Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn mit der in der jungen Geschichte dieses Hohen Hauses erstmaligen Tatsache, daß der Haushaltsplan des kommenden Etatjahres dem Plenum des Parlaments vor Beginn des betreffenden Jahres vorliegt, ein gesetzlich vorgesehener Zustand erreicht ist, so begrüßen wir das nicht nur aus diesem Grunde. Die Einlösung des bekanntlich wiederholt darüber gegebenen Versprechens des Bundesfinanzministers war schon fast zu einer Prestigefrage geworden; und der Zustand der durch Überrollung, Wiederholung und umfangreichste Nachträge gekennzeichneten Behelfsmethode mit allen ihren Schattenseiten, die uns genügsam bekannt sind, mußte beendet werden. Das ist erfreulicherweise entgegen der gerade bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, immer wieder betonten Skepsis nunmehr zur Tatsache geworden, und wir erkennen diese außerordentliche Leistung des Bundesfinanzministers freimütig und rückhaltlos an.
Der Ihnen vorliegende Bundeshaushalt für 1953 wird vor seiner Verabschiedung natürlich eingehender Beratung zu unterziehen sein. Heute in der ersten grundsätzlichen Aussprache sollte man mit der Kritik an Einzelheiten oder gar Einzelplänen etwas zurückhaltender sein, als es manchmal der Fall ist. Es stellt sich sonst nur allzuoft heraus, daß eine a priori vorgebrachte Kritik bei voller Kenntnis der Zusammenhänge, wie sie sich natürlich nur in den Ausschußberatungen ergeben kann, sachlich nicht mehr zu vertreten ist.
— Vielleicht einer einzigen; ich kann aber nachher darauf zurückkommen. — Das hat mit grundsätzlicher Kritik, zu der in jedem Lande und in jedem Jahre die Haushaltsdebatte bekanntlich Anlaß gibt, nichts zu tun. Im Gegenteil, es wäre nur allzu erwünscht, wenn die Haushaltsdebatten und damit die öffentliche Finanzpolitik weitesten Kreisen der Bevölkerung in Presse, Rundfunk und Reden im Lande draußen nähergebracht und das Interesse an diesem Gebiet der Innenpolitik weit mehr geweckt und gefördert würde, als das bisher leider gerade bei uns in der Bundesrepublik der Fall ist. Schon als Steuerzahler hat der Staatsbürger ein Anrecht darauf, informiert zu werden, und andererseits auch die Pflicht, von seinem Kontrollrecht Gebrauch zu machen. Ich glaube, gerade wir Abgeordneten sollten hier weit mehr als bisher dazu beitragen.
Zur Beurteilung des auf 261/2 Milliarden DM gestiegenen Gesamtvolumens unseres Bundeshaus-
halts sollte man sich meiner Ansicht nach immer vor Augen halten, daß naturgemäß eine von Jahr zu Jahr gestiegene Größenordnung des öffentlichen Finanzbedarfs nicht in ihrer absoluten Höhe, sondern nur in ihrer Relation mit der Größe und dem Ansteigen des Volkseinkommens bzw. des Sozialprodukts als Maßstab der volkswirtschaftlichen Leistung und Prosperität gesehen werden muß. Die Steigerung des Gesamtumfangs des Bundeshaushalts — der Herr Bundesfinanzminister hat ja gestern die Zahlen genannt — von 16,3 Milliarden im Jahre 1950 über 21 Milliarden und 23,2 Milliarden bis auf 261/2 Milliarden jetzt im Jahre 1953 ist überhaupt nur dann im richtigen Lichte zu sehen und kritisch zu würdigen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Sozialprodukt — auch diese Zahlen sind gestern genannt worden — sich von 90,2 Milliarden DM im Jahre 1950 über 1131/2 Milliarden im Jahre 1951 auf etwa 120 Milliarden im Jahre 1952 erhöht hat und im Jahre 1953 aller Voraussicht nach etwa um 4 bis 5 % auf 125 Milliarden DM zu steigen im Begriff ist.
Fürchten Sie bitte nicht, daß ich Sie weiter mit Zahlen langweilen werde. Sie werden von mir so gut wie keine Zahlen mehr zu hören bekommen.
