Bei der Vorlage des Haushalts, in dem zum Ausdruck kam, daß über 24 Milliarden aufgebracht werden müssen, wurde sowohl von der Bundesregierung wie vom Bundesrat bestätigt, daß der Steuerdruck zu hoch sei und zwangsläufig wirtschaftsschädliche Auswirkungen zur Folge haben müsse. Um diese wirtschaftsschädlichen Auswirkungen zu vermeiden und die Aufbringung dieser 24 Milliarden und auch die der kommenden Jahre dennoch sicherzustellen, wurde diese Steuerreformvorlage eingebracht.
Es ist nicht das erste Mal, daß die Bundesregierung und das Hohe Haus den Weg der Steuersenkung beschreiten, um damit wirtschaftspolitisch eine Ausweitung des Sozialprodukts zu erreichen und auf verbreiterter Grundlage unseres Wirtschaftsapparats die steigenden Ausgaben hereinzubekommen. Herr Kollege Seuffert hat auf diese steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung verwiesen. Er hat aber die Sache so dargestellt, als ob diese Maßnahmen sozusagen — ich muß nochmals den Ausdruck gebrauchen — um ihrer selbst willen ergriffen würden bzw. sich in luftleerem Raum abspielten. Er hat völlig vergessen, auf die unzweifelhaft positiven Auswirkungen dieser steuerpolitischen Maßnahmen von damals hinzuweisen.
Nun ein Wort zum Tarif. Der Tarif, mit dem wir es jetzt zu tun haben, stammt noch aus der Besatzungszeit und wurde von den Kontrollratsmächten diktiert. Wir haben also keinen organisch gewachsenen Tarif vor uns, der sich etwa aus den Jahren 192G, 1930 usw. fortentwickelt hätte. Vielmehr wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr. 12 seinerzeit ein völlig unabhängiger neuer Steuertarif geschaffen.
Herr Kollege Seuffert hat vorhin mit Prozentsätzen in bezug auf die Steuersenkung gearbeitet. Ja, Herr Kollege, wenn der Steuersatz schon 70 bis 80 % beträgt, kann man ihn nicht mehr verdoppeln. Denn dann käme man auf 140 %.
Ich habe keine Einwendungen gehört, als man die Steuersätze nach oben progressiv staffelte. Wenn man sie jetzt — ebenfalls gerechterweise — wieder von oben gestaffelt herabsetzt und die Summen sich entsprechend auswirken, dann soll das ein Akt der Steuerungerechtigkeit sein und ist es auch. Wir
haben ja früher die Steuersätze nicht linear — nach
dem Beispiel von 45 Mark, das Sie brachten —
erhöht, sondern wir haben sie progressiv erhöht.
Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, wenn die Steuersenkung jetzt wieder den gleichen Weg zurück einschlägt. Denn die Steuern sind zu hoch — das wird von jedermann erkannt und kann von niemandem bestritten werden —, und sie sind in dieser Höhe wirtschaftsschädlich. Wenn wir die Steuersätze von heute beibehalten, dann werden wir erleben, daß unser gesamtes wirtschaftliches Leben zurückgeht, und dann wird am Ende eben ein niedrigeres Aufkommen stehen, während die Ausgaben hoch bleiben. Das Ergebnis wird sein — Währungsverfall und Wirtschaftsverfall.
Es ist behauptet worden, man habe seinerzeit die Vergünstigungen durch den § 7 c des Einkommensteuergesetzes und die Selbstfinanzierung um ihrer selbst willen gegeben. Auch das ist ein offensichtlicher Trugschluß. Zwar haben wir 1951 die Vergünstigungen zum Teil wegfallen lassen. Vergünstigungen sind aber nicht Selbstzweck. Wenn sie ihren Zweck erreichen, dann müssen sie wegfallen. Aus diesem Grunde haben wir 1951 die Einschränkungen verfügt, und aus den gleichen Gründen glauben wir — allerdings mit entsprechender Fristsetzung — die jetzigen Einschränkungen ausfallen lassen zu können.
Hinzu kommt, daß die Stervergünstigungen eben immer nur einem Teil von Einkommensbeziehern zugute kommen. Das widerspricht an sich dem Grundsatz der Steuergleichheit. Andererseits haben aber die Steuervergünstigungen wirtschaftspolitisch eine unmittelbarere Wirkung als die Tarifsenkung als solche, die sich zunächst nur mittelbar auswirkt. Meine Damen und Herren! Im Jahre 1950 und im Jahre 1951 haben wir mit den steuerpolitischen Maßnahmen echte wirtschaftliche Erfolge erzielt. Wir können — davon sind wir überzeugt — erwarten, daß wir auch mit dieser Vorlage unserer Wirtschaft einen echten Dienst erweisen.
