Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Beratung der heute zur Abstimmung stehenden Verträge hat der Bundestag am 10. Juli 1952 einstimmig, also mit den Stimmen der kommunistischen Fraktion, folgende Entschließung angenommen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Besatzungsmächten förmlich mitzuteilen, Bundestag und Bundesregierung erwarten, daß die Regierungen der vier Besatzungsmächte so bald wie möglich in Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen eintreten.
Unser Mißtrauen, das wir damals gegenüber der Zustimmung der Koalitionsparteien geäußert haben, hat sich als berechtigt erwiesen. In der seitdem vergangenen Zeit hat die Bundesregierung nichts getan, um diesem Auftrag des Bundestages nachzukommen. Sie hat vielmehr alles getan, um ihn zu sabotieren, um das Zustandekommen von Viermächteverhandlungen zu stören.
Die heute vorliegende Entschließung auf Umdruck Nr. 827 ist ein gewaltiger Rückschritt gegenüber der damaligen Entschließung. Sie zeigt an, daß die Bundesregierung es heute nicht mehr für nötig hält, auch nur dem Scheine nach für Viermächteberatungen einzutreten. Im ersten Absatz
verlangen die Koalitionsparteien, daß Westdeutschland zu einem Glied eines „vereinten Europa" wird. Das sagen Sie, Sie meinen aber damit ein Europa auf der Grundlage der „Neuordnung", wie sie Bundeskanzler Adenauer verkündet hat, auf der Grundlage eines gleichgeschalteten Europas nach den Prinzipien des amerikanischen Imperialismus.
Im zweiten Absatz sprechen die Koalitionsparteien von der Notwendigkeit der gemeinsamen Verteidigung Europas. Sie meinen damit das, was der Herr Bundeskanzler heute deutlich zum Ausdruck gebracht hat, nämlich den offensiven Stoß nach dem Osten und die Austragung eines Angriffskrieges jenseits der Weichsel.
Im vierten Absatz verlangen die Koalitionsparteien zwar den Worten nach Verhandlungen zwischen den Großmächten, aber sie schränken diese Forderung sofort durch die Bedingung ein: „sobald die Voraussetzungen für einen Erfolg gegeben sind". Damit macht sich die Regierungskoalition die These des Präsidenten Eisenhower zu eigen, der zwar auch von Verhandlungen spricht, aber auf der Grundlage von Erpressungen, auf der Grundlage von Bedingungen, die er stellen möchte und deren Annahme er von dem künftigen Verhandlungspartner verlangt, noch ehe das erste Wort einer Verhandlung gesprochen ist. Er möchte ein Diktat, und die Bundesregierung möchte sich der Politik des Diktates anschließen als der gefällige Juniorpartner des amerikanischen Imperialismus. Sie handelt damit im Sinne der Erklärung des Bundeskanzlers Adenauer vom 12. Dezember 1952, als er verlangte, daß so schnell wie möglich ratifiziert werde, weil sonst die Möglichkeit einer Einigung zwischen den vier Mächten bestehe.
Weil die vorliegende Entschließung nichts anderes ist als der Versuch einer Irreführung der Öffentlichkeit und der Versuch der Tarnung der wirklichen Absichten der Bundesregierung, können wir dieser Entschließung nur ein Nein entgegensetzen.
Zur Entschließung auf Umdruck Nr. 829 habe ich zu erklären, daß wir auch sie ablehnen, und zwar darum, weil in ihrem letzten Satz die Forderung aufgestellt wird, daß Neubauten für zusätzlichen militärischen Bedarf errichtet werden, also für den Bedarf der unerwünschten Okkupationsmächte.