Danke schön!
Ich habe bekanntzugeben, daß der Herr Abgeordnete Dr. Holzapfel mit Schreiben vom 20. Januar sein Mandat im Deutschen Bundestag niedergelegt hat.
— Herr Abgeordneter Heiland, Sie rufen: „Wirklich?" — Wenn ich es bekanntgebe, stimmt es.
Dann darf ich dem Herrn Abgeordneten Troppenz zu seinem 64. Geburtstage heute herzliche Glückwünsche aussprechen.
Ich rufe auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Bekanntgabe der Note der Bundesregierung vom 28. Juni 1951 über das sogenannte Anerkenntnis der Auslandsschulden an den Bundestag .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und, falls eine Aussprache beschlossen wird, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Luetkens!
Dr. Luetkens , Anfragender: Meine Damen und Herren! Ich glaube, im Mai des Jahres 1951 wurden Ihnen mit der Drucksache Nr. 2218 eine Reihe von Dokumenten vorgelegt, der erste Teil eines Notenwechsels mit der Alliierten Hohen Kommission über die sogenannte deutsche Schuldenerklärung. Dieser erste Teil endete mit einem beiderseitigen Notenaustausch vom 6. März des Jahres 1951.
In der 217. Sitzung dieses Hohen Hauses lag ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor, die späteren zu diesem sogenannten Schuldenanerkenntnis vorliegenden Noten dem Bundestag zur Kenntnis zu bringen, da sie ein integrierender Bestandteil des gesamten Notenwechsels und deshalb zum Verständnis der ganzen Angelegenheit notwendig seien.
In der 222. Sitzung am 10. Juli 1952 — also vor mehr als sechs Monaten — beschloß dieses Hohe Haus auf Antrag des Auswärtigen Ausschusses, die Bundesregierung möge den noch nicht bekanntgegebenen Notenaustausch dem Bundestag zugänglich machen. Der Auswärtige Ausschuß hatte sich bei seiner Befürwortung dieses Antrags von der Erwägung leiten lassen, daß nur die Kenntnis aller Noten die Mitglieder dieses Hohen Hauses in die Lage versetzen würde, die Teile VI und VIII des
Vertrages zur Regelung von aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen sachgemäß zu beurteilen und zu würdigen.
Anstatt nun diese Dokumente dem Bundestag zur Kenntnis zu bringen, hat die Bundesregierung allein den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses die fehlenden Noten zustellen lassen, als ob diesen das Material nicht bekannt gewesen wäre und als ob nicht die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses an der Bearbeitung und Abfassung der Noten von Beginn an teilgenommen hätten. „Eulen nach Athen tragen" heißt, glaube ich, etwas Überflüssiges tun. Die Bundesregierung war von diesem Hohen Hause nicht ersucht worden, etwas Überflüssiges zu tun. Die Eulen der Athene saßen in diesem Fall bereits im Auswärtigen Ausschuß. Die Bundesregierung war aufgefordert worden, etwas Notwendiges zu tun. Sie sollte alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses in die Lage versetzen, bei den Lesungen des Generalvertrags ihre Stimme in Kenntnis der sachlichen Zusammenhänge abzugeben. So war das Votum des Auswärtigen Ausschusses, das diesem Hohen Hause am 10. Juli 1952 vorgetragen wurde.
Die Regierung hatte es mit dem Anliegen einer Fraktion und dann mit dem Anliegen der Mehrheit des Bundestages zu tun, also von Gruppen, deren demokratischen Charakter sie ja wohl selbst nicht bestreiten möchte. Wenn man ihr Verhalten in dieser Sache mit der Bereitwilligkeit vergleicht, mit der sie auf ein ähnliches Anliegen der kommunistischen Fraktion 'zu einem früheren Zeitpunkt einging, kann man nicht ganz umhin, sich zu fragen, warum der Herr Bundeskanzler — ich bedaure, daß er nicht dort ist und ich ihn apostrophieren muß — gelegentlich den Eindruck erweckt, als ob ihm an der parlamentarischen und der demokratischen Mitwirkung dieses Hohen Hauses wenig gelegen sei.
