Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeitungen haben gestern große Ausführungen über eine Tagung gebracht, die die SPD abgehalten hat. Nach dem, was darin stand, konnte man eine solche Rede, wie Herr Seuffert sie inzwischen gehalten hat — die sich in der Tonart immer sehr von dem unterscheidet, was er im Ausschuß sagt — schon erwarten. Ganz besonders ist mir bei der Tagung aufgefallen, daß in den Kommentaren gesagt worden ist: „Was die Sozialdemokratie über die Wirtschaftspolitik und ihre Kritik daran gesagt hat, das war man dünn!" Dünn, — das ist, glaube ich, ein journalistischer Ausdruck. Und das war auch in der Tat dünn! Das kann man aber verstehen. Wenn man mit dem Jubilar Erhard absolut zufrieden sein muß, weil man doch täglich und stündlich erlebt, was dadurch geschaffen worden ist, dann sucht man sich ein anderes Kapitel, und das scheint im Augenblick die Finanzpolitik zu sein.
— Nein, nein; Sie haben ja auch einige wirtschaftspolitische Bemerkungen gemacht, die wir auch zur Kenntnis genommen haben.
Zu dem, was man im übrigen gehört hat, muß ich Ihnen, Herr Seuffert, schon sagen: wir arbeiten ja schon fünf oder wieviel Jahre zusammen und haben auch schon oft manches gemeinsam beschlossen — ich erinnere mich jedenfalls gern daran
—, sogar in steuerpolitischen Dingen, mindestens im Wirtschaftsrat. Sie müssen auch ein wenig an den Ausgangspunkt denken! Das waren nämlich die Kontrollratsgesetze mit einer unvorstellbaren Steuerhöhe, die in den höheren Einkommen, wenn man es richtig ausrechnete, über 100 % ging.
Im übrigen: Ich will nur wenige Sätze zu Ihren Ausführungen sagen; sonst verbrauche ich meine Redezeit. Die Entgegnung selbst überlasse ich in erster Linie dem Herrn Finanzminister. Sie haben von den englischen Steuersätzen gesprochen. Da müßten Sie dann natürlich ein paar Worte über das englische Steuerrecht und über den geradezu fabelhaften Unterschied verlieren, der übrigens im ganzen angelsächsischen Steuerrecht zwischen dem Netto- und Bruttobetrag besteht, der der Steuer zugrunde zu legen ist.
Da kommt man zu ganz anderen Ergebnissen.
Sie haben auch nicht vom Lastenausgleich gesprochen. Das hat zu unserer Freude erstmalig der Herr Bundesfinanzminister getan, — erstmalig Herr Schäffer! Sie haben gesagt, man müsse doch berücksichtigen, daß zu den hohen Steuern auch noch der Lastenausgleich komme. Sie haben, Herr Seuffert, hinsichtlich der 7er- Gruppen, die dem Bundesrat und der SPD immer ganz besonders ein Dorn im Auge gewesen sind, selber gesagt, daß es sich um eine Vorwegnahme von Abschreibungen handele. Sie haben daraus Folgerungen gezogen, die mir nicht ohne weiteres zwingend erscheinen.
Für meine politischen Freunde — das wird Sie natürlich nicht überraschen — habe ich zu erklären, daß wir den Grundgedanken der Steuernovelle positiv gegenüberstehen. Wir stehen auch dem zweiten Teil, wie es, glaube ich, heißt, nämlich der Heraufsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 40 %, positiv gegenüber. Wir sind ferner der Meinung, daß wir zu einer Steuernovelle nicht kommen können, ohne gleichzeitig im Kapitalmarktförderungsgesetz etwas zu tun — darüber werde ich noch ein paar Worte sagen — und ebenfalls im Export, der sich langsam leider doch als sehr förderungsbedürftig herausstellt.
Die ganze Novelle war eine Überraschung auch für die Koalition, ich glaube, für die ganze Koalition; denn die Zeitungen waren ja seit Monaten mit Nachrichten darüber angefüllt, daß dieser Bundestag nicht mehr in der Lage sei, eine Steuerreform zu beschließen, weder eine große noch eine kleine. Die Initiative der Wirtschaft mit dem Produktivitätsgesetz, die auch innerhalb der Wirtschaft nicht allseits geteilt wurde, ist ganz bestimmt nicht von mir gekommen, Herr Seuffert. Das war eine Angelegenheit, die wenigstens zeitlich und auch in manchem anderen unglücklich war.
