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ID0125607400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 256. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1953 12367 256. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. März 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . 12369B, 12371B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Meitmann 12369B Kleine Anfrage Nr. 309 der Fraktion der SPD betr. Aufwendungen für Forschungszwecke (Nrn. 3899, 4189 der Drucksachen) 12369B Einspruch des Abg. Müller (Frankfurt) gegen den ihm in der 250. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 822) . . 12369C Einspruch abgelehnt 12369C Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Nr. 4171 der Drucksachen) 12369C Dr. Wellhausen (FDP), Antragsteller 12369C Beschlußfassung 12369D Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Bertram (Soest), Hagge, Juncker u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investitionshilfegesetz (Nr. 3805 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Nr. 4081 der Drucksachen) 12370A Raestrup (CDU), Berichterstatter . 12370A Dr. Atzenroth (FDP) (schriftliche Erklärung zur Abstimmung) . 12412 Beschlußfassung 12371A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts (Nr. 4156 der Drucksachen); Schriftlicher Bericht des Ausschusses zur Beratung des Personalvertretungsgesetzes (Nr. 4186 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 793) 12371B Dr. Kleindinst (CSU): als Berichterstatter 12371C schriftlicher Bericht 12413 Abstimmungen 12371D Vertagung der restlichen Abstimmungen über den Entwurf eines Bundesvertriebenengesetzes 12372A Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Abgaben auf Mineralöl (Nrn. 3803, 4137 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 786; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 813 bis 817, 820) 12372A Naegel (CDU) 12372B Schäffer, Bundesminister der Finan- zen . 12372C, 12375B, 12380B, D, 12382A Dr. Gülich (SPD) 12372C, 12376B, 12380C, D, 12381A, 12382B, D, 12383B Margulies (FDP) 12374A Dr. Friedensburg (CDU) 12374B Dr. Preusker (FDP) 12375C, 12379D, 12381B, 12383A Niebes (KPD) 12377C Dr. Fricke (DP) 12378B Dr. Wellhausen (FDP) 12378C Pelster (CDU) 12382C 1 Abstimmungen . . 12379C, 12380C, 12381A, B, 12382D, 12383A, B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betr. Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (Nr 4136 der Drucksachen) 12383C Fisch (KPD) 12383D Beschlußfassung 12384D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) (Nr. 3981 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 4130 der Drucksachen) . . 12384D Beschlußfassung 12385A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Vorfinanzierung des Lastenausgleichs (Nr. 4034 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 4150 [neu] der Drucksachen) . . . 12385A Hagge (CDU), Berichterstatter . . . 12385B Beschlußfassung 12385C Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU (BP-Z) eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) (Nr. 4197 der Drucksachen) 12385C Beschlußfassung 12385D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Novelle zur Krankenversicherung der Rentner (Nrn. 4144, 3039 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 802) . . . 12385D Dr. Hoffmann (Lübeck) (FDP), 'Berichterstatter 21386A Dr. Schellenberg (SPD) 12386B Frau Kalinke (DP) 12389A Horn (CDU) 12390C Renner (KPD) 12392C Dr. Schäfer (FDP) 12393B Zur Geschäftsordnung: Richter (Frankfurt) (SPD) 12394B Arndgen (CDU) 12394C Abstimmungen 12394D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes (Nr. 4032 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 4145 der Drucksachen) 12394D Ludwig (SPD), Berichterstatter (schriftlicher Bericht) 12414 Beschlußfassung 12395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Anhörung beschuldigter Abgeordneter durch die Staatsanwaltschaft ohne Aufhebung der Immunität (Nr. 4052 der Drucksachen) . . . . 12395A Dr. Mende (FDP), Berichterstatter 12395B, 12397D Dr. Greve (SPD) 12395D, 12401B Ewers (DP) 12396D Gengler (CDU) 12400D Beschlußfassung 12401D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Parzinger (Nr. 4139 der Drucksachen) 12401D Striebeck (SPD), Berichterstatter 12402A Beschlußfassung 12402C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Heiland (Nr. 4140 der Drucksachen) 12402D Gengler (CDU), Berichterstatter . 12402D Beschlußfassung 12403B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Ott (Nr. 4143 der Drucksachen) 12403B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . 12403B Beschlußfassung 12403C Beratung des Antrags der Abg. Schmücker, Eckstein, Ohlig, Dannemann, Jaffé u. Gen. betr. Übernahme von Straßen I. Ordnung als Bundesstraßen im Raum des Emsland-Planes (Nr. 4134 der Drucksachen) 12403D Schmücker (CDU), Antragsteller . 12403D Ohlig (SPD) 12404A Dannemann (FDP) 12404B Beschlußfassung 12404D Beratung der Großen Anfrage der Abg. Mauk u. Gen. betr. Importe von Obst und Gemüse, Südfrüchten und Frühkartoffeln (Nr. 4028 der Drucksachen) . 12404D Mauk (FDP), Anfragender 12404D Dr. Dr. h. c. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 12406B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Zuwendung von Bundesmitteln für Forschungszwecke (Nr. 4059 der Drucksachen) 12407D Hennig (SPD), Antragsteller . . 12407D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12409A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 12409C Dr. Friedensburg (CDU) 12410B Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik 12410D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Brückenbauten im Zonengrenzkreis Osterode/Harz (Nr. 4058 der Drucksachen) 10410D Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Haushaltsausschuß 10411A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, des Rabattgesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Nr. 4074 der Drucksachen) 12411A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12411A Beratung der Übersicht Nr. 63 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Umdruck Nr. 758) 12411B Beschlußfassung 12411C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 784) 12411C Beschlußfassung 12411C Persönliche Bemerkung: Fisch (KPD) 12411C Nächste Sitzung 12411D Anlage 1: Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Atzenroth (FDP) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zu dem von den Abg. Dr. Bertram (Soest), Hagge, Juncker u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investitionshilfegesetz (Nrn. 3805, 4081 der Drucksachen) 12412 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses zur Beratung des Personalvertretungsgesetzes über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts (Nrn. 4156, 4186 der Drucksachen) 12413 Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes (Nrn. 4032, 4145 der Drucksachen) . . . . 