Ich sagte schon, daß der Auswärtige Ausschuß die Vorlage aller Dokumente deshalb für erforderlich hielt, weil nur ihre Kenntnis es ermögliche, die Bestimmungen der Teile VI und VIII des Überleitungsvertrags richtig einzuschätzen. Bei diesen Vertragsbestimmungen stehen ja schwere wirtschaftliche Belastungen für Millionen von Bürgern und für die ganze Bundesrepublik in Frage. Es handelt sich um ernste Transfer-, Außenhandels-und Haushaltsfragen dieser Bundesrepublik. Anläßlich der zweiten Lesung der Verträge ist der Bundestag leider in kaum hinlänglicher Weise über die Zusammenhänge durch Berichte unterrichtet worden, weil der Auswärtige Ausschuß aus gewissen Gründen verhindert worden ist, einen Bericht zu dieser Frage vorzulegen. Das gesamte Notenmaterial, um das es hier geht, war den Mitgliedern dieses Hauses nicht bekannt. Der Kollege Dr. Kopf, der seinerzeit den Antrag des Auswärtigen Ausschusses auf Vorlage aller 'Dokumente hier vortrug, hat mit seiner Begründung damals doch wohl sagen wollen, daß das Hohe Haus in Gefahr stehe, sich selbst zu bescheinigen, daß jedenfalls in einem wichtigen Punkt die Mitglieder in Gefahr kämen, ohne sachkundige Beurteilungsmöglichkeit zu beschließen.
Als der Auswärtige Ausschuß seine Zustimmung zur deutschen Note vom 6. März gab, war diese Zustimmung an die Voraussetzung geknüpft, daß die Frage des deutschen Auslandsvermögens im
Zusammenhang mit der Schuldenfrage zur Erörterung gestellt werden solle. Durch den Uberleitungsvertrag und seine Teile VI und VIII soll nun aber eine Regelung getroffen werden, welche den volkswirtschaftlich zwingenden Zusammenhang zwischen der Behandlung des deutschen Auslandsvermögens und der Reparationen einerseits, der Frage der deutschen Auslandsschulden andererseits auflöst. Die im Vertrag vorgesehene Regelung soll ferner die Bundesrepublik verpflichten, alle Maßnahmen, die gegen das deutsche Auslandsvermögen ergriffen wurden, obgleich sie völkerrechtswidrig waren, hinzunehmen, und so würde auch von dieser Seite her die wirtschaftlich gebotene, die auch weltwirtschaftlich gebotene Verbindung zwischen Vermögen und Schuldenfrage nicht hergestellt. Endlich soll das Auslandsvermögen für die Befriedigung von Reparationsansprüchen verhaftet bleiben, ohne daß die Reparationsfrage, wenigstens was die westlichen Mächte angeht, auch nur für den Geltungsbereich des Grundgesetzes endgültig geregelt würde. So bliebe die Zusammenziehung des gesamten Wirtschafts- und Transferproblems auch noch auf eine dritte Weise blockiert.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, darzutun, warum im Lichte der Begründung des Auswärtigen Ausschusses die Vorlage der fehlenden Dokumente geboten ist. Ich hoffe, man wird nun nicht von Regierungsseite hören, es sei durchaus in das Ermessen der Exekutive gestellt, ob sie die Bekanntgabe von Dokumenten für politisch opportun halte oder nicht. Grundsätzlich würde ich meinerseits diesem Argument nicht widersprechen; aber in diesem Falle vermöchte ich es nicht als berechtigt anzuerkennen. Die Bundesregierung darf bei einer so wichtigen Frage diesem Hohen Hause einfach nicht die Einsicht in Material verweigern, das für seine sachlichen Entscheidungen erforderlich ist.
