nicht vorhanden sind, heraufzubeschwören. Aber ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob die Krankenversicherung der Rentner mit einem solchen Theaterdonner gefördert werden kann.
Leider hat der Kollege Schellenberg diesen Weg eingeschlagen. Die Fragen, um die es dabei geht, sind dadurch, wie ich glaube, nicht gefördert worden.
In der Ausschußvorlage ist der Begriff der „Schutzbedürftigkeit" ausgesprochen. Das ist natürlich nicht gerade sehr präzise; aber es handelt sich doch hier gar nicht darum, ein Gesetz zu machen, sondern es handelt sich darum, eine bestimmte Tendenz in einer Entschließung zum Ausdruck zu bringen. Da geht man doch nicht in die Details! Sie haben eben dem Kollegen Horn in einem Zwischenruf vorgeworfen, daß er nichts über die Frage, wie man durch einen Gutschein die Bezahlung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner bei einer freien Wahl des Versicherungsträgers regeln solle, in der Entschließung gesagt hätte. Seit wann macht man denn Entschließungen über eine bestimmte sozialpolitische Absicht in der Form, daß man sich nun mit den Modalitäten des Markenklebens oder der Gutscheinausstattung befaßt? So ist doch wirklich eine sachliche Auseinandersetzung nicht zu führen.
— Doch, doch, ich habe mir den Ausdruck „muß" notiert, weil er mich geradezu erschütterte. Es hat mich bestürzt, daß man, wenn man einem Menschen ein Recht auf eine freie Entscheidung einräumt, daran das Bedauern knüpft, daß er sich nun entscheiden muß, wie er selber das für ihn Bestgeeignete findet, daß man also den Vorgang eines Mündigmachens für bedenklicher hält als eine Art von Entmündigung. Ich möchte nur — —
— Ja, ich komme auf das Bezahlen. Fangen wir gleich damit an. Ich will in der Reihenfolge der Punkte des SPD-Antrags vorgehen. Also Ziffer 1 des Antrags der SPD: Dem ersten Teil könnte man zustimmen; ich habe aber Bedenken, wenn gesagt wird, daß überhaupt jedes Recht auf Rentnerkrankenversicherung verloren gehen soll, wenn wegen Übersteigens der Einkommensgrenze die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht eintritt. Hier liegt eine bedenkliche Ungenauigkeit vor. Es gibt verschiedene Arten von Einkommensgrenzen, die da berücksichtigt werden könnten. Das Wort ist also mindestens unpräzise.
— Sie meinen die Krankenversicherungspflichtgrenze? Die wäre mir z. B. in manchen Fällen zu niedrig. Da würde ich sagen, das reicht nicht immer. Die Lösung mit der Einkommensgrenze ist in diesem Fall zu mechanisch und schablonenhaft.
Dann haben Sie gesagt, die Leistungen der Rentnerkrankenversicherungen werden also Auftragsangelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Einverstanden. Pflichtleistung der Rentenversicherung: Auch einverstanden, wobei die
Frage ist, wie weit Pflichtleistungen. Hier ist die
Klärung der Frage einer wirklichen Bedürftigkeit notwendig, die in Punkt 4 auftritt. Ich komme
gleich darauf.
Dann ist in Ziffer 3 die Bedingung gestellt, daß bei Beteiligung weiterer Träger keine Erhöhung des gegenwärtigen Verwaltungsaufwands ein-
tritt. Der ist sehr schwierig zu bestimmen, meine Damen und Herren. Wenn man schon so ein Prinzip aufstellt, das ganz vernünftig klingt, müßte man dann hinzufügen: Wie ermittelt man den Verwaltungsaufwand? Jeder, der sich einmal mit den Buchungsformen eines Versicherungsträgers vertraut gemacht hat, weiß, wie Verwaltungsaufwand so oder so berechnet und ermittelt werden kann.
Ich zögere, solch einem Prinzip zuzustimmen, weil man dann in fragwürdige Abwege der Entwicklung hineingeraten könnte.
In Punkt 4 ist dann von einer Reihe von Mehrleistungen gesprochen, die den Rentnern zugute kommen sollen. Ja, es sind Mehrleistungen, die über die Pflichtleistungen der RVO weit hinausgehen. Das ist eine Frage der Finanzierung. Wenn Sie sich nun auf den Standpunkt stellen: ich setze für die Rentnerkrankenversicherung für den Krankenversicherungsträger nur eine begrenzte Pauschale aus — ja, dann müssen die Krankenversicherungsträger das aus den Beiträgen der übrigen Krankenversicherten aufbringen. Das scheint mir nicht sehr sinnvoll und gerecht zu sein, denn das würde bedeuten, daß Leistungen, die aus dem Rentenanspruch herzuleiten sind, von den Mitgliedern der Krankenversicherung bezahlt würden.
— Das wollen Sie nicht, also wollen Sie es auf die Rentenversicherung bringen? Schön, das würde aber, da Sie sagen, Sie wollten die öffentlichen Lasten nicht erhöhen und das nicht mit Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln machen, bedeuten, daß Mittel der Rentenversicherung für diesen Zweck abgespalten werden müßten. Das würde also bedeuten, daß die heute aktiv Arbeitenden, die Beiträge zur Rentenversicherung entrichten, die Mittel für diese Mehrleistungen aufzubringen hätten. Ich weiß nicht, ob Sie mit einem Hinweis auf diese Folgerung und auf diese Folge bei den jetzigen Versicherten Begeisterung auslösen würden. Bei Ihren Ausführungen kam nur — Sie haben da so klangvolle Forderungen ausgesprochen und dazu gesagt, es sollten dadurch keine öffentlichen Lasten entstehen — die Erinnerung an eine Rede, .die ich einmal vor 1933 hörte. Da sprach einer den wunderbaren Satz, er wolle eine Erhöhung der sozialen Leistungen dadurch erzielen, daß er die sozialen Lasten mindert. Das ist eine Wunderformel, mit der man aber leider in der Praxis nicht gut durchkommen kann.
Wenn ich mir den Antrag der SPD ansehe, muß ich daher wieder sagen, daß ich in diesem Antrag der SPD keineswegs eine größere Klarheit sehe, sondern im Gegenteil verdächtige Undurchsichtigkeiten. Ich gebe daher dem Vorschlag des Ausschusses den Vorzug, der sich darauf beschränkt, eine Tendenz zu erregen und nicht schon Rezepte zu verschreiben.