Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Zumindest habe ich den Eindruck, daß nicht alle Berichterstatter davon überzeugt waren, daß das, was sie vorschlagen, auch richtig ist.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat vorgeschlagen, die Immunität von neun kommunistischen Abgeordneten des Bundestages aufzuheben, damit sie wegen angeblicher Beleidigung und Verunglimpfung, wegen angeblicher Staatsgefährdung und wegen angeblichen Hochverrats vor Gericht gestellt werden können. In fast allen Fällen gehen die Anträge vom Herrn Bundeskanzler oder von Mitgliedern dF r Bundesregierung aus. Schon damit ist klargestellt, daß es sich um einen einheitlichen, von der Bundesregierung gesteuerten Plan handelt, der zum Ziel hat, die Stimme der kommunistischen Fraktion in diesem Hause zu ersticken.
Von den Anträgen betroffen sind die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Müller, Niebergall, Agatz, Paul, Frau Strohbach und meine Person. Der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, Herr Abgeordneter Ritzel, hat bereits mitgeteilt, daß schließlich die ganze kommunistische Fraktion auf diese Weise wohl ausgeschaltet werden soll.
Da die Herren Berichterstatter sich auf die Aufzählung von rein formalen Dingen beschränkt haben, gestatten Sie mir, daß ich zunächst auf die wirklichen politischen Hintergründe der Angelegenheit eingehe. Es ist nun fast ein Jahr her, seitdem die Bundesregierung den Beschluß gefaßt hat, beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen, die Kommunistische Partei möge für verfassungswidrig erklärt und verboten werden. Bei diesem Verfahren ist bis jetzt nicht viel herausgekommen. Herr Lehr, der sonst nicht laut genug mit dem Säbel rasseln kann, hat offenbar Angst davor, daß seine sogenannten Beweismaterialien in einem großen, wirklich öffentlichen Verfahren unter Teilnahme der ganzen Welt geprüft werden. Darum schlägt man jetzt ein anderes Verfahren ein, um die Kommunistische Partei, um ihre führenden Männer und Frauen, ihre Abgeordneten außer Gesetz stellen zu können, vermeidet man den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Weg über das Bundesverfassungsgericht und organisiert eine Vielzahl von Teilprozessen, möglichst unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die Urteile ermöglichen sollen, wie man sie in Washington und bei der Bundesregierung wünscht.
Es ist ein amerikanisches Verfahren, das man hier einführen möchte. Auch in Amerika ist die Kommunistische Partei bis zum heutigen Tage nicht verboten. Nur politisch betätigen darf sie sich nicht, und ihre führenden Männer hat man für Jahre ins Gefängnis geworfen. Nach dem gleichen Verfahren operieren die amerikanischen Besatzungsherren in Japan. Auch dort hat man die Kommunistische Partei nicht verboten, aber ihre Führer und Abgeordneten unter Verletzung aller bestehenden Gesetze, oft ohne irgendein Verfahren, eingekerkert.
Nach diesem amerikanischen Muster soll nun offenbar auch in Westdeutschland verfahren werden. Es ist auch kein Zufall, daß diese Aktion der Bundesregierung gerade im jetzigen Zeitpunkt gestartet wird. Herr Adenauer ist offensichtlich nervös geworden. Er spürt, daß seine Politik des Generalvertrages, seine Politik der sogenannten Westintegration auf immer größere Schwierigkeiten stößt, in Westdeutschland ebenso wie im Ausland. Er spürt, wie der Wille zur deutschen Verständigung immer igrößere Teile der Bevölkerung erfaßt. Das ist der eigentliche Grund, weshalb er es für nötig hält, einen Schlag gegen diejenigen zu führen, die am entschiedensten für eine friedliche Regelung der deutschen Frage, für die Verständi-
gung mit dem Osten, für einen Friedensvertrag und den Abzug aller Besatzungstruppen eintreten.
