Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Lassen Sie mich im Anschluß an das, was mein Fraktionskollege, Herr Dr. Schäfer, eben so umfassend und ins einzelne gehend gesagt hat, in aller Kürze eine Stellungnahme der Fraktion der Freien Demokraten zur Frage der Kriegsverurteilten abgeben. Dies ist ein Problem, das meine Fraktion in ganz besonderem Maße beschäftigt hat und noch beschäftigt. Sie wissen, daß sich mehrere Mitglieder der FDP-Fraktion insbesondere wegen dieser Frage bei der zweiten Lesung noch nicht zur Annahme der Verträge entschließen konnten. Wie Sie inzwischen gelesen haben werden, ist gestern offiziell die Zusicherung gegeben worden, daß das State Department und die Hohe Kommission „have under active consideration", wie der englische Text sagt, d. h., daß sie dieses Problem in diesem Augenblick überprüfen, um festzustellen, ob eine befriedigende Lösung noch vor Inkrafttreten der Verträge erreicht werden kann.
Herr von Brentano hat ja bereits darauf hingegewiesen.
Wir sind weit davon entfernt anzunehmen, daß eine solche Erklärung etwa nur gegeben worden sein könnte, um uns persönlich die Entscheidung zu erleichtern. Dazu haben wir eine zu hohe Meinung von den Gewahrsamsmächten, die diesen Beschluß mit ihrer öffentlichen Meinung in Übereinstimmung bringen mußten. Ich möchte dennoch sagen, daß es für eine fruchtbare und die Kraft Europas gewährleistende Politik völlig unverzichtbar ist, daß dieses nicht etwa nur ein Versprechen bleiben, sondern daß es Tatsache wird. Denn das ist die Voraussetzung für eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit. Diese scheint mir aber eine Sache zu sein, die weit über das Kriegsverurteiltenproblem hinaus von gravierender Bedeutung für Europa und den Frieden der Welt ist. Nichts ist so gefährlich wie das Fortbestehen des Kreuzzugsgedankens.
Wir haben diese Verträge verhandelt und sind auch — trotz Bedenken im einzelnen — bereit, zuzustimmen, weil wir im ganzen genommen in ihnen ein Mittel des Friedens sehen, des Friedens, der nie von sich aus ein Friede ist, sondern der immer eine geistige Aufgabe bleibt. Deshalb stimmen wir diesen Verträgen zu, in der Hoffnung, daß sie nicht das Ende, sondern der Anfang einer Entwicklung sind und daß alle Möglichkeiten genutzt werden, die einem Ausgleich in dem großen Konflikt dienlich sein können, einem Ausgleich, den jeder Mann und jede Frau auf der ganzen Welt so sehr ersehnt.