Rede von
Willy Max
Rademacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, den interfraktionellen Antrag; der von 85 Abgeordneten unterschrieben wurde und den Zweck hat, die alte Ausschußfassung wiederherzustellen, zu begründen. Erfreulich ist, daß bisher die Debatte so sachlich verlaufen ist, daß wir Gelegenheit haben, ein wenig den Eindruck der zweiten Lesung zu verwischen.
Es sind nun eine Reihe von Eingaben bei jedem Abgeordneten des Bundestages eingegangen. Ich will die einzelnen Kategorien nicht aufzählen. Sie werden sicherlich das Wort auf den Lippen haben: Nun ja, das sind eben Interessenten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, an wen sollen sich denn diese Kreise, die immerhin über einige hunderttausend Existenzen mitzubestimmen und zu entscheiden haben, wenden, wenn nicht an eine gerechte, allerdings auch sachkundige Auffassung dieses Hauses. Ich möchte mich daher darauf beschränken, nur einen Antrag zu nennen der keineswegs mit einer Interessentengruppe etwas zu tun hat, nämlich die Stellungnahme der Bundesverkehrswacht, deren Aufgabe in allen deutschen Landen Ihnen zur Genüge bekannt ist. Auch die Bundesverkehrswacht stellt ausdrücklich fest, daß durch die beabsichtigte Verkürzung der Lastzüge von 20 auf 15 m keine größere Sicherheit auf den Straßen erreicht wird. Ich darf nebenher bemerken: soweit ich unterrichtet bin, ist auch die zuständige Fachgewerkschaft, die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, aus den gleichen sachlich überlegten Gründen der Meinung, daß durch eine Verkürzung in der Frage der Sicherheit auf den Straßen nichts erreicht wird. Um diese Sicherheit auf den Straßen geht es ja. Ausschuß für Verkehrswesen, der diesen neuen Antrag formuliert hat seit 1949 gestellt hat: den gesamten Verkehr in Deutschland mit all seinen Verkehrsträgern in Ordnung zu bringen, vor allen Dingen aber, sich immer wieder mit der Frage der Sicherheit auf der Straße zu befassen. Das hat er durch zwei entscheidende Gesetze getan. Das eine ist das Güterkraftverkehrsgesetz, das die Tarifüberwachung und — in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und mit deren Polizei — die sonstigen Maßnahmen, insbesondere die Verhinderung der Überladung regeln soll. Das zweite Gesetz ist das Unfallverhütungsgesetz, über das wir uns im Augenblick unterhalten.
Ich brauche nur noch einmal zusammenzufassen, was die Generaldebatte erbracht hat: die strafverschärfenden Bestimmungen, vor allen Dingen die Beseitigung des zweiten Anhängers ab 1. April, sodann die Einführung des Fahrtenschreibers usw. Nebenher hat das Bundesverkehrsministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Ausschuß bereits Maßnahmen getroffen, die in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung enthalten sind. Dazu gehört auch die nach reiflicher Überlegung im Jahre 1951 eingeführte Verkürzung der Länge der Züge von 22 auf 20 Meter. Ich wollte Ihnen nur noch einmal zeigen, mit welcher Sorgfalt, aber auch mit welchem Verantwortungsbewußtsein die Bundesregierung und der zuständige Ausschuß an diese Arbeit herangegangen sind. Die letzte dieser drei Maßnahmen wird heute vom Bundestag in dritter Lesung behandelt, und der Bundesrat wird hoffentlich bald folgen, so daß wir diese verschärfenden Bestimmungen einführen können.
Wenn man so viel Mühe und Sorgfalt aufwendet und mit dem entsprechenden Sachverstand an alle diese Dinge herangeht, dann ist es eine etwas schwer verständliche Sache, daß man nun kurz vor dem Abschluß der Beratungen und kurz vor der Einführung dieser verschärfenden Bestimmungen plötzlich mit einem Antrag bedacht wird, der einfach sagt: Also 15 Meter! Nun ist es ja nicht so, daß nicht auch der Herr Antragsteller durch die vielen sachlichen Stellungnahmen, die Ihnen allen zugegangen sind, etwas beeindruckt worden wäre. Denn wäre das nicht der Fall, wäre er bei seiner ersten Auffassung geblieben, diese Verschärfung ab 31. März 1953 einzuführen. Ich will hier nicht untersuchen, was die Folge gewesen wäre, wenn das Gesetz nach der zweiten Lesung schon gleich auch in dritter Lesung verabschiedet
worden wäre. Dann wären eben alle jene Folgen eingetreten, die der Antragsteller nun durch seine neuen Anträge selbst verhindern will. Er ist zunächst für alte Fahrzeuge auf 1 3/4 Jahre gegangen, und er hat dann in seinem neuesten Antrag — ich nehme an, das soll bedeuten, daß die beiden anderen Anträge damit hinfällig sind — Ausnahmen für die Landwirtschaft und für Spezialtransporte vorgesehen. Ich glaube, diese Formulierung ist nicht einmal juristisch einwandfrei. Aber das könnten wir dem Bundesrat überlassen, der hat ja die richtigen Leute, der würde das in Ordnung bringen.