12414 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 256. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Atzenroth (FDP) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zu dem von den Abeordneten Dr. Bertram, Hagge, Juncker und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investitionshilfegesetz (Nrn. 3805, 4081 der Drucksachen) Ich habe dem Gesetz zur Ermäßigung des Aufbringungsbetrages nach dem Investitionshilfegesetz meine Zustimmung nur mit großen Bedenken gegeben. Ich bin nach wie vor der Ansicht, daß die uneingeschränkte Erhebung der Investitionshilfeabgabe mit der heutigen Wirtschaftslage nicht vereinbar ist und daß zum wenigsten die Hälfte der vierten Rate erlassen werden sollte. Da ein solcher Antrag im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gegen eine große Mehrheit abgelehnt worden ist, habe ich darauf verzichtet, den Antrag im Plenum zu wiederholen. Das jetzt beschlossene Gesetz bedeutet nur eine sehr geringe Erleichterung für einen Teil der Abgabepflichtigen und ist unzureichend. Um wenigstens dieses Minimum zu retten, habe ich für das Gesetz gestimmt. Bonn, den 20. März 1953 Dr. Atzenroth Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 256. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses zur Beratung des Personalvertretungsgesetzes über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts (Nrn. 4156, 4186 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kleindinst Der Sonderausschuß zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Personalvertretungen in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben (Personalvertretungsgesetz) — Nr. 3552 der Drucksachen — hat sich nach den Beratungen des Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes, dessen Verabschiedung bevorsteht, am 16. März 1953 gebildet und seinen Arbeitsplan festgelegt. Dieser Ausschuß hat den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP am 3. März 1953 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts — Nr. 4156 der Drucksachen — beraten. Der Ausschuß hat die Verschiebung dieser unmittelbar bevorstehenden Wahlen für notwendig erachtet, weil nach dem Inkrafttreten des Personalvertretungsgesetzes wieder neue Wahlen stattfinden müssen. Die dadurch verursachte Verwaltungsarbeit und die nicht unbeträchtlichen Kosten können eingespart werden. Bestand über die grundsätzliche Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte volles Einverständnis, so bestand eine Meinungsverschiedenheit über den Zeitpunkt der Verlängerung bis zum 31. Dezember 1953 oder bis zum 31. März 1954. Wegen des Unterschiedes von nur drei Monaten entschied sich der Ausschuß beinahe einstimmig für die Verlängerung bis zum 31. März 1954. Dabei stand für ihn fest, daß die Wahlen der neuen Personalvertretungen ohnedies nach dem Inkrafttreten des Personalvertretungsgesetzes stattfinden müssen, daß aber der Erlaß der zur Durchführung des Gesetzes notwendigen Rechtsvorschriften (§ 80 des Gesetzentwurfes) Zeit beanspruchen wird. Nur um gegen jeden Fall der nicht voraussehbaren Verzögerung der Durchführung des Gesetzes Vorkehrung zu treffen, ist der 31. März 1954 vorgesehen. Der Ausschuß empfiehlt deshalb die Annahme dieses vorläufigen Gesetzentwurfes. Bonn, den 17. März 1953. Dr. Kleindinst Berichterstatter Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 256. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes (Nrn. 4032, 4145 der Drucksachen) Der Ausschuß für Arbeit befaßte sich am 11. Februar 1953 mit Drucksache Nr. 4032 betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets der britischen und amerikanischen Zone vom 9. April 1949 auf die Länder der französischen Zone. Zweck des Vorschlags ist die Schaffung eines einheitlichen Tarifrechts. Rheinland-Pfalz hat ein Landesgesetz vom 24. Februar 1949, das geringe Abweichungen enthält in der Frage der Firmentarife, der Nachwirkung und der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. In Baden besteht nur ein Landesgesetz über Aufhebung des Lohnstopps vom 23. November 1948 und eine Landesverordnung über die Registrierung von Tarifverträgen vom 20. Januar 1949. Südwürttemberg-Hohenzollern hat ein Gesetz über Aufhebung des Lohnstopps vom 25. Februar 1949. In Lindau ist das Gesetz des Wirtschaftsrats seit 13. April 1951 anwendbar. Das Berliner Tarifvertragsgesetz vom 12. September 1950 stimmt grundsätzlich mit dem Zweizonengesetz überein, mit zwei Ausnahmen: 1. Als Tarifvertragsparteien sind nur unabhängige Gewerbe anerkannt, 2. werden Einsprüche gegen die Nichteintragung in das Tarifregister durch die Arbeitsgerichte im Beschlußverfahren entschieden. Der Bundesrat schlug Streichung der BerlinKlausel in § 2 vor mit Rücksicht auf die exponierte politische Lage und für so lange, bis die bundesgesetzliche Regelung ohne politische Nachteile übernommen werden kann. Die Bundesregierung erklärte sich damit einverstanden. Der Ausschuß schloß sich dieser Auffassung an und beschloß die Streichung des § 2. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen in Drucksache Nr. 4175 einstimmig, die Vorlage in dieser Form anzunehmen. Ludwig Berichterstatter
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    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat gegen den Ausschußbeschluß drei Einwendungen. Der erste Einwand richtet sich gegen die Einführung der „Schutzbedürftigkeit".

