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ID0125202800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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    2. Das: 1
    3. Wort: 1
    4. hat: 1
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    7. Justiz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. März 1953 12083 252. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. März 1953 Geschäftliche Mitteilungen 12084B Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Dirscherl und Pannenbecker 12084B Ergänzung der Tagesordnung gemäß Vereinbarung im Ältestenrat 12084C Kleine Anfrage Nr. 309 der Fraktion der SPD betr. Aufwendungen für Forschungszwecke (Nrn. 3899, 4148 der Drucksachen) 12084C Bericht des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts über die durchgeführten Maßnahmen disziplinarischer oder dienstlicher Art gegen Beamte des Auswärtigen Dienstes (Nr. 4154 der Drucksachen) 12084C Antrag auf Aufsetzung der dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes auf die Tagesordnung: Reitzner (SPD) 12084D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12085D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Flüchtlings-Notleistungsgesetz) (Nr. 4095 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen (8. Ausschuß) (Nr. 4151 der Drucksachen; Umdruck Nr. 780) 12084C, 12086A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 12086B Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 12086C Frau Dr. Brökelschen (CDU) als Berichterstatterin 12086D als Abgeordnete 12091D Müller (Frankfurt) (KPD) 12088C Wehner (SPD) 12090C Maerkl (FU) 12091C Abstimmungen 12091C, 12091D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nr. 4141, zu Nr. 4141, Nachgang zu Nr. 4141 der Drucksachen) . . 12084C, 12092B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 12092C Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß 12096C Erste Beratung des von den Abg. Sabel, Richter, Determann u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte vom 8. Januar 1953 (Nr. 4135 der Drucksachen) . . . 12084C, 12096B Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 12096C Einspruch des Abgeordneten Loritz gegen den ihm in der 251. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 777) . . . 12096C Einspruch abgelehnt 12096C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz (Nr. 3897 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler über das Bundesverfassungsgericht (Nr. 3974 der Drucksachen) . . . 12096C Dr. Gülich (SPD), Antragsteller 12096D, 12108B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 12099C Kiesinger (CDU) 12109D Fisch (KPD) 12111B Euler (FDP) 12112A zur Geschäftsordnung: Dr. von Merkatz (DP) 12112B Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) 12112C Mellies (SPD) 12112C Ewers (DP) 12112D Dr. Gülich (SPD) 12112D Ablehnung der Anträge 12113A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung (Nr. 4092 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 (Nr. 4093 der Drucksachen) sowie mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 (Nr. 4094 der Drucksachen) 12113B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 12113C zur Geschäftsordnung: Dr. Menzel (SPD) 12118C, 12119B Dr. Wellhausen (FDP) . 12118C, 12119A Renner (KPD) 12118D zur Sache: Seuffert (SPD) 12119D Renner (KPD) 12125B Dr. Wellhausen (FDP) 12126D Dr. Bertram (Soest) (FU) 12129A Frau Lockmann (SPD) 12131A Eickhoff (DP) 12132A Niebes (KPD) 12133D Neuburger (CDU) 12134C Weiterberatung vertagt 12136C Persönliche Bemerkung: Mellies (SPD) 12136D Ausschluß des Abg. Rische für drei Tage 12136D Die Sitzung wird um 13 Uhr 38 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den beiden Ihnen vorliegenden Anträgen geht es nicht um eine Stellungnahme zu den rechtlichen Problemen des Bundesverfassungsgerichts und nicht um eine politische Auseinandersetzung über die Funktionen des Bundesverfassungsgerichts, sondern lediglich darum, daß die Äußerungen des Bundesjustizministers über das Bundesverfassungsgericht zu der Frage zwingen, ob die Haltung dieses Bundesjustizministers noch mit der Verantwortung seiner hohen Stellung vereinbar ist.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! links.)

    Bei den Ihnen bekannten Äußerungen handelt es sich leider nicht um eine einmalige Entgleisung, wie sie einem temperamentvollen Redner zwar auch nicht unterlaufen soll, von der man aber allenfalls sagen könnte, sie entspräche doch nicht der Grundhaltung des Redners. Es handelt sich hier vielmehr um aufeinanderfolgende, von Verdächtigung zur Feststellung sich konkretisierende Äußerungen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die
    Vorgeschichte dieser Äußerungen notwendig. Am
    21. November 1952, auf dem Parteitag der FDP in
    Bad Ems, sprach der Bundesjustizminister bei der
    Erörterung über den EVG-Vertrag die öffentliche
    und deutliche Verdächtigung aus — ich zitiere —:
    Sie wissen, die Barriere des Bundesverfassungsgerichts besteht für unsere Verträge. Ich


    (Dr. Gülich)