Damit will aber Herr Adenauer gleichzeitig alle Nichtkommunisten, die ebenfalls Gegner seiner Katastrophenpolitik sind, einschüchtern, als Kommunistenfreunde oder getarnte Kommunisten diffamieren und sie auf diese Weise zur Kapitulation zwingen. Herr Adenauer droht mit dem Zuchthaus gegen uns Kommunisten. Aber er hofft, mit dieser Drohung ebenso solche Politiker wie Heinemann und Bodensteiner, wie die Herren Etzel und Freudenberg, wie Frau Wessel und Frau Arnold zu treffen und mundtot zu machen. Er will jede Kritik an seiner Politik töten, er will jeden Angriff gegen seine Regierung als einen Angriff gegen den Staat und die Sicherheit der Bundesrepublik darstellen. Er benutzt immer mehr solche Methoden, wie sie einem autoritären, ja einem faschistischen Regime eigen sind. Gerade jetzt, wo durch einige Ereignisse der Beweis erbracht ist, daß eine Verständigung der Deutschen in Ost und West über die nationalen Lebensfragen unseres Volkes möglich ist, gerade zu diesem Zeitpunkt möchte Herr Adenauer eine Demonstration vorführen, die von aller Welt nur so ausgelegt werden kann: er will keine Verständigung zwischen Ost und West, und wo sie für ihn „droht", da tritt er ihr mit den Mitteln der Gewalt entgegen.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß es selbst im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ernste Bedenken gegen dieses Verfahren gegeben hat. Selbst Angehörige der Regierungskoalition, wie Herr Abgeordnete Mende, haben ausdrücklich erklärt, es sei nicht Sache des Bundestages oder der Staatsanwaltschaft, darüber zu entscheiden, ob ein verfassungswidriges Handeln einer Partei vorliege; dies sei einzig und allein Sache des Bundesverfassungsgerichts.
- Ich erkenne das in diesem Falle an, Herr Mende.
Mir scheint aber, daß dieser Versuch, das Bundesverfassungsgericht auszuschalten, nicht nur in unserem Falle angewandt werden soll. Wir erleben doch gerade jetzt in diesen Tagen, wie der Versuch der Ausschaltung des höchsten Gerichts der Bundesrepublik sozusagen zur Methode der Politik der Bundesregierung, ja zur Grundlage ihres Handelns in Verfassungsfragen wird. Die sozialdemokratischen Mitglieder haben festgestellt, daß es dem Bundestag nicht zustehe, dem seit einem Jahr angeforderten Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch solche Entscheide vorzugreifen. Man fand kein Verständnis für die These des Vertreters des Justizministeriums, Herrn Grützner, der da gemeint hat, die laufende Klage beim Bundesverfassungsgericht dürfe die Justiz nicht zurückhalten, jetzt schon gegen verfassungsfeindliche Elemente — womit er die kommunistischen Abgeordneten meinte — im einzelnen vorzugehen. Hören Sie doch im Lande herum. Selbst unter Leuten, die politisch mit uns Kommunisten nicht das geringste zu tun haben, herrscht Unbehagen über das anrüchige Verfahren, das hier angewendet wird. Man sieht voraus, wie dieser verfassungswidrige Raub der Immunität an Kommunisten morgen schon gegenüber jedem anderen Opponenten der Regierungspolitik angewandt werden könnte. Lassen Sie mich hierfür als Zeugen die „Deutsche Zeitung" in Stuttgart vom 15. Oktober 1952 zitieren. Sie schreibt:
Dieses Verfahren, einmal auf Touren gebracht, könnte leicht in eine Art Heißhunger ausarten. ... Wo ist die Gewähr dafür, daß das, was heute mit den Kommunisten geschieht, morgen nicht einem anderen politischen Gegner widerfährt?
Wenn der Bundestag, dem Antrag des Ausschusses folgend, die Immunität der neun Abgeordneten aufhebt, bricht er wissentlich das Grundgesetz. Nach dessen Art. 38 sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."
