Rede von
Johannes
Hoffmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers war im Gegensatz zu seinen früheren Ausführungen sehr optimistisch gehalten. Ich muß deshalb mit dem Ausdruck des Bedauerns das zurücknehmen, was ich bei der letzten Etatrede sagte, nämlich daß der Bundesfinanzminister grundsätzlich pessimistisch sei. Er hat aber bewiesen, daß es auch anders geht. Erfreulich bei der ganzen Debatte über die Steuerermäßigungen ist, daß endlich das in Aussicht gestellt wird, was wir schon lange, und zwar vor allen Dingen von meiner Fraktion aus, gewünscht haben. Hätte der Herr Bundesfinanzminister den Vorschlägen der Zentrumspartei früher stattgegeben, dann wären die Erleichterungen besonders für die kleinen und mittleren Einkommen schon früher in die Tat umgesetzt worden. Damals glaubte der Herr Bundesfinanzminister und glaubte auch die Mehrheit des Bundestags, diesem Vorschlag nicht entsprechen zu können. Wir begrüßen insbesondere die Senkung der Steuertarife bei den kleineren Einkommen, die wir wiederholt beantragt haben, sowie die Heraufsetzung der steuerfreien Beträge, die wir aber auch in der angekündigten Form nicht für ausreichend halten.
Der Herr Bundesfinanzminister hat den bisherigen Etats sehr schöne Namen gegeben — was auch Herr Dr. Gülich schon erwähnt hat —, und zwar hat er den Etat 1949 als Übergangsetat, 1950 als Überleitungsetat, 1951 als Haushalt der Korea-Krise, 1952 als Haushalt der Konsolidierung und 1953/54 als Haushalt zum Abschluß der Legislaturperiode bezeichnet. Bisher wurden diese Haushalte anders genannt: der erste, 1949: Übergangshaushalt, 1950: Überleitungshaushalt, 1951: Überrollungshaushalt und 1952: Wiederholungsoder Wiederüberrollungshaushalt. Den Haushalt 1953/54 könnte man trotz der entgegenstehenden Meinung des Herrn Bundesfinanzministers, wie auch Herr Kollege Gülich sagte, gewissermaßen als einen Wahlpropagandahaushalt bezeichnen. Man wird den Eindruck nicht los. daß es so ist. Oder es ist das schlechte Gewissen des Herrn Bundesfinanzministers, wegen der bisher starken steuerlichen Überbelastung besonders des Mittelstandes und der Lohnsteuerzahler. Ich habe Verständnis dafür, daß
man glaubt, mit Rücksicht auf die kommenden Wahlen etwas Besonderes tun zu müssen, um Enttäuschungen weitester Volkskreise zu beschwichtigen und um guten Wind bei den Wählern zu bitten.
Die Bundesregierung scheint doch gewisse Sorgen um die Bundestagswahl zu haben. Das kommt auch, wie Herr Renner schon sagte, in dem Entwurf des neuen Wahlgesetzes für den Bundestag zum Ausdruck. Ob mit diesem Wahlgesetz der jungen Demokratie und dem deutschen Volk ein Dienst erwiesen wird, möchte ich doch sehr bezweifeln.
— Selbstverständlich! Bei der Beratung des Bundesetats wird über sämtliche Fragen gesprochen!
Man kann Bundeswahlgesetze machen, durch die man stets an der Macht bleibt. Die SED hat in der Ostzone ja auch ein Gesetz gemacht, durch das sie mit hundertprozentiger Sicherheit stets an der Macht bleiben wird. Man soll deshalb kein Wahlgesetz ausklügeln, das der Demokratie nur Schaden bringen muß. Ich möchte doch der Bundesregierung einmal die Frage stellen: Quo vadis? Ob die Bundesregierung sich im letzten Augenblick noch besinnen wird, sei dahingestellt.
Wir geben gern zu, daß es in den jetzt hinter uns liegenden Jahren nach der Hitler-Katastrophe schwierig war und daß dank des Fleißes und der Tüchtigkeit der schaffenden Bevölkerung viel Aufbauarbeit geleistet worden ist. Leider hat die Bevölkerung nach der Stabilisierung allgemein nicht den Anteil am Sozialprodukt erhalten, der ihr gerechterweise zustand. Hierfür sind nicht zuletzt die von der Mehrheit dieses Hauses angenommenen Steuergesetze verantwortlich zu machen, die das Großkapital auf Kosten des Mittelstandes stark bevorzugt haben. Meine Fraktion hat bei der Verabschiedung der Gesetze immer wieder auf die für die breiten Schichten der Bevölkerung, namentlich des Mittelstands, durchaus schädlichen Auswirkungen aufmerksam gemacht. Die Entwicklung hat ihr recht gegeben. Trotz der von der Bundesregierung propagierten angeblich sozialen Marktwirtschaft hat sich z. B. die Kreditpolitik fast ausschließlich auf das Großkapital konzentriert und den Mittelstand völlig vernachlässigt. Das mag anfangs notwendig gewesen sein, um die Wirtschaft in Gang zu bringen; aber das nun noch weiterzuführen, ist unverständlich. Die Gewerbetreibenden sind nicht imstande, einige tausend Mark Kredit für ihren Betrieb zu erhalten, im Gegenteil: zu der Investitionshilfe verlangt man von ihnen trotz ihres Kapitalmangels zusätzliche Ausgaben. Auch in der Landwirtschaft ist es heute nicht möglich, zum Aufbau eines Stalles einige tausend Mark zu erhalten, die dringend im Interesse der Produktionssteigerung notwendig sind. Der Bundesfinanzminister hat auch bis heute noch keine Möglichkeit gehabt, für die Dürre- und Wildschäden die notwendigen Mittel bereitzustellen, oder sie wurden nur in unzureichendem Maße gegeben. Dasselbe gilt für die Besatzungsgeschädigten und auch für den Antrag sämtlicher Parteien, die Flachsröstereien in Süddeutschland wieder in Gang zu setzen.