Was heißt „Ausnahmen für Spezialtransporte"? Diese Ausnahmen haben in der gesetzlichen Bestimmung immer dringestanden. Sie könnten sogar für die Landwirtschaft, für landwirtschaftliche Transporte selbst mit größeren Maßen durchführen ich darf erwähnen, daß diese für die Landwirtschaft vorgesehenen Ausnahmen sich mit den vom Spitzenverband der Landwirtschaft aufgestellten Forderungen keinesfalls decken. Diese Leute sagen: Es kommt uns nicht nur darauf an, daß wir unsere Holztransporte und unsere landwirtschaftlichen Transporte selbst usw. durchgeführt werden. Aber können, sondern wir sind der Meinung, daß auch mit Rücksicht auf die Versorgung der Bevölkerung und im Hinblick auf die leicht verderblichen Güter eine Verkürzung der Länge von 20 Metern grundsätzlich nicht erfolgen darf. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit richtigstellen.
Nun zu der entscheidenden Frage der Sicherheit. Das Entscheidende sind und bleiben doch — und das ist das, was uns alle ärgert, mich eingeschlossen — die unzulänglichen Verhältnisse beim Überholen. Die Verkürzung von 20 auf 15 Meter bedeutet eine Verkürzung der Überholzeit von ganzen 6 %. Das ist nicht entscheidend. Sie bringt allerdings gleichzeitig einen Verlust der Ladekapazität von 38 %.
Ich werde noch darauf eingehen und werde es technisch beweisen, daß durch einen Ein-Achsen-, ja durch einen Zwei -Achsen-Anhänger eine größere Unsicherheit auf der Straße entsteht als bei dem jetzt entwickelten und konstruierten DreiAchsen -Anhänger. Nach Ansicht aller Fachleute, nicht nur der Interessenten, bedeutet dieser DreiAchsen -Anhänger heute in seiner Konstruktion die größte Sicherheit und die geringste Schleudergefahr auf den Landstraßen.
Nun etwas Erfreuliches; es ist heute in der Generaldebatte schon angeklungen. Ich glaube Ihnen heute von dieser Stelle sagen zu können: wir sind heute mit dem Überholgerät fertig. Wir sind so weit, daß es Mitte Januar dem Verkehrsäusschuß einmal vorgeführt wird, in dessen Kompetenz es zwar nicht liegt, der aber auch von sich aus die dringende und sofortige Einführung empfehlen kann. Wenn es die Damen und Herren, die doch so sehr an diesen Dingen interessiert sind, interessiert, darf ich einige ganz wenige Bemerkungen machen, damit Sie sehen, wohin es geht. Es handelt sich nicht um ein akustisches Gerät mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, sondern es ist eine Konstruktion mit einer kleinen Sendelampe, die im linken Scheinwerfer einmontiert wird — die im ganzen übrigens nur 8 DM kosten soll — und nun links außen bei dem Lastwagen auf einen Spiegel wirkt, durch die Lichtsignale einen Schnarrton auslöst. Der Fahrer betätigt nun wieder nach rückwärts ein Lichtzeichen, daß er mit der Überholung einverstanden ist. In der Straßenverkehrs -Zulassungs-Ordnung ist dieses Überholgerät bereits vorgesehen. Nur der Termin ist noch offen, weil immer wieder untersucht wurde, welches nun das optimal beste Gerät ist. Sie werden verstehen, daß man an diese Sache nicht leichtfertig herangehen konnte, weil sie ja für lange Zeit Bestand haben soll.
In diesem Zusammenhang möchte ich bei Einbringung des Antrags im Namen derjenigen, die diesen Antrag unterschrieben haben, ein viel ernsteres Wort an diejenigen richten, die sich auf der Landstraße insbesondere auf den Lastwagen betätigen. Das geht die Unternehmer an, das geht den Fahrer an, und das geht auch die Betriebsräte an. Wenn die Herren nicht mehr Disziplin auf den Straßen üben, dann werden auch diese Maßnahmen nicht genügen, und es muß etwas anderes kommen, was allerdings mit der Frage einer Begrenzung der Zuglänge auf 15 oder 20 Meter nicht das geringste zu tun hat. Dann werden wir den Herren das Überholen am Berg mit unzulänglichen Mitteln überhaupt verbieten und uns unter Umständen überlegen, jedes Überholen von Lastwagen vielleicht auch generell und grundsätzlich zu verbieten. Das muß bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Denn es ist ja so: Wenn die Leute ihre Unzulänglichkeit festgestellt haben, dann können sie nicht mehr einscheren, weil hinter ihnen eine Queue von 50 oder 100 Wagen sitzt. Das gibt dann diese Verärgerung und diese Aufenthalte. Das ist ja entscheidender und wirkt sich natürlich auch, eingeschlossen dieses Parlament, psychologisch bei der ganzen Behandlung von Verkehrsgesetzen insbesondere auf der Straße aus.