Von uns kommunistischen Abgeordneten hat ein jeder den erklärten Willen und den Auftrag von 90 000 Wählern hinter sich. Man hat uns hierhergeschickt, damit wir hier und überall für den Frieden und die Einheit Deutschlands und die sozialen Interessen der werktätigen Menschen eintreten.
Das haben wir getan. Weil wir den Auftrag unserer Wähler ernst nehmen, darum sind wir die erbitterten Gegner der Politik der Bundesregierung,
und darum ist es unser Recht und unsere Pflicht, hier und überall der Politik der Bundesregierung entgegenzutreten. Niemand hat das Recht, uns an der Ausübung unserer Pflichten, die uns das Grundgesetz auferlegt, zu hindern.
Der Art, 46 des Grundgesetzes sichert dem Abgeordneten die Immunität. Sie bedeutet die Garantie der parlamentarischen Redefreiheit,
die Garantie der Unverletzlichkeit und der Unverfolgbarkeit aus politischen Gründen.
Die Immunität soll den Träger des politischen
Willens des Volkes davor schützen, Opfer der Willkür einer Regierung zu werden, die ihre politischen
Gegner zu behindern oder auszuschalten versucht.
Der bekannte Staatsrechtler der Weimarer Republik Graf zu Dohna hat seinerzeit in einem grundsätzlichen Kommentar zum Immunitätsrecht festgestellt, es sei gerade der Zweck der Immunität,
den politischen Kampf der Abgeordneten beispielsweise gegen den Abschluß eines für schädlich gehaltenen Abkommens mit einem andern Staat zu
schützen. Man könnte meinen, Graf zu Dohna
habe die Situation von heute, die Situation der
Auseinandersetzung um den Generalvertrag vorausgesehen.
Auch hier im Bundestag wurde das Immunitätsrecht als Schutz des Abgeordneten vor politischer Willkür der Regierung klargestellt. Am 3. November 1949 gab der Abgeordnete Dr. von Merkatz in der 14. Sitzung des Deutschen Bundestags Gesichtspunkte für die Frage der Aufhebung des Immunitätsrechts bekannt, die einem einstimmigen Beschluß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität entsprachen. Gestatten Sie, Herr von Merkatz, daß ich Sie einmal in zustimmendem Sinne zitiere. Sie sagten damals:
Auszugehen ist von der inneren Souveränität
des Hauses und von der Tatsache der Repräsen.
tation, die den Gedanken der Unverletzlichkeit der politischen Tätigkeit der Parlamentsmitglieder zur Voraussetzung hat. Damit kommt man zu dem Ergebnis, daß alle Verfahren, die von einem politischen Interesse infiziert sind, das von einem anderen Träger der öffentlichen Gewalt an dem Ergebnis eines solchen Verf ahrens genommen wird, grundsätzlich nicht zu einer Genehmigung
— d. h. zur Aufhebung der Immunität —
führen sollten. ... Nur bei solchen Verfahren, bei denen die Schwere des kriminellen Vorwurfs unbeeinflußt von politischen Nebenabsichten eine Aufklärung des Tatbestandes ausschließlich im Interesse des Ansehens des Hauses gebietet, sollte ... von der Genehmigung Gebrauch gemacht werden.
Soweit Herr Kollege von Merkatz. Am selben Tage
erklärte hier der Abgeordnete Dr. Schmid:
es geht um das Verhältnis dieses Parlaments zu sich selbst. Zu den fundamentalen Rechten: dem Recht, sich frei zu versammeln, dem Recht, Eingriffe der Exekutive - und stünde sie noch so hoch — in seinen Bestand zurückzuweisen, gehört, was man die Immunität der Abgeordneten nennt. Das alles sind mühselig unter Blut und Tränen erkämpfte Prärogativen der Parlamente. Ohne die Unantastbarkeit dieser Prärogativen kann man eine Demokratie nicht führen.