Dann ist der Antrag — Sie haben das schon geschildert, wenn auch immer mit gewissen Nebenbemerkungen über gezahlte und nicht gezahlte Wahlgelder; die unterlasse ich; die haben nämlich nichts damit zu tun —, die Koalitionsfraktionsnovelle Drucksache Nr. 3838 gekommen, und die hat nun — ich glaube, Herr Schäffer nimmt es mir nicht übel, wenn ich das sage — ihren Zweck erfüllt; denn sie hat die Novelle der Regierung herbeigeführt, mindestens ganz erheblich beschleunigt, und das freut uns. Wir betonen noch einmal, daß diese kleine Steuernovelle eine Tat ist und daß wir — das ist jetzt eine humoristische Bemerkung — besondere Freude an der beigegebenen Begründung gehabt haben; denn eine solche Einheitlichkeit zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundeswirtschaftsminister, wie sie in der Begründung zutage tritt, habe ich sonst noch nie erlebt. Aber man soll sich darüber natürlich von Herzen freuen.
Nun hat Herr Seuffert eine Bemerkung gemacht, die ich aufgreifen möchte. Er wollte wissen, wie eigentlich der Waschzettel, sagen wir einmal, die Kladde des Herrn Schäffer ist, die er ja anfertigen mußte, ehe er das Gesetz herausbrachte, wie nämlich die 950 Millionen DM wieder hereinkommen, zum Teil durch Ehebesteuerung — aber das ist nur ein kleiner Teil — und durch Fortfall von Vergünstigungen usw. Ich könnte mir denken, daß der Ausschuß in dieser Beziehung etwas neugierig sein und vielleicht über die Motive oder die Vorarbeiten des Ministers nähere Aufklärung wünschen wird. Vielleicht kommen wir uns auf diesem Wege dann ein wenig näher, vielleicht allerdings auch nicht. Ich betone das deshalb, weil wir natürlich hinsichtlich der Tarife auch Wünsche haben. Und da möchte ich noch eine Bemerkung des Herrn Seuffert mit einem Satz in das richtige Licht rücken. Er hat immer von Einkommen über 100 000 DM usw. gesprochen, aber eigentlich nie erwähnt, daß es sich hierbei ja sehr häufig um Personalgesellschaften und nicht um den Kommerzienrat X handelt, der ihm vielleicht in erster Linie vorgeschwebt hat.
Was die Tarife der Einkommensteuer angeht, so glauben wir, daß in einer Reihe von Gruppen ein Auseinanderziehen der Tarife nötig ist, und zwar, wenn ich Ihnen, Herr Seuffert, das verraten darf, unserer Ansicht nach auch ein Auseinanderziehen bei Einkommen über 100 000 DM sowie bei den Tarifen in der Spanne zwischen 8000 und 20 000 DM Einkommen.
Darf ich nun noch, ehe ich zu Weiterem komme, insbesondere zum Kapitalmarktförderungsgesetz, auf die Leute eingehen, die von diesem Gesetz überhaupt nicht begünstigt werden. Solche gibt es nämlich komischerweise. Das sind in erster Linie die Körperschaften. Für die Körperschaften bleibt der Steuersatz von 60 % völlig unverändert. Es gibt nun, wie Sie wissen, nicht bloß Körperschaften, die Gewinne ausschütten, sondern auch solche, die entweder ihre Gewinne nicht ausschütten oder aber in ihrer Steuerpolitik zu erheblichen Steuerbeträgen herangezogen werden, ohne Gewinne in der Handelsbilanz auszuweisen. Diese haben überhaupt nichts von dem Gesetz, sie haben im Gegenteil Verschlechterungen dadurch, denn der Wegfall der Vergünstigungen trifft sie in vollem Umfang. Der trifft auch, wie Sie sich sicher inzwischen ebenfalls überlegt haben, die Personalgesellschaften. Der eigentliche Gedanke der Steuersenkung kommt in Reinkultur nur den Einzelpersonen zugute — und das begrüßen wir —, die von diesen Vergünstigungen keinen Gebrauch machen.