    möchte hoffen, daß in dem höchsten deutschen Gericht keine politischen Willensentscheidungen, sondern Rechtsentscheidungen fallen.
    Er präzisierte diese Äußerung dann durch die
    folgende:
    Ich möchte hoffen, daß sich beim Bundesverfassungsgericht der Geist des Sozialismus nicht auswirkt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das Bundesverfassungsgericht beantwortete diesen Angriff dadurch, daß es den Bundesjustizminister aufforderte, seine Rede bei ihm einzureichen.
    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Formulierung der am 9. Dezember 1952 vom Plenum des Bundesverfassungsgerichts abgegebenen Erklärung insbesondere auf die Äußerungen des Bundesjustizministers abzielten. In diesen Äußerungen hat der Bundesjustizminister sich nicht nur zu einem vor dem höchsten Bundesgericht schwebenden Verfahren abfällig geäußert, er hat diesem Gericht geradezu Rechtsbruch und politische Parteilichkeit vorgeworfen oder zumindest unterstellt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es heißt in der Erklärung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember wörtlich:
    Das Bundesverfassungsgericht hat mit Besorgnis von den herabsetzenden Äußerungen Kenntnis genommen, die in den letzten Wochen in zunehmendem Maße im Zusammenhang mit den anhängigen Verfahren über die Vertragswerke in der Presse und in politischen Kreisen über das Gericht und seine Mitglieder gefallen sind. Diese Äußerungen haben sich in einzelnen Fällen zu Warnungen gesteigert. Man hat dem Gericht sogar unterstellt, daß politische und damit nicht rechtliche Erwägungen seine Entscheidungen bestimmen könnten.
    Die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts vom
    9. Dezember 1952 schließt mit den Worten: Das Bundesverfassungsgericht hat gestern beschlossen, daß dieses Gutachten und alle anderen Gutachten des Plenums beide Senate binden. Dies ergibt sich vor allem aus der durch § 16 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht begründeten Funktion des Plenums, bei einer Meinungsverschiedenheit über eine Rechtsfrage zwischen den Senaten die letzte Entscheidung zu treffen. So wird zugleich verhindert, daß die Zuständigkeit eines bestimmten Senates aus sachfremden Erwägungen in Anspruch genommen wird.
    War der Angriff auf das Bundesverfassungsgericht erfolgt, weil der Bundesjustizminister Anlaß zu haben glaubte, eine Rechtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwarten zu müssen, die der politischen Willensentscheidung seiner politischen Freunde nicht entgegenkam, so bestritt er in der Folge die Zulässigkeit einer Verfahrensweise, die den politischen Erwartungen seiner politischen Freunde nicht entsprach. Der Herr Bundesjustizminister hat bei dem bekannten „Kanzlertee" am
    10. Dezember 1952 diese Verfahrungsregelung wörtlich als „völlig rechtlos, als gegen das Grundgesetz und gegen das Bundesverfassungsgerichtsgesetz verstoßend" gebrandmarkt,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    ja, er hat dem Verfassungsgericht, jedes Maß überschreitend, den Vorwurf der Rechtsanmaßung entgegengeschleudert, indem er ihm vorwarf, es habe
    durch diese Verfahrungsregelung „Recht zu setzen versucht, nicht im Sinne eines richterlichen Spruches, sondern um neues Gesetzesrecht zu schaffen".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dies ist aber derselbe Bundesjustizminister, der noch vor neun Monaten in einem Schriftsatz erklärt hatte — ich zitiere wörtlich —:
    Es ist sicherlich eine ebenso hohe wie verantwortungsvolle Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bestehendes Recht, unter Umständen auch bestehendes Verfahrensrecht fortzubilden.
    Aber am 10. Dezember, als ihm der Verfahrensbeschluß des Bundesverfassungsgerichts für seine politischen Pläne gefährlich zu werden schien, sprach er in lapidaren Worten den Bundesverfassungsrichtern jedes Recht auf einen Verfahrensbeschluß ab, indem er wörtlich sagte: „sie können überhaupt keinen Beschluß fassen", und er lehnte für sich und die Bundesregierung die Anerkennung dieses Beschlusses des höchsten Verfassungsgerichts kategorisch mit den Worten ab:
    Wir werden diesen Beschluß niemals anerkennen. Dieser Beschluß ist ein Nullum.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nachdem er nun auf wahrhaft demagogische Weise die völlige Nichtigkeit dieses Beschlusses des höchsten Bundesgerichts und dessen angebliche politische Befangenheit und Rechtsbeugung proklamiert hatte, suchte er diese Diskriminierung des Gerichts noch dadurch zu überbieten, daß er erklärte, der größte Mangel dieses Gerichts sei nicht seine parteipolitische Zusammensetzung, sondern seine fehlende richterliche Qualität.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich erinnere nochmals daran, daß es bei dem Gutachtenverfahren in Karlsruhe keineswegs um eine politische Entscheidung ging, sondern ausschließlich um die verfassungsrechtliche Frage, ob die Vertragstexte mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder nicht. Bei dem Beschluß des Gerichts vom 9. Dezember handelte es sich ausschließlich um eine Verfahrensregelung, nicht aber um eine Gesetzgebungsfrage.
    Bei den Äußerungen des Bundesjustizministers handelt es sich allerdings um ein höchstes Politikum, nämlich um die Haltung des höchsten Vertreters des Rechts in der Bundesregierung zum höchsten Gericht des Bundes, zur höchsten Instanz unseres Rechts. Jede Staatsform, vor allem jede Demokratie, kann sich auf längere Sicht nur erfolgreich behaupten und als fruchtbare Ordnung erweisen, wenn sie sich echte Autorität erhält oder echte Autorität erwirbt. Dies gilt ganz besonders für die junge deutsche Demokratie, die durch ihre Entwicklungs- und Daseinsbedingungen, die Ihnen ja allen bekannt sind, besonders empfindlich und besonders gefährdet ist. Zu dieser Autorität und zu diesen Wachstumsbedingungen aber gehört vor allem, daß diese Demokratie die Gesetze und die Verfassungseinrichtung, die sie geschaffen hat, selber achtet und schützt, auch wenn ein Staatsgesetz oder eine staatliche Institution einmal gegen die Gruppe auszuschlagen scheint, die diese mit geschaffen hat. „Wehe dem Volke, dessen Menschen der Sinn fehlt für die Verbindlichkeit des Rechts ihres Staates!"

    (Beifall bei der SPD.)

    — Sie haben soeben damit dem Herrn Bundesjustizminister Beifall gezollt; denn kein anderer als


    (Dr. Gülich)

    er hat am 10. Juni 1952 in der „Schwäbischen Landeszeitung" diesen Satz veröffentlicht, mit dem er sich allerdings auch selber gerichtet hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Doch damit nicht genug. Jetzt kommt das Schlimmste. Als am 10. Dezember 1952 nach der bekannten Rücksprache mit dem Herrn Bundeskanzler der Herr Bundespräsident sein Ersuchen um ein Gutachten beim Bundesverfassungsgericht zurückzog, richteten sechs angesehene Rechtsanwälte folgendes Telegramm an den Bundesjustizminister und seinen Staatssekretär — ich zitiere wörtlich —:
    Durch letzte Vorgänge tief bestürzt, bitten
    dringend: verhindert weitere für das Ansehen
    von Justiz und Staat unerträgliche Schritte
    gegenüber höchstem deutschem Gericht. Unterschriften: Zutt, Schüle, Kleine, Duden, Schilling und Rowedder.
    Auf dieses Telegramm erhielten die Appellanten folgendes Antworttelegramm:
    Sie verkennen die Lage vollständig Stop Das Bundesverfassungsgericht ist in einer erschütternden Weise von dem Wege des Rechtes abgewichen und hat dadurch eine ernste Krise geschaffen.

    (Lebhafte Rufe bei der SPD: Pfui! und Hört! Hört!)

    Unterschriften: Bundesjustizminister Dr. Dehler, Staatssekretär Dr. Strauß.