Daß steigender Finanzbedarf des Bundes wie der Länder und Gemeinden — man muß natürlich immer an den Gesamtumfang der Haushalte denken, und zwar einen Umfang, der überwiegend bisher aus laufenden Abgaben, d. h. praktisch aus Steuern, gedeckt worden ist — nur aus einem steigenden Volumen der ,Gesamtwirtschaft des Bundesgebietes gedeckt werden kann, wenn nicht die Gesamtwirtschaft unerträglichen Belastungen ausgesetzt werden soll, ist selbstverständlich. Entscheidend dabei ist aber, bei welcher Abschöpfung des Volkseinkommens durch den Staat der kritische Punkt und damit die Grenze erreicht ist, die Grenze nämlich, die ungestraft auf die Dauer kein Staat überschreiten kann, ohne die Volkswirtschaft in ihrer Ertragsfähigkeit zu 'gefährden. Steuern, insbesondere direkte, können auf die Dauer nur aus Einkommen und Gewinnen fließen. Das ist natürlich eine Binsenwahrheit; aber man sollte diese Wahrheit gerade in diesem Zusammenhang noch einmal aussprechen.
Führt die übermäßige Besteuerung zur Wegnahme eines allzu großen Teils des Einkommens und zum Verschwinden der Gewinne, so bedeutet Idas natürlich einen Rückgang des Konsums einerseits und eine Schrumpfung des Gesamtvolumens der Wirtschaft auf der andern Seite, also auf die Dauer Rückgang der Steuereinnahmen und — damit ist der Kreislauf geschlossen — für Iden Staat die Unmöglichkeit, seinen Aufgaben welter voll gerecht zu werden. Dieser kritische Punkt — das ist meine feste Überzeugung — ist seit einiger Zeit nicht nur erreicht, sondern überschritten. Ich darf dabei auf meine Ausführungen anläßlich der ersten Beratung des Nachtragshaushalts 1952 verweisen, in der ich die Situation — also bereits vor einiger Zeit — so zu charakterisieren mir erlaubt habe, daß einmal die dem Steuerzahler auferlegte Gesamtbelastung nicht mehr tragbar sei und daß der geeignete Teil der Ausgaben des Bundeshaushalts in anderer Form, d. h. in der Form von fundierten Schulden abzufangen sei.
Beides finden Sie, glaube ich, heute bestätigt, wenn Sie den Haushalt im Zusammenhang mit der wohl in greifbare Nähe gerückten Steuerreform — leider nur der sogenannten kleinen — sehen. ,Gerade der Herr Kollege Schoettle, dessen Abwesenheit ich auch aus persönlichen Gründen heute ganz besonders bedauere, hat in seiner letzten Haushaltsrede zum Nachtrag 1952 darüber sehr interessante Bemerkungen gemacht. Er hat nämlich u. a. gesagt — an uns, die Regierungskoalition, gewandt —, wir sollten hierzu Farbe bekennen. Nun, ich glaube, wir bekennen Farbe! Wir haben einen Initiativgesetzentwurf vorgelegt, und wir begrüßen, ich glaube, mit Ihnen zusammen, daß wir damit den Anstoß gegeben haben zu dem Entschluß der Bundesregierung, die Dinge so anzupacken, daß nicht nur eine fühlbare Senkung der Steuern, sondern auch eine weitgehende Vereinfachung der Steuergesetze vorgesehen wird.
Angesichts der Schwierigkeiten, unseren Haushalt an sich schon auszugleichen, ist die Frage durchaus berechtigt, ob es zu verantworten ist, diesen Schritt jetzt zu tun. Daß er erforderlich ist, darüber kann wohl kein Zweifel herrschen. Ob er zu verantworten ist, hängt — jedenfalls von der Seite des Finanzministers gesehen — davon ab, ob die Steuersenkung auf die Dauer zu einem kleineren oder zu einem größeren Gesamtaufkommen führt. Wir von der Regierungskoalition sind mit dem Finanzminister der Ansicht, daß tragbare Steuersätze auf lange Sicht gesehen — und nur so darf man bekanntlich Finanzpolitik betreiben, man darf sie nicht auf den Augenblick abstellen — ein nachhaltig gesichertes ausreichendes Steueraufkommen gewährleisten.
