Rede von
Dr.
Hermann
Kopf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soll das deutsche Volk das ihm lange vorenthaltene Gut der Freiheit wieder zurückerhalten, oder soll es dieses Gut der Freiheit deshalb zurückweisen, weil es nur mit Opfern gewonnen werden kann und weil diese Freiheit noch nicht die letzte, die totale Freiheit bedeutet?
Sind diese Opfer, wenn sie notwendig sind, angemessen, oder übersteigen sie das Maß? Das scheint mir eines der Themen der Auseinandersetzung von gestern abend gewesen zu sein, deren Schwingungen noch jetzt in diesem Saale nachhallen. Mein Freund Kiesinger hat auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Arndt politisch geantwortet. Ich will versuchen, es juristisch zu tun, sine ira et studio, in demselben Geist, der die Erwägungen des Rechtsausschusses bewegt hat, den Herr Dr. Arndt gelobt hat und dem er gestern morgen, aber nicht gestern abend nachgefolgt ist.
Was ist der Sinn dieses Generalvertrags und 'der Zusatzverträge? Deutschland hört auf, Besatzungsgebiet zu sein.
Es ist nicht richtig, daß wir ein besetztes Land bleiben.
Es ist richtig, daß Truppen bleiben, aber nicht als Besatzungstruppen, sondern als Truppen, die um unserer Sicherheit willen zu unserem Schutz bestimmt sind, auf welchen wir nicht verzichten können. Es ist wahr, daß diese Wiedergewinnung der Freiheit mit Hypotheken belastet ist, mit den drei Vorbehalten und mit den Verfestigungen bestimmter Bestimmungen des Besatzungsstatuts, wie sie in den Überleitungsgesetzen enthalten sind.
Der Herr Kollege Arndt hat aus dieser Gruppe der Vorbehaltsrechte, die auf die Vier-Mächte-Abmachungen des Jahres 1945 zurückgehen und die auf die Bindung der vier alliierten Mächte Bezug haben, eine allerdings sehr wichtige Klausel herausgezogen, nämlich die Frage des Notstands. Der Notstand hat mit dem Ausnahmerecht zu tun. Die Auswahl, die Herr Dr. Arndt getroffen hat, indem er aus den ungezählten Problemen dieser Verträge gerade diese Einzelfrage herausgegriffen hat, scheint mir nicht unzweckmäßig zu sein; denn in der Tat hat uns in Deutschland neben dem Grundgesetz durch die letzten Jahre das weite Feld des Besatzungsrechts begleitet, und dieses Besatzungsrecht ist ein Ausnahmerecht. Dieses Ausnahmerecht — ein bisher weitabgestecktes Feld — konzentriert sich nun und schrumpft zu den Vorbehalten zusammen, insbesondere zu dem Vorbehalt des Notstands nach Art. 5. Die Ausübung dieser Notstandsbefugnisse ist an das Vorliegen objektiver Voraussetzungen geknüpft. Insoweit eine Mitwirkung deutscher Regierungsstellen Platz zu greifen hat, hat sie sich im Rahmen der deutschen Gesetze und des Grundgesetzes zu halten.
Es ist richtig, daß die ersten sieben Bestimmungen dieses Artikels im allgemeinen nicht der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterliegen. Aber sie unterliegen ihr zweifellos in den Grenzfällen, in denen es sich darum handelt, festzustellen, ob die objektiven Voraussetzungen des Notstandes wirklich gegeben waren oder ob ein Ermessensmißbrauch, ein détournement du pouvoir, vorgelegen hat. In jeder anderen Hinsicht, wie Art. 5 Abs. 8 sagt, unterliegt auch dieses Recht des Notstandes der Nachprüfung des Schiedsgerichts. Dieses Schiedsgericht hat sehr weitgehende Befugnisse. Aber sind sie weitgehender als die Befugnisse, die in anderen Gesetzen anderer Länder und unseres Landes anderen Gerichten eingeräumt sind? Auch das Verwaltungsgericht kann Verwaltungsakte aufheben. Auch das Verfassungsgericht kann Gesetze als unzulässig erklären, und zwar mit Gesetzeskraft. Seine Entscheidungen bleiben Rechtsprechung, und auch dem Bundesverfassungsgericht kann die Vollstreckung seiner Urteile übertragen werden, genau wie diesem Schiedsgericht. Man kann darum nicht sagen, so weitgehend die Befugnisse dieses Gerichts sind, daß sie sich aus dem Rahmen der Rechtsprechung entfernen und daß sie Vorbilder außer acht lassen, die in den nationalen Gesetzgebungen geschaffen worden sind und in denen die richterliche Gewalt in einem sehr weitgehenden Umfang den Gerichten und den Richtern anvertraut warden ist.