Wenn Sie, Herr Kollege Seuffert, zum Ausdruck gebracht haben, die Steuertarife würden sich nach wie vor zuungunsten des kleinen Mannes auswirken, so muß ich hier betonen, daß die steuerliche Belastung aller Einkommen unter 4000 Mark heute niedriger ist, als sie jemals seit 1924 war.
— Ja, auch diese.
Wenn jetzt die Tarifsenkung kommt, dann werden die Einkommen bis zu 6000 Mark — und das sind die Einkommen von über 70 % aller Schaffenden, aller Lohn- und Gehaltsempfänger — steuerlich geringer belastet sein als jemals vor dieser Katastrophe.
Man kann also hier doch auf keinen Fall wieder mit dem Märchen kommen, man nehme zugunsten der Großen steuerliche Tarifsenkungen vor und entlaste die Kleinen nicht. Ja, wenn einer schon nur einige Mark bezahlt, kann ich ihn nicht um hundert und mehr Mark entlasten. Das geht nicht. Entscheidend ist, daß das Prinzip gewahrt ist. Hierzu muß ich noch einmal sagen, was ich schon vor zwei Jahren von dieser Stelle aus ausführte: der
Tarif von heute ist im Verhältnis gesehen gestaffelt, indem die Einkommen von 4000 DM im Schnitt unter der niedrigsten steuerlichen Belastung liegen, die jemals bestanden hat. Die Einkommen bis zu 6000 DM liegen etwa 1 zu 1, und dann kommt die Steigerung ins Anderthalbfache, Zweifache und Zweieinhalbfache.
Und wenn der Satz früher schon 40 % war, kann ich ihn nicht mehr um das Zweieinhalbfache steigern; denn dann bin ich bei 100 %. Aber auf Grund Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Seuffert, kann man allmählich zu dem Eindruck kommen, daß der Staatsbürger überhaupt nur noch zum Steuerzahlen da sei und daß es die Aufgabe des Finanzministers sei, festzustellen, was er dem einzelnen noch jeweils für seinen Lebensunterhalt zu belassen beliebt.
Eine solche Steuerpolitik kann man auf keinen Fall betreiben, und so kann man auch nicht zu einer Vorlage Stellung nehmen.
Auch der Einwand, man hätte diese Steuervorlage aus Wahlgründen gemacht, ist völlig irrig.
Wenn die Ausgaben des Bundes vielleicht nur 20 Milliarden DM oder noch geringer gewesen wären, dann wäre diese Vorlage anders ausgefallen. So aber steht man vor der Tatsache, daß wir eben steigenden Ausgaben gegenüberstehen, deren wir nur durch eine Steigerung unseres Sozialprodukts Herr werden. Das können wir nur, wenn wir neu investieren. Ich muß Ihnen gerade auch hier widersprechen. Wir können unser Sozialprodukt nicht erweitern, wenn wir nicht neu investieren, und neu investieren können wir nur mit Kapital.
Ich bin nicht der Auffassung, daß man zuerst bei der Wirtschaft das Geld holen, es über die öffentliche Hand pumpen und dann in Form von öffentlichen Investierungen wieder an die Wirtschaft zurückgeben soll. Der bessere Grundsatz ist der: Man beläßt der Wirtschaft das, was sie braucht, um sich zu erhalten und um sich selbst fortzuentwickeln, und man nimmt nur das, was der Staat gerade notwendig braucht. Soviel zum Generellen.
Zu den einzelnen Punkten dieser Steuervorlage wird im Ausschuß sehr viel zu sagen sein. Zu der Formulierung der Betriebsausgaben bzw. zur Überwachung dieser Betriebsausgaben will ich keine weiteren Ausführungen machen. Ich möchte hier nur folgendes sagen. Wenn in dieser Formulierung von dem Begriff „Verkehrsauffassung" oder „verkehrsüblich" die Rede ist, so ist hierzu zu sagen, daß der technische Fortschritt in einem ständigen Kampf mit dem liegt, was an dem betreffenden Tag gerade verkehrsüblich ist bzw. der Verkehrsauffassung entspricht. Mit anderen Worten: Man kann die Frage, ob eine Betriebsausgabe notwendig ist oder nicht, niemals daran messen, ob die betreffende Ausgabe verkehrsüblich ist oder der Verkehrsauffassung entspricht.
