Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abkommen mit dem Staate Israel, das der Bundestag heute behandelt, hat seit dem Beginn der Haager Verhandlungen im März vorigen Jahres, besonders aber seit seiner Unterzeichnung am 10. September 1952 in Luxemburg durch mich und den israelischen Außenminister, Herrn Scharett, in ungewöhnlich starkem Maße die deutsche und die Weltöffentlichkeit beschäftigt. Durchaus mit Recht; denn mit diesem Vertrage, zusammen mit dem in Kürze dem Bundestag zugehenden Entschädigungsgesetz, bestätigt die Bundesregierung nunmehr durch die Tat den feierlich versprochenen Abschluß eines für jeden Deutschen traurigsten Kapitels unserer Geschichte. Eine solche Tat ist schon aus moralischen Gründen eine Notwendigkeit. Sicher: bei weitem nicht alle Deutschen waren Nationalsozialisten, und es hat auch manche Nationalsozialisten gegeben, die mit den begangenen Greueln nicht einverstanden waren. Trotzdem ist dieser Akt der Wiedergutmachung durch das deutsche Volk, notwendig. Denn unter Mißbrauch des Namens des deutschen Volkes sind die Untaten begangen worden.
Soweit überhaupt durch unsere Kraft etwas für die Beseitigung der Folgen geschehen kann — ich denke hier an die entstandenen materiellen Schäden, die der Nationalsozialismus den von ihm Verfolgten zugefügt hat —, hat das deutsche Volk die ernste und heilige Pflicht zu helfen, auch wenn dabei von uns, die wir uns persönlich nicht schuldig fühlen, Opfer verlangt werden, vielleicht schwere Opfer. Die Bundesregierung hat seit ihrem Bestehen diese Pflicht immer anerkannt. Durch ihre Erfüllung wollen wir die Schäden wiedergutmachen, soweit das möglich ist, soweit das in unserer Kraft steht. Der Name unseres Vaterlandes muß wieder die Geltung bekommen, die der geschichtlichen Leistung des deutschen Volkes in Kultur und Wirtschaft entspricht.
Wir haben es bei dem Ihnen heute vorliegenden Vertragswerk, das die Wiedergutmachung zugunsten der Juden behandelt, mit einem Teilabschnitt des Gebietes der Wiedergutmachung zu tun, allerdings vielleicht mit dem wichtigsten. Die Juden, nicht nur in Deutschland, sondern überall, wohin der Arm des Nationalsozialismus reichte — und das war lange Zeit während des Krieges der größte Teil von Europa —, haben die grausamste Verfolgung über sich ergehen lassen müssen. Das Ausmaß dieser Verfolgung, die Opfer an Menschen und materiellen Werten, die sie zur Folge hatte, rechtfertigt nicht nur, sondern verlangt eine Sonderbehandlung der Wiedergutmachung an den jüdischen Verfolgten.
Ich habe namens der Bundesregierung vor diesem Hohen Hause am 27. September 1951 Aus-
führungen zur Frage der jüdischen Wiedergutmachung gemacht, von denen ich einige Sätze heute hier wiederholen möchte:
Im Namen des deutschen Volkes sind . . . unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl hinsichtlich der individuellen Schäden, die Juden erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, für das heute individuell Berechtigte nicht mehr vorhanden sind. Auf diesem Gebiet sind erste Schritte getan. Sehr vieles bleibt aber noch zu tun ....
Hinsichtlich des Umfangs der Wiedergutmachung — in Anbetracht der ungeheuren Zerstörung jüdischer Werte durch den Nationalsozialismus ein sehr bedeutsames Problem — müssen die Grenzen berücksichtigt werden, die der deutschen Leistungsfähigkeit durch die bittere Notwendigkeit der Versorgung der zahllosen Kriegsopfer und der Fürsorge für die Flüchtlinge und Vertriebenen gezogen sind. Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern.
Das Hohe Haus hat diese Ausführungen damals einmütig gebilligt. Somit hat die Bundesregierung von Ihnen, meine Damen und Herren, das Mandat zur Aufnahme der Verhandlungen mit dem Staate Israel und den jüdischen Weltverbänden erhalten, deren Ergebnis das Ihnen vorliegende Abkommen ist.