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nach dem Ausschußbeschluß sollen die Leistungen der Krankenversicherung der Rentner, die bis jetzt alle Rentner erfaßt, auf „schutzbedürftige" Rentner beschränkt werden. Der Begriff „Schutzbedürftigkeit" ist im Sozialrecht unbekannt. Die Vertreter der Regierungsparteien konnten diesen Begriff „Schutzbedürftigkeit" auch bei den Ausschußberatungen nicht ausreichend erläutern;

    (Sehr richtig! links.)

    insbesondere konnten sie nicht klarlegen, worin eigentlich der Unterschied zwischen „Schutzbedürftigkeit" und „Hilfsbedürftigkeit" — „Hilfsbedürftigkeit" ist ein Begriff der Fürsorge — liegen soll.
    Bei Anwendung einer sogenannten „Schutzbedürftigkeit" müßte für fast 6 Millionen Rentner festgestellt und laufend überprüft werden, wer als Schutzbedürftiger Anspruch auf Leistungen der Rentnerkrankenversicherung hat. Ganz abgesehen von dem erheblichen Verwaltungsaufwand sind derartige Prüfungsmethoden nach Ansicht meiner Fraktion mit dem Rechtsanspruch, der ein wesentliches Merkmal der Leistungen der deutschen Rentenversicherung ist, unvereinbar. Zudem unterliegt die Schutzbedürftigkeit gerade bei Rentnern im besonderen Maße Wandlungen. Ein Rentner, der heute nicht schutzbedürftig ist, weil er vielleicht noch über ein Einkommen oder bescheidene Vermögenswerte verfügt, kann morgen infolge einer schweren Krankheit schutzbedürftig werden;

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    lang andauernde Krankheiten befallen insbesondere alte Menschen, die Rentner sind. Sollen nun eigentlich diese Rentner, die infolge einer Krankheit schutzbedürftig werden, Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten oder nicht?

    (Zuruf von der FDP: Selbstverständlich! — Abg. Frau Kalinke: Das ist eine komische Fragestellung; zeugt von großer Unkenntnis!)

    — Hochverehrte Frau Kalinke, wenn der Rentner, der infolge Krankheit schutzbedürftig wird, die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten soll, dann frage ich Sie, weshalb Sie überhaupt die Schutzbedürftigkeit zu einem wesentlichen Merkmal machen.

