Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sehr temperamentvolle Art, mit der Herr Kollege Schellenberg die Absichten, die dem Beschlusse des Ausschusses zugrunde liegen, auf seine Art und Weise ausgelegt hat, und die Tatsache, daß aus dieser Art der Behandlung vor der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, als hätten wir heute hier schon über ein Gesetz zu befinden, das die Krankenversicherung der Rentner in dieser Form vom 1. April an neu regelt, bestimmen mich, am Anfang meiner Darlegungen ausdrücklich und mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem Beschlußvorschlag nur um einen Auftrag des Bundestags an die Bundesregierung handelt, einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten.
Wer mit dem Zustandekommen von Gesetzentwürfen ein klein wenig Bescheid weiß, der weiß, daß die Dinge dann zunächst einmal nicht nur auf der Referentenebene sehr gründlich vorbereitet, bearbeitet und unter den beteiligten Ressorts erörtert werden, sondern auch mit den beteiligten Organisationen und Verbänden, mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen beraten werden. Kurzum, bevor ein solcher Entwurf kabinettsreif wird, haben alle Beteiligten die Möglichkeit, sich zu dem beabsichtigten Inhalt gründlich zu äußern.
Wenn wir von dieser Tatsache ausgehen, können wir diese Dinge heute eigentlich mit etwas weniger Leidenschaft erörtern und behandeln. Ich muß aber Ihnen, Herr Kollege Dr. Schellenberg, sagen, daß Sie hier zum Teil in einer Weise gesprochen haben, als ob Sie die Behandlung im Ausschuß gar nicht persönlich erlebt und mitgemacht hätten. Sonst hätten Sie nicht teilweise mit einer solchen Verdrehung der Absichten,
die die Regierungsparteien dabei geleitet haben, vorgehen können. Die Art und Weise, in der Sie die sogenannte Schutzbedürftigkeit hier abzutun versucht haben, ist geeignet, wenn man die Dinge in dieser Weise und Methode den Menschen vorträgt, draußen die Auffassung zu erzeugen, daß hier die Rechte, auf die die Menschen Anspruch haben, tatsächlich wieder illusorisch gemacht werden sollen.
Wir waren uns auch im Ausschuß, zum mindesten in einem gewissen Stadium der Besprechungen — so meine ich wenigstens —, in etwa darüber einig, daß es hier in der Tat eine Grenze geben müßte, über die man nicht hinausgehen sollte. Frau Kollegin Kalinke hat das soeben hier schon ausgeführt.
Meine Damen und Herren von der SPD, es paßt nicht zu Ihrer sonstigen Einstellung, wenn Sie sich jetzt dagegen wehren wollen, diesem Vorschlag zu folgen. Es gibt doch Personen, die sich zwar durch eine — was weiß ich, wie lange — fortgesetzte freiwillige Versicherung in der Angestelltenversicherung einen Anspruch auf Rente erworben haben, diese Rente als eine angenehme Zugabe zu ihren sonstigen Einkünften betrachten, die aber Einkünfte in einer solchen Höhe haben, daß man sie beileibe nicht mit den Menschen auf eine Stufe stellen kann, die als Sozialrentner wirklich nur oder fast nur auf ihre Einkünfte aus der Rente angewiesen sind. Diesen Personen darf man doch wohl zumuten, daß sie wegen ihrer Einkommensverhältnisse auf die Krankenversicherung der Renter keinen rechtlichen und gesetzlichen Anspruch erheben können. Von seiten der Regierungsparteien hat im Ausschuß keiner daran gedacht, die Pflichtleistungen der Rentnerkrankenversicherung aufzuheben und das Ganze durch eine lediglich freiwillige Versicherung zu ersetzen. Diese Darstellung ist grundfalsch. Ich möchte sehr davor warnen — darum bitte ich Sie —, sie in dieser Form draußen in die Propaganda zu tragen, weil das eine bewußte Irreführung der Menschen wäre.
An der Pflichtleistung der Rentnerkrankenversicherung will im Grunde niemand etwas ändern. Das kann auch aus unserer Vorlage nicht herausgelesen werden. Wir wollen vielmehr — und darin sind Sie uns inzwischen dankenswerterweise gefolgt, obwohl Sie im Ausschuß noch eine andere Stellung eingenommen haben — die Rentnerkrankenversicherung einmal aus der Monopolstellung herauslösen, die heute die Allgemeinen Ortskrankenkassen bei der Durchführung haben. Wir wollen daran alle gesetzlichen Träger der Krankenversicherung beteiligen und wollen- auf dieser Grundlage dann dem einzelnen Rentner die Möglichkeit geben, über seinen Versicherungsschutz als Rentner frei zu entscheiden. Insofern sagen wir, er hat die Wahl, sich von sich aus freiwillig zu versichern, und zwar bei der Krankenkasse seiner Wahl, in einer Versicherungsklasse oder -gruppe, die in seinem Ermessen liegt und für die er allein die Entscheidung zu treffen hat. Das meinen wir hier mit der freiwilligen Versicherung.