    (Erneute Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)

    Ich glaube, wenn ein Staatssekretär ein solches Telegramm über das höchste Gericht in die Welt
    schickte, wäre sein Minister verpflichtet, ein Dienststrafverfahren mit dem Ziele der Dienstentlassung gegen ihn einzuleiten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber der 'Herr Bundesjustizminister hat das Telegramm ja auch unterschrieben, und der Herr Bundeskanzler hat gegen den Herrn Bundesjustizminister nichts unternommen. Der Herr Bundesjustizminister ist nunmehr Gegenstand der politischen Kontrolle durch das Parlament.
    Mit diesem Telegramm hat der Mann, der in seinem Amt der höchste Wahrer des Rechts Deutschlands sein sollte, das oberste Gericht, das über die Integrität des Verfassungslebens wachen soll, des Rechtsbruchs bezichtigt. Der Justizminister eines demokratischen Staates hat kraft seines Amtes über den Parteien zu stehen, auch über der Partei, der er selbst angehört. Ich darf ein Wort von meinem alten Lehrer und Meister Ferdinand Tönnies zitieren: „Der Parteiführer, der in eine gesetzgebende Körperschaft eintritt, wird sich als weise bewähren, wenn er seine Parteihaut abstreifen und die Haut der Souveränität anziehen kann, der Souveränität, die nunmehr tätig mit auszuüben er das Recht erworben und folglich die Pflicht auf sich genommen hat."
    Auch das Bundesverfassungsgericht steht kraft seines Amtes über den Parteien; sein überparteiliches Wirken, der Schutz der Verfassung vor Sonderinteressen politischer Gruppen und territorialer Bundesglieder ist ja seine eigentliche Funktion. Untragbar ist ein Bundesminister des Rechts, der die gerade ihm gebotene Zurückhaltung vermissen läßt, immer wieder aus seiner überparteilichen Stellung in die Arena des Parteikampfes heruntersteigt und seine Qualität als Bundesjustizminister mit der Funktion seiner Parteiführerschaft verwechselt oder vermischt. Ganz unerträglich aber wird ein 1 solcher Bundesjustizminister, wenn er dem höchsten überparteilichen Bundesgericht gegenüber sein Gesicht verliert und es nicht nur herabsetzt, sondern beschimpft und vernichtigt.
    Der Bundesrat hat deswegen am 18. Dezember 1952 beschlossen, den Herrn Bundeskanzler um Aufklärung über die Haltung des Bundesjustizministers in diesem Verfassungsstreit mit dem Bundesverfassungsgericht zu bitten. Er hat am gleichen Tage einen Antrag angenommen, nach dem das Bundesverfassungsgericht in Zukunft seinen eigenen Etat erhalten soll, der es vom Bundesjustizminister unabhängig machen soll, und zwar mit der Begründung, daß dieses Gericht auch in haushaltsrechtlicher Hinsicht nicht Männern unterstellt sein dürfte, die ihm in der Öffentlichkeit die Achtung versagten und dadurch die Grundlage des Rechtsstaates erschütterten.

    (Zustimmung und Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)

    Ich glaube, meine Damen und Herren, ich komme weder bei Herrn Dr. Dehler selbst noch bei seinen Freunden in den Verdacht, daß bei mir irgendeine persönliche Antipathie mitsprechen könnte. Wir wissen alle, daß Dr. Dehler eine saubere politische Vergangenheit hat und vor und nach 1933 ein aufrechter Demokrat gewesen ist. Aber wir dürfen nicht übersehen, daß sein demokratischer Sündenfall zeitlich ziemlich genau mit der Übernahme des Amtes des Bundesjustizministers zusammenfällt,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    einem Amte, dem er, wie wir gesehen haben, ganz einfach nicht gewachsen ist.

    (Sehr wahr! Sehr gut! bei der SPD.)

    Auch der ihm nahestehenden Presse, die von der Integrität seiner Persönlichkeit überzeugt ist, graut vor dem Furor seiner Sonntagsreden. Vor einiger Zeit erinnerte ihn die Wochenzeitung „Christ und Welt" daran, er möge doch Jacobus Kap. 3 nachlesen. In Jacobus 3, 8 steht: „Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel voll tödlichen Gifts."

    (Heiterkeit.)

    Allerdings habe ich den Eindruck, daß diese
    Dehler-Zunge in der Tat kein Mensch zähmen
    kann, dieses unruhige Übel voll tödlichen Gifts.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Renner: Was steht bei Lassalle über das Wesen dieses Verfassungsgerichts?)

    Wenn nun der Herr Bundesjustizminister auf seine Behauptungen festgenagelt wird, dann erklärt er, er habe es „anders gemeint als gesagt". Auch nach der Bad Emser Rede hat er erklärt, er habe das Bundesverfassungsgericht zwar gemahnt, aber er habe es nicht mahnen wollen. Er hat ja auch einmal in diesem Hause „Sie Schuft" gesagt und hinterher erklärt, er habe das nicht gemeint, er habe persönlich nicht beleidigen wollen.

    (Zuruf von der SPD: Ähnlich war es auch im Bayerischen Landtag!)

    — Da bin ich leider nicht gewesen. — Was einer meint, das muß er auch sagen können,

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr gut!)

    und wenn er nicht in der Lage ist, das zu sagen, was er meint, dann genügt er eben nicht für ein öffentliches Amt.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Dr. Gülich)

    Wer nicht sagen kann, was er meint, der gilt schon im zivilen Leben als nicht vollwertig. Im öffentlichen Leben aber ist er schlechthin untragbar.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Eine im privaten Gespräch gemachte Äußerung kann zurückgenommen oder interpretiert werden; öffentlich abgegebene Äußerungen eines Ministers sind nicht wiedergutzumachen und durch keine Interpretation aus der Welt zu schaffen. Handelt es sich dabei um den Bundesjustizminister, so wird die Lage noch dadurch verschärft, daß dieser durch sein Amt, wie ich schon angedeutet habe, zu besonders verantwortungsvollen und zurückhaltenden Äußerungen verpflichtet ist. Dieser Justizminister aber scheint geradezu prädisponiert dazu, unverantwortliche Erklärungen über innen- und außenpolitische Fragen abzugeben — auch über solche, die ihn ressortmäßig überhaupt nichts angehen — und diese Aussagen alsdann zu dementieren oder zu interpretieren.
    Ich brauche Ihnen die lange Reihe dieser Äußerungen, die meist eine traurige Berühmtheit erlangt haben, nicht in Erinnerung zu rufen. Auf dem Gebiet der Innenpolitik läuft eine Reihe mehr oder weniger großer Skandale, die durch Äußerungen des Herrn Dr. Dehler hervorgerufen worden sind, von Äußerungen über den Rentenschwindel bis zu solchen über das bösartige Geschwür der deutschen Gewerkschaften. Herr Dr. Dehler hat solche Äußerungen hinterher stets dementiert oder interpretiert und dadurch seine angeschlagene Stellung zu behaupten versucht.