    (Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

    Soll der Rentner aber die Leistungen nicht erhalten, dann verweisen Sie ihn im Falle einer schweren lang andauernden Krankheit praktisch auf die soziale Fürsorge.

    (Zuruf von der SPD: Herr Kollege, Frau Kalinke ist ja selbst „schutzbedürftig"!)

    Wir sind deshalb der Ansicht, daß die Anwendung
    eines so unklaren Begriffs — um nicht zu sagen,
    eines Kautschukbegriffs — wie „Schutzbedürftigkeit" zu höchst bedenklichen Auswirkungen führt.
    Der zweite Einwand meiner Fraktion richtet sich dagegen, daß die Rentnerkrankenversicherung zu einer freiwilligen Versicherung umgestaltet werden soll. Über den Umfang, den die Pflichtversicherung und die freiwillige Versicherung im Rahmen der deutschen Sozialversicherung einnehmen sollen, bestehen in diesem Hause naturgemäß Meinungsverschiedenheiten. Aber seit vielen Jahrzehnten ist es Grundsatz der deutschen Sozialversicherung gewesen, in die Pflichtversicherung alle Personenkreise einzubeziehen, die soziale Leistungen mit aller Wahrscheinlichkeit benötigen. Dagegen hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung für die Personengruppen vorgesehen, bei denen ein sozialer Schutz nicht unbedingt notwendig ist und denen es auf Grund ihrer individuellen Verhältnisse überlassen werden kann, ob sie die Leistungen der Sozialversicherung suchen wollen oder nicht. Über die Hälfte aller Rentner sind aber alte und arbeitsunfähige Menschen, die die sozialen Leistungen dringender benötigen als diejenigen, die im Arbeitsleben stehen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Dr. Schellenberg)

    Die andere Hälfte der Rentner sind Witwen und Waisen. Bisher sind wir stolz darauf gewesen, daß die deutsche Krankenversicherung Familienhilfeleistungen gewährt, d. h. daß die Angehörigen eines Versicherten in gleicher Weise wie dieser selbst Leistungen erhalten. Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß nach dem Tode des Ernährers seiner Witwe und den Waisen Leistungen der Rentnerkrankenversicherung gewährt werden sollen,

    (Abg. Frau Kalinke: Wer bestreitet denn das?)

    und zwar als Pflichtleistungen, also obligatorisch für alle und nicht fakultativ im Wege einer freiwilligen Versicherung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der beabsichtigte Umbau der Rentnerkrankenversicherung von einer Pflichtversicherung zu einer freiwilligen Versicherung bedeutet deshalb nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion einen bedenklichen sozialen Rückschritt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das wird veranschaulicht, wenn man sich die beabsichtigte Umwandlung der Rentnerkrankenversicherung in eine freiwillige Versicherung einmal in den praktischen Auswirkungen verdeutlicht. Die Millionen von Rentnern, die trotz der Einschränkungen durch den Begriff „Schutzbedürftigkeit" weiterhin unter die Rentnerkrankenversicherung fallen, erhalten künftig nicht automatisch Leistungen der Rentnerkrankenversicherung von der nächsten Orts- oder Landkrankenkasse, sondern sie müssen sich als Einzelpersonen versichern. Die einzelnen Rentner, also vorwiegend alte und arbeitsunfähige Personen oder Witwen und Waisen, müßten Monat für Monat ihre Beiträge für die Rentnerkrankenversicherung an eine Krankenkasse abführen. Die Krankenkassen haben für 5 oder 6 Millionen Rentner einzelne Beitragskonten zu errichten und die monatliche Beitragszahlung laufend zu überwachen.
    In diesem Zusammenhang frage ich die Vertreter der Regierungsparteien: Was soll eigentlich geschehen, wenn einer von diesen 5 Millionen Rentnern oder tausend oder zehntausend es verabsäumen, jeden Monat den Beitrag zur Rentnerkrankenversicherung zu zahlen, weil er es entweder vergißt oder den Beitrag zur Aufbesserung seines bescheidenen Lebensunterhalts, den er auf Grund seiner Rente hat, benutzt?

    (Zurufe von der Mitte: Das kann er ja gar nicht! — Abg. Horn: Lächerlich ist das! — Weitere Zurufe von der Mitte und rechts.)