Lassen Sie mich auf seine Grundlagen und wichtigsten Bestimmungen kurz eingehen. Bei den Leistungen der Bundesrepublik an den Staat Israel handelt es sich nicht um Reparationen. Das Deutsche Reich hat gegen diesen Staat, der bekanntlich erst im Jahre 1948 entstanden ist, keine Kriegshandlungen begangen, die die Bundesrepublik zu Reparationen verpflichten könnten. Die in dem Abkommen zugesagten Zahlungen sollen vielmehr den Staat Israel im Rahmen unserer Leistungsfähigkeit für die Lasten entschädigen, die ihm durch die Eingliederung von Hunderttausenden von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland und den ehemals unter deutscher Herrschaft stehenden Gebieten erwachsen sind oder noch erwachsen werden.
Diese Lasten sind eine unmittelbare oder mittelbare Folge der von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durchgeführten Ausrottungsmaßnahmen gegen das Judentum. Die Verfolgung der Juden begann in Deutschland mit der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahre 1933. Sie steigerte sich ständig und erreichte während des Krieges, ohne daß sie dadurch zu einer Kriegshandlung im völkerrechtlichen Sinne wurde, jenes grauenerregende Ausmaß, das uns allen in seinem vollen Umfang erst nachträglich bekanntgeworden ist.
Während sich die Verfolgungsmaßnahmen bis 1939 grundsätzlich nur gegen Juden deutscher Staatsangehörigkeit richten konnten, erfaßten sie — was mitunter bei uns vergessen wird — während des Krieges auch fast alle Juden fremder Staatsangehörigkeit, die in den Machtbereich Hitlers gelangten. Ihre Folgen führten für die Überlebenden zu einer Entwurzelung, die auch durch das Kriegsende nicht beseitigt wurde. Vielmehr zwang diese Entwurzelung insbesondere die aus osteuropäischen Gebieten stammenden Juden zur Auswanderung. Hunderttausende von ihnen sind, wie ich schon sagte, in Israel aufgenommen worden. Damit gliedert sich das Israel-Abkommen in das große Gebiet der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts ein. Es ergänzt in einem wesentlichen Punkte die bereits erlassenen oder geplanten gesetzlichen Wiedergutmachungsmaßnahmen zugunsten derjenigen, die durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wegen ihrer politischen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung verfolgt worden sind.
Wie Sie wissen, gibt es auf diesem Gebiete der individuellen Wiedergutmachung bereits jetzt eine große Anzahl von Gesetzen und Verordnungen. Um nur die wichtigsten herauszugreifen: Schon vor Entstehen der Bundesrepublik haben die drei westlichen Besatzungsmächte jeweils für ihre Zone das Gebiet der Rückerstattung feststellbaren Vermögens geregelt. Dieses Gebiet der individuellen Wiedergutmachung ist das Kernstück der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts überhaupt. Die Leistungen der individuellen Wiedergutmachung, die nicht etwa nur Juden, sondern allen vom Nationalsozialismus Verfolgten zugute kommen, werden — was häufig übersehen wird — auch wertmäßig die Globalleistungen an Israel und die jüdischen Verbände erheblich übersteigen.
Der Ausbau der individuellen Wiedergutmachungsgesetzgebung ist im Haag sehr eingehend mit den in der Claims Conference zusammengeschlossenen jüdischen Weltverbänden besprochen worden. Das Ergebnis dieser Verhandlungen ist im Protokoll Nr. 1 niedergelegt; Sie haben es in der Drucksache vor sich, da es zu Verweisungszwecken dem Israelabkommen beigelegt werden mußte. Das in diesem Protokoll vorgesehene Gesetzgebungsprogramm kommt aber nicht etwa nur jüdischen Verfolgten, sondern allen Verfolgten in gleicher Weise zugute. Wie ich schon eingangs erwähnte, ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der sowohl den Verpflichtungen aus Teil 4 des Überleitungsvertrages wie den Vereinbarungen des Protokolls Nr. 1 Rechnung trägt, in Vorbereitung und wird noch in dieser Sitzungsperiode dem Hohen Haus vorgelegt werden.