    (Abg. Kunze: Bei Ihnen gibt es das nicht?! -Heiterkeit in der Mitte.)

    — Das steht nicht zur Diskussion, Herr Kunze.

    (Abg. Kunze: Das schwingt aber durch den Raum, verehrter Herr Kollege!)

    Da aber Herr Dr. Dehler für die sofortige Verbreitung aller seiner Äußerungen sorgt, sind solche Richtigstellungen hinterher ohne Wirkung.
    Auf außenpolitischem Gebiet aber wird seine Äußerungs- und Dementierungstaktik zur Katastrophe. Wieviel Porzellan ist durch solche Äußerungen von ihm zerschlagen worden, von den Aussagen über das deutsch-französische Verhältnis bis zu den letzten Coburger Äußerungen über das Abkommen mit Israel, die selbst der Herr Bundeskanzler verurteilte! Wenn Äußerungen des Bundesjustizministers in der deutschen und ausländischen Presse erscheinen, das Abkommen mit Israel sei auf Wunsch der Amerikaner zustande gekommen und werde von diesen hoch honoriert werden,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    so helfen spätere Dementierungen gar nichts,

    (Zuruf von der SPD: Toll!)

    die heute auch von den Naiven nur als eine andere Form der Bestätigung betrachtet werden.
    Im höchsten Maße gilt dies von den Äußerungen über das Bundesverfassungsgericht, die unser Antrag zum Gegenstand hat.
    Herr Dr. Dehler hätte längst von seinem' Amt zurücktreten müssen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Er hat es nicht getan. Seine Freunde hätten ihn längst davon überzeugen müssen, daß er zurücktreten müsse. Dies ist offensichtlich nicht, jedenfalls nicht mit Erfolg geschehen. Darum muß der Bundestag als das zur Kontrolle berufene Organ
    des Staates klar aussprechen, daß er solche An-
    griffe auf das höchste deutsche Gericht mißbilligt.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst Anlaß, noch um Ihre Nachsicht zu bitten, daß ich Ihnen am vergangenen Donnerstag nicht zur Verfügung stand. Nach dem Gang der Verhandlungen der Plenarsitzung war anzunehmen, daß die Mißbilligungsanträge der SPD nicht mehr zur Verhandlung kommen würden.

    (Abg. Dr. Menzel: Wieso?)

    Nur deswegen war ich nach 7 Uhr nicht mehr im Saal.
    Herr Professor Gülich hat den Mißbilligungsantrag weit über den Anlaß hinaus begründet. Er hat es für richtig gehalten, mich sehr pauschaliter politisch abzuwerten, zu erklären, meine an sich nicht zu beanstandende politische Laufbahn sei plötzlich kupiert worden, als ich das Amt des Justizministers des Bundes übernommen hätte; gewissermaßen sei mir dieses Amt vielleicht zu Kopf gestiegen, ich sei auf jeden Fall nicht tauglich für dieses Amt. Er hat mich hingestellt als einen Mann, der fortgesetzt unbedachte Äußerungen gebraucht, die er hinterher dementiert, als einen Mann, der Gewicht darauf legt, daß seine Äußerungen möglichst rasch verbreitet werden, der also nach publicity giert.
    Es ist ja schwer, wenn man sich selbst verteidigen muß. Er hat vor allem — —

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    — Bitte, für mich zeugt meine Haltung nicht nur bis zum 12. September 1949, sondern bis zum heutigen Tage.

    (Beifall bei der FDP.)

    Gott sei Dank! Ich glaube einen klaren Weg gegangen zu sein. Ich überschätze mich nicht. Ich überschätze auch nicht meine politischen Möglichkeiten. Aber das nehme ich für mich in Anspruch: daß ich in ehrlicher, anständiger, gerader Weise meine Sache vertreten habe.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

    Ich habe viele heiße Eisen angerührt. Andere scheuen sich, das zu tun.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Das, was ich gesagt habe, hat in der Presse nicht immer die richtige Resonanz gefunden. Herr. Professor Gülich, wenn Sie meinen, das, was irgendein Reporter — was weiß ich, in Uslar oder Göttingen oder sonstwo — aus einer 1 1/2 stündigen Rede herausnimmt und in die Welt schickt, sei der Niederschlag meiner politischen Überzeugung, und man könne mich nach einer solchen beinahe zwangsläufig eben verkürzten, oft entstellten Äußerung beurteilen, dann haben Sie, Herr Professor Gülich, von dem Glück und dem Unglück eines Redners keine Ahnung.
    Ich bin gern bereit, mich über alles auseinanderzusetzen. Aber zunächst einmal zu dem Vorwurf, dieser Bundesjustizminister sei ein Minister ganz besonderer Art, der Bundesjustizminister sei ungefähr das Symbol der Gerechtigkeit des Staates und ihm zieme es nicht, sich politisch zu äußern. Diese


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Anschauung findet glaube ich, weder im Grundgesetz noch in der Praxis des Parlaments von eh und je irgendeine Grundlage.
    Wenn die Verfassungspläne des Herrn Dr. Eschenburg verwirklicht würden, daß der Bundesjustizminister aus der parlamentarischen Verantwortung herausgenommen und gar nicht vom Parlament gewählt wird, sondern von irgendeinem objektiven Richtergremium nominiert wird, dann können Sie, Herr Professor Gülich, erwarten, daß ' ein Bundesjustizminister über den Wolken, zumindest über den Niederungen des politischen Kampfes steht. Ich bin Vorsitzender einer Landespartei. Ich_ will nicht das große Wort gebrauchen, ich sei ein Politiker. Wer ist das? Vielleicht ein Mann in diesem Saale: der Bundeskanzler, sonst keiner.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe links.)