Ich habe mich nun noch mit einer Erwägung zu beschäftigen, die den ganzen Auswärtigen Ausschuß angeht und damit auch den Bundestag, als dessen Organ jener Ausschuß ja tätig ist. Dabei sehe ich mich vor der Schwierigkeit, daß die Beratungen des Auswärtigen Ausschusses als vertraulich gelten. Wie man aus gewissen Erfahrungen weiß, ist man gelegentlich leicht bei der Hand, Mitgliedern dieses Hohen Hauses im Plenum Bruch der Vertraulichkeit vorzuwerfen. Ich beabsichtige nicht, mich diesem Vorwurf auszusetzen, und werde mich im folgenden an solche Mitteilungen halten, die dem Hohen Hause, sei es aus schriftlichen Berichten, sei es aus mündlichen oder aus Dokumenten, zur Kenntnis gekommen sind.
Die New Yorker Beschlüsse vom Herbst 1950 knüpften die sogenannte kleine Revision des Besatzungsstatuts unter anderem an die Bedingung, die Bundesrepublik müsse, wie es hieß, die Haftung für die deutschen Auslandsschulden übernehmen. Mündlich und schriftlich — so in ihrer Note vom 25. Oktober 1951 — erklärten die Besatzungsmächte, die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik müßten eine eventuelle Schuldenvereinbarung billigen. Der Herr Bundeskanzler seinerseits hat eine solche Ratifizierung durch die gesetzgebenden Körperschaften nicht nur -was ja wohl selbstverständlich ist — als rechtlich, sondern auch als politisch notwendig erklärt. So heißt es denn auch in der deutschen Mantelnote vom 6. März — ich zitiere —:
Der Notenwechsel wird zu gegebener Zeit den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden.
Darauf wartet man freilich noch heute.
Da sich die Verhandlungen wegen der Schwierigkeit der Materie im Auswärtigen Ausschuß hinzogen, erklärte sich die Alliierte Hohe Kommission bereit, zunächst eine Erklärung der Bundesregierung anzunehmen, die der Auswärtige Ausschuß gebilligt habe. Solche Zustimmung wollte sie off en-bar politisch als genügende Sicherheit dafür betrachten, daß der Bundestag diese Erklärung später ratifizieren werde. Erst viel später hat man sich gelegentlich gefragt, ob vielleicht jemand in der Alliierten Hohen Kommission mit dem Gedanken gespielt hat, in solcher Zustimmung eines Ausschusses des Bundestages gleichsam schon eine Vorwegnahme der rechtlichen Zustimmung zu erblicken, wie das möglicherweise in der Verfassungspraxis anderer Staaten, aber eben nicht in dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik zulässig ist.
In der Mantelnote der Bundesregierung vom 6. März wird nun darauf hingewiesen, die deutsche Erklärung zur Schuldenfrage habe die einstimmige Billigung des Bundestagsausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten gefunden. Dieser Satz wurde in der Erwiderung der Alliierten Hohen Kommission in folgender Weise aufgenommen — ich zitiere —:
Unsere drei Regierungen betrachten die Schreiben
— die der Bundesregierung —
als Beurkundung eines Abkommens über die Fragen der deutschen Schulden.
Wenn es zur Ratifizierung des sogenannten Schuldenanerkenntnisses kommt — und man hofft, daß
die Bundesregierung bald diesem Hohen Hause das Schuldenanerkenntnis zur Ratifizierung vorlegen
wird —, wird die Bundesregierung noch zu erklären haben, in welchem Sinne diese Formulierung der Alliierten Hohen Kommission ohne Widerspruch hat hingenommen werden können. Denn bei der Erklärung der Bundesregierung vom 6. März konnte es sich in keinem Falle um etwas handeln, was ohne Ratifizierung hätte staats- und völkerrechtlich verbindlich sein können. In diesem Sinne hat der Auswärtige Ausschuß seine Zustimmung auch nie gegeben. Darüber hinaus hatte er seine Zustimmung zur Note vom 6. März überhaupt nicht einmal auch nur in dem Sinne gegeben, daß sie eine sachlich abschließende Erklärung sei. Seine politisch, nicht etwa rechtswirksam gemeinte Zustimmung war an die Voraussetzung gebunden, daß gleichzeitig mit dem Schuldenkomplex der Komplex der Auslandsvermögen verhandelt werden könne. Wenn diese Bedingung zunächst nicht ausdrücklich in der Note vom 6. März formuliert wurde, so deshalb, weil — wie es vorsichtig in dem vorliegenden Schriftlichen Bericht des Auswärtigen Ausschusses heißt — die Hohe Kornmission aus verhandlungstechnischen Gründen einen besonderen Wunsch in dieser Richtung geäußert hatte. Als sich bald herausstellte, in welcher Weise dieser Wunsch sich auszuwirken drohte, wurde auf Drängen des Ausschusses der Notenwechsel fortgesetzt.