Soweit der Kollege Dr. Schmid.
Bei der Wahrung dieses Immunitätsrechts geht es also nicht um das Schicksal des einen oder anderen Abgeordneten und es geht nicht um die behauptete Schuld oder Unschuld des einzelnen Abgeordneten. Hier geht es allein um einen Rechtsanspruch des Parlaments als Ganzes. Hier geht es um den Grundcharakter einer Institution der Demokratie. Wer sich zu ihr bekennt, muß sie schützen, gleich, um wen es sich handelt, auch und erst recht, Herr Horlacher, gegenüber dem politischen Gegner.
— Doch, im Ausschuß haben Sie sehr eifrig gesprochen. Wer den politischen Gegner von diesem Grungesetz ausnimmt, der gibt das demokratische Grundrecht als solches preis und verläßt den Boden der Demokratie.
Von diesen Erwägungen ausgehend, war bis jetzt auch stets unbestritten, daß eine politische Beleidigung nicht zum Gegenstand der Strafverfolgung eines Abgeordneten werden dürfe. Man hat bisher Anträge auf Aufhebung der Immunität mit solchen Begründungen stets und grundsätzlich abgelehnt. Wollen Sie hier eine neue Praxis schaffen, nur darum, weil es sich um Gegner der Adenauer-Politik handelt? Wollen Sie vor aller Welt demonstrieren, daß für Sie der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz keine Geltung hat, wenn es sich um politische Gegner handelt? Wer diesen Weg beschreitet, folgt den Spuren Hitlers.
Sollte es nicht mehr wahr sein, daß der Terrorfeldzug des Hitlerregimes gegen eine jede Opposition mit der Kassierung der 81 kommunistischen Reichstagsmandate im März 1933 begann?
Wollen Sie heute empfehlen, den verhängnisvollen Weg, der damals beschritten wurde, noch einmal zu gehen?
Es wäre beinahe überflüssig, sich mit den Begründungen für die vorliegenden Anträge auf Aufhebung der Immunität zu befassen. Sie wissen so gut wie ich, daß es den Urhebern dieses Verfahrens auf eine rechtliche Begründung überhaupt nicht ankommt. Sie wollen lediglich ihr Ziel erreichen, die kommunistische Fraktion im Deutschen Bundestag mundtot zu machen. Ich will darum auf diese sogenannten Begründungen eingehen, um zu zeigen, wie leicht es sich die Herren Antragsteller in den Bundesministerien gemacht haben.
Da ist zunächst der Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Max Reimann, den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, Drucksache Nr. 3755.
Die Strafverfolgung soll eingeleitet werden wegen Staatsgefährdung und Beleidigung der Bundesrepublik. Ich möchte auf eines hinweisen. Der Versuch, den Vorsitzenden unserer Partei durch ein Terrorurteil politisch auszuschalten, ist ein Versuch, die Partei selbst zu treffen. Herr Dr. Adenauer verfährt genau nach dem Muster der Hitlerjustiz, die seinerzeit versuchte, sich in dem beabsichtigten Prozeß gegen Ernst Thälmann eine scheinbare Rechtfertigung für die ungesetzlichen Gewaltmaßnahmen gegen die Kommunistische Partei zu beschaffen.
Der Abgeordnete Reimann ist verantwortlich für einen Aufruf des Parteivorstands der KPD, der sich gegen die Unterzeichnung der Kriegsverträge von Bonn und Paris wendet. Aus diesem Aufruf greift die Staatsanwaltschaft als besonders schwerwiegend folgende Stelle heraus:
Darum ist die Untschrift Dr. Adenauers unter diesen Vertrag einem. Staatsstreich gleichzusetzen.
Ist diese Erklärung etwas anderes als die Feststellung eines Tatbestandes? Haben nicht zahlreiche Vertreter anderer politischer Auffassungen den gleichen Standpunkt vertreten?