Sie fördern das Gesamtvolumen der Wirtschaft, das bei einer die Substanz immer mehr angreifenden Gesamtbelastung zwangsläufig absinken müßte, und sie bringen den nicht selbständigen Einkommenbeziehern die dringend notwendige Entlastung. Wir halten es für höchste Zeit, hier einzugreifen, und sind gewillt, das Risiko, das in einer solchen Steuersenkung nun einmal liegen muß, auf uns zu nehmen. Daß wir dabei eine „Durststrecke" zu durchlaufen haben, läßt sich nicht vermeiden, und es müssen daher über die bereits vorgesehenen Maßnahmen zur Abgleichung des Haushalts hinaus vorübergehend Kassenkredite in Anspruch genommen und alle Anleihemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Eine gesunde Volkswirtschaft wird — das ist jedenfalls unsere Auffassung — auch hiermit fertig werden. Wir glauben, die Bundesrepublik mit der bisher von der Regierung und den hinter ihr stehenden Parteien verfolgten Politik einer Gesundung der Wirtschafts- und Finanzsituation entgegengeführt zu haben und in der Lage zu sein, diese auch weiterhin gesund zu erhalten.
Entweder, meine Damen und Herren, hat man Vertrauen zu dem System, das man als richtig erkannt hat und zur Anwendung zu bringen in 'der Lage ist, oder man hat es nicht, und wir — das betone ich an dieser Stelle — wir haben dieses Vertrauen.
Eins ist dabei natürlich unvermeidbar. Wir sollten unter allen Umständen — auch darauf hat der Herr Finanzminister gestern schon hingewiesen — unterlassen, durch Beschlüsse des Bundestags — und seien die Anträge, die diesen Beschlüssen zugrunde liegen, noch so gut gemeint — zu den im Haushalt bereits vorgesehenen Ausgaben noch neue hinzuzufügen, ohne an anderer Stelle dafür die nötigen Beträge einzusparen. Wir bringen sonst
das Gleichgewicht der ohnehin aufs äußerste angespannten Finanzlage des Bundes ins Wanken und gefährden letzten Endes die Stabilität der Währung, die als vordringlichste Voraussetzung einer gesicherten Wirtschafts- und Finanzpolitik schlechthin uns allen in diesem Hause oberstes Gebot ist.
Eine grundsätzliche Betrachtung des Bundeshaushalts sollte sich, um zu einer Würdigung seiner Struktur und seines Umfangs zu kommen, naturgemäß in erster Linie auf die Ausgaben erstrecken. Hier möchte ich bitten, den gesamten Ausgabenkomplex einmal unter dem großen Gesichtspunkt zu betrachten, der überhaupt die Grundlage für die Finanzpolitik des Bundes ist. Dabei möchte ich das, was der Herr Bundesfinanzminister gestern hierüber gesagt hat, besonders unterstreichen und in einigem ergänzen.
Das Schwergewicht der Bundesausgaben gründet sich — das ist bei der Struktur unserer Bundesrepublik nur natürlich — auf die übergebietliche staatswirtschaftliche Funktion, die dem Haushalt des Oberverbandes in einem Bundesstaat eigentümlich ist. Dies trifft für etwa 90 % der Ausgaben zu, Ausgaben, die als große gesamtstaatliche Ausgaben sich nicht unmittelbar aus der Existenz und Organisation des Bundes als Gebietskörperschaft ergeben. Der Bund trägt hier die Aufgaben gewissermaßen an Stelle der Länder, weil ihre überregionale Bedeutung und unterschiedliche regionale Streuung ihre Zusammenfassung im Haushalt des Oberverbandes und damit ihre Finanzierung aus zentralen Mitteln erforderlich macht. Hätten wir nicht den staatsrechtlichen Zusammenschluß der Länder zu einem Bund — bitte, denken Sie daran, meine Damen und Herren —, so fielen diese Aufgaben den einzelnen Ländern zur Last, in deren Bereich sie zufällig anfallen, und sie wären aus den Einnahmen zu decken, die diesen Ländern zufällig zur Verfügung stehen. Der Bundeshaushalt ist mit der Übernahme dieser Lasten daher zum Gemeinschaftshaushalt aller Länder geworden.