Dann zu den Bestimmungen des § 7. Zweifellos sind hier Mißbräuche vorgekommen; aber die Vergünstigungen sind ja auch nicht um ihrer selbst willen gegeben worden, sondern die Vergünstigungen wurden gegeben, um eine Kapitalquelle für den Wohnungsmarkt zu erschließen, weil keine andere vorhanden war. Wenn ich nun dieser Quelle sämtliche Vergünstigungen nehme oder ihr die Vergünstigungen zu stark beschneide, dann wird sie eben zum Versiegen kommen, und wir erreichen dann nicht mehr den wirtschaftspolitischen Zweck. Vorläufig habe ich aber kein Kapital, das ich dem Wohnungsbau in ausreichender Weise zur Verfügung stellen könnte. Deswegen werden wir nolens volens auch die neuen Bestimmungen so fassen müssen, daß wir weiterhin mit einem echten Zufluß aus §-7c-Geldern für unsern Wohnungsbau rechnen können. Dasselbe gilt für den Schiffbau. Dasselbe gilt für die Kapitalansammlungsbeträge. Auch hier können wir die Einschränkungen nicht so weit vornehmen, daß wir, wie gesagt, keinen Erfolg mehr erzielen.
Dann die viel umstrittene Frage der Haushaltsbesteuerung. Meine Parteifreunde stehen auf dem Standpunkt, daß die Einheit der Familie auch die einheitliche Besteuerung verlangt und daß die Familie Anspruch auf eine zumindest steuergleiche Behandlung hat. Der heutige Zustand ist der, daß die Steuerungleichheit auf dem Gebiet der Familienbesteuerung nicht mehr übertroffen werden kann. Ich hätte gerne in den einzelnen Ausführungen, die bisher zu diesem Thema gemacht wurden, auch gehört, was man nun für Vorschläge zur Abhilfe dieser Steuerungleichheit machen will. Denn, wie bekannt, kommen in den Genuß dieser bevorzugten steuerlichen Behandlung nur Ehefrauen, die in einem unselbständigen Arbeitsverhältnis stehen. Ich glaube, daß ich nicht zuviel sage, wenn ich behaupte, daß mindestens genau so viele Ehefrauen aktiv, entweder in einem selbständigen Berufe oder in einem handwerklichen Betriebe oder in Betrieben des Einzelhandels und auf dem Gebiete der gesamten Landwirtschaft arbeiten. Damit also, daß ich die Getrenntversteuerung verteidige, wie es hier geschieht, komme ich der Lösung des Problems auf keinen Fall näher. Damit beseitige ich auch nicht die Steuerungleichheit. Ich meine, es sollte doch das Anliegen des ganzen Hauses sein, auf diesem Gebiete eine Steuergleichheit herbeizuführen. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, bereits im Rahmen dieser Vorlage zu dieser Steuergleichheit zu kommen. Auf alle Fälle ist der Vorschlag, der hier von seiten des Ministers gemacht wird, wenn ich ihn nur unter dem Gesichtspunkt der Herbeiführung der Steuergleichheit sehe, ein echter Schritt in Richtung auf dieses Ziel. Andererseits sollten wir, da wir die Familie bejahen, zu einem Steuertarif kommen, der ausschließt, daß die Familiengründung als solche eine zusätzliche steuerliche Belastung mit sich bringt. Wir werden sicherlich im Ausschuß Gelegenheit haben, diese Fragen noch näher zu erortern.
Dann zur Frage der Körperschaftsteuer. In der Begründung, die die Bundesregierung diesem Gesetzentwurf mitgegeben hat, hat sie in aller Breite ausgeführt, nach welchen Richtungen hin sich der derzeitige hohe Steuerdruck wirtschaftsschädlich auswirkt. Wir können nicht nur von einer Lohn-Preis-Spirale sprechen, wir müssen heute auch von einer echten Steuer-Preis-Spirale sprechen. Andererseits hemmt die Steuerprogression die Unternehmerinitiative und verhindert eine kostensparende Wirtschaft. Diese Erkenntnisse sind absolut richtig. Meine Parteifreunde hätten nur begrüßt, wenn man auch auf dem Gebiete der Körperschaftsteuer dar aus die notwendigen Folgerungen gezogen hätte. Zweifellos ist die Vorlage, die eine 40°/oige Körperschaftsteuer auf die Dividende vorsieht, eine Erleichterung. Sie trägt dazu bei, Kapital zu bilden, und trägt andererseits dazu bei, Mittel für die Finanzierung innerhalb der Betriebe freizumachen. Diese Maßnahme bedeutet aber meines Erachtens nur einen Tropfen auf einen heißen Stein. Auch hier wird man sehen müssen, ob nicht zusätzlich in echter Weise geholfen werden kann.
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Meine Parteifreunde bejahen diese Vorlage. Wir werden im Ausschuß prüfen, was noch an Verbesserungen eingeführt werden kann, ohne daß das Risiko, das der Bundesfinanzminister übernommen hat, erhöht wird. Auf alle Fälle aber müssen wir wissen, daß die hohen steuerlichen Lasten nur von einer gesunden Wirtschaft getragen werden können und daß die beste Sicherung des Arbeiters, die beste Sicherung des kleinen Mannes in einer gesunden Wirtschaft und in einer gesunden Währung besteht.