Jeder Tag, der ins Land geht, ist doch ein Beweis mehr dafür,
daß diese Feststellung den Tatsachen entspricht.
Oder wollen Sie vielleicht darüber hinwegsehen,
daß wir seit Stunden hier in diesem Hause auf das
Erscheinen des Herrn Bundeskanzlers warten, damit er sich vor der Öffentlichkeit gegen den Vorwurf rechtfertigt, er organisiere den Staatsstreich?
Wenn er solche Furcht hat, sich gegenüber diesem Vorwurf zu verwahren, der von fast der Hälfte der Mitglieder des Hauses gegen ihn erhoben wird, warum tritt er nicht hierher und spricht seine Meinung aus? Ist seine Sache so schlecht, daß er sich scheuen muß, sie zu verteidigen? Hat es nicht die erdrückende Mehrheit unseres Volkes als eine unerhörte Mißachtung ihres Willens betrachtet, daß der Bundeskanzler im Mai dieses Jahres seine Unterschrift unter diese Unglücksverträge setzte, ohne das Volk, ja selbst ohne den Bundestag über ihren IInhalt informiert zu haben?
In dem fraglichen Aufruf heißt es weiter:
Die drohenden Gefahren für die deutsche Arbeiterklasse, für unser ganzes Volk können nur abgewandt werden durch den Sturz der volksfeindlichen Adenauer-Regierung.
In dieser Formulierung erblickt die Staatsanwaltschaft das Verbrechen der Staatsgefährdung und droht dem Abgeordneten Reimann deswegen mit dem Zuchthaus. Herr Adenauer setzt seine Person offensichtlich mit dem Staate gleich.
Er hat sich die historischen Figuren des Absolutismus zu seinen Vorbildern erkoren. Er konstruiert die These: Wer mich angreift, greift den Staat an. An dem zitierten Aufruf der KPD ist kein Wort gegen den Bestand der Bundesrepublik gesagt,
klare Worte allerdings gegen den Fortbestand der Adenauer-Regierung.
Jawohl, wir sagen — und das ist unser gutes Recht —, daß der Friede nur gewahrt und die Einheit unseres Vaterlandes nur geschaffen werden kann, wenn diese volksfeindliche Adenauer-Regierung verschwindet.
Wer uns daran hindern will, das zu sagen, der bedient sich faschistischer Methoden, weil er sich zu schwach fühlt, zu schwächlich fühlt, um seinen Bestand mit demokratischen Mitteln zu sichern.
In einem weiteren Fall — Drucksache Nr. 3752 — wird die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Fisch wegen Beleidigung der Bundesregierung und Staatsgefährdung beantragt. Sie werden als verantwortlich bezeichnet für die der Öffentlichkeit übergebene Klagebeantwortung der KPD in der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsstreitsache der Bundesregierung gegen die KPD. Als besonders schwerwiegend erachtet es die Staatsanwaltschaft, daß wir in dieser Klagebeantwortung feststellten:
Wer heute Hitler und Göring nachahmt, wird das gleiche Ende finden wie diese.
Ich wünschte, Herr Kollege Ewers wäre noch hier und könnte feststellen, daß er vorhin falsch zitiert hat!
Wie kommt es — so muß man fragen —, daß die Bundesregierung diese Feststellung so schnell auf sich bezieht?
Wer Hitler und Göring nachzuahmen versucht, der wird tatsächlich so enden wie diese. Daran wird weder Herr Adenauer noch der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt etwas ändern können.
Als staatsgefährdend wird unsere Feststellung bezeichnet, die Bundesregierung betreibe eine verfassungswidrige, volksfeindliche, kriegsvorbereitende Politik
und häufe systematisch Verfassungsbruch auf Verfassungsbruch. Gibt es nicht Millionen im Lande,
die den Bundeskanzler des systematischen Verfassungsbruchs bezichtigen? Sind nicht heute alle Zeitungen mit den Meldungen über die Verfassungskrise, herbeigeführt durch den Bundeskanzler, voll?
