Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den § 61 hat zum Teil sehr weitläufige Formen angenommen. Ich glaube, es wäre sehr gut, wenn auf den Unterschied in der Beschlußfassung verwiesen würde, wie sie der Ausschußfassung des Vertriebenenausschusses zugrunde liegt, der, wie ich bemerken darf, die einstimmige Beschlußfassung des Ernährungsausschusses gegenübersteht.
Das ist leider bislang verschwiegen worden,
und ich glaube, wenn man diese Tatsache voranstellt, dann darf man unterstellen, daß der eine Ausschuß vom Fachlichen her gesehen zu einer einmütigen Auffassung gekommen ist, während in einem anderen Ausschuß meinetwegen aus anderen Gründen auch ein anderes Ergebnis zustande kam.
Wenn weiter gesagt werden muß, daß im Ernährungsausschuß vor dem Kompromiß, der heute als Änderungsvorschlag vorliegt, eine Mehrheit für die Streichung dieses Paragraphen gefunden war, so zeigt das dem Hohen Haus, daß sehr gründlich an diesem Problem gearbeitet worden ist. Der Herr Berichterstatter ist auf diese Dinge eingegangen und hat sie auch in einem Umfang erörtert, daß ich darauf verzichten kann, noch einmal darüber zu sprechen, weil es eine Wiederholung wäre. Aber der erste große Unterschied ist eben der, daß man in § 61 neben die freiwillige Abgabe jetzt auf einmal den Zwang setzt. Herr Kollege Kather, ich gebe gerne zu, daß in der Hitze des Gefechts vielleicht vorhin schon einmal eine kleine persönliche Note hineinkam; das war von mir nicht böse gemeint. Aber sachlich muß ich leider wieder Ihren Ausführungen widersprechen. Sie berufen sich darauf, daß drei Jahre nichts passiert ist und daß nun endlich etwas passieren muß, und Sie nannten in diesem Zusammenhang 20 000 Heimatvertriebene. Ich habe es in dieser Beziehung sehr bedauert, daß gerade die Sprecher des BHE, die Minister Kraft und auch Asbach, die Umsiedlung als etwas Zweitrangiges hinstellten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Schleswig-Holstein — Herr Präsident, ich bitte zu entschuldigen, daß ich hier wieder auf Beispiele eines Landes verweisen muß — sind auf Grund dieses Gesetzes 7 334 Heimatvertriebene in die Landwirtschaft eingegliedert worden. Herr Kollege Schütz, Ihr Zwischenruf mag also auf einzelne Stellungnahmen passen, die wir genau so von unserer Seite scharf und deutlich vertreten wollen, wie wir Ihnen dasselbe Recht zugestehen. An diesen Tatsachen ist nicht vorbeizugehen, und, Herr Kollege Schütz, wenn in anderen Ländern im Verhältnis zu diesen Zahlen wenig oder nichts passiert ist, dann liegt das vielleicht mit daran, daß das ganze Vertriebenenproblem dort bislang keine so große Rolle gespielt hat. Ich bin der Auffassung, daß darauf in puncto Umsiedlung viel zu wenig geachtet wird. Die Möglichkeiten der Eingliederung in die Wirtschaft werden im Bundesgebiet auf dem ganzen Sektor Landwirtschaft viel zu wenig beachtet. Wir erleben es doch bis auf den heutigen Tag, daß in den sogenannten Flüchtlingsländern immer nur Kommissionen kommen, um zu prüfen, ob Arbeiter da sind, heute für den Bergbau, morgen für die Textilindustrie und übermorgen für andere Berufe. Ich meine, daß hier ein Ausgleich in der Landwirtschaft gefunden werden muß.
Herr Kollege Dr. Kather, zu dieser Zahl 7300 ein
weiteres Wort. Schleswig-Holstein liegt strukturmäßig ohne Zweifel über dem Durchschnitt, weil wir größere Betriebe haben. Die gestrige Debatte hat schon gezeigt, daß in den Gegenden mit kleinbäuerlichen Betrieben, wo man ein paar Hektar hat, über den Weg der Neusiedlung nie etwas zu machen ist, sondern nur über den Weg der Pachtsiedlung, der auslaufenden Höfe oder der wüsten Höfe. Wenn Sie diesen Zahlen nachgehen, dann müssen Sie zugrunde legen, daß Schleswig-Holstein etwa ein Zehntel der Fläche ausmacht. Wenn es also möglich gewesen wäre, in den zurückliegenden Jahren gut 70 000 einzugliedern, dann wäre schon die doppelte Anzahl derer untergebracht, die heute tatsächlich untergebracht sind.