Als ich in Verfolg meiner bereits angeführten Erklärung vor diesem Hohen Hause vom Dezember 1951 mit dem Vertrauensmann des Staates Israel und dem Führer der jüdischen Weltverbände Dr. Nahum Goldmann in London zusammentraf, habe ich ihm namens der Bundesregierung erklärt, daß nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, Verhandlungen mit Vertretern des jüdischen Volkes und Israels über die Wiedergutmachung der durch die nationalsozialistische Verfolgung zugefügten Schäden aufzunehmen. Bei den Verhandlungen mit Dr. Goldmann habe ich damals schon auf die wichtigsten Gesichtspunkte hingewiesen, die auch das Ihnen vorliegende Abkommen beherrschen.
Die Bundesregierung hat das Abkommen abgeschlossen, um einer zwingenden moralischen Verpflichtung des von der Bundesrepublik vertretenen deutschen Volkes nachzukommen, nicht jedoch zur Befriedigung eines völkerrechtlichen Anspruchs des Staates Israel. Dies ist durch den Wortlaut
von Präambel und Art. 1 des Abkommens sichergestellt. Der Staatsvertrag macht die moralische Verpflichtung zu einer Rechtsverpflichtung. Auf dem Gebiete der individuellen Wiedergutmachung entstehen Rechtsansprüche erst durch die innerdeutschen Gesetze.
Die Berechnung der Leistungen an Israel hat die israelische Note vom 12. März 1951 an die vier Besatzungsmächte zur Grundlage Die israelische Delegation hat bei den Verhandlungen im Haag dargelegt, daß Palästina und später der Staat Israel über 500 000 meist mittellose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, die ihre alte Heimat durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen verloren haben. Unter Berücksichtigung des von Sachverständigen der Bundesregierung für angemessen gehaltenen Betrages der Eingliederungskosten von Flüchtlingen in Israel sowie unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik ist eine Leistung an Israel in Höhe von insgesamt drei Milliarden DM vereinbart worden. Die Höhe der Jahresraten ist in Würdigung des Interesses Israels an einer möglichst kurzen Laufzeit des Abkommens der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik bei Berücksichtigung ihrer übrigen Verpflichtungen angepaßt. Nach der Auffassung der Bundesregierung erscheinen für die beiden ersten Haushaltsjahre je 200 Millionen DM und — eine normale Wirtschaftsentwicklung vorausgesetzt — für die späteren Haushaltsjahre je 250 Millionen DM tragbar. Die auf Wunsch Israels ab 1. April 1954 als Jahresleistung vorläufig vorgesehenen 310 Millionen DM werden allerdings nur bei einer unerwartet günstigen wirtschaftlichen Entwicklung aufgebracht werden können. Andererseits kann einer Verminderung der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik infolge einer unvorhergesehenen ungünstigen wirtschaftlichen oder finanziellen Entwicklung durch Anrufung des Art. 10 Rechnung getragen werden.
Ein Transfer der Leistungen an Israel durch Devisenzahlungen ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchführbar. Schon bei meinen Verhandlungen mit Dr. Goldmann in London wurden daher Warenlieferungen vorgesehen. Gemäß dem Abkommen ist der Staat Israel berechtigt, aus den ihm im Inland zur Verfügung gestellten DM-Beträgen Waren zu kaufen und nach Israel auszuführen. Es würde zu weit gehen, hier die Einzelheiten dieser Regelung zu schildern. Sie sind aus dem Ihnen vorliegenden Text des Abkommens zu entnehmen und in der Begründung ausführlich erläutert.
Nur eins möchte ich hervorheben: Auf zweierlei Weise ist Vorsorge getroffen gegen einen Mißbrauch des Abkommens etwa zur Lieferung von Waffen, Munition oder sonstigem Kriegsgerät. Israel ist beim Einkauf der Waren nicht frei in der Wahl; es ist vielmehr an die Kategorien der vertraglich vereinbarten Warenliste gebunden. Aber auch im Rahmen der Warenliste dürfen gemäß Art. 2 des Abkommens nur solche Waren gekauft werden, die der Erweiterung der Ansiedlungs- und Wiedereingliederungsmöglichkeiten für jüdische Flüchtlinge in Israel dienen. Die Einhaltung dieser Bestimmungen, die wegen des Konflikts Israels mit den Staaten der Arabischen Liga eine besondere Bedeutung haben, wird von einer Bundesstelle überwacht.