Können Sie diese Feststellungen durch den Staatsanwalt aus der Welt schaffen?
War diese Feststellung nicht auch der Anlaß für das Ausscheiden des ehemaligen Bundesinnenministers Dr. Heinemann aus der Bundesregierung im Herbst 1950? Will man die Abgeordneten Bodensteiner und Frau Wessel auch zu staatsgefährdenden Elementen stempeln, die dasselbe feststellen wie wir, nämlich daß die Politik Adenauers unweigerlich zum Kriege treibt? Will man die politische Entscheidung in diesem Hause, will man die politische Entscheidung des Volkes über seine Lebensfrage ersetzen durch Entscheidungen von Staatsanwälten und Sondergerichten?
Übrigens, diese Klageerwiderung des Parteivorstandes der KPD ist ein Teil der Verteidigung in dem laufenden Verfahren vor dem Karlsruher Verfassungsgericht. Zu dieser Stellungnahme als Antwort auf die Klagebegründung der Bundesregierung hat uns das Gericht aufgefordert. Will uns die Bundesregierung darum verurteilen, weil wir unsere Antwort auf ihre Beschuldigungen öffentlich abgeben? Ist es strafwürdig, auf eine öffentliche Anklage öffentlich zu antworten? Hat die Bundesregierung zu befürchten, daß aus unserer Verteidigung eine niederschmetternde Anklage gegen die Bundesregierung wird?
Aber es kommt noch toller. Der Bundeskanzler hat gegen den Abgeordneten Rische Strafantrag wegen Staatsgefährdung gestellt — Drucksache Nr. 3764 —, und zwar wegen zweier Flugblätter, die von ihm verantwortlich gezeichnet sind und die eine Rede des Ministerpräsidenten Grotewohl vom 15. September 1951 wiedergeben, sonst nichts, keine Zeile sonst. Staatsgefährdung soll es also sein, die mit Zuchthaus bedroht wird, wenn ein Deutscher die Rede des Ministerpräsidenten des anderen Teiles Deutschlands veröffentlicht, um der Verständigung und der Wiedervereinigung unserer Heimat zu dienen. Es handelt sich um eine Rede, die vor dem Berliner Parlament gehalten wurde,
um eine Rede, in der sich Ministerpräsident Grotewohl eindringlich an den Bundestag und die Bundesregierung wendet, um endlich auf dem Wege zur Wiedervereinigung einen Schritt vorwärtszukommen. Könnte es eine drastischere Selbstentlarvung des Bundeskanzlers geben als diesen Versuch, einen ernst gemeinten und konstruktiven Vorschlag zur Überwindung der Spaltung Deutschlands mit Zuchthausdrohung zu beantworten? Fürchtet Herr Adenauer, daß die Bevölkerung die Vorschläge Grotewohls zur Kenntnis bekommt? Fürchtet er, daß die Wahrheit ins Volk dringt? Hätte er es gewagt, etwa die Veröffentlichung der Rede eines amerikanischen Generals ebenso zu behandeln, auch wenn dieser offen zum neuen Völkermord hetzt?
In gleicher Weise wird die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Frau Strohbach beantragt — Drucksache Nr. 3761 —, die ebenfalls verfolgt werden soll, weil sie für die Veröffentlichung einer Rede des Ministerpräsidenten Grotewohl vor der Volkskammer verantwortlich zeichnete.
In drei Fällen wird die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Oskar Müller verlangt, darunter auch mit der Begründung, es handele sich um einen Fall der Vorbereitung zum Hochverrat. Man wirft dem Abgeordneten Müller vor, daß er für eine ganze Reihe von Flugblättern und Broschüren verantwortlich zeichnete, die sich allesamt gegen den Krieg, für die Einheit der Arbeiterklasse, für die nationalen Interessen unseres Volkes und für einen Friedensvertrag aussprechen.