Dies wird besonders deutlich, wenn Sie damit den Zustand von 1945 bis 1949 vergleichen, der noch allen in Erinnerung sein dürfte, und sich erinnern, zu welchen Spannungen unter den Ländern die regionale Streuung der Lasten und Deckungsmittel geführt hat. Einige Länder vermochten dabei hohe Haushaltsüberschüsse zu erzielen, andere konnten aus Mangel an Mitteln ihren Aufgaben kaum gerecht werden, und zwar gerade die Länder, die von den gesamtstaatlichen Lasten — denken Sie z. B. an das Flüchtlingsproblem als das hervorspringendste — am stärksten betroffen waren. Hier zeigt sich im staatswirtschaftlichen Zusammenleben der Länder die entscheidende Bedeutung der Existenz des Bundes, der mit der Übernahme der Lasten von überregionaler Bedeutung — ich erlaubte mir, es eben schon zu betonen — und ihrer Finanzierung aus den von der gesamten Volkswirtschaft aufgebrachten Steuermitteln eine unentbehrliche Ausgleichsfunktion übernommen hat. Diese Funktion also ist es, die für den weitaus überwiegenden Teil der Ausgaben im Bundeshaushalt bestimmend ist.
Der Mehrbedarf im Haushalt 1953/54 gründet sich im wesentlichen nicht auf Mehrbedürfnisse der eigentlichen Bundesverwaltung. Letztere beansprucht bekanntlich bisher nur einen geringen Bruchteil der Mittel. Der Mehrbedarf entsteht fast ausschließlich aus der stärkeren Beanspruchung im
Bereich der übergebietlichen Aufgaben. Daß der Bund zur Erfüllung dieser Ausgleichsaufgabe auf eine Beteiligung an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer angewiesen ist, liegt auf der Hand, und damit bei steigender Beanspruchung dieser Funktion auch in erhöhtem Maße. Sonst würde die Intensität der eben skizzierten überregionalen Aufgaben geschwächt werden. Gerade die schwächeren Gebietsteile würden betroffen werden. In ihrem Interesse liegt es somit ganz besonders, meine Damen und Herren, dem Bund einen angemessenen Anteil an dem genannten Aufkommen nicht zu verweigern, denn gerade in die finanzschwächeren Länder fließt weit mehr durch die Ausgleichsfunktion des Bundes zurück, als sie dem Bund geben, und es liegt in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse, statt zu einer Schwächung zu einer Intensivierung dieser Funktion beizutragen.
Ich darf — der Herr Bundesfinanzminister hat, glaube ich, diese Zahlen gestern genannt — auf mein eigenes Heimatland Niedersachsen hinweisen. Durch die Ausgleichsfunktion erhält Niedersachsen allein aus den durch Steuern und Abgaben aufgebrachten Mitteln im ordentlichen Haushalt über 550 Millionen DM mehr zurück, als es praktisch durch Abgaben und Steuern, die im Lande aufgekommen sind, an den Bund abliefert. Nehmen Sie dazu noch die weiteren großen Vermögensstöcke, die auch aus den Ländern gespeist werden: den Lastenausgleich, die Sozialversicherung, so beläuft sich diese Summe auf über 830 Millionen DM. Das sind Zahlen, die uns gewiß zu dieser Betrachtung rechtfertigen.
Für die finanzstarken Länder erscheint die vorgesehene Erhöhung des Bundesanteils auf 40 % im Hinblick auf die Gesamtsituation unserer Auffassung nach zumutbar. Die gegenwärtige Unausgeglichenheit der Wirtschafts- und Sozialstruktur des Bundesgebiets, deren allmähliche Milderung bekanntlich eine vordringliche Aufgabe der Ausgleichsfunktionen des Bundes ist, erfordert von den Finanzstarken Opfer zugunsten der Schwachen. Mit dem horizontalen Finanzausgleich allein läßt sich dieser übergebietliche Ausgleich nicht durchführen. Wir sind dabei der Meinung, daß die Minderung oder vielmehr der Verzicht auf das weitere Ansteigen der Steuereinnahmen, den der Bund durch die geplante Steuersenkung vorübergehend auf sich zu nehmen bereit ist, auch von den Ländern anteilig in Kauf genommen werden sollte, um im Interesse der Gesamtheit des Bundesgebiets auf lange Sicht eine gesunde Finanzpolitik sicherzustellen. Wir bedauern — ich bedaure besonders, daß ich es hier zur Sprache bringen muß — hier die Stellungnahme des Bundesrats, der es sich mit der, ich muß schon sagen: äußerst dürftigen Begründung seiner Ablehnung der höheren Beteiligung der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur allzuleicht gemacht hat.