Außer mit dem Staat Israel sind, wie ich schon anläßlich meines Zusammentreffens mit Dr. Goldmann in London vorgesehen hatte, auch Verhandlungen mit Vertretern der jüdischen Weltverbände geführt worden; denn diese haben die Sorge für diejenigen jüdischen Flüchtlinge übernommen, die auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgungen nicht nach Israel, sondern in andere Teile der Welt ausgewandert sind. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß sich ein wesentlicher Teil dieser Verhandlungen mit den Vertretern des Judentums auf die individuelle Wiedergutmachung bezog und daß das Verhandlungsergebnis im Protokoll Nr. 1 niedergelegt ist. Die jüdischen Weltverbände forderten außerdem eine Globalsumme für erbenlose Rückerstattungs- und Entschädigungsansprüche, soweit sie nicht von den sogenannten Nachfolgeorganisationen geltend gemacht werden. Sie wiesen darauf hin, daß sie jahrzehntelang die jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung unterstützen mußten. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, zur Linderung der unbestreitbar heute noch bestehenden Not vom Nationalsozialismus verfolgter jüdischer Flüchtlinge in aller Welt außerhalb Israels 500 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, wobei ich, um Wiederholungen zu vermeiden, bezüglich der im einzelnen bestimmenden Erwägungen auf die Ihnen vorliegende Begründung zum Israel-Abkommen verweisen darf.
Da die Claims-Konferenz nur die Interessen von Glaubensjuden vertritt, die nationalsozialistischen Verfolgungen sich aber gleichermaßen gegen die im Sinne der Nürnberger Gesetze als Volljuden geltenden Nichtglaubensjuden richteten, wird die Bundesregierung aus diesem Betrag von 500 Millionen DM einen Teil von 50 Millionen DM als einen von ihr selbst zu verwaltenden Fonds zur Unterstützung von Nichtglaubensjuden bereitstellen.
Wie Sie in der Drucksache lesen können, werden die zugunsten der Claims-Konferenz zu zahlenden 450 Millionen DM aus Transfergründen ebenfalls Israel zu Warenkäufen in der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt. Israel wird dafür entsprechende Beträge an die Claims-Konferenz abführen. In eingehenden Bestimmungen ist sichergestellt, daß die von Israel an die Claims-Konferenz weiterzuleitenden Beträge von dieser dann auch unparteiisch für die Unterstützung, Eingliederung und Ansiedlung jüdischer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung verwandt werden.
Gegen die Leistungen an den Staat Israel haben, wie Sie wissen, die Arabische Liga und deren Mitgliedstaaten Protest erhoben. Sogar Boykottdrohungen sind ausgesprochen worden. Die Einwendungen der arabischen Staaten kann man in zwei Hauptgruppen zusammenfassen.
Einmal: die Araber weisen auf die arabischen Palästina-Flüchtlinge hin; der Staat Israel sei nicht berechtigt, für von ihm aufgenommene jüdische Flüchtlinge eine Entschädigung zu fordern, solange er nicht seinerseits seinen Verpflichtungen bezüglich dieser arabischen Palästina-Flüchtlinge nachgekommen sei. Dazu ist folgendes zu sagen. Es handelt sich um zwei verschiedene und getrennt zu haltende Probleme. Die Frage der Entschädigung der jüdischen Flüchtlinge, die der nationalsozialistischen Verfolgung entronnen sind, ist zwischen der Bundesrepublik und dem jüdischen Volk zu lösen. Zu der Frage der arabischen Palästina-Flüchtlinge im einzelnen Stellung zu nehmen, hat die Bundesregierung weder ein Recht noch eine Möglichkeit. Ich möchte hierzu nur eines sagen: Wir haben genug Erfahrungen mit den Nöten und Sorgen von Flüchtlingen, um nicht von ganzem Herzen eine
schnelle und alle Betroffenen zufriedenstellende Regelung auch dieses Flüchtlingsproblems zu wünschen.
