Rede von
Richard
Reitzner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ersuche ich um die Ergänzung der heutigen Tagesordnung. Wir beantragen, als Punkt 2 der Tagesordnung die dritte Beratung des Bundesvertriebenengesetzes anzusetzen.
Ich erlaube mir, diesen Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion kurz zu begründen. Das Bundesvertriebenengesetz ist die Folge eines zeitgebundenen Unheils, und dieses Gesetz ist wie selten ein Gesetz zeitbedingt. Es ist sicher nicht das einzige Gesetz von großer Wichtigkeit, und es handelt sich dabei auch nicht um eine neue Aufgabe, die vor uns steht. Aber die letzten Ereignisse, der Zustrom aus der Sowjetzone, machen dieses Problem zu einem brennenderen als je. Heute, morgen und übermorgen werden aus der halben Welt Berichterstatter, Beobachter und Journalisten nach Berlin fliegen und wahrscheinlich darüber nachdenken, was getan werden könnte, um der Lage Herr zu werden. Wir alle wissen doch, daß das
Wasser schon über die bisherige hohe Marke gestiegen ist, und wir alle, glaube ich, empfinden, daß sofort etwas getan werden muß.
Hier liegt eine Gemeinsamkeit in der Problematik vor: auf der einen Seite das Problem der Altflüchtlinge, wenn ich es so nennen darf, und auf der anderen Seite die neuen Aufgaben, die aus dem Zustrom der Sowjetzonenflüchtlinge erwachsen.
Schon die Tatsache, daß die zweite Lesung dieses Gesetzes auf der Tagesordnung der 250. Sitzung des Bundestages gestanden hat, ist eine bedauerliche und betrübliche Erscheinung.
Sieben Jahre nach der Vertreibung der Vertriebenen behandeln die Regierung und der Bundestag das Bundesvertriebenengesetz, und wir stehen heute vor der Frage, ob wir die dritte Lesung noch einmal verschieben sollen. Was hinter uns liegt, das ist doch eine Tatsache, sind versäumte Gelegenheiten, eine Folge von Unterlassungssünden. Daß der Herr Bundesvertriebenenminister auf der Regierungsbank an letzter Stelle sitzt, ist vielleicht keine Zufälligkeit.
Es ist symptomatisch und nicht zufällig. Ich möchte wissen, wo der Herr Bundesvertriebenenminister erst sitzen wird, wenn sich der Herr Blank in diese Reihe hineinschieben wird.
Klipp und klar gesagt: Der Mehrheit dieses Hauses, die die dritte Lesung verschieben will, und auch der Regierung erscheint das Vertriebenenproblem als etwas Zweit- und Drittrangiges. Sonst würde man es heute behandeln.
Ich wollte gerade noch zu den Äußerungen der DP sprechen. Glauben Sie ja nicht, daß sich die Vertriebenen durch Anträge wie den auf Voranstellung einer Präambel täuschen lassen!