    Aber ich bin ein Mann, der sich politisch bemüht, und ich nehme für mich selbstverständlich das Recht in Anspruch, zu den politischen Dingen Stellung zu nehmen. Ich werde ja von dem Vertrauen meiner Freunde getragen. Ich weiß nicht, Herr Professor Gülich, ob Sie seit 1946 in jedem Jahr wieder fast einstimmig von Ihren Freunden zum Vorsitzenden eines Landesverbandes gewählt worden sind,

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien — Lachen und Zurufe von der SPD)

    nicht etwa von Leuten, die parteihörig sind, sondern von Leuten mit sehr kritischer Haltung.
    Der Satz, daß einem Bundesjustizminister das Recht genommen sei, sich politisch zu äußern, ist also nicht richtig, und ich sage mit aller Deutlichkeit: Bevor ich Bundesjustizminister bin, bin ich ein Mann, der sich politisch bemüht und der sich das Recht, das, was er für richtig hält, zu sagen, keinen Augenblick nehmen oder auch nur verkürzen läßt.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe mich dessen, was ich als Bundesjustizminister gemacht habe, nicht zu schämen, das nehme ich für mich in Anspruch.

    (Zuruf links: Er kann das gar nicht mehr!)

    Ich habe aus dem Nichts heraus ein Amt aufgebaut, das sich sehen lassen kann,

    (anhaltende Zurufe links)

    ein Amt, das die Forderungen, die Sie, Herr Professor Gülich, erheben, erfüllt und das wirklich über den Parteien und über jeder Politik steht,

    (Lachen links)

    ein Amt, das aus hochwertigen Künstlern und 'Kunsthandwerkern des Rechts besteht. So sind die Dinge.

    (Gelächter links. — Zurufe: „Kunsthandwerker"! „Professor der Kunstakademie!")

    Meine Damen und Herren, ich will auch nicht die Gesetzgebungsarbeit meines Ministeriums unter den Scheffel stellen, an der ich wesentlich teilgenommen habe.

    (Abg. Mellies: Ihre Äußerungen über das Bundesverfassungsgericht stehen zur Debatte!)

    — Ja, ja, Herr Mellies, warum hat Ihr Fraktionsredner es für richtig gehalten, den Mißbilligungsantrag auf Grund meiner Äußerungen über das
    Bundesverfassungsgericht zum Anlaß zu nehmen, den Versuch zu machen, mich hier als Mensch, als Bundesjustizminister und auch als Politiker zu diffamieren? Wie kommt er dazu? Woher nimmt er das Recht dazu?

    (Abg. Dr. Menzel: Jetzt geht's wieder los! Jetzt fängt`s wieder an! Es soll wohl wieder Krach geben? — Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt lenkt er ab! -Anhaltende Zurufe links.)

    Aber zur Sache. Es wird mir um Vorwurf gemacht, ich hätte mich zu einem vor dem Bundesverfassungsgericht schwebenden Verfahren geäußert. Ich hätte schuld daran, daß Zweifel an der Rechtlichkeit und Unparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts erregt worden seien. Es wird mir vorgeworfen, daß ich den Plenarbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November — verkündet am 9. November 1952 — als „Nullum" bezeichnet hätte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es wird mir vorgeworfen, ich hätte das Bundesverfassungsgericht des Rechtsbruchs verdächtigt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es wird dann auch behauptet, ich hätte — ich will das vorwegnehmen — den Herrn Bundespräsidenten an seinen Eid erinnert, als am 9. Dezember darüber gesprochen wurde, ob er seinen Gutachtensauftrag an das Bundesverfassungsgericht weiterlaufen lassen oder ob er ihn zurücknehmen solle.

    (Abg. Heiland: Das Geständnis ist neu! — Abg. Renner: Das haben w i r gemacht! — Anhaltende Zurufe links.)

    — Das ist ja Gegenstand des morgigen Antrags gegen den Herrn Bundeskanzler, der noch besonders behandelt wird und der sich mittelbar auch gegen mich richtet. Es ist wohl zweckmäßig, die Dinge im Zusammenhang damit zu behandeln.
    Herr Professor Gülich sagte eingangs seiner Ausführungen, es gehe nicht um die Richtigkeit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
    — so habe ich ihn verstanden —, es gehe auch nicht etwa um die Struktur oder um die Situation des Bundesverfassungsgerichtes, sondern es gehe nur um meine Äußerungen. Ja, meine Äußerungen beziehen sich auf bestimmte Vorgänge des Bundesverfassungsgerichts. Meine Qualifizierung des Beschlusses vom 8. Dezember vorigen Jahres als Nullum ist eine rechtliche Wertung.

    (Lachen bei der SPD.)

    Wenn Sie mich deswegen mißbilligen wollen, dann muß ich Ihnen meinen Standpunkt zu diesem Beschluß sagen. Darum kommen wir nicht herum. Es ist nur die Frage, ob es zweckmäßig ist, diese Dinge hier im Plenum zu erörtern.

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber am Ende muß das Hohe Haus ja wissen, worum es geht. Vielleicht hat der Mißbilligungsantrag der SPD irgendwie ein Gutes.

    (Abg. Dr. Menzel: Hoffentlich!) Er verweist


    (Abg. Renner: Auf den Nullus!)

    auf einen Zustand, der immerhin mit Krise bezeichnet werden kann.

    (Zuruf links: Das haben Sie ja bestritten!)



    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Herr Professor Gülich, Sie fragen, ob gerade der Bundesjustizminister der Mann ist, der dann, wenn er glaubt, daß die Entwicklung des Bundesverfassungsgerichts nicht glücklich ist, nicht richtig verläuft, die Stimme warnend erhebt. Ich frage, wer soll es denn tun?

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Sie Spekulateur! — Abg. Renner: Jetzt wird es schön!)

    Wer im Staate hat noch die Möglichkeit, wenn er Sorge hat, die Dinge könnten nicht gut gehen, wer hat noch die Qualität,

    (große Heiterkeit bei der SPD)

    zu warnen?

    (Fortgesetze Heiterkeit bei der SPD.)

    — Ich spreche doch nicht von mir, ich spreche von dem Amt,

    (Zurufe von der SPD — Abg. Renner: Er ist die Krone der Verfassung!)

    das ich bekleide. Wer sonst, als der Bundesminister der Justiz hat Recht und Pflicht, das, was nötig ist, zu sagen?