Die zweite Gruppe der Einwendungen der arabischen Staaten läßt sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen: sie haben darauf hingewiesen, daß sie sich noch im Kriegszustand mit Israel befänden und daß daher eine Leistung der Bundesrepublik an einen der Kriegführenden eine Verletzung der Neutralität darstellen würde. Die Frage, ob man wirklich von einem noch bestehenden Kriegszustand sprechen kann, will ich hier nicht erörtern. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in einer Entscheidung die entgegengesetzte Ansicht vertreten. Aber wie dem auch sei, — eine Verletzung der Neutralitätspflicht liegt unter keinen Umständen vor. Außerdem ist, wie ich schon ausgeführt habe, Vorsorge dafür getroffen, daß das Abkommen nicht zur Lieferung von Waffen, Munition oder sonstigem Kriegsgerät an Israel benutzt werden kann.
Die Bundesregierung hat sich im übrigen bemüht, die arabischen Länder über Gründe und Grenzen des Israel-Vertrages aufzuklären und dadurch die entstandenen Besorgnisse zu zerstreuen. Sie hat überdies ihren Willen bekundet, die traditionellen freundschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu der arabischen Welt zu pflegen und weiter auszubauen. Sie hat ihre Bereitschaft erklärt, im Rahmen des Möglichen zum Aufbau der Wirtschaft der arabischen Staaten beizutragen. Wie Ihnen bekannt ist, hat hierüber eine repräsentative deutsche Wirtschaftsdelegation unter Führung von Staatssekretär Westrick in Kairo Verhandlungen geführt. Die Delegation ist nach Bonn zurückgekehrt, um zunächst der Bundesregierung Gelegenheit zu geben, die ägyptischen Wünsche im einzelnen zu prüfen. Wir sind darüber hinaus bereit, auch in die anderen arabischen Hauptstädte Handelsdelegationen zu entsenden, um, wenn der Wunsch bestehen sollte, über die wirtschaftlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Landes und die Möglichkeiten einer Verstärkung der Beziehungen mit der deutschen Wirtschaft zu beraten. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß solche Verhandlungen nur dann zu einem günstigen Abschluß gebracht werden können, wenn sie beiderseits in freundschaftlichem Geiste geführt und nicht von vornherein mit Drohungen belastet werden.
Die Weltöffentlichkeit hat die Unterzeichnung der Luxemburger Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Israel mit lebhafter Zustimmung begrüßt. Das jüdische Volk innerhalb und außerhalb Israels hat diese Verträge als erschöpfende Regelung der Wiedergutmachungsfrage unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik anerkannt, soweit es sich um die Wiedergutmachung der materiellen Schäden handelt, zu deren Wiedergutmachung die Bundesrepublik sich aus den genannten Gründen für moralisch verpflichtet hält. Wir haben daher die berechtigte Hoffnung, daß der Abschluß dieser Verträge schließlich auch zu einem ganz neuen Verhältnis zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volke wie auch zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Israel führen wird. Wir werden hierbei nach allem, was vorgefallen ist, Geduld zeigen und auf die Auswirkung unserer Wiedergutmachungsbereitschaft und schließlich auf die heilende Kraft der Zeit vertrauen müssen.