— Jawohl, — trotzdem sind wir Föderalisten, Herr Wellhausen!
Der größte Ausgabenposten des Haushalts sollte auch angesichts seiner politischen Bedeutung nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Verteidigungslasten mit 9,9 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, wie sehr gerade meine Freunde von der
Deutschen Partei angestrebt haben, durch schnellstes Inkraftsetzen der außenpolitischen Verträge die bisherigen Besatzungskosten — denn um die handelt es sich ja überwiegend noch - in den Verteidigungsbeitrag zu überführen, dürfte bekannt sein. Es ist entscheidend wichtig, baldigst den Zustand der einseitigen Festsetzung eines so großen Milliardenbetrags im Haushalt auf Grund des Besatzungsstatuts zu beenden,
um in Zukunft sowohl bei der Ermittlung und Festlegung der Höhe des Beitrags wie bei seiner Verausgabung maßgebend mitwirken zu können.
Meine Fraktion ist von Anfang an wie keine andere bestrebt gewesen, eine schnelle Ratifizierung auch aus diesem Grunde mit herbeizuführen. Sie bedauert, daß der Weg durch den Dschungel der Verfassungsfragen nur schrittweise gebahnt werden kann.
Der hohe Kostenanteil für Berlin muß, so sehr er auch den Haushalt belastet, unter allen Umständen beibehalten werden. Gerade in der augenblicklich verschärften Situation, die uns täglich aufs neue vor Augen geführt wird, ist eine Einschränkung dieser Mittel indiskutabel. Dabei stellen wir erfreulicherweise fest, daß das uns wohlgesinnte Ausland immer klarer zu sehen beginnt, daß hier eine Aufgabe gestellt ist, die die ganze freie Welt angeht.
Das soziale Problem Nr. 1, der Wohnungsbau, erscheint in seiner gesamten Größenordnung nur zum Teil im Bundeshaushalt. Herr Professor Gülich hat vorhin sehr richtig darauf hingewiesen, daß seine Finanzierung aus einer ganzen Reihe verschiedener Quellen erfolgt. Mit besonderer Genugtuung stellen wir rückblickend fest, daß die Zahl der mit Unterstützung öffentlicher Mittel errichteten Wohnungen nicht nur von Jahr zu Jahr gestiegen ist, sondern daß die Bundesrepublik auf diesem Gebiet vor allen anderen europäischen Ländern weitaus an der Spitze marschiert, wahrlich eine einmalig dastehende Leistung. Es erscheint uns aber auf die Dauer nicht vertretbar, Steuermittel in dem bisherigen Umfang für den Wohnungsbau aufzuwenden.
Die Finanzierung dieser echten Investitionen muß einmal auf die echte Form der langfristigen Kapitalanlage zurückgeführt weiden.
Hier muß im Gegensatz zum Kollektiv der Eigentumsgedanke in unverwässerter Form die Grundlage bleiben.
Dabei schweben uns nicht überwiegend Normwohnungen mit großenteils unzureichender Wohnfläche als Ideal vor, sondern familiengerechte, individuell ausgestaltete Wohnungen zu erschwinglichen Mieten.
Die Schaffung und Erhaltung von Eigentum überhaupt ist für meine Freunde und mich eine grundlegende Maxime jeder Wirtschafts- und Finanzpolitik.
An dieser Stelle möchte ich, wie schon oft — ich bin nun einmal der Apostel dieser Dinge —, betonen, daß hierzu die Kapitalbildung, insbesondere die private, in jeder Weise gefördert werden und die sich noch zeigenden kapitalfeindlichen Tendenzen — ich erinnere an die vorhin erwähnte Doppelbesteuerung — endgültig beseitigt werden müssen. Wir erkennen gerne an, daß von seiten der Bundesregierung gerade in letzter Zeit auf diesem Gebiet viel erreicht worden ist.
Nicht der Staatskapitalismus führt hier zum Ziel, sondern die Bildung von Privateigentum mit weitester Streuung.
Auf die für die Förderung und Stützung der Landwirtschaft aufgewendeten Mittel werden wir zunächst nicht verzichten können.