Bevor ich weitergehe und zu dem Hauptteil meiner Erörterungen komme, möchte ich mir eine Vorbemerkung zu der Methode von Herrn Dr. Arndt von gestern abend gestatten, nicht zur politischen, sondern zur juristischen Methode. Ich bedaure, daß Herr Dr. Arndt nicht da ist; aber ich glaube, diese Bemerkung nicht unausgesprochen lassen zu können. Die politische Wirklichkeit ist kein geschlossenes System rechtlicher und logischer Beziehungen. Ganz im Gegenteil, sie ist weit davon entfernt. Die Überdehnung der juristischen Maßstäbe, die Überspannung und Überspitzung rechtlicher und rechtspolitischer Forderungen, der untaugliche Versuch, die politische Wirklichkeit mit einem Maschenwerk rechtlicher Bestimmungen total zu erfassen und sie einem System rechtlicher Normen ganz zu unterstellen, wird nicht in das verheißene Land führen können, -- weder des Rechts, noch der Erkenntnis.
Das sind die Zweifel, die ich dieser juristischen Methode entgegenhalten muß.
Aber es kommt ein anderer Zweifel hinzu, ein Zweifel, der über die Ausführungen von gestern abend hinaus allgemeinere Bedeutung besitzt. Sollten wir Juristen nicht genötigt sein, die Grenzen unserer Wissenschaft und unserer Kunst zu erkennen, wenn es sich um die Tatbestände des politischen Lebens handelt?
Sollten wir nicht erkennen, daß ein Teil der politischen Wirklichkeit nicht mehr judiziabel ist und nicht mehr judiziabel gemacht werden kann? Wäre es vielleicht nicht besser gewesen, wenn die Schöpfer des Grundgesetzes sich bereits dieser Grenzziehung in stärkerem Maße bewußt gewesen wären? Steht es fest, daß sie dann dem Bundesverfassungsgericht eine Bürde übertragen hätten, die sich für ein Kollegium von 24 noch so hervorragenden Richtern dann als zu schwer erweisen könnte, wenn dieses Gremium nicht die Unterscheidung zwischen dem judiziablen und nicht mehr judiziablen Tatbestand zu treffen in der Lage wäre?
Der amerikanische höchste Gerichtshof hat in seiner, ich glaube, 150-jährigen Praxis sich in seiner Selbstbescheidung, in der Weisheit der Unterscheidung noch judiziabler und nicht mehr judiziabler politischer Tatbestände bewährt. Ich glaube. daß wir allen Anlaß nehmen sollten, auf die Rechtsprechung dieses höchsten amerikanischen Verfassungsgerichts zu blicken, wenn es sich darum handelt, neue Richtlinien und Maßstäbe zu gewinnen für die Ziehung der Grenzen zwischen dem politischen Feld, das der richterlichen Nachprüfung noch unterliegt, und dem anderen, das ihr nicht mehr zugänglich gemacht werden kann.
Die beiden Verträge sind gekoppelt, Herr Dr. Arndt hat es beanstandet, daß diese Koppelung im Gegensatz zu dem zeitlichen Sukzessivsystem der mit Japan abgeschlossenen Verträge erfolgt ist. Ich vermöchte diese Bedenken dann zu teilen, wenn der EVG-Vertrag in irgendeiner Weise eine Diskriminierung des deutschen Partners enthielte. Aber gerade dieser Vertrag ist aufgebaut auf der guten Partnerschaft, auf der Gleichheit und auf der Gleichberechtigung.