Dabei ist nicht zu übersehen, daß sich schon jetzt infolge des Abschlusses des Abkommens eine deutliche Entspannung des Verhältnisses der Bundesrepublik zum Staate Israel bemerkbar macht. Wie Sie wissen, befinden sich im Gebiet des Staates Israel nicht unerhebliche Vermögenswerte deutscher Staatsangehöriger. Ich darf hier besonders auf die Gruppe von rund 2000 deutschen Staatsangehörigen hinweisen, die der Tempel-Gesellschaft angehören und in Israel wertvolle Gebäude und Ländereien besitzen. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 1950 hatte der Staat Israel das gesamte deutsche Vermögen zur Sicherung von Ansprüchen israelischer Staatsbürger gegen das Deutsche Reich und seine Nachfolgestaaten sowie gegen deutsche Staatsangehörige beschlagnahmt. Es ist der deutschen Delegation im Haag möglich gewesen, ein Abkommen mit der israelischen Delegation vorzubereiten, das gleichzeitig mit den anderen Vereinbarungen als Regierungsabkommen am 10. September 1952 in Luxemburg unterzeichnet wurde. Dieses Abkommen sieht vor, daß in bestimmten Fristen nach Inkrafttreten des Israelabkommens Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Israel über die Feststellung dieses deutschen Vermögens geführt werden sollen. Israel hat sich in dem Regierungsabkommen — und das halte ich für außerordentlich bedeutsam — bindend verpflichtet, Entschädigung für das beschlagnahmte Vermögen zu zahlen. Für den Fall, daß in den Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und Israel keine Einigung über den Wert dieses zu entschädigenden Vermögens zu erzielen sein sollte, haben sich die beiden Vertragspartner schon jetzt verpflichtet, den Spruch eines neutralen Vermittlers als bindend anzunehmen. Ich glaube, daß mit dieser Behandlung dies deutschen Eigentums in Israel das Beste erreicht worden ist, was überhaupt zu erreichen war.
Auch in der Frage des Zeigens der deutschen Flagge ist eine merkliche Entspannung eingetreten. Schon der im Haag vereinbarte Vertragstext ging davon aus, daß das bisher noch in Israel bestehende Verbot, die deutsche Flagge zu zeigen, nicht für unabsehbare Zeit aufrechterhalten wird, ohne daß allerdings damals, vor Unterzeichnung des Abkommens, eine verbindliche Zusage Israels für Aufhebung des Verbots in einer bestimmten Frist zu erreichen war. Inzwischen hat sich die israelische Regierung auf Grund neuerlicher Vorstellungen der Bundesregierung zur Aufhebung dieses Verbots mit Wirkung zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Abkommens verpflichtet. Das Eintreffen der ersten Warenlieferungen in Israel wird diese sich bereits jetzt anbahnende Entwicklung zu einer grundlegenden Änderung des deutsch-israelischen Verhältnisses erheblich beschleunigen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf die Bedeutung ,des Abkommens in den allgemeineren Zusammenhängen der Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens der Völker hinweisen. In den letzten Wochen sind im Machtbereich der kommunistischen Gewaltherrschaft Rassenhaß und Rassenverfolgung erneut zu politischen Kampfmitteln gemacht worden.
Ihnen allen sind die Vorgänge im Prager Slansky-
Prozeß bekannt. Im Anschluß an diesen Prozeß hat
auch in anderen Satellitenstaaten eine Bedrohung und Verfolgung der Juden eingesetzt.
Eine weltbekannte jüdische Wohlfahrtsorganisation, deren große Verdienste um die Behebung menschlicher Not unbestreitbar sind, ist als Sabotage- und Spionagezentrum angeprangert worden.
Auch deutsche Staatsangehörige jüdischen Glaubens haben aus der sowjetischen Besatzungszone und aus Ost-Berlin die Flucht über die Sektorengrenze antreten müssen. Die freie Welt hat von diesen Vorgängen mit Abscheu und Schrecken Kenntnis genommen.
In diesem Zeitpunkt wollen wir mit der Verabschiedung des Ihnen vorliegenden Abkommens einen klaren und ganz unmißverständlichen Standpunkt beziehen. Gewiß haben wir selbst schwere Lasten zur Linderung der Not unserer eigenen Flüchtlinge zu tragen. Trotzdem wollen wir zu unserer moralischen Verpflichtung stehen, in den Grenzen unserer Leistungsfähigkeit dem Elend und der Not von Flüchtlingen zu steuern, die durch die Schuld einer früheren Regierung verursacht worden sind. Die Bundesregierung hofft, daß die Annahme dieses Abkommens gerade in diesem Zeitpunkt als ein deutscher Beitrag zur Stärkung des Geistes menschlicher und religiöser Toleranz in der Welt wirken wird.