Ich habe mich gestern, sobald ich von diesem Artikel Kenntnis erhielt, an Herrn Eden, der hier mit Namen genannt ist, und an den französischen Ministerpräsidenten Mayer gewendet. Ich bin in der Lage, Ihnen heute die Antworten der beiden Herren mitzuteilen. Das Foreign Office gab gestern abend folgende Erklärung ab:
Die Aufmerksamkeit des Foreign Office ist auf Berichte gelenkt worden, über die in der deutschen Presse ein Kommentar veröffentlicht worden ist, in dem der Regierung Ihrer Majestät und Mr. Eden persönlich gewisse Ansichten über die Frage der Vereinigung Deutschlands unterstellt werden. Diese Berichte, in denen behauptet wird, die Regierung Ihrer Majestät und der britische Außenminister seien gegen diese Vereinigung, entbehren jeder Grundlage. Die Politik der Regierung Ihrer Majestät ist unverändert, wie sie klar in Art. 7 der Konvention über das Verhältnis zwischen den Drei Mächten und der Bundesrepublik Deutschland festgelegt, am 26. Mai unterzeichnet und später vom britischen Parlament ratifiziert wurde.
Ergänzend zu dieser Erklärung des Außenamts in London weisen amtliche Londoner Stellen darauf hin, daß insbesondere die in den erwähnten Meldungen enthaltenen Behauptungen über eine angebliche Verständigung Großbritanniens und Frankreichs mit der Sowjetunion über die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands ein völlig absurdes und lächerliches Phantasiegebilde sind. In diesem Zusammenhang ruft man in Erinnerung, daß Premierminister Churchill dem deutschen Bundeskanzler während dessen Londoner Besuch die feierliche Versicherung gegeben hatte, daß Großbritannien niemals über die Köpfe der Deutschen hinweg Abmachungen über Fragen, die wichtige deutsche Interessen berühren, treffen werde.
Von dem französischen Ministerpräsidenten
Mayer habe ich folgende Antwort bekommen:
Ich glaube nicht, daß es in der deutschen Regierung, im deutschen Parlament oder im deutschen Volke eine einzige Person gibt, die an eine Erfindung von so phantastischem Charakter mit Bezug auf ein angebliches geheimes Übereinkommen glaubt, das von England und Frankreich mit der Sowjetunion hinter dem Rücken Deutschlands und Amerikas abgeschlossen worden sei. Wenn die Verträge ratifiziert und in Kraft sind, wird die französische Regierung ihre Bestimmungen respektieren, und sie rechnet, daß jeder Unterzeichner sich danach richtet.
Es heißt weiter in dem Schreiben:
Ich bestätige Ihnen das Nichtbestehen der behaupteten Erklärungen, die mir zugeschrieben worden sind, und verweise Sie auf diejenigen Erklärungen, die ich zweimal über die uns gemeinsam angehenden Fragen abgegeben habe.
Meine Damen und Herren! In der Begründung,
mit der die jetzige französische Regierung die Verträge ihrem Parlament zugeleitet hat, heißt es: Zu diesem grundlegenden Punkt darf kein Mißverständnis bestehen. Die friedliche Wiederherstellung der deutschen Einheit ist ein wesentlicher Bestandteil einer europäischen allgemeinen Regelung, die ihrerseits eines der Ziele der französischen Politik und der Politik der freien Welt ist.
Und an einer anderen Stelle dieser Begründung ist gesagt:
Wenn die Wiederherstellung dieser Einheit einen wesentlichen Faktor der Befriedung Europas bildet, so läßt sie sich doch nicht unter Voraussetzungen in Aussicht nehmen, die ganz Deutschland unter den sowjetischen Einfluß bringen würden.
Meine Damen und Herren! Dieser Artikel in der „Welt" —
— in der „Zeit" — verzeihen Sie! — ist eine Brunnenvergiftung übelster Art.
— Meine Damen und Herren, ich sehe ihn nicht, sonst würde ich's ihm schon sagen!
Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu erklären, daß es mir völlig unverständlich ist, daß ein Blatt wie „Die Zeit" einen solchen Artikel am Tage vor der dritten Lesung, ohne sich mit irgendeiner Regierungsstelle wenigstens durch eine Anfrage in Verbindung zu setzen, veröffentlichen kann.
Meine Damen und Herren, ich komme auf weitere Einwendungen gegen den Abschluß der Verträge und auf die Vorschläge, die gemacht worden sind. Sie wissen, daß Herr Kollege Ollenhauer eine neue UNO vorgeschlagen hat, nur bestehend aus freien Völkern. Ich glaube nicht, daß die freien
Völker uns zuliebe eine neue UNO ohne Sowjetrußland und seine Satellitenstaaten gründen würden.