Ich muß mit aller Entschiedenheit dem widersprechen, wie Herr Dr. Schellenberg die Ziffer 2 kommentiert hat, in der wir sagen:
Der Rentner erhält zur Durchführung seiner Krankenversicherung von den Rentenversicherungsträgern einen Pauschalbetrag, dessen Höhe die Selbstverwaltungsorgane der Träger der Rentenversicherung festsetzen.
Die Beiträge, die die Rentenversicherung für die Rentnerkrankenversicherung aufzuwenden hat, würden sich auch bei einer solchen Praxis nicht etwa danach richten, ob beispielsweise die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein befindet: Ich bin nur in der Lage, für das Rechnungsjahr 1953/54 einen Pauschalsatz von 3 oder 4 DM —, eine andere Landesversicherungsanstalt natürlich entsprechend mehr — auszuwerfen. So ist es nicht gemeint. In Anpassung an das, was heute Rechtens ist, würde sich die jeweilige Beitragsfestsetzung nach dem tatsächlichen Aufwand
zu richten haben, den die Rentnerkrankenversicherung etwa im voraufgegangenen Rechnungsjahr gehabt hat, also nach den tatsächlichen Bedürfnissen, die die Rentner bei ihrer Krankenversicherung im laufenden Jahr anzumelden gehabt haben, und nicht etwa nach dem Willen des Selbstverwaltungorgans der jeweiligen Landesversicherungsanstalt unter Betrachtung ihrer eigenen Finanzlage.
Im übrigen wird man, wenn die Dinge auf der Referentenebene erörtert werden, sehr gründlich prüfen, ob und inwieweit diese oder jene Methode für die Praxis die bessere ist.
Nun würde ich Sie gern bitten, einmal aufmerksam zuzuhören. Aber Herr Schellenberg ist im Augenblick nicht da.
— Entschuldigung! Man kann Sie sonst schlecht übersehen, aber es war jetzt wirklich der Fall. — Wir haben uns im Ausschuß auch bei der Anhörung der Sachverständigen darüber unterhalten, daß bei dem jetzt geltenden Pauschbetrag, der zur Zeit 5,50 DM pro Rente beträgt, die großen Ortskrankenkassen mit den größeren Risiken zum Teil ihre Bedürfnisse auf dem Gebiet nicht einmal zu decken in der Lage waren, daß aber andere und nicht wenige Ortskrankenkassen erhebliche Überschüsse erzielt und diese, obwohl sie eigentlich nur für die Rentnerkrankenversicherung bestimmt waren, zur Bestreitung anderer Ausgaben und zur Befriedigung anderer Bedürfnisse benutzt haben. Ich glaube, das ist im letzten auch nicht der Sinn dieser von der Rentenversicherung zu übernehmenden Beiträge für die Durchführung der Rentnerkrankenversicherung. Also, meine Damen und Herren, über diesen Punkt wird noch sehr gründlich zu sprechen sein.
Zu den weiteren Ausführungen von Herrn Schellenberg über den Ausbau der Leistungen auf dem Gebiet der Rentnerkrankenversicherung kann ich nur sagen, daß es in der Tat sehr einfach ist, sich hier hinzustellen und derartige Forderungen auszusprechen und zu begründen. Man muß aber beachten, daß auch bei der übrigen gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungen, die er hier angesprochen hat und die in Ziffer 4 des Antrags der SPD enthalten sind, Kann-Leistungen und keine Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen sind und daß sie jeweils im Rahmen des Möglichen von dem einzelnen Versicherungsträger in seinen Versicherungsbedingungen festgelegt werden.
Wenn nun die Dinge so geregelt würden, wie es der Ausschußantrag vorsieht, daß man dem einzelnen Rentner bei der Krankenkasse seiner Wahl die Art seiner Versicherung überläßt, dann wird er sich wahrscheinlich in den meisten Fällen für eine Leistungsklasse entscheiden, in der ihm auch diese Leistungen garantiert sind. Er wird dann nur nicht der Pflicht enthoben werden können, zu dem Pauschbetrag. den die Rentenversicherung leistet, von sich aus noch einen Zusatzbeitrag zu zahlen.