Ich bin nun verpflichtet, auch auf die Frage der Auswirkungen einzugehen, die ein Beschluß auf Begrenzung der Zuglänge auf 15 Meter haben würde. Das hat nun gar nichts mehr mit dem Termin 1956 zu tun, auf den ich noch eingehen werde. Die Gesamtauswirkung wird ziffernmäßig unbedingt die gleiche sein. Heute ist es so, daß bei Repräsentativerhebungen in der Anhängerindustrie in der kurzen Zeit zwischen der zweiten und dritten Lesung eine Auftragsannullierung von 26 Millionen DM festgestellt wurde. Bei 49 Fabriken würde das einen Betrag von 125 Millionen DM ausmachen. Es gibt kaum noch Auftragseingänge für die 12 000 Menschen, die dort heute schon in der Kurzarbeit arbeiten, mit Ausnahme einer Vorbehaltsklausel, weil man eben hofft. daß in der dritten Lesung die alte Regelung wieder hergestellt wird.
Wenn der letzte Antrag des Herrn von Rechenberg in diesem Hause Unterstützung fände, würde es Monate, ja . vielleicht ein Jahr dauern, bis eine Umstellung möglich wäre. Wenn diese Anhänger nun trotzdem bis 1956 auf der Straße laufen sollen, wenn außerdem die Landwirtschaft und Sonstige eine Ausnahme haben sollen, dann gibt es doch in der ganzen Entwicklung ein völliges Durcheinander. Dann soll man doch zuerst einmal in Ruhe abwarten, wie sich diese sehr verschärfenden Gesetze auswirken, ohne diese "Schwierigkeiten zu provozieren und hervorzurufen, die praktisch überhaupt keinerlei Bedeutung haben.
Überlegen Sie einmal die Situation im Omnibusverkehr. Im Omnibusverkehr sind 2500 Anhänger eingesetzt. Hauptsächlich werden damit Arbeiter und Angestellte im Berufsverkehr befördert. Wenn
Sie die Gesamtlänge auf 15 m begrenzen, dann ist es nur noch möglich, einen Einachs-Anhänger von 4,5 m anzuhängen, der außerdem nach der B. O. Kraft verboten wurde. Sie werden mir nun nicht erzählen können, einen Dreiachser könne man umkonstruieren. Von einem Omnibusanhänger können Sie beim besten Willen nichts abhacken. Denken Sie auch daran, daß die Amortisationsfrist besonders bei Omnibusanhängern zehn Jahre beträgt. Neben der Vergeudung der Umwandlung kommt bei all diesen Dingen auch das Problem der Neuanschaffung dazu.
Jedenfalls haben die Organisationen — und das ist vor allem die öffentliche Hand; es ist wenig bekannt, daß sich vom gesamten Omnibusverkehr 68 °/o in öffentlicher Hand, d. h. bei den Kommunalbehörden, bei der Bundesbahn und bei der Bundespost, befinden — ausdrücklich erklärt, daß der Normaltarif bereits um 7 % im Endeffekt erhöht werden müsse und daß die Arbeiterberufskarten-Ermäßigung von 50 % und diejenige für Schüler von 70 % unter gar keinen Umständen mehr aufrechterhalten werden könne, wenn diese Maßnahme durchgeführt werde.
Es bleibt auch bei der Änderung des Antrages von Rechenberg auf 1956 im Endeffekt dabei, daß 70 000 dieser großen Anhänger mit einem Gegenwert von 300 Millionen DM zu verschwinden haben; es bleibt dabei, daß 2 200 Omnibusanhänger im Werte von 40 Millionen DM zu verschwinden haben; und die Frage der Wechselkredite, die mit 200 Millionen DM laufen, wird durch den neuen Antrag auch nur zum geringen Teil abgefangen.
Die wirtschaftlichen Folgen müssen noch einmal in dieser Form klargemacht werden. Der Zug auf 1 der Landstraße so wie der Omnibuszug ist eine Einheit; darum kommen Sie nicht herum. Er muß einheitlich konstruiert und einheitlich verwandt werden. Wenn Sie heute sagen: An eine schwere Zugmaschine oder einen Motorwagen von 150 bis 180 PS können wir irgendeinen x-beliebigen Anhänger hängen, so ist das ein wirtschaftlicher Nonsens; das muß ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen. Es bleibt dabei, daß wir, wenn die 15 -MeterGrenze auch erst 1956 durchkommt, eine vollkommene Umstellung der Motorenindustrie im Lastwagenverkehr und im Omnibusverkehr durchführen müssen. An dieser Tatsache ist nichts zu ändern. Sie drehen auf diesem Gebiet die deutsche Motorenindustrie, die immer führend in der ganzen Welt gewesen ist, auf 1927 zurück, mit allen Auswirkungen auf den Export.