Auch eine solche Gemeinschaft freier Völker, wie sie Herrn Ollenhauer vorschwebt, kann nichts machen, wenn sie nicht, um noch einmal die Worte des Sozialdemokratischen Pressedienstes zu gebrauchen, eine maximale Kraftentfaltung als Gegengewicht zu der östlichen Ballung von Macht und Gewalt zeigt.
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Herr Kollege Mellies hat vor kurzem in Kiel eine Rede gehalten. Im Verlauf dieser Rede in Kiel hat er den Vorschlag gemacht, daß jedes Land, also auch Deutschland, selbst militärische Einheiten aufstellen solle, die dann durch vernünftige Verträge koordiniert werden sollten. Ich weiß nicht,
ob Herr Mellies damit die Schaffung einer großen Koalitionsarmee, bestehend aus einzelnen nationalen Armeen, befürwortet hat. Er gebraucht zwar nicht das Wort „nationale Armee";
aber wenn ich von militärischen Einheiten eines jeden Landes und von einer Koordinationsarmee spreche, dann sind das eben nationale Armeen, denn das ist doch in Wirklichkeit ein und dasselbe. Ich muß allerdings sagen, daß Herr Mellies im Laufe seiner Ausführungen erklärte, nationale Armeen seien unangebracht für die heutige Zeit, und darin stimme ich Herrn Kollegen Mellies zu.
Meine Damen und Herren, Sie kennen doch die Schwierigkeiten, auf die das Projekt der europäischen Armee bei einem Teil der französischen Politiker stößt, weil dabei eine Wiederbewaffnung Deutschlands — wenn auch im Rahmen einer europäischen Armee — vorgenommen werden würde. Glauben denn die Herren, daß Frankreich mit der Aufstellung militärischer Einheiten durch Deutschland, die „durch vernünftige Verträge" mit militärischen Einheiten ariderer Länder koordiniert würden, einverstanden wäre?
Der Herr Kollege Luetkens hat in einem Artikel, der im Märzheft der „Außenpolitik" erschienen ist, eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich hebe das Wesentlichste aus diesem Artikel hervor. Er will die Aufstellung eigener deutscher militärischer Streitkräfte und eine Anlehnung der Bundesrepublik an den Atlantikpakt. Er sagt wörtlich:
Die Bundesrepublik soll und muß nach Ansicht aller großen Parteien einen militärischen Beitrag zu ihrer Sicherheit leisten.
Die aus politischen Erwägungen sowie aus solchen militärischer Zweckmäßigkeit angebrachte Form dafür wären eigene Streitkräfte.
Für solche Streitkräfte der Bundesrepublik müsse eine Form der Anlehnung an den Westen gefunden werden, die zum Ausdruck brächte, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik auf keinen Fall dem totalitären Bereich des Ostens anheimzufallen wünsche. Eine Anlehnung der Bundesrepublik an den Atlantikpakt sei in Erwägung zu ziehen. In dem gleichen Artikel erklärt Herr Kollege Luetkens auch, daß den Westmächten gewisse Vorbehaltsrechte zugestanden werden müßten, um einen Ansatzpunkt für eine gemeinsame Regelung der deutschen Fragen zwischen den vier Besatzungsmächten und der Bundesrepublik Deutschland zu finden.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier zunächst auf das verweisen, was ich gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Mellies gesagt habe. Aber davon ganz abgesehen: Sind denn die Vorschläge des Herrn Kollegen Luetkens weit entfernt von den EVG-Verträgen?
Ich kann das nicht finden.
Übrigens möchte ich zu der Frage nationale Armee oder, was an und für sich dasselbe ist, deutsche Streitkräfte ein Wort von Herrn Dr. Schumacher zitieren, der in Bonn am 23. August 1950 gesagt hat: „Jede nationale Armee ist die freiwillige Selbstisolierung der Deutschen."
Herr Professor Baade hat folgendes erklärt. — —
Herr Professor Baade hat folgendes erklärt: Das politische Ziel der SPD — deswegen erwähne ich das, weil er das als ein Ziel der Sozialdemokratischen Partei darstellt, nach meiner Meinung nicht mit Recht —
sei ein unbewaffnetes einiges und freies Deutschland, dessen Bestand durch die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland garantiert werden müsse.
Ich möchte dem ein Wort gegenüberhalten, das Herr Dr. Schumacher am 4. Februar 1947 in Hamburg gesprochen hat. Er hat da gesagt:
Es kommt nicht darauf an, Deutschland zu neutralisieren, sondern es zu einer europäischen Funktion werden zu lassen.
Ein weißer Fleck
— so hat Herr Dr. Schumacher gesagt —
im Herzen Europas kann leicht ein Anreiz sein
- für Imperialisten aller Schattierungen.
— Man muß sich doch vorbereiten.
Aber, meine Damen und Herren, — —