Die späteren Noten müssen sachlich, politisch und rechtlich — wenigstens vom Standpunkt des Bundestags aus — als untrennbar von den früheren Noten angesehen werden. Das gilt insbesondere für die Note vom 28. Juni. In ihr hat die Bundesregierung festgestellt, daß der Auswärtige Aus-
schuß der Note vom 6. März unter der ausdrücklichen Voraussetzung zustimmt, daß auch die Frage
des Auslandsvermögens behandelt werden könne
und daß bei Fortfall dieser Voraussetzung die im
Auswärtigen Ausschuß vertretenen Parteien sich
veranlaßt sehen könnten, ihre Haltung zu ändern.
Auf diesem Hintergrund wird man verstehen, wie die in den bisher vorgelegten Dokumenten zu findende Feststellung, die sogenannte Schuldenerklärung sei vom Auswärtigen Ausschuß einstimmig gebilligt worden, diesen als ein Organ des Hohen Hauses in eine etwas schiefe Lage zu bringen droht. Wenn nicht aus anderen Gründen, dann aus diesem sollte die Bundesregierung sich für verpflichtet halten, diesem Hohen Hause die fehlenden Dokumente zuzuleiten, die Verantwortung klarzustellen, und so eine freie Erörterung der Vorgänge in ihrer rechtlichen und in ihrer politischen Bedeutung ermöglichen.
Dadurch, daß dieser in Form und Sache unvollständige Notenwechsel bis zum 6. März nun auch noch zum Bestandteil des Achten Teils des Überleitungsvertrags gemacht worden ist, wird solches Vorgehen der Bundesregierung um so notwendiger. Es wird auch um so notwendiger, als durch diesen Vertrag die Bundesrepublik dahin festgelegt werden soll, daß die Schuldenerklärung in der Form vom 6. März erneut bekräftigt werde. Meine Damen und Herren, wie sollte — nebenbei bemerkt — dieses Hohe Haus etwas bekräftigen, was es gar nicht richtig kennt!
Eine Erklärung zur Schuldenfrage kann weder erneut noch überhaupt bekräftigt werden, denn es gibt bisher keine die Bundesrepublik völkerrechtlich und staatsrechtlich bindende Erklärung zur Schuldenfrage oder auch nur eine, die den Auswärtigen Ausschuß oder den Bundestag politisch gebunden hätte.
Im Grunde sieht es so aus, als wolle sich die Bundesregierung durch eine, wenn ich so sagen darf, morganatische Ratifizierung weiterhelfen, damit aber darauf verzichten, gestützt auf den ganzen Bundestag eine Politik zu betreiben, die, wie sie auch weiß, eine Politik der wirtschaftlichen Vernunft und des Rechts wäre. Sie hat sich bei den Verhandlungen insbesondere über den Achten Teil des Überleitungsvertrages von der Position zurückgezogen, die sie selbst schon auf Drängen des Auswärtigen Ausschusses und aller seiner Mitglieder eingenommen hatte, als sie die Note vorn 28. Juni absandte. Mir scheint dies ein sehr bedauerlicher politischer Rückzug zu sein. Die Bundesregierung sollte durch Einschaltung des Bundestags in die Behandlung der Schuldenfrage versuchen, sich wieder zu fangen. Auch aus diesem Grund möchte man hoffen, daß die Bundesregierung endlich dem von diesem Hohen Hause gefaßten Beschluß auf Zuleitung der fehlenden, aber für die Sache notwendigen Dokumente Folge leistet.