In diesem Zusammenhang möchte ich zurückkommen auf Ihren Satz „Hat der Arbeiter Geld, so hat's die ganze Welt". Das ist eine völlig richtige Umdeutung des früher aufgestellten Satzes. Wenn Sie die Frage stellen „Hat der Arbeiter Geld?", so bin ich allerdings in der sehr angenehmen
Lage, zu sagen: ja, er hat Geld. Denn welcher Berufsstand in Deutschland hat es fertig bekommen — auf Wegen, die ich gar nicht erörtern will; ich freue mich über das Ergebnis —, seine Bezüge nicht bloß parallel mit der Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex zu erhöhen, sondern diese Entwicklung nicht selten sogar zu übertreffen?
Darüber wollen wir froh sein, und wir wollen uns nicht zu sehr aus taktischen Gründen — entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das unterstelle — davon leiten lassen, daß hier Geschenke verteilt werden sollen. Das ist ja vor ungefähr zwei Jahren schon einmal behauptet und meines Erachtens bereits damals mit sehr guten Gründen zurückgewiesen worden. Die zweite Lesung wird uns vielleicht in diesem Punkte etwas aufgeklärter finden, als wir es heute sind, denn heute könnte es den Anschein haben, als ob nur die SPD aufgeklärt sei.
Ich habe Ihnen gesagt, ich wollte einen Ausflug zum Kapitalmarktförderungsgesetz machen; denn es ist ja in Wirklichkeit ein Steuergesetz. Wie hat sich nun dieses Erste Kapitalmarktförderungsgesetz — nach meiner Ansicht ist das Wort „Erstes" das beste an dem ganzen Gesetz — inzwischen ausgewirkt? Kaum war die Tinte der Unterschrift des Bundespräsidenten trocken, da hat sich der verehrte Bundesfinanzminister, na, ich will mal sagen, auf einen Ackerschlepper gesetzt — er braucht nicht von der MAN zu sein — und hat sich bemüht, nun einmal die Ackerkrume ein wenig aufzuritzen. Wofür? Für den allgemeinen Kapitalmarkt? — Nein, keineswegs, sondern für die Bundesanleihe. Ich glaube, manchen Urhebern des Kapitalmarktförderungsgesetzes ist dabei ein wenig bedenklich geworden, und das ist auch richtig. Das Gesetz ist ein Torso; das Gesetz ist um so mehr ein Torso, als durch einzelne Mitglieder dieses Hauses auch noch bewirkt worden ist, daß die steuerliche Begünstigung des ausgeschütteten Gewinns bei Aktiengesellschaften im letzten Augenblick wieder herausgekommen ist, ein Gedanke, dem Sie, wenn ich mich recht entsinne, gar nicht völlig ablehnend gegenüberstanden, Herr Seuffert, und vielleicht auch heute nicht gegenüberstehen. Ich bin aber der Meinung, daß es sich bei dieser Begünstigung der Ausschüttung der Dividende nicht um den Nettobetrag, sondern um den Bruttobetrag, also um den zur Ausschüttung benötigten Betrag handeln muß.
Es sind uns viele Eingaben zugegangen, in welcher Beziehung sonst für den Aktienmarkt etwas getan werden könnte, und ich bin schon der Meinung eines Gutachtens der amerikanischen Industrie, das ich vor kurzem gelesen habe, in dem klar und deutlich drinsteht: Die deutsche Industrie ist vertrauenswürdig für Anlagen auch seitens Amerikas, aber die Doppelbesteuerung, die das Kernstück der deutschen Steuergesetzgebung auf diesem Gebiete ist, verhindert jede Möglichkeit der Anlage. Soviel hierzu!