Nun, meine verehrten Damen und Herren, ich bin mit meinen Freunden der Auffassung, daß eine solche Regelung, die Dinge also in die persönliche Entscheidung des Betroffenen zu legen, die beste Art und Weise ist, wie man eine solche Frage lösen kann. Wenn die Menschen bei der Kasse ihrer Wahl bleiben, dann brauchen wir uns, glaube ich, keine Gedanken darüber zu machen, ob man die
Rentnerkrankenversicherung ausweitet, und zwar deshalb nicht, weil sie sich bei ihrer Krankenkasse, der sie wahrscheinlich früher schon Jahrzehnte angehört haben, für diese Leistungen von vornherein versichern.
Nun muß ich auch noch ein Wort zu der Art sagen, wie Herr Schellenberg die Frage dieses Pauschbetrags hier behandelt hat. Er hat gesagt: Wer garantiert denn dafür, daß der Rentner diesen Beitrag tatsächlich für seine Krankenkasse verwendet, daß er den Betrag dort auch einzahlt? Meine Damen und Herren, im Ausschuß ist davon die Rede gewesen, und der Präsident des Verbandes der Rentenversicherungsträger hat auch im einzelnen dargelegt, daß man dann dem Rentner am Postschalter beim Empfang seiner Rente einen entsprechenden Gutschein in die Hand gibt,
den er dann bei seiner Kasse gewissermaßen als bares Geld einzureichen hat. Ich möchte den Rentner sehen, der es verabsäumen würde, davon Gebrauch zu machen, weil er ja mit diesem Gutschein ansonsten, etwa zur Bestreitung von anderen Lebensbedürfnissen, überhaupt nichts machen kann. Ich möchte sagen, daß Herr Dr. Schellenberg, obschon er diese Auseinandersetzung im Ausschuß kennt und sich an der Diskussion auch persönlich beteiligt hat, diese Form der Darstellung hier gewollt unterschlagen hat.
Wenn dann schließlich Herr Dr. Schellenberg das Verlangen nach Ausweitung der Leistungen damit zu untermauern versucht hat, daß sie einen jährlichen Mehraufwand von 100 Millionen DM erforderlich machte, daß dann also nicht, wie es heute ist, etwa 400 Millionen, sondern rund eine halbe Milliarde von der Rentenversicherung für diese Zwecke aufzubringen wären, so möchte ich dem entgegenhalten: wer mit letztem Veranwortungsbewußtsein die Lage der Rentenversicherung be: trachtet, der darf doch die Dinge nicht so darstellen, als ob wir es auf die Dauer vertreten könnten, von den Vermögensbestandteilen, die heute vorhanden sind, einfach so von der Hand in den Mund zu leben, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß schließlich auch etwas in der Kapitalansammlung für die Sicherstellung der Renten derjenigen getan werden muß, die heute die Beiträge bezahlen.
Ich glaube, es ist einfach nicht vertretbar, wenn man so billig darauf hinweist, die Rentenversicherungen hätten zur Zeit ein Vermögen von 919 Millionen DM, also könne man sich das leisten. Ich sage noch einmal: wenn man verantwortungsbewußt in die Zukunft hineinarbeitet, dann kann man sich solche Dinge billigerweise einfach nicht leisten.
Wenn wir die Regelung nach den Gesichtspunkten treffen, wie sie hier festgelegt sind, dann wird den Bedürfnissen, die Herr Schellenberg im Interesse der Rentner angemeldet hat, nach unserer Überzeugung weithin Rechnung getragen.
Lassen Sie mich am Schluß sagen, daß wir uns auch dagegen wenden, daß der SPD-Antrag in der
Ziffer 2 die Leistungen in der Rentnerkrankenversicherung als Pflichtleistungen der Rentenversicherung verankert wissen will. Es ist zwar so, daß die Rentenversicherung die Beiträge dafür zusatzweise zu ihren sonstigen Leistungen aufbringt; aber die Krankenversicherung als Pflichtleistung in die Rentenversicherung einzubauen, geht nach unserer Auffassung nicht an. Deshalb beantragen wir ja auch im Ausschußbeschluß unter Ziffer 5, daß, soweit die Versicherung durch einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt wird, die entsprechenden Vorschriften in das Zweite Buch der Reichsversicherungsordnung aufzunehmen sind.
Ich hoffe Ihnen in etwa dargetan zu haben, von welchen tatsächlichen Gedankengängen die Mehrheit im Ausschuß bei der Erarbeitung dieses Antrags geleitet war. Ich kann Sie abschließend auch meinerseits nur bitten, diesem Ausschußantrag zuzustimmen und den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.