Die angekündigte Steuerreform, wie sie der Bundesfinanzminister in großen Zügen vorgetragen hat, werden wir noch eingehend zu besprechen haben, wenn die entsprechenden Gesetzesvorlagen im Bundestag zur Beratung anstehen. Dann erst
wird sich ergeben, inwieweit sie vom Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Notwendigkeit getragen ist. Wir vermissen noch ein Wort des Herrn Bundesfinanzministers über die indirekten Steuern, die namentlich die kinderreichen Familien besonders belasten. Meine Fraktion hat wiederholt eine Senkung der Kaffeesteuer gefordert, die bisher noch nicht genehmigt wurde. Wir behalten uns vor, in Kürze nochmals eine entsprechende Vorlage einzubringen. Wir wissen, daß die Lasten des verlorenen Krieges vom gesamten Volke getragen werden müssen, aber auf die stärkeren Schultern müssen naturgemäß die schwersten Lasten gelegt werden.
Selbstverständlich ist in solch einer Lage Sparsamkeit in der gesamten Verwaltung das dringendste Gebot. Leider haben wir von dem von uns geforderten Sparkommissar, was ich in dieser Stunde wieder sagen muß, sehr wenig bemerkt. Ich muß meine Forderung mit aller Entschiedenheit an dieser Stelle wieder erheben, uns einen Bericht über seine bisherige Tätigkeit vorzulegen.
Zum Haushaltsplan haben wir verschiedene Forderungen zu stellen. Sie betreffen zum Beispiel das Ministerium für Verkehr, bei dem die bisherigen Mittel, die für die Verbesserung des Straßenbaues ausgegeben wurden, nicht annähernd ausreichen. Besonders muß der Ausbau des Verkehrsnetzes in den Notstandsgebieten aus Gründen, die ich hier nicht näher darzulegen brauche, stärker als bisher unterstützt werden. Es gibt auch Möglichkeiten zu Einsparungen oder besserer Verwendung der im Etat vorgesehenen Mittel. ich denke dabei zum Beispiel an die Flut von Druckschriften und Broschüren, die vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in die Bevölkerung gebracht wird und über deren Wert man sehr geteilter Meinung sein kann. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder für denselben Zweck besser und produktiver anders verwendet werden könnte.
Es ließen sich viele Verbesserungsvorschläge machen, auf die ich wegen der Kürze meiner Redezeit nicht eingehen kann. Lassen Sie mich noch kurz ein Wort über die Gestaltung des Haushaltsplans, dem wir, was den Aufbau angeht, im großen und ganzen unsere Zustimmung geben, sagen. Leider ist aber auch nach diesem Schema, soweit wir es überschauen, die schon früher von uns geforderte Aufteilung nach Sachgebieten nicht berücksichtigt worden. Wir hoffen, daß dies bei der Aufstellung im nächsten Etatsjahr möglich sein wird.
Was die Einzelpläne angeht, so sind wir der Meinung, daß für das Bundesverfassungsgericht, wie es auch der Bundesrat verlangt hat, ein eigener Einzelplan einzurichten ist.
Große Sorge bereitet uns die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaues. Wir hätten gerne vom Bundesfinanzminister darüber nähere Auskunft gehabt, wie sich das Steuerprogramm hierauf auswirkt. Leider hat der Bundesfinanzminister dazu wenig gesagt. Der Wohnungsbau ist uns eine Herzenssache, die wir auf keinen Fall durch etwaig steuerliche Maßnahmen in seiner Entwicklung hemmen lassen wollen. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja die kleine Steuerreform jetzt eingebracht. Wir warten noch immer auf die große Steuerreform. die er uns schon längst versprochen hat und die besonders von seinem Kollegen, dem Bundeswirtschaftsminister, sehr energisch gefordert wird. Anscheinend sind die beiden Herren Kollegen sich darin
nicht einig, und jeder hat in dieser Sache vielleicht andere Ansichten.
Auf einen Punkt möchte ich vor allen Dingen noch zu sprechen kommen. Die Vereinfachung des Steuersystems ist dringend notwendig. Kein einfacher Steuerzahler findet sich mehr zurecht. Der Stand der Steuerberater hat noch niemals eine solche Blüte erlebt, wie er sie unter dem jetzigen Steuersystem erleben konnte. Man rechnet bei kleineren Einkommen, daß 10 % der Steuersumme tatsächlich auch noch durch die Steuerberater verbraucht werden. Das Steuersystem muß vereinfacht werden, und das ist eine der dringendsten Forderungen, die die Wirtschaft stellen muß.
Bei der Steuergesetzgebung werden wir noch näher auf die soziale Frage eingehen müssen. Wir begrüßen vor allen Dingen die Ankündigung in der Presse, daß die Regierungskoalition eine wesentliche Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung fordert. Ich darf an den Herrn Bundesfinanzminister die Frage richten, ob die notwendigen Mittel dafür schon im Etat vorgesehen sind.
Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß meine Fraktion nach Prüfung der Einzelpläne in den Ausschüssen auf die Etatansätze eingehen wird. Wir unterstützen den Antrag auf Überweisung an die Ausschüsse.