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Da kommen — —

    (Zuruf von der SPD: Sie wollen wieder interpretieren! — Abg. Renner: Richtig! — Erneuter Zuruf von der SPD: Warten Sie mal, was Ihnen der Kanzler nachher sagt! Hoffentlich sagt er Ihnen etwas!)

    — Na, mit dem Herrn Bundeskanzler verbindet mich eine gute Beziehung, das darf ich sagen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Er hat manchmal väterliche Sorgen um mich.

    (Große Heiterkeit.)

    — Na gut! Am Ende ist er sehr wohlwollend, möchte ich feststellen.

    (Fortgesetzte Heiterkeit.)

    Erwarten Sie also nicht zu viel. Ich habe gesagt vielleicht ist diese Aussprache nicht ohne Berechtigung.

    (Zurufe von der SPD.)

    Denn das empfindet ja jeder in Deutschland, das hat seinen Niederschlag bis in die letzte deutsche Zeitung und bis in die Zeitungen des Auslandes gefunden,

    (erneuter Zuruf von der SPD)

    daß unsere Verfassungsgerichtsbarkeit — sagen wir —

    (Na, na! bei der SPD)

    sich noch nicht zur Klarheit durchgerungen hat,

    (Abg. Renner: Sie sorgen für die Klarheit. Ist es Ihr Amt, für diese Klarheit zu sorgen?)

    daß unsere Bundesverfassungsgerichtsbarkeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Wenn darüber einer am Ende sprechen kann, dann bin ich es;

    (Lachen bei der SPD)

    denn keiner hat sich so leidenschaftlich für diese Form der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit überhaupt eingesetzt wie ich, und zwar schon in Bayern. Auf mich geht zurück, daß in der bayerischen Verfassung

    (Zurufe von der SPD)

    der Verfassungsgerichtshof auch mit einer sehr weitreichenden Zuständigkeit versehen worden ist. So wie das Bundesverfassungsgericht jetzt in seinen Zuständigkeiten ausgestattet ist, geht es zurück auf die Arbeit im Redaktionsausschuß des Parlamentarischen Rats. Ihres Parteifreundes Zinn, des jetzigen hessischen Ministerpräsidenten, des Herrn Dr. von Brentano und von mir selbst. Daß die Dinge schwierig, vielleicht sogar in der Krise sind, kann ich gerade mit einer Äußerung meines Freundes Zinn, darf ich vielleicht immer noch sagen,

    (Lachen bei der SPD)

    belegen. Er hat kürzlich gesagt, der Rechtsstaat kann seine eigentliche Funktion nur erfüllen, wenn der Gerichtsbarkeit in Fragen, die in das politische Grenzland hinübergreifen, eine weise Beschränkung gesetzt wird.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wo ist diese weise Beschränkung geblieben! Darum geht es ja!)

    Er begrüße es daher, daß man dieses Problem erkannt habe und der Lehre von den justizfreien Hoheitsakten größere Beachtung schenke. Diese Äußerungen sind eine Kritik an unserem Grundgesetz, an der darin getroffenen Regelung der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit und vielleicht, so möchte ich meinen, auch eine Kritik an der Praxis des Bundesverfassungsgerichts. Es wirft sich eben die Frage auf, ob wir im Parlamentarischen Rat nicht einen Fehler gemacht, ob wir nicht die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts zu weit gesteckt, ob wir uns nicht übernommen, ob wir nicht die justizstaatlichen Elemente im Verfassungsgefüge übersteigert haben.

    (Abg. Renner: Das sollen dann der Polizeiminister und der Justizminister beurteilen!)

    Uns stand damals schon vor Augen, was der große deutsche Staatsrechtler Triepel jetzt gerade vor 25 Jahren gesagt hat: daß das Wesen der Verfassung bis zu einem gewissen Grade mit dem Wesen der Verfassungsgerichtsbarkeit in Widerspruch steht; denn er hat gesagt: in der Welt des Politischen geht das Streben auf Durchsetzung mit Macht und Kampf, nicht aber auf Lösung durch Richterspruch. Wir haben diese Warnung damals beiseite geschoben. Vielleicht haben wir jetzt schon einen Punkt erreicht — es ist auch ein bekanntes warnendes Wort —, an dem die Politik durch die Verfassungsgerichtsbarkeit alles zu verlieren droht, während die Justiz dabei nichts zu gewinnen hat.
    Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht stand bei dem Beginn seiner Arbeit ja vor ganz gewaltigen Aufgaben. Ein Gericht bildet sich nicht nur dadurch, daß man 24 Damen und Herren die Ernennungsurkunde als Bundesverfassungsrichter übergibt. Ein Gericht setzt ja so viel voraus.

    (Zuruf von der SPD: Kommen Sie mal zum Thema!)

    — Das ist das Thema. Sie können ja das, was ich gesagt habe, nur verstehen, wenn Sie wissen, auf welcher Grundlage ich mich geäußert habe.

    (Zuruf von der Mitte: Das wollen sie ja nicht wissen! — Zurufe von der SPD: Aber w i e geäußert! — Weitere Zurufe von der SPD.)



    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Meine Damen und Herren, Sie kennen die Schwierigkeiten in der Struktur unseres Bundesverfassungsgerichts, die politische Auswahl, oder richtig gesagt: die Auswahl der Richter durch den Bundestag und Bundesrat. Ich habe das Recht, darauf hinzuweisen; denn ich habe damals im Parlamentarischen Rat davor gewarnt, das zu tun. Sie kennen die Schwierigkeit, die sich aus der Struktur des Gerichts ergibt. Sie wissen, daß entgegen meinem Vorschlag ein Zwillingsgericht gebildet wurde, ein Gericht, das aus zwei Senaten besteht. Sie wissen hoffentlich von den Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß die Zuständigkeiten auf diese beiden Senate aufgeteilt werden mußten, auch die Schwierigkeiten, die sich aus der Art, wie die Senate besetzt worden sind, ergeben. Sie wissen ja von dem törichten Gerede, das fast überall herumgeht. Sie kennen das Gerede von dem roten und von dem schwarzen Senat.

    (Abg. Mellies: Das haben Sie aufgebracht! Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    — Wer hat sich in dieser Frage vor das Bundesverfassungsgericht gestellt, wenn nicht ich! Ja, bitte, Herr Mellies, wenn Sie wissen wollen, wie dieses Gerede in die Welt kam, will ich es Ihnen sagen.