    — Aber, meine Damen und Herren, Sie haben in Ihrem Antrag vorgeschlagen,

    (Abg. Horn: Sie tun ja so, als ob Sie gar nicht dabei gewesen wären! — Weitere Zurufe von der Mitte)

    — ich darf noch einmal verlesen —:
    Der Rentner erhält zur Durchfuhrung seiner
    Krankenversicherung .... einen Pauschalbetrag, .. .
    Nicht wahr, das ist Ihr Antrag! Wenn nun der Rentner diesen Pauschalbetrag nicht an die Krankenkasse abführt, soll er dann Leistungen erhalten oder nicht?

    (Abg. Frau Kalinke: Wofür halten Sie denn die deutschen Rentner?)

    Über eine solche sozialpolitisch entscheidende Frage muß natürlich eine Klärung vor Beschlußfassung über den Antrag erfolgen.

    (Abg. Horn: Sie waren doch dabei!)

    Im übrigen bringt man meiner Ansicht nach durch ein solches Verfahren den Rentner in einen schweren Konflikt, nämlich in den Konflikt, ob er diesen Pauschalbetrag nun für seinen Lebensunterhalt verwenden soll oder an die Kasse abführen soll.

    (Abg. Winkelheide: Er bekommt ihn doch gar nicht!)

    — Aber das ist in dem Antrag zum Ausdruck gebracht.

    (Abg. Horn: Sie waren doch bei den Beratungen dabei, Herr Professor!)

    — Natürlich war ich bei den Beratungen dabei, (Abg. Horn: Na also!)

    und ich habe sehr genau verfolgt, zu welchen unmöglichen Folgerungen Ihr Antrag führt. Im übrigen zeigt das, daß die Umwandlung der Rentnerkrankenversicherung von einer Pflichtversicherung zu einer freiwilligen Versicherung in Gestalt einer eigenen Beitragsabführung des Rentners, die ein wesentliches Merkmal des Antrags ist, unzweckmäßig ist.
    Der dritte Einwand meiner Fraktion bezieht sich auf die beabsichtigte Finanzierung der Rentnerkrankenversicherung. Nach dem Ausschußbeschluß soll der Rentner zur Durchführung der Rentnerkrankenversicherung einen Pauschalbetrag erhalten, „dessen Höhe" — so heißt es wörtlich — „die Selbstverwaltungsorgane der Träger der Rentenversicherung festsetzen". Im Bundesgebiet gibt es gegenwärtig 26 verschiedene Träger der Rentenversicherungen einschließlich der Knappschaften. Die Selbstverwaltungsorgane dieser 26 Anstalten sollen also die Höhe des Beitrags zur Rentnerkrankenversicherung doch wahrscheinlich auf Grund der jeweiligen Finanzlage der einzelnen Anstalt festsetzen.

    (Abg. Renner: Natürlich!)

    Praktisch würde das dazu führen,

    (Zuruf von der CDU: Alles verdreht!)

    daß die finanzstarken Anstalten — um ein praktisches Beispiel zu nehmen — Westfalen oder Rheinprovinz vielleicht in der Lage sind, einen Beitrag zur Rentnerkrankenversicherung — Herr Kollege Winkelheide, als Mitglied des Organs der Landesversicherungsanstalt Westfalen nicken Sie zustimmend — von 6, 8 oder 10 DM festzusetzen. Aber auf der anderen Seite bedeutet das, daß finanzschwache Anstalten wie Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz oder Berlin nur in der Lage sind einen Beitrag von vielleicht 3 oder 4 DM monatlich zur Rentnerkrankenversicherung festzusetzen.

    (Abg. Winkelheide: Vollständig verkehrte Darstellung, Herr Professor!)

    — Meine Damen und Herren, wenn Sie in Ihrem Antrag erklären: „die Organe der Selbstverwaltung der einzelnen Träger der Rentenversicherung setzen die Beiträge fest", dann kann das nur einen Sinn haben, wenn der Beitrag von den einzelnen Anstalten unterschiedlich festgesetzt wird. Sonst hätten Sie sagen müssen: Der Bundesarbeitsminister setzt den Beitrag zur Rentnerkrankenversicherung fest,

    (Abg. Renner: Richtig!)



    (Dr. Schellenberg)

    wie es gegenwärtig der Fall ist.

    (Abg. Arndgen: Was?!)

    Meine Damen und Herren! Eine solche Festsetzung unterschiedlicher Beiträge führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Leistungen der Rentnerkrankenversicherung.

    (Abg. Renner: Zwingend richtig!)

    Derartige Gedankengänge sind nach Auffassung meiner Fraktion mit dem Grundsatz bundeseinheitlicher Leistungen in der deutschen Rentenversicherung nicht vereinbar.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Verwirklichung des Ausschußbeschlusses würde also verwaltungstechnisch, finanzwirtschaftlich und sozialpolitisch zu, ich kann es nicht anders sagen, verhängnisvollen Auswirkungen führen.