Ich habe vorhin schon in der Geschäftsordnungsdebatte die beiden Blitzableiter, die ich Ihnen, Herr Seuffert, nicht zur Beachtung, sondern die ich als Warnung aufstellen wollte, erwähnt, und ich will jetzt noch etwas darüber sagen. Was zunächst den § 4 Abs. 4 angeht, der sich also mit überzogenen Betriebsausgaben beschäftigt, so ist er nach unserer Auffassung weder in der Fassung der Novelle noch in der Fassung des Bundesrats brauchbar. Die Erfahrungen, die wir mit der Spesenverordnung gemacht haben, sollten uns eigentlich davor bewahren, auf diesem Gebiete und nunmehr sogar auf einem breiteren Gebiete neue Husarenritte zu unternehmen.
Was die Haushaltsbesteuerung angeht, so schwebt allerdings meinen Freunden als Endziel das amerikanische Splitting-System vor. Der Herr Bundesfinanzminister hat es, glaube ich, allgemein abgelehnt. Wir sehen ein, daß es im Augenblick nicht durchführbar ist. Wir streben ihm aber zu. Warum soll nicht auch aus Amerika einmal etwas Gutes kommen?
Wir möchten doch daran erinnern — was die Regelung heute und morgen angeht —, daß der § 41 in der Durchführungsverordnung nicht etwa 1941 von den bösen Nazis eingeführt worden ist, sondern daß er schon von 1925 bis 1934 gegolten hat. Dann haben ihn die Nazis, weil damals ihre Taktik eine andere war — Vollbeschäftigung usw. —, abgeschafft, und 1941 haben sie ihn wieder eingeführt. Wir glauben nach dem Eindruck, den wir von den Eingaben haben: bis jetzt hat offenbar von den Rednern mit Einschluß des Herrn Bundesfinanzministers von den Eingaben der Frauen und der ihnen nahestehenden Kreise — das sind auch die Männer, wie man sich erzählt — jeder einen anderen Eindruck. Ich glaube, wir kommen im Rahmen dieser Steuerreform und im Hinblick darauf, daß wir eben keinen Blitzableiter aufstellen wollen, in dieser Angelegenheit nur weiter, wenn wir uns dazu entschließen, die derzeitige Regelung weitergelten zu lassen.
Dafür könnte ich auch noch manche taktischen Gründe anführen. Aber so offenherzig will ich im Augenblick gar nicht sein.
Ich komme zum Schluß noch zu den Vergünstigungen. Das Prinzip der Vereinfachung, das ja insbesondere beim Bundesrat, der sich heute schon verflüchtigt hat, der Hauptgrund für die Gesetzesänderung ist, darf nun nicht zu Oberflächlichkeiten führen; und in dieser Gefahr sind wir. Ich bin der Meinung — und meine Freunde mit mir —, daß wir Vergünstigungen für den Wohnungsbau, für den Schiffbau, für Kapitalansammlungsverträge und für Sparkonten nicht einfach, wie das Gesetz es im wesentlichen oder fast ausschließlich tut, über einen Leisten schlagen können, sondern da vertraue ich auf Herrn Neumayer und auf Herrn Seebohm und auf wen sonst noch alles, daß sie vielleicht doch die Interessen, deren Vertretung ihnen anvertraut ist, noch im Ausschuß geltend machen werden. Wir müssen uns meines Erachtens auch sehr intensiv mit der Frage beschäftigen, ob wir gut daran tun, im März 1953 ein Gesetz zu machen, das diktatorisch und endgültig erklärt, daß am 31. Dezember 1954 alle diese Vergünstigungen ohne jeden Unterschied aufhören. Das wird nicht gehen. Wir wollen — und darin werden wir den Minister absolut unterstützen — die Bekämpfung der Mißbräuche, die auf einigen Gebieten, die Sie alle kennen, besondere Formen angenommen haben. Was die Begrenzung angeht, hinsichtlich derer der Minister, wenn ich ihn recht verstanden habe, bereit wäre, gewisse Konzessionen gegenüber seiner Novelle zu machen, möchten wir glauben, daß es richtig und ausreichend wäre, darüber im Ausschuß für Finanzen und Steuern einiges zu sagen.
Im ganzen gesprochen ist also die Einstellung der Freien Demokratischen Fraktion zu dem Gesetzent-
Wurf des Herrn Schäffer eine durchaus positive,
und wir haben die Hoffnung, über eine große
Reihe von Einzelfragen mit ihm zurechtzukommen.