Ich glaube, man muß auch ganz klar zum Ausdruck bringen, daß hier viele Faktoren zusammenwirken müssen, wenn ein Erfolg dauernd und in dem nur irgend möglichen Umfang sichergestellt werden soll. Ich glaube, für alle jene Freunde, die hinter unseren Anträgen stehen, sagen zu können — immerhin haben die Abstimmungen gezeigt, daß das Haus in dieser Beziehung etwa zur Hälfte zu diesen Dingen steht —, es darf nicht verkannt werden, daß das bisherige gute Verhältnis zwischen Heimatvertriebenen und Einheimischen im Zusammenleben auch nicht durch eine zweitägige Debatte gestört werden kann, die — wenn in einzelnen Phasen meinetwegen auch mit Leidenschaft geführt — mit der nötigen Gründlichkeit geführt werden muß, weil es hier um die Rechtsverhältnisse beider Teile geht; und die zu wahren und gerecht aufeinander abzustimmen, das ist und muß der Grund unserer Auseinandersetzungen bleiben.
Ich bin also nicht der Meinung, Herr Kollege Dr. Kather, daß wir nach acht Jahren nur von einem Anfang reden können, sondern wir müssen von einer Fortsetzung der auf einzelnen Gebieten erfolgreich und erfreulich geleisteten Vorarbeit sprechen.
Herr Kollege Dr. Trischler, Sie sprachen von Eigentümern, die dazu noch Pachten haben. In einem anderen Zusammenhang habe ich darauf hin-
gewiesen, daß das bei über 1 Million Betrieben im Bundesgebiet zutrifft. Bei der Landwirtschaft ist es nun leider nicht so wie in irgendeinem Betrieb, wo man anfängt, ein Stück arbeitet, dann Arbeiter entlassen kann und dann die Sache fortsetzt. In der Landwirtschaft ist es anders. Jeder Betrieb ist dort — wie der Kollege Dannemann sehr deutlich herausgestellt hat — eine Einheit für sich. Wenn Sie nicht das richtige Verhältnis von Grünland und Ackerland und wenn Sie dann innerhalb des Ackerlandes auf den kargen Böden nicht das richtige Verhältnis haben, dann nützen Ihnen 2, 3 und 5 ha gar nichts. Denn, wenn wir die Leute ansiedeln -davon müssen wir ausgehen —, dann müssen es zufriedene Siedler sein, dann müssen die Leute auch merken, daß sie vorankommen. Wenn die Leute nur so hingesetzt werden, daß sie vor Kummer nicht in den Schlaf kommen, ist das keine Siedlung. Nach unserem Dafürhalten werden nicht nur, wie das der Kollege Frühwald schon herausgestellt hat, vielfältige und unnötige Auseinandersetzungen entstehen, sondern es wird dabei auch bei Nicht -Einhaltung des Rechtsweges praktisch nichts herauskommen. Die guten und erfolgreichen Ansätze in den Dörfern und in ganzen Ländern werden wieder in Frage gestellt. Das Vertriebenengesetz, das ich nach seinem Hauptziel eigentlich Gesetz über Eingliederungsmöglichkeiten in die Landwirtschaft heißen möchte, wird nur dann Bestand haben, wenn der Grundsatz der Freiwilligkeit in allen Fragen verankert wird.
— Wenn von der zwangsweisen Inanspruchnahme von Land geredet wird, kommen, wie ich merke. auch wieder Zwischenrufe von der Linken! Meine sehr verehrten Damen und Herren, sie ist nicht zu vertreten und auch mit Ihrem seitherigen Standpunkt, den Sie gegenüber dem Pächterstand eingenommen haben, nicht zu vereinbaren.
Es geht bei der zwangsweisen Inanspruchnahme darum, ob Sie dem einen Pächter etwas wegnehmen, um es dem andern zu geben. Diese Auseinandersetzung wird sich nicht in Gegenden mit großen Gütern, sondern in den Bauerndörfern, in den am dichtesten besiedelten Gegenden abspielen, wo Gott sei Dank jeder Quadratmeter Land richtig genutzt wird. Wenn wir Eingriffe ins Pachtrecht vornehmen wollen, dürfen wir sie nicht in dem Vertriebenengesetz verankern, sondern müssen sie in das Landpachtgesetz aufnehmen. Das haben wir im vergangenen Jahr erörtert.
Ich darf das Hohe Haus bitten, aus diesen Gründen unserem Änderungsantrag zuzustimmen und von jeglicher zwangsweisen Inanspruchnahme von Land abzurücken. Wenn in dieser Hinsicht etwas geschehen soll, muß es in dem eigens dafür geschaffenen Landpachtgesetz angestrebt werden.