    (Abg. Mellies: Ich weiß es ganz genau! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Ich habe erst gestern einen Journalisten gesprochen, der es mir berichtet hat. Damals, als der erste Streit über das Neugliederungsgesetz durchgeführt wurde, da habe er, sagte er mir, einen Ihrer Partei, Herr Mellies, angehörenden Richter gesprochen, und der habe ihm gesagt, er komme gerade aus einer Fraktionssitzung.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    So ist dieses Gerede entstanden und von außen hineingetragen worden.

    (Lebhafte Zurufe und große Unruhe bei der SPD. — Abg. Dr. Arndt: Sie sind ein Verleumder! Ein Verleumder sind Sie! — Weitere Zurufe: Namen nennen! Unerhört!)

    — Ich will mich nicht gegen die Vorwürfe eines Marines verwahren, der mich nicht kränken kann.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

    Ich sage es noch einmal: Wer hat sich vor das Gericht gestellt und hat vor einer solchen Qualifizierung der einzelnen Senate gewarnt?! Ich habe es getan entsprechend meiner Pflicht!

    (Zuruf von der SPD: Ihre Zeitung!)

    Was steht denn im Augenblick als Konfliktstoff über diesem Gericht? In Wirklichkeit zwei Meinungen, um deren Klärung .es geht — zwei Meinungen über das Wesen der Verfassungsgerichtsbarkeit. Es ist die eine — nach meiner Meinung sehr gefährliche — Auffassung, daß das Bundesverfassungsgericht seinem Wesen nach eine politische Funktion besitze, daß es gewissermaßen der Schiedsrichter im Streit sei, daß es der oberste verfassungsmäßige Träger des Staatsgewalt sei. Es ist die Meinung, das Bundesverfassungsgericht stehe über der Verfassung, mit der Folge, daß am Ende die politische Willensentscheidung der Mehrheit der Richter die wirkliche Verfassung gestalten würde, unter der wir zu leben hätten. Diese Meinung bedeutet, daß das Bundesverfassungsgericht eine Überregierung und ein Überparlament
    sei.
    Dagegen steht die richtige Meinung, daß das Bundesverfassungsgericht ein Gericht ist, ein echtes Gericht und nur ein Gericht, daß seine Entscheidungen ausschließlich Rechtsentscheidungen sind, daß es nicht Herr der Verfassung, sondern Hüter der Verfassung ist

    (Abg. Renner: Und Diener von Adenauer!)

    und daß es das Recht und nur das Recht anzuwenden hat.
    Meine Damen., und Herren! Wenn ich über diesen Konflikt spreche, dann nicht ohne konkreten Anhaltspunkt. Maßgebende Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich, zum Teil bei der Beratung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und auch in der Folgezeit, in einer Art geäußert, die zu Zweifeln über die richtige Erkenntnis von dem Wesen des Bundesverfassungsgerichts Anlaß gab. Wenn ein Richter erklärt hat, es handle sich bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gerade in den wichtigen Fällen um politische Entscheidungen in juristischem Gewande, so ist das der Niederschlag dieses verhängnisvollen Irrtums. Nicht anders ist es, wenn andere Richter gesagt haben:
    Die Verfassungsgerichte haben eine aktive politische Funktion; sie haben geradezu die Aufgabe, den pouvoir constituant auszuüben, wobei schließlich nicht einmal der Inhalt des ursprünglichen Verfassungsrechts selbst unberührt bleiben würde.
    Oder wenn gesagt wird, die Verfassungsgerichte seien eher mit Unabhängigkeit ausgestattete Regierungsorgane besonderer Art als normengebundene, den anderen Gerichten vergleichbare Gerichte. Oder wenn ein anderer wieder sagt, das Bundesverfassungsgericht müsse sich bei seinen Entscheidungen der politischen Folgen seiner Entscheidungen bewußt bleiben, und sei es auch nur, um seine Rechtsentscheidungen um so sorgfältiger abzuwägen, und dürfe auch der Frage nicht ausweichen, ob nicht durch seine Entscheidungen ein gesetzlicher Zustand herbeigeführt werden könne, der eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates bedeute.
    Meine Damen und Herren! Hier ist das gesagt, was ich nicht will. Hier ist das gesagt, vor dem ich gewarnt habe, wenn ich sagte: Ich möchte hoffen, daß die Richter des höchsten deutschen Gerichts keine politischen Willensentscheidungen, sondern Rechtsentscheidungen treffen! Und hier ist die Grundlage dafür, warum diese Mahnung berechtigt ist.
    Ich sage mit allem Nachdruck: Niemand — weder ich noch irgend jemand in der Bundesregierung
    — hat jemals daran gedacht, dem Bundesverfassungsgericht Rechtsbruch oder Rechtsbeugung vorzuwerfen.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    — Ich werde auf die Äußerungen eingehen. — Ich wiederhole mit allem Nachdruck: Niemand von uns denkt daran! Ich bin der Überzeugung, daß eine Anzahl von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts anfechtbar ist. Aber es sind Richtersprüche, die den Anspruch erheben können, rechtlich begründet zu sein. Das ist ja eigentlich gar nicht das Problem; worauf es ankommt und worauf es besonders mir ankommt, ist, daß die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr begründet, daß dieses Gericht die Grenzen seiner Kompetenzen nicht


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    richtig zieht. D a s ist das Problem. Ich weiß nicht, Herr Professor Gülich, ob Sie sich die Mühe gemacht haben, unter diesem Gesichtspunkt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu überprüfen, ob Sie überhaupt nur verstanden haben, was ich sagen wollte.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Wenn Sie das verstanden hätten, dann hätten Sie sich gehütet, die Vorwürfe zu erheben, wie Sie es für richtig gehalten haben.

    (Zurufe von der SPD. Es gibt nur einen einzigen Juristen: Herrn Dehler! — Das war im Bayerischen Landtag so, und das ist hier auch so!)

    — Das ist das Letzte, was Sie mir vorwerfen können: daß ich überheblich sei.

    (Lachen bei der SPD. — ,Abg. Mellies: Damit fängt es bei Ihnen erst an!)

    Daß ich es als eine Pflicht meines Amtes empfinde, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig zu überwachen, d. h. zu beobachten und die Folgerungen daraus zu ziehen,

    (Abg. Mellies: „Zu überwachen"! Hört! Hört!)

    das werden Sie mir nicht verdenken können.
    Meine Herren, wir wollen die Aussprache konkret führen, nicht mit allgemeinen Redensarten, wie Herr Professor Gülich beliebte; ganz konkret.