    (Abg. Frau Kalinke: Nur bei der VAB!)

    Deshalb ist meine Fraktion nicht in der Lage, dem Beschluß des Ausschusses zuzustimmen.
    Die sozialdemokratische Fraktion hat dem Hause einen Antrag auf Änderung des Ausschußbeschlusses in Gestalt des Umdrucks Nr. 802 vorgelegt. Ich darf Ihnen kurz den Antrag meiner Fraktion begründen.
    Nach Ziffer 1 beantragen wir, daß die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung grundsätzlich alle Rentner erhalten sollen. Wir sind mit den Regierungsparteien darin einer Meinung, daß es gilt, gewisse Mißstände, die sich durch Doppelversicherung ergeben haben, zu beseitigen. Deshalb haben wir beantragt, daß Rentner, die auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ohnehin krankenversicherungspflichtig sind, keine Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten sollen und daß beschäftigte Rentner, die über die Versicherungspflichtgrenze hinaus verdienen, ebenfalls keine Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten sollen. Wir halten das für eine sozialpolitisch und verwaltungsmäßig vernünftige Regelung.
    In Ziffer 2 beantragen wir, daß die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung weiterhin Pflichtleistungen der Rentenversicherung bleiben sollen, so wie es gegenwärtig der Fall ist. Alle Versicherten sollen also einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung erhalten. Die Aufwendungen für diese Pflichtleistungen sollen, wie die Aufwendungen für alle anderen Pflichtleistungen, gemeinsam von allen Trägern der Rentenversicherung getragen werden. Denn Pflichtleistungen der deutschen Rentenversicherung gehen bekanntlich ist das Gemeinlastverfahren ein. Das ist der fundamentale Unterschied zu Ihrem Antrag, der eine Festsetzung des Beitrags der Rentenversicherung durch die einzelne Anstalt, d. h. unterschiedliche Beiträge, vorsieht.
    Durch Ziffer 3 wird gesagt, daß die Durchführung der Rentnerkrankenversicherung durch alle Träger der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen soll. Insofern gehen wir mit den Regierungsparteien einig. Aber in den Ausschußberatungen sind unsere Sorgen nicht voll beseitigt worden, daß sich durch die Beteiligung anderer Kassen an der Rentnerkrankenversicherung eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes ergeben könnte. Deshalb soll der Regierung die Verpflichtung auferlegt werden, dafür zu sorgen, daß sich durch die Umgestaltung der Rentnerkrankenversicherung in Gestalt einer Einbeziehung auch anderer Kassen kein erhöhter Verwaltungsaufwand ergibt. Das ist der Sinn der Ziffer 3.
    Nun zu Ziffer 4. Die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung sind — darauf muß immer wieder hingewiesen werden — gegenwärtig die niedrigsten der deutschen Krankenversicherung.

    (Abg. Richter [Frankfurt]: Hört! Hört!)

    Im gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es in der deutschen Rentnerkrankenversicherung keine Zuschüsse zum Zahnersatz, keine Zuschüsse zu größeren, sondern nur zu kleineren Heil- und Hilfsmitteln. Das heißt, wenn ein stärkerer gesundheitlicher Bedarf entsteht, werden keine Leistungen der Rentnerkrankenversicherung gewährt. Das Sterbegeld in der Rentnerkrankenversicherung beträgt heute immer noch 75 DM für den Versicherten und 40 DM für seine Witwe. Die Honorierung der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der Rentnerkrankenversicherung ist mit 4 DM im Quartal unter der regulären Honorierung für sonstige Pflichtversicherte. Deshalb steht meine Fraktion auf dem Standpunkt, daß es eine dringende Notwendigkeit ist, bei einer Neugestaltung der Leistungen der Rentnerkrankenversicherung den Leistungsfragen besondere Aufmerksamkeit zu widmen

    (Abg. Richter [Frankfurt]: Sehr richtig!)

    durch Einführung von Zuschüssen zum Zahnersatz, durch Einführung von Zuschüssen für größere Heil-und Hilfsmittel, durch Erhöhung des Sterbegeldes und durch eine sinnvolle Regelung, Herr Kollege Hammer, auch des Arzthonorars in der Rentnerkrankenversicherung.

    (Abg. Richter [Frankfurt]: Sehr richtig!)

