Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat die Ziele, die ihm bei dieser sogenannten Steuerreform vorschweben, in zwei sehr faßliche Bilder gebracht. Er hat gesagt, es gelte, einer Psychose entgegenzuwirken, die sich im Jahre 1951 im Zusammenhang mit Korea erstmalig heftig gezeigt habe, der Sachwertpsychose. Als zweiten Zweck seiner „Reform" hat er die Notwendigkeit herausgestellt, die großen Aktiengesellschaften anzuregen, höhere Dividenden auszuschütten, und zu diesem Behuf die Dividendensteuer noch begünstigter zu gestalten, als das bisher der Fall war.
Ich will einmal an das Problem herangehen, solange das die mir zur Verfügung stehende Zeit erlaubt, vom Standpunkt der Leute, die an der Höhe der auszuschüttenden Dividende gar nicht interessiert sind, weil sie keine Aktien haben. Ich will an das Problem vom Standpunkt der Leute herangehen, die auch nicht in die Sachwerte flüchten können, auf Grund der einfachen Tatsache, daß das bißchen, was ihnen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung steht, ihnen gar nicht erlaubt, sich im Falle einer Krise der Währung oder aus anderen Anlässen in die Sachwerte zu retten. Vom Standpunkt dieser kleinen Menschen aus gesehen, die ja prozentual die Masse unseres Volkes darstellen, muß man über den wahren Charakter dieses Gesetzentwurfs unserer Überzeugung nach zu einem anderen Urteil kommen. Diesen Charakter, den unserer Überzeugung nach der Gesetzentwurf hat, haben wir bereits bei der Behandlung des Nachtragshaushalts herausgestellt. Damals haben wir vollkommen zu Recht ausgesprochen, daß der Entwurf nichts anderes ist als ein Wahlmanöver, zur rechten Zeit ausgelöst mit der Zielsetzung, die Menschen durch Vorspiegelung einer Steuersenkung über den realen Tatbestand hinwegzutäuschen.
Lassen Sie mich noch etwas vorausnehmen. Herr Schäffer hat heute mehrfach davon gesprochen, daß ihm gar keine andere Möglichkeit bleibe, daß, wenn er irgendwo etwas zugestehen solle, er auf der anderen Seite neue Lasten aufbauen müsse; und er hat die finanzielle Lage des Bundes so dargestellt, als habe er gar keine Bewegungsmöglichkeiten. Wenn dem so ist, dann wundere ich mich, warum er sich nicht zu der Meldung geäußert hat, die am Samstag in der „Frankfurter Allgemeinen" stand, wonach ein hoher amerikanischer Regierungsmann erklärt hat, Herr Schäffer habe sich bereit erklärt, im nächsten Haushaltsjahr 13,9 Milliarden DM „Verteidigungsbeitrag" zu leisten.
Weiterhin erscheint es mir sehr bemerkenswert, daß Herr Schäffer mehrfach mit direktem Stolz erklärt hat, dieses Kind da — ich möchte mir ein entsprechendes Adjektiv ersparen — habe die Zustimmung des Bundesrats gefunden. Das ist uns bekannt, verdient aber trotzdem, unterstrichen zu werden, weil ja doch der Bundesrat so zusammengesetzt ist, daß, wenn die SPD von ihrer Machtmöglichkeit Gebrauch machte, solche Beschlüsse im Bundesrat konterkariert werden könnten, — falls es bei der SPD wirklich so steht, daß man diesen Plänen tatsächlich Widerstand entgegensetzen will. Das aber ist unserer Überzeugung nach nicht der Fall.
Heute haben wir eine groß angelegte Rede mit sehr vielen Zahlen gehört, auf die man schon aus Zeitmangel nicht eingehen kann. Aber das Entscheidende ist auch heute wieder das gewesen, was uns nicht gesagt worden ist. Soweit der Entwurf eine Änderung steuerlicher Vorschriften bringt, ist unserer Überzeugung nach dazu generell zu sagen: Die Steuertarife werden wohl vorher etwas gesenkt, aber die gesamte steuerliche Belastung des einzelnen wird durch einen Abbau der bisherigen Steuervergünstigungen wieder erhöht, da praktisch die bisherigen Steuervergünstigungen beseitigt werden. Gleichzeitig wird die Umsatzsteuer in der derzeitigen Höhe beibehalten, so daß die so dringend notwendige steuerliche Entlastung des Kleinverdieners in Wirklichkeit nicht eintritt. Alle diese Massensteuern belasten doch den Haushalt des kleinen Mannes unstreitig viel schwerer als die direkten Steuern; diese bleiben aber mit Zustimmung des Bundesrates, mit Zustimmung also auch der sozialdemokratischen Minister in diesem Bundesrat, in Kraft.