Unter den diskriminierten Schriften befindet sich - bitte, hören Sie genau zu — auch die Wiedergabe des Wortlauts der Erklärung der Regierungsdelegation der Deutschen Demokratischen Republik vor dem 2. Politischen Ausschuß der UN-Vollversammlung in Paris.
Darunter befindet sich weiter der Text eines offenen Briefes des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der SPD und der KPD. Darunter befindet sich schließlich eine Broschüre, die den Wortlaut einer Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Luetkens hier im Bundestag wiedergibt.
Meine Damen und Herren, genügt Ihnen diese Aufzählung, oder brauchen Sie noch mehr Beweise dafür, daß diese Anklagen ein tolles Machwerk politischer Willkür und politischer Sondergerichtsbarkeit darstellen? Brauchen Sie noch mehr Beweise, um zu wissen, daß der Bundestag als Instrument einer Willkürjustiz mißbraucht werden soll?
Auch dem Fall des Abgeordneten Agatz, der ein Gerichtsverfahren wegen Verunglimpfung und Beleidigung des Bundeskanzlers bekommen soll, liegt ein Strafantrag des Bundeskanzlers persönlich zugrunde. Die Strafverfolgung soll wegen eines Flugblattes eingeleitet werden, in dem es u. a. heißt: „Unsere Jugend soll auf die Schlachtfelder eines amerikanischen Krieges gegen den Osten getrieben werden." Diese Feststellung will der Herr Bundeskanzler mit Gefängnis beantworten, als ob er damit aus der Welt schaffen könnte, daß er selbst noch in diesem Sommer die sogenannte „Neuordnung Osteuropas" als eines der wesentlichsten Ziele der Politik der Bundesregierung bezeichnet hat, als ob er damit aus der Welt schaffen könnte, daß sein Herr Staatssekretär die Ausdehnung des von den Amerikanern geführten Westblocks bis zum Ural empfohlen hat. Ja, es ist wirklich eine schlechte Sache, wenn man sich der politischen Auseinandersetzung und der politischen Rechtfertigung dadurch zu entziehen versucht, daß man den Staatsanwalt auf gewählte Abgeordnete hetzt.
Gegen den Abgeordneten Niebergall wird die Genehmigung zur Strafverfolgung mit folgender Begründung beantragt: Am 1. Mai hat in Mainz eine Arbeiterkundgebung stattgefunden, bei der ein Transparent „Fort mit Soldatenauer!" mitgeführt wurde, wie Sie vom Berichterstatter schon hörten. Einige Kundgebungsteilnehmer haben, wie es heißt, Polizisten, die versuchten, dieses schöne Transparent zu beschlagnahmen, abgedrängt. Sie hätten dadurch die Hüter der Ordnung an der Feststellung von Personalien gehindert. Unter diesen Personen sei auch der Abgeordnete Otto Niebergall festgestellt worden. Und das ist der Anlaß zu einer Klage wegen Aufruhrs und Landfriedensbruchs!
Schließlich der Fall des Abgeordneten Renner. Seine Immunität soll aufgehoben werden, weil er auf einer Pressekonferenz, die hier im Hause stattgefunden hat, auf die finanzielle und politische Unterstützung des Kaiser-Ministeriums für die BDJ-Banditen aufmerksam gemacht hat.
Herr Kaiser betrachtet dies als eine politische Beleidigung und schreit nach dem Strafrichter. Er sollte sich lieber um den Strafrichter bemühen, der sich seiner Schützlinge vom BDJ annimmt.
Er sollte lieber hier vor diesem Hause Rechenschaft geben, wozu die Steuergelder verwandt wurden, die er aus dem Geheimfonds seines Ministeriums dem faschistischen Mörderklüngel des BDJ ausgehändigt hat.
Das wäre besser und entspräche eher dem Willen der Bevölkerung, als kommunistische Abgeordnete wegen Beleidigung vor den Kadi zu schleppen.
