Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten haben im November 1949 in einem unserer ersten Anträge, in dem wir die Reform der Sozialversicherung gefordert haben, auch bereits die Einführung einer gesetzlichen Pflichtversicherung, einer Krankenversicherung der Rentner verlangt. Wir haben damals den Standpunkt vertreten, daß diese gesetzliche Versicherung auf der Basis einer Pflichtversicherung geschaffen werden müsse, daß sowohl die Pflichtleistungen als auch die Kannleistungen gewährt werden müßten. Wir haben als Träger dieser zusätzlichen Versicherung die allgemeinen Versicherungsträger angesprochen und haben damals bereits den Standpunkt vertreten, daß die Beiträge zur Finanzierung dieser Krankenversicherung für die Rentner der Bund zu tragen hat als kleinen Ausgleich dafür, daß die Milliardenvermögen der Sozialversicherungsträger zweimal durch die Kriegspolitik der kaiserlichen Regierung wie der Hitler-Regierung zum Teufel gegangen sind. Das war unser damaliger Gedankengang.
Nun, heute liegen uns dieser Ausschußbericht und die Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion im Umdruck Nr. 802 vor. Die Frau Kollegin Kalinke sprach von den „zwei Schatten", die im Auschuß über diesem Problem gelagert haben. Das ist sehr bildhaft gesprochen. Der eine Schatten geht von ihr aus. Das ist der Schatten der Reaktion, den sie immer auf die sozialpolitischen Fragen wirft, wenn diese Dinge hier zur Aussprache stehen.
Aber etwas muß man ihr doch entgegenhalten: Warum in diesem Ausschußbericht das Abdrängen auf die freiwillige Versicherung? Sie sollte sich doch einmal überlegen, mit welchem Recht ausgerechnet sie hier fordert, daß jeder Mißbrauch der Gelder der Mitglieder der Sozialversicherungsträger vermieden werden müsse. Warum hat sie diesen Standpunkt nicht vertreten, als es der Herr Schäffer vor einigen Wochen hier mit Zustimmung der Reaktion durchgesetzt hat, daß der Beitrag des Bundes an die Sozialversicherungsträger für die nächsten drei Jahre anteilmäßig so abgestattet wird, daß pro Jahr 555 Millionen statt in Bargeld
in Bundesschuldverschreibungen zugewiesen werden? Warum ist ihr da nicht eingefallen, sich dagegen zu verwahren, da das doch auch ein „Mißbrauch" ist?
— Wieso nicht? Das wollen Sie bloß nicht einsehen!
Nun zurück zu dem Antrag selber. Wir stehen auf dem Standpunkt, den der Kollege Schellenberg hier in einer wirklich klaren und eindrucksvollen Art und Weise zum Ausdruck gebracht hat.
— Nein, gar kein Liebeswerben! Ich werde mich in ihn nicht verlieben, da brauchen Sie keine Sorge zu haben.
Aber er hat hier Gedanken ausgesprochen, die absolut vertretbar sind. Er hat Gedanken ausgesprochen, die, wie Sie wissen sollten, auch Gedanken der deutschen Gewerkschaften sind, und er hat, mit einer einzigen Ausnahme, das gesagt, was Sie hier als Gewerkschaftler eigentlich auch vertreten müßten. Daß Sie das nicht tun, beruht auf der Tatsache, daß Sie so nahe mit dem Herrn Adenauer und mit dem Herrn Schäffer verwandt sind. Nur eines, Herr Schellenberg, können wir nicht mitmachen. Denn Ihr Deckungsvorschlag ist eine bedenkliche Annäherung an die Methode, wie der Herr Schäffer mit Geldern der Sozialversicherungsträger, d. h. mit seinem Pflichtzuschuß den Sozialversicherungsträgern gegenüber, heute schon umspringt. Man soll den Herren nicht sagen, daß sie diese Leistungen aus den Überschüssen, die bestehen, nehmen sollen, sondern soll ihnen klarmachen, daß der Bund verpflichtet ist, das aufzubringen, was im Interesse der Rentner aufgebracht
werden muß. Das ist also der einzige Vorbehalt, den wir dem sozialdemokratischen Antrag gegenüber vorzubringen haben.
Wir lehnen also den Mündlichen Bericht des Ausschusses ab und bekennen uns, abgesehen von dieser Einschränkung, zu den Grundsätzen, die in dem sozialdemokratischen Antrag auf Umdruck Nr. 802 zum Ausdruck gebracht worden sind.