Subventionen scheinen uns dabei nicht das Ideal zu sein. Sie durch ein allmähliches Hineinwachsen in eine für die Rentabilität der Landwirtschaft ausreichende natürliche Preisrelation für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu ersetzen, müßte unser Ziel sein. Wir stellen mit Befriedigung fest, daß im Sinne einer konstruktiven Mittelstandspolitik in diesem Haushalt eine wesentliche Verstärkung der hierfür bestimmten Mittel vorgesehen ist. Alle Wünsche der mittelständischen Wirtschaft, insbesondere des Handwerks, scheinen allerdings noch nicht erfüllt.
Das weite Gebiet der Sozialpolitik möchte leb in diesem Zusammenhang nur erwähnen. Es liegt uns ganz besonders am Herzen, und wir werden in der zweiten Beratung dieser Frage einen sehr breiten Raum widmen.
Die Inanspruchnahme des weitaus größten Teils der Haushaltsmittel für die vordringlichsten Aufgaben der Verteidigung, der Kriegsfolge- und Soziallasten und andere aus der Not der Zeit geborene Probleme hat es mit sich gebracht, daß das Gebiet der wissenschaftlichen und kulturellen Aufgaben, insbesondere auch das der Forschung — ich bedaure, daß Herr Professor Gülich gerade nicht anwesend ist; denn ich stimme da in vielem mit ihm überein — nur ganz unzureichend versorgt werden konnte. Es ist wahrlich ein trostloser Zustand, daß wir, deren wissenschaftliche und kulturelle Leistung einmal in der Welt an erster Stelle der Rangliste stand, über die täglichen Nöte hinaus einfach bisher nicht die Mittel haben aufbringen können, die hier im Interesse der Wiedererlangung der Weltgeltung deutschen Geistes- und Kulturgutes eingesetzt werden müßten. Geradezu beschämend — auch das möchte ich hier klar zum Ausdruck bringen — empfinden wir dabei, daß Gelehrte von internationalem Ruf als Vertriebene in kärglichsten Verhältnissen bei uns ihr Dasein fristen müssen.
Ich möchte einen dringenden Appell an alle damit
befaßten Stellen richten, hier Abhilfe zu schaffen.
Ähnlicher verstärkter Hilfe bedürfen auch die Opfer des Nationalsozialismus, für die angemessen zu sorgen eine Ehrenpflicht jeder Regierung sein sollte.
Wenn Mittel bis zur grundsätzlichen Besoldungsneuordnung für die Beamten — leider kaum noch in dieser Legislaturperiode durchzuführen — einschließlich solcher für die Novelle zum Gesetz gemäß Art. 131, das Dritte Besoldungsänderungsgesetz und die Anforderungen, die das neue Bundesbeamtengesetz bekanntlich stellen wird, vom
Finanzminister bereitgestellt werden, so begrüßen wir das ganz besonders.
Haushaltspolitik, meine Damen und Herren, ist ihrem Sinne nach überwiegend Innenpolitik. Angesichts der im Werden begriffenen europäischen politischen Gemeinschaft, an der ja sehr viele unserer Kollegen ständig intensiv mitarbeiten, gewinnt aber die Haushaltspolitik der Bundesregierung in starkem Maße auch einen außenpolitischen Aspekt; müssen doch im Rahmen dieser Gemeinschaft Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Beachtung gemeinsamer Grundsätze der Wirtschaftspolitik getroffen werden. Diese Grundsätze, die jede inflationistische Politik ausschließen und die Grundfragen der Kapitalbildung und Investitionspolitik mit dem Ziel der Erhöhung des Lebensstandards durch Produktionssteigerung regeln sollen, spiegeln sich im Wirtschafts-, Finanz- und Sozialprogramm der Bundesregierung bereits weitgehend wider. Sie dürften damit maßgeblich auch auf diesen Gebieten zur baldigen Verwirklichung dieser europäischen Gemeinschaft beitragen.
Abschließend möchte ich feststellen: Der vorliegende Haushalt erscheint uns als technisch wie strukturell, nach Inhalt wie Umfang abgerundetes Ergebnis einer, ich darf mir erlauben, zu sagen: vorbildlichen Arbeit der Ressorts, insbesondere des Bundesfinanzministers. Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, auch an dieser Stelle zu danken, erscheint mir als eine Pflicht, der ich mich gern unterziehe. Wir aber, meine Damen und Herren, die mit dem Sommer dieses Jahres unsere Arbeit an den zweiten Deutschen Bundestag übergeben, dürfen mit dem alten Bibelwort sagen: Wir haben unser Haus bestellt.