Nur zur Abrundung des Bildes möchte ich noch darauf hinweisen, daß in der Debatte des Ausschusses auch schon die Möglichkeit eine Rolle spielte, den kommunistischen Abgeordneten auf Grund der für sie vorbereiteten Verfahren und Urteile das aktive und passive Wahlrecht abzuerkennen.
Sehen Sie, auch hier haben Sie die amerikanische Handschrift. Das ist doch allzu deutlich. Nach in Japan bewährtem Muster will man verhindern, daß kommunistische Abgeordnete bei der kommenden Bundestagswahl erneut kandidieren. Was das neue Wahlgesetz, dessen Ausklügelung die Bundesregierung soviel Mühe kostet, nicht ganz sicher zuwege bringt, soll diese Vorwegausschaltung kommunistischer Kandidaten garantieren. Auch hier liefert die Bundesregierung der Welt einen Beweis ihrer „demokratischen" Gesinnung.
Meine Damen und Herren, Sie werden mir zustimmen müssen, wenn ich sage, daß die Begründungen, mit denen die Bundesregierung ihre Anträge stützt, für sie gar nicht ausschlaggebend sind. Um das Ziel, nämlich die Ausschaltung der kommunistischen Abgeordneten aus dem Bundestag, zu erreichen, wäre die Bundesregierung sicherlich in der Lage, jeden Tag beliebig viele derartige sogenannte Begründungen anzuführen in der Hoffnung, in diesem Hause eine automatisch funktionierende Mehrheit zu finden, die zu allem ja sagt.
Aber die Bundesregierung möge nicht glauben, daß solche Methoden ausreichen, um den Widerstand gegen die Kriegsverträge von Bonn und Paris zu ersticken und um die Kräfte zu lähmen, die sich im ganzen Land für die Erhaltung des Friedens und die Einheit unseres Vaterlandes erheben.
Sie kennen die von Herrn Adenauer geübte Praxis, solche Politiker, die anderer Meinung sind als er, zu beschimpfen und zu verleumden. Sie haben heute die Entscheidung darüber, ob alle diejenigen, die Herr Adenauer als Dummköpfe oder Verräter zu bezeichnen beliebt, künftighin als staatsgefährdende Elemente ins Gefängnis oder ins Zuchthaus wandern sollen. In Ihrer Hand liegt die Entscheidung, ob Sie den Grundsatz des einen und gegen jedermann gleichen Rechts auf rechterhalten wollen oder ob Sie dem neuen Grundsatz
der Adenauer-Regierung zustimmen, daß Recht ist, was der Politik der Bundesregierung nützt. In Ihrer Hand liegt es, ob, heute mit Präjudizentscheiden dieses Hauses die Bahn frei gemacht wird für eine künftige hemmungslose Staatsjustiz gegen jede freiheitliche Meinungsäußerung. Ein anderer Freund der amerikanischen Politik auf einem anderen Erdteil, Mr. Syngman Rhee, hat kürzlich die gesamte parlamentarische Opposition verhaften und so lange festhalten lassen, bis sie bereit war, sich seinem Willen zu beugen. Wenn Sie wollen, daß die Praxis des korrupten Bediensteten der amerikanischen Machtpolitik in Korea hier in Westdeutschland von Amts wegen eingeführt wird, dann stimmen Sie den Anträgen des Ausschusses zu.
Wenn Sie aber das Bekenntnis zur demokratischen Ordnung ernst nehmen, wenn Sie wollen, daß das Recht, für die Einheit Deutschlands und den Frieden einzutreten, keinem Abgeordneten entzogen werden darf, dann müssen Sie die Ihnen vorgelegten Anträge des Ausschusses ablehnen. Denken Sie daran: Es ist leicht, das Recht zu brechen, aber es ist schwer, sich der Verantwortung dafür zu entziehen.