Ich komme nun zu den Steuervergünstigungen, die wegfallen sollen. Dabei greife ich nur den Wegfall der Steuervergünstigung bei Zuschüssen oder Darlehen für den Wohnungsbau heraus. Bisher konnte ein seine Beiträge zu einer
Wohnungsbaugenssenschaft und die Wohnungsbauzuschüsse, die er aufbrachte, von der Steuer absetzen. Das wird in Zukunft abgebaut. Der Abbau der Steuervergünstigung macht nicht einmal vor den Flüchtlingen und Ausgebombten halt. Das bisher diesem Personenkreis zustehende Recht, die Auslagen für die Neuanschaffung von Möbeln und Kleidungsstücken von der Steuer abzusetzen oder zur Finanzierung dieser Ausgaben Freibeträge zu beantragen, kommt in Wegfall. Sogar der Freibetrag für die Landarbeiter, die zu den am niedrigsten bezahlten Arbeitern gehören, fällt weg.
Dafür bringt die Vorlage die Einführung der Ehesteuer, deren Ertrag in Höhe von ungefähr 100 Millionen DM dazu benutzt werden soll, den von Herrn Schäffer auf der anderen Seite erwarteten Steuerausfall wieder hereinzuholen. Was Herr Schäffer heute über den Umschwung in der Beurteilung dieser Steuer gesagt hat, hält meiner festen Überzeugung nach einer ernsten Überprüfung nicht stand. Herr Minister, wir bekommen ja auch Zuschriften. Von Ihnen werden sie gelegentlich nicht beachtet und gehen gewöhnlich in den Papierkorb, vor allen Dingen, wenn es sich um Zuschriften in puncto Generalkriegsvertrag handelt. Die gehen bei Ihnen automatisch in den Papierkorb; aber wir lesen sie. Und was uns da zugeht, ist ein Beweis dafür, daß die Masse des Volkes diese Ehesteuer — und das mit Recht —ablehnt.
Nun zu den Vergünstigungen für die Reichen, die beibehalten werden, die zum Teil sogar noch erweitert werden. Da bleibt z. B. die kurzfristige Abschreibung von sogenannten geringwertigen Anlagebeständen bestehen; es erfolgt sogar eine Erhöhung von 200 auf 500 DM. Die großen Kapitalgesellschaften werden durch eine Senkung des Steuersatzes für den entnommenen Gewinn von 60 auf 40 % erheblich begünstigt. Es bleibt das Notopfer Berlin bestehen.
Wir sind der Auffassung, daß angesichts der Lage der breitesten Massen unseres Volkes eine echte Steuersenkung durchgeführt werden müßte. Wir fordern vor allem die Beseitigung aller indirekten Steuern, die auf den Lebensmitteln und den Gebrauchsgütern liegen.
Ich komme zu der wichtigsten Sache. Die Vorlage enthält außerdem die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 40 % für das Rechnungsjahr 1953/54, wie wir heute erfahren, zur Tilgung der „Kreditoperation", die der Herr Minister vornehmen will, um eine kleine Lücke aus seinem Defizit in Höhe von 800 Millionen DM auszugleichen. Diese Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat nach unten unheimliche Auswirkungen. In Essen z. B., wo wir gestern den Nachtragshaushalt für das laufende Rechnungsjahr besprochen haben, hat sich herausgestellt, daß die Stadtgemeinde bereits im laufenden Rechnungsjahr auf Grund der früheren Erhöhungen des Bundesanteils über 1 Million DM an finanziellen Zuweisungen des Landes verloren hat. Was nun eintritt, wird den Ausblutungsprozeß der Gemeinden noch steigern.
— Sie lesen doch hoffentlich das Organ des Deutschen Städtetages. Dieses Organ des Deutschen Städtetages hat das Wort von dem „Ausblutungsprozeß der Gemeinden" geprägt. Etwas anderes ist die Auswirkung dieser Erhöhung auch nicht. Wir haben vor einiger Zeit eine Broschüre des Herrn Kollegen Erler in die Hand gedrückt bekommen, worin steht, daß die Länder den Ausfall, den der Herr Bumdesfinanzminister ihnen aufoktroyiert, durch einen Abbau ihrer Zuwendungen an die Gemeinden ausgleichen werden. Die Gemeinden müßten ihrerseits, so steht in der Broschüre drin, dazu übergehen, diesen Ausfall durch Erhöhung der Gebühren für Gas, Wasser, Strom und der Tarife für die Verkehrsmittel auszugleichen. Das ist doch praktisch der Fall. Praktisch ist es so, daß seit zwei Jahren bereits die Auswirkungen der Schäfferschen Kriegsvorbereitungspolitik auf die Gemeinden abgewälzt werden. Die Bürger in den Gemeinden bezahlen also seit zwei Jahren in Form ständiger Erhöhung der Gebühren diese Kriegsvorbereitungspolitik, ohne es' direkt zu merken. Das steht 'sogar in der Broschüre von Herrn Erler. Machen Sie also nicht mich dafür verantwortlich, wenn ich eine uns seit zwei Jahren auffallende Entwicklung in den Gemeinden herausstelle.
Was haben wir also vor uns liegen? Wir haben hier ein sehr klug aufgebautes Gesetzchen, dessen praktische Auswirkung keine echte Steuersenkung ist, dessen wahres Ziel es ist, die Kriegsvorbereitungspolitik des Herrn Adenauer finanziell zu untermauern. Das ist der Inhalt dieses Gesetzes. Darüber gibt es gar keine Möglichkeit eines Zweifels. Darum lehnen wir diese Vorlage ab.