    (Abg. Renner: Sie sind der Überwacher des Bundesverfassungsgerichts! — Abg. Mellies: „Überwachen" hat er gesagt!)

    Ich werde Ihnen darlegen, aus welchen Tatsachen meine Sorge gewachsen ist, daß das Bundesverfassungsgericht sich nicht auf dem richtigen Wege befindet.

    (Abg. Dr. Menzel: Das ist doch nicht Ihre Aufgabe!)

    Greifen Wir einmal zurück auf einige Urteile.
    Im Südweststaat -Urteil — Sie haben es vielleicht noch vor Augen — ist der Satz aufgestellt worden, daß der objektive Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zur Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes nicht genüge, sondern daß der Nachweis dazukommen müsse, daß die Beteiligten sich der Verletzung des Gleichheitssatzes bewußt waren. Meine Damen und Herren, ein Satz, der im Widerspruch zur Rechtsprechung und zur Rechtslehre steht! Überall ist anerkannt, daß jeder objektive Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zur Nichtigkeit eines Gesetzes führt.
    Ein anderes Urteil, das über die Geschäftsordnung Ihres Hohen Hauses, gibt zu einer Fülle von Beanstandungen Anlaß. Es hält vor allem den Gleichheitsgrundsatz — damals handelte es sich um die Frage der Deckungsvorschläge — für verletzt, weil die Geschäftsordnung des Bundestages lediglich von den Mitgliedern des Bundestages, nicht aber von sonstigen Initianten, Bundesrat und Bundesregierung, den Deckungsvorschlag verlange. Es hat dabei vollkommen übersehen, daß sich die Geschäftsordnung des Bundestages nur auf die eigenen Angelegenheiten des Bundestages beziehen kann. Ich habe damals über dieses Urteil, das wirklich nach meiner Meinung schwere Fehler enthält, dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts in einem Brief vom . April vorigen Jahres meine Meinung geschrieben und habe am Schluß dieses
    Briefes an den Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Höpker-Aschoff, bemerkt: ,,Ich schreibe Ihnen meine Meinung, weil mir der Geist, der aus dem Urteil vom 6. März spricht, Sorge macht." Ich will die Antwort des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts nicht im Wortlaut wiedergeben; der Brief beginnt mit den Worten: „Sie urteilen sehr milde über das Urteil."

    (Hört! Hört! bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, das habe ich auch getan aus der Sorge um den rechten Weg des Bundesverfassungsgerichts, wirklich nicht — wie mir Herr Professor Gülich unterstellt — aus dem Willen, diesem Gericht Schaden zuzufügen. Welche Verkennung meiner Absichten und meiner Aufgaben!

    (Zurufe von der SPD.)

    Ein anderes Urteil. Im Urteil bezüglich des schleswig-holsteinischen Wahlgesetzes ist die Partei des Südschleswigschen Wählerverbandes als Antragstellerin zugelassen worden, obwohl politische Parteien weder nach dem Grundgesetz noch nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz ein Antragsrecht besitzen, dieses vielmehr nur Verfassungsorganen und Teilen von solchen, also nur Trägern von Staatshoheit, von Hoheitsmacht zukommt. Ich berichte Ihnen diese Urteile, weil sich aus ihnen die Tendenz ergibt, die Sie, meine Herren, als Gesetzgeber keinesfalls billigen können, daß das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe des Gesetzgebers in Anspruch nimmt.
    Eine sehr interessante Entscheidung: Normenkontrolle. Das Bundesverfassungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß sich hinsichtlich der Normenkontrolle auf Vorlage durch die Gerichte die Überprüfung nur auf formelle Gesetze erstrecke, nicht dagegen auf Verordnungen. Im Gegensatz dazu hat es bei der Normenkontrolle auf Antrag von Verfassungsorganen die Überprüfungspflicht und das Überprüfungsrecht nicht nur auf formelle Gesetze, sondern auch auf Verordnungen erstreckt. Die Normenkontrolle ist doch ein einheitliches Rechtsinstitut. Ich finde nicht den Grund für diese Unterscheidung.
    In der ersten Wehrbeitragssache wird von dem richtigen Grundsatz ausgegangen, daß es keine vorbeugende Normenkontrolle gibt. Aber unter Bruch der Gedankenführung wird dann eine Ausnahme für die sogenannten Vertragsgesetze zugelassen, und das wird mit reinen Zweckmäßigkeitserwägungen begründet. Es ist kein Grund für die Zulassung dieser Ausnahme erfindlich, weil die Antragsteller ihre Sache in dem gesetzlich gegebenen Verfahren des Organstreits nach § 13 Ziffer 5 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes verfolgen können.
    Das Urteil, das 'am meisten zu Bedenken Anlaß gibt, auch wegen der gefährlichen Tendenz der Ausweitung der Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts, ist das Urteil gegen die Sozialistische Reichspartei, nach meiner Meinung belastet mit einer Fülle von Mängeln. Zunächst ist eine einstweilige Verfügung — Sie wissen es vielleicht noch — ergangen.

    (Zurufe links: Ist das Recht, was Sie hier machen? — Professor! -Abg. Mellies: Herr Bundeskanzler! — Das ist ja doch grotesk!)

    — Sie wollen meine Kritik zum Gegenstand einer Mißbilligung machen und wollen die Gründe meiner


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Haltung nicht erkennen, wollen nicht zulassen, daß ich Ihnen sage, daß ich aus ernstester Sorge um unsere Verfassungsgerichtsbarkeit die Stimme erhoben habe. So sind doch die Dinge.

    (Abg. Mellies: Machen Sie nur so weiter!)

    — Ach, Herr Mellies, ich glaube, Sie sollten besser schweigen. Wenn ich Sie so ansehe, Herr Mellies, wissen Sie, was ich da tun möchte? Da möchte ich auf den Knien nach Hannover rutschen und einen Kurt Schumacher wieder ausgraben.

    (Beifall rechts. — Lachen links.)

    Na, politischer Irrtum und Leidenschaftlichkeit sind zu ertragen. Politischer Irrtum und Mittelmaß, die gehen einem auf die Nerven.

    (Sehr gut! und Beifall rechts. — Unruhe bei der SPD.)