    Dem gilt Ziffer 4 unseres Antrages.
    Nun ganz kurz zu Ziffer 5. Viele Versicherte haben während ihres Arbeitslebens Rechtsansprüche auf erhöhte Leistungen der Krankenversicherung erworben. Meine Fraktion ist der Ansicht, daß den Rentnern die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich diese erhöhten Leistungen durch eine Zusatzversicherung weiterhin zu sichern.
    Die Regierungsparteien werden nun einwenden, diese Anträge seien insbesondere hinsichtlich der Leistungen finanziell undurchführbar. Gegenwärtig werden für die Rentnerkrankenversicherung im Bundesgebiet etwa 400 Millionen DM jährlich ausgegeben. Erfolgen Leistungsverbesserungen, wie es etwa dem Inhalt des Antrages meiner Fraktion entspricht, um 25 %, so bedeutet das einen Mehraufwand für die Rentnerkrankenversicherung von 100 Millionen DM jährlich. Wir sind uns über diese wirtschaftlichen Auswirkungen durchaus im klaren. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß nach dem Material des Bundesarbeitsministeriums die Rentenversicherung im laufenden Rechnungsjahr einen Kassen- oder Finanzüberschuß — wie Sie ihn nennen wollen, ist gleichgültig — von 970 Millionen DM erzielt. Der Antrag meiner Fraktion läuft also darauf hinaus, daß etwa 10 % der Überschüsse der Rentenversicherung für eine Aufbesserung der Leistungen der Rentnerkrankenversicherung verwendet werden sollen, ohne daß dadurch der Bundeshaushaltsplan in Anspruch genommen wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Nach Ansicht meiner Fraktion sollte die Regierung
    beauftragt werden, in diesem Rahmen Vorschläge
    zu Leistungsverbesserungen in der Rentnerkran-


    (Dr. Schellenberg)

    kenversicherung vorzulegen, um damit eine Verpflichtung des deutschen Volkes gegenüber seinen Alten, Arbeitsunfähigen, Witwen und Waisen zu erfüllen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Arndgen: Das war schon wieder eine Wahlrede!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

(Aha-Rufe links.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Beratungen zu diesem Antrag haben wie so oft bei sozialpolitischen Gesetzen unter zwei Schatten gestanden: der eine Schatten, der darüber fiel, ist die große Unkenntnis übe: sozialpolitische Zusammenhänge, der zweite — als Folge dieser Unkenntnis — die demagogische Benutzung sozialpolitischer Themen in dem bevorstehenden Wahlkampf seitens der Opposition und die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, die dazu angetan ist, das Gefühl für soziale Sicherung gerade bei denjenigen, von denen Herr Schellenberg mit seinem letzten Satz gesprochen hat, bei den Alten, Armen und Kranken restlos zu erschüttern. Ich darf vorweg sagen: nach den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß hat mich nichts mehr erschüttert als die Zeitungsnachrichten im sozialdemokratischen Blätterwald, an denen sich sogar ein Kenner der Sozialversicherung wie Herr Kollege Erich Meyer von der SPD beteiligt hat, Pressenachrichten, die so lauten: „Angriff auf Krankenversicherung der Rentner", „Der Bundestag hat sich mit einem Vorstoß der Deutschen Partei zu beschäftigen, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Krankenversicherung der Rentner zu zerschlagen",

    (Abg. Richter [Frankfurt]: Sehr gut! Sehr richtig!)

    oder in Schleswig-Holstein: „Koalitionsangriff auf erkrankte Rentner",

    (Zuruf von der SPD: Natürlich ist das richtig!)

    oder: .,Dr. Schellenberg erklärte, daß die Feststellung der Schutzbedürftigkeit nach dem Willen der Koalition eine Prüfung der Hilfsbedürftigkeit voraussetzt" usw.
    Meine Herren und Damen! Ich weiß nicht. Wieso der Herr R i c h t er als Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses nicht nur in diesem Hause. sondern auch im Deutschen Gewerkschaftsbund darüber lachen kann, wenn in dieser Weise durch politische Berichterstattung in der Zeitung Unruhe und soziale Unsicherheit gestiftet werden.

    (Zurufe von der SPD.)

    Das hat mit dem Problem der Neuordnung eines Gesetzes. das im nationalsozialistischen Staat nach Grundsätzen erlassen worden ist, die auch Sie nicht unterstützen sollten, nichts zu tun. es sei denn. daß die Pläne des Herrn Dr. Lev und die Ziele Ihres eigenen Sozialplans so tief übereinstimmen. daß Sie der Meinung sind, man müßte auf diesem Wege die Auseinandersetzung beginnen.

    (Zurufe und Unruhe links.)

