Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Beratungen zu diesem Antrag haben wie so oft bei sozialpolitischen Gesetzen unter zwei Schatten gestanden: der eine Schatten, der darüber fiel, ist die große Unkenntnis übe: sozialpolitische Zusammenhänge, der zweite — als Folge dieser Unkenntnis — die demagogische Benutzung sozialpolitischer Themen in dem bevorstehenden Wahlkampf seitens der Opposition und die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, die dazu angetan ist, das Gefühl für soziale Sicherung gerade bei denjenigen, von denen Herr Schellenberg mit seinem letzten Satz gesprochen hat, bei den Alten, Armen und Kranken restlos zu erschüttern. Ich darf vorweg sagen: nach den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß hat mich nichts mehr erschüttert als die Zeitungsnachrichten im sozialdemokratischen Blätterwald, an denen sich sogar ein Kenner der Sozialversicherung wie Herr Kollege Erich Meyer von der SPD beteiligt hat, Pressenachrichten, die so lauten: „Angriff auf Krankenversicherung der Rentner", „Der Bundestag hat sich mit einem Vorstoß der Deutschen Partei zu beschäftigen, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Krankenversicherung der Rentner zu zerschlagen",
oder in Schleswig-Holstein: „Koalitionsangriff auf erkrankte Rentner",
oder: .,Dr. Schellenberg erklärte, daß die Feststellung der Schutzbedürftigkeit nach dem Willen der Koalition eine Prüfung der Hilfsbedürftigkeit voraussetzt" usw.
Meine Herren und Damen! Ich weiß nicht. Wieso der Herr R i c h t er als Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses nicht nur in diesem Hause. sondern auch im Deutschen Gewerkschaftsbund darüber lachen kann, wenn in dieser Weise durch politische Berichterstattung in der Zeitung Unruhe und soziale Unsicherheit gestiftet werden.
Das hat mit dem Problem der Neuordnung eines Gesetzes. das im nationalsozialistischen Staat nach Grundsätzen erlassen worden ist, die auch Sie nicht unterstützen sollten, nichts zu tun. es sei denn. daß die Pläne des Herrn Dr. Lev und die Ziele Ihres eigenen Sozialplans so tief übereinstimmen. daß Sie der Meinung sind, man müßte auf diesem Wege die Auseinandersetzung beginnen.
Ich bedaure weiter, daß die wichtige und erste Grundsatzentscheidung, die bei dem Gesetz von 1941 nicht getroffen ist, ob die Krankenversicherung der Rentner ein Teil der Krankenversicherung oder eine Aufgabe der Rentenversicherung sein soll, auch diesmal nicht eindeutig gefällt werden konnte. Es wird Aufgabe der Vorlage dieses
Gesetzes sein, solche Entscheidung vorzubereiten.
Herr Dr. Schellenberg hat soeben gesagt, daß 400 Millionen DM jährlich für die Krankenversicherung der Rentner ausgegeben werden. Sie werden ausgegeben, und es werden in Zukunft noch höhere Summen aus Zuschüssen des Staates notwendig sein, solange Sie nicht den Tatbestand ändern, daß die Beiträge der Rentenversicherung erstens für Renten und nicht für Rentner, also nach der Anzahl der Beiträge gezahlt werden, und zweitens solange Sie großzügige Geschenke an alle machen und infolgedessen nicht garantieren, daß denjenigen ausreichende Leistungen gegeben werden, denen Sie doch helfen wollen, die wirklich der Hilfe und des Schutzes der Krankenversicherung und des Staates bedürfen. Ich wiederhole jetzt, weil Sie auch im Ausschuß die ernsthaften Beispiele meiner Kollegen der CDU in polemischer Weise nicht anerkannt und draußen in der Öffentlichkeit sogar umgedreht haben: Wir wollen nicht, daß mit den Mitteln der deutschen Sozialversicherung — das sind nämlich die Mittel, die die Arbeiter und Angestellten sowie ihre Arbeitgeber als Beiträge aufzubringen haben —
eine kostenlose Krankenversicherung demjenigen gegeben wird, der einen Bauernhof, ein Geschäft, einen Industriebetrieb oder eine Beamtenpension hat — oft Einnahmen bis zu 1000 DM im Monat und darüber hinaus —, weil er zufällig noch einen Rentenanspruch besitzt. Ich weiß nicht, ob das in Ihrem Sozialplan steht.
Sie wollen zwar allen etwas geben. Wir wollen dagegen nicht allen wenig geben, sondern wir wollen denen Ausreichendes geben, die dieses Schutzes bedürfen, und wir wollen denen keine staatliche Wohltaten und keine Hilfe des Staates geben, die nach dieser Hilfe weder schreien noch sie nötig haben.
Sie haben bei dieser Neuordnung soviel von den besseren Leistungen gesprochen. Diese besseren Leistungen zu geben, ist auch Ihnen, Herr Schellenberg, bei Ihrem Experiment in der Versicherungsanstalt Berlin nicht gelungen. Unlängst haben wir das gleiche in Belgien erlebt. wo die sozialistischen Krankenkassen jetzt nach der Hilfe der anderen Krankenkassen schreien, weil die christlichen Krankenkassen mehr Leistungen gegeben haben und weil sie selber nun nicht in der Lage sind, ihre Wahlversprechen zu erfüllen.
Die Ortskrankenkassen als Ihre Freunde klagen an. Sie klagen an wegen ihrer großen Kosten für die Krankenversicherung der Rentner, und wenn die übrigen Versicherungsträger zur solidarischen Haftung bereit sind, klagen sie erneut an und sagen: Ein Monopol geht in Scherben; 27 Millionen monatlich, die wir erhalten, sollen nicht mehr uns gezahlt, sondern verteilt werden!
Nun noch ein wichtiges Problem! Es wird von Ihnen immer so dargestellt — und dagegen muß ich mich im Namen unserer deutschen Rentner entschieden verwahren —,
als seien die Rentner wirtschaftlich nicht mündig
oder gar Trottel, die nicht in der Lage seien, das
zu tun, was zu tun jeder Rentner als ganz besonders wichtig empfindet, nämlich sich seine Krankenversicherung zu erhalten.
— Die Lautstärke bestimme ich und nicht Sie!
Herr Präsident, wollen Sie mir bitte Ruhe verschaffen!