Weil Deutschland keine anderen und keine größeren Pflichten in diesem Vertrag übernimmt als die
anderen fünf Nationen, scheinen mir die Bedenken die aus der Koppelung dieser Verträge sonst hergeleitet werden könnten, nicht Bestand zu haben
Ist dieser Bundestag nun zuständig, über eine sc wichtige und elementare Frage, wie es die Verfügung über die Wehrgewalt des deutschen Volkes ist, zu entscheiden, und mit welcher Mehrheit vermag er es? Herr Dr. Arndt hat gestern erneut die sogenannte Mandatstheorie entwickelt. Er hat gesagt, daß grundlegende politische Entscheidungen nicht von der jeweiligen parteipolitischen Mehrheit des im Amt befindlichen Parlaments getroffen werden können. Es gibt keine bessere und einleuchtendere Widerlegung dieser Mandatstheorie als die Ausführungen des Herrn Professor Dr. Loewenstein, Professor am Amherst College, Massachusetts, die von Herrn Dr. Arndt dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden sind. Herr Dr. Loewenstein hat darauf hingewiesen, daß auch in England sich diese angebliche Praxis der Mandatstheorie nicht zur Verfassungskonvention entwickelt hat. Herr Dr. Loewenstein hat ausgeführt, daß in Deutschland diese Mandatstheorie nicht anwendbar ist, da das Grundgesetz frei ist von allen plebiszitären Einschlägen und da Art. 79 des Grundgesetzes eine Verfassungsänderung mit den entsprechenden Mehrheiten jeweils gestattet. Es ist nicht notwendig, diesen Ausführungen von Herrn Professor Loewenstein ein Wort hinzuzufügen.
Aber welche Mehrheit dürfte notwendig sein, um diese Wehrhoheit in unser deutsches Staatsleben einzuführen? Ich gehe aus von zwei Thesen, die uns und Herrn Dr. Arndt zunächst gemeinsam sind. Herr Dr. Arndt hat gestern gesagt, daß er das Recht der Selbstverteidigung als ein völkerrechtliches Hoheitsrecht anerkenne, daß aber die Ausübung dieses Rechtes im Innern des Staates verfassungsrechtlichen Schranken unterliege. Der Staat reicht als Subjekt und Objekt in beide Rechtssphären des Völkerrechts und des Staatsrechts hinein, und zahlreiche Institutionen und Attribute des Staates, die Souveränität, das Staatsoberhaupt, tun dies desgleichen. Auch das Recht auf Selbstverteidigung, das ein Ausfluß des Rechtes auf Selbstbehauptung des Staates ist, eines Rechtes, das sogar ein Bundesland, das sogar mein Land Baden zu behaupten versucht hat, gehört in gleicher Weise dem Völkerrecht und dem Staatsrecht an. Es bedürfte nicht einmal der Transformierung des Art. 25 des Grundgesetzes; sie findet jedoch statt. Denn das Recht der Selbstverteidigung ist anerkannt vom Völkerrecht als ein Recht und als eine allgemeine Regel des Völkerrechts, und sie findet daher Anwendung auch im Bundesstaatsrecht als eine verbindliche Regel für jedermann und mit Vorrang vor den Gesetzen. Aber es bedarf nicht der Transformierung, weil dieses Recht im Staatsrecht wie auch im Völkerrecht als eine Grundfunktion der Staatsgewalt und als ein echtes Recht, ein Hoheitsrecht, fundiert ist.
Der zweite Ausgangspunkt, den ich zunächst mit Herrn Dr. Arndt gemeinsam habe, ist die Vorstellung von der Natur der deutschen Bundesrepublik. Der Rechtsausschuß war und ist sich mit der Bundesregierung darüber einig, daß die deutsche Bundesrepublik das Gebiet des Deutschen Reiches des Jahres 1937 in sich schließt, daß sie mit diesem Deutschen Reich identisch ist und daß sie dieses Deutsche Reich in ihrem Wesen, in ihrem Bestand, in ihrer Identität fortführt. Aus dieser These, die uns alle gemeinsam verbindet und die in zahlreichen Gesetzen der letzten Jahre ihren Niederschlag gefunden hat, ergeben sich Folgerungen, in denen wir uns trennen.
Wir sind nicht der Auffassung, daß die Einheit Deutschlands, wie sie in der Identität der Bundesrepublik zum Ausdruck kommt, eine besondere Wehrverfassung für das Teilgebiet im Geltungsbereich des Grundgesetzes ausschließt. Auch die Ausübung der übrigen Hoheitsrechte, der Steuerhoheit, der Justizhoheit, ist auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes beschränkt. Daß eine Koppelung von Staatsangehörigkeit und Wehrpflicht nicht stattfindet, ist vom Herrn Kollegen Schneider gestern einleuchtend dargestellt worden.
Aber vor allem schließen wir aus der Tatsache der Kontinuität der Bundesrepublik eines: aus der Kontinuität unseres Staatswesens folgt die Kontinuität seiner Hoheitsrechte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sowohl die Weimarer Republik als auch der nationalsozialistische Staat die Wehrhoheit besessen oder für sich in Anspruch genommen haben. Wenn der deutsche Staat nicht untergegangen ist — und er ist nicht untergegangen —, dann müssen auch in den bitteren Jahren des Zwischenstadiums von 1945 bis zur Neuorganisation des deutschen Staatswesens diese Hoheitsrechte mindestens latent bestanden haben.
Das ist nicht nur eine konstruktive Theorie, sondern man kann diese Auffassung sehr einfach auch empirisch beweisen. Wenige Wochen, wenige Monate nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht haben in den deutschen Ländern die Gerichte nach einem vorübergehenden Stillstand der Rechtspflege ihre Tätigkeit wieder aufgenommen, ebenso wieder die Verwaltungsbehörden; sie haben das nicht aus Besatzungsrecht getan, sondern aus eigenem Recht. Sie haben Hoheitsrechte ausgeübt, bevor die deutschen Länder oder bevor gar das deutsche Staatswesen sich wieder neuorganisiert haben. Als dann die Verfassungen der Länder und das Grundgesetz der Bundesrepublik geschaffen wurden, haben maßgebende Staatsrechtslehrer uns nahegebracht, daß es sich hierbei nicht um eine Neukonstitution, sondern um eine Neuorganisation der Staatlichkeit handele. Das ist zweifellos richtig. Es erhebt sich aber die Frage: Wenn in diesem Zwischenstadium von 1945 bis zur Neuorganisation der deutschen Länder das deutsche Staatswesen weiter bestanden hat, und zwar als ein Staat — das ist ja die Essenz der Theorie von der Kontinuität —, und wenn Hoheitsrechte wie die Justizhoheit weiterbestanden haben und weiter ausgeübt worden sind, warum soll dann ausgerechnet auf diesem Wege durch die zwei oder drei Jahre das Hoheitsrecht der Wehrgewalt, das vorhanden war, verlorengegangen sein? Es gab Hoheitsrechte, die latent waren. Sie sind erst wieder in Wirksamkeit versetzt worden. Sie können wieder in Wirksamkeit versetzt werden. Aber hierzu bedarf es nicht eines konstituierenden Aktes der Verfassung. Die Wehrgewalt ist ein Teil der Staatsgewalt.
Die Staatsgewalt erstreckt sich nach vielem Richtungen. Sie ist als eine einheitliche, universal gerichtete Staatshoheit Träger der Hoheitsrechte. Der lebendige Organismus des Volkes, in seinen Generationen gegliedert und verbunden, erzeugt diese
Staatsgewalt immer wieder aufs neue. Die Hoheitsrechte sind die Emanation der Staatsgewalt und sind immer unid überall da vorhanden, wo der Staat als solcher vorhanden ist.
Nun sagt Herr Dr. Arndt: Das gilt nicht für den Verfassungsstaat; der Verfassungsstaat bedingt, daß Hoheitsrechte, die ausgeübt werden sollen, zunächst ihrer Konstituierung im Rahmen der Verfassung bedürfen, nicht nur Hoheitsrechte, sondern auch — wie es in den Denkschriften heißt — Kompetenzen und Organe. Ist das richtig? Der Verf assungsstaat steht im Gegensatz zum Obrigkeitsstaat. Seine Staatsgewalt geht nicht vom Souverän, sondern vom Volk aus. Das Volk ist gerade der Träger dieser Staatsgewalt. Der Verfassungsstaat steht im Gegensatz zum Polizeistaat. Seine Verfassung bestimmt — um die Worte Humboldts zu gebrauchen
— die Grenzen der Wirksamkeit des Staates. Die Verfassung sagt nicht, was der Staat tun darf, sondern sie sagt, was er nicht tun darf. Die Verfassung stellt der Omnipotenz des Staates die Schranken der Grundrechte gegenüber. Daraus folgt, daß die Hoheitsrechte mit dem Staat gegeben und vorhanden sind und daß sie nur da ihre Grenze finden, wo die Verfassung diese Schranken ihnen gegenüber aufgerichtet hat.
Diese Hoheitsrechte sind vorhanden und stehen daher, weil sie mit dem Staat gegeben sind, zur Disposition des Gesetzgebers, d. h. des einfachen Gesetzgebers. Sie brauchen nicht im Verfassungsstaat erst konstituiert zu werden, denn sie sind existent. Sie bedürfen auch nicht der Anführung in der Verfassung. Weder die Lufthoheit noch die Funkhoheit sind in der Verfassung erwähnt, aber sie werden vom Staat in Anspruch genommen.