    Ich bedaure weiter, daß die wichtige und erste Grundsatzentscheidung, die bei dem Gesetz von 1941 nicht getroffen ist, ob die Krankenversicherung der Rentner ein Teil der Krankenversicherung oder eine Aufgabe der Rentenversicherung sein soll, auch diesmal nicht eindeutig gefällt werden konnte. Es wird Aufgabe der Vorlage dieses
    Gesetzes sein, solche Entscheidung vorzubereiten.
    Herr Dr. Schellenberg hat soeben gesagt, daß 400 Millionen DM jährlich für die Krankenversicherung der Rentner ausgegeben werden. Sie werden ausgegeben, und es werden in Zukunft noch höhere Summen aus Zuschüssen des Staates notwendig sein, solange Sie nicht den Tatbestand ändern, daß die Beiträge der Rentenversicherung erstens für Renten und nicht für Rentner, also nach der Anzahl der Beiträge gezahlt werden, und zweitens solange Sie großzügige Geschenke an alle machen und infolgedessen nicht garantieren, daß denjenigen ausreichende Leistungen gegeben werden, denen Sie doch helfen wollen, die wirklich der Hilfe und des Schutzes der Krankenversicherung und des Staates bedürfen. Ich wiederhole jetzt, weil Sie auch im Ausschuß die ernsthaften Beispiele meiner Kollegen der CDU in polemischer Weise nicht anerkannt und draußen in der Öffentlichkeit sogar umgedreht haben: Wir wollen nicht, daß mit den Mitteln der deutschen Sozialversicherung — das sind nämlich die Mittel, die die Arbeiter und Angestellten sowie ihre Arbeitgeber als Beiträge aufzubringen haben —

    (Zurufe links)

    eine kostenlose Krankenversicherung demjenigen gegeben wird, der einen Bauernhof, ein Geschäft, einen Industriebetrieb oder eine Beamtenpension hat — oft Einnahmen bis zu 1000 DM im Monat und darüber hinaus —, weil er zufällig noch einen Rentenanspruch besitzt. Ich weiß nicht, ob das in Ihrem Sozialplan steht.

    (Zurufe von der SPD.)

    Sie wollen zwar allen etwas geben. Wir wollen dagegen nicht allen wenig geben, sondern wir wollen denen Ausreichendes geben, die dieses Schutzes bedürfen, und wir wollen denen keine staatliche Wohltaten und keine Hilfe des Staates geben, die nach dieser Hilfe weder schreien noch sie nötig haben.
    Sie haben bei dieser Neuordnung soviel von den besseren Leistungen gesprochen. Diese besseren Leistungen zu geben, ist auch Ihnen, Herr Schellenberg, bei Ihrem Experiment in der Versicherungsanstalt Berlin nicht gelungen. Unlängst haben wir das gleiche in Belgien erlebt. wo die sozialistischen Krankenkassen jetzt nach der Hilfe der anderen Krankenkassen schreien, weil die christlichen Krankenkassen mehr Leistungen gegeben haben und weil sie selber nun nicht in der Lage sind, ihre Wahlversprechen zu erfüllen.

    (Zurufe links: Lauter!)

    Die Ortskrankenkassen als Ihre Freunde klagen an. Sie klagen an wegen ihrer großen Kosten für die Krankenversicherung der Rentner, und wenn die übrigen Versicherungsträger zur solidarischen Haftung bereit sind, klagen sie erneut an und sagen: Ein Monopol geht in Scherben; 27 Millionen monatlich, die wir erhalten, sollen nicht mehr uns gezahlt, sondern verteilt werden!
    Nun noch ein wichtiges Problem! Es wird von Ihnen immer so dargestellt — und dagegen muß ich mich im Namen unserer deutschen Rentner entschieden verwahren —,

    (Lachen und Zurufe links)

    als seien die Rentner wirtschaftlich nicht mündig
    oder gar Trottel, die nicht in der Lage seien, das


    (Frau Kalinke)

    zu tun, was zu tun jeder Rentner als ganz besonders wichtig empfindet, nämlich sich seine Krankenversicherung zu erhalten.

    (Lebhafte Rufe links: Lauter!)

    — Die Lautstärke bestimme ich und nicht Sie!

    (Große Heiterkeit.)


    (Anhaltende Zurufe links. — Abg. Richter [Frankfurt]: Der Inhalt Ihrer Rede ist sehr dürftig! — Unruhe.)

    Herr Präsident, wollen Sie mir bitte Ruhe verschaffen!

    (Erneute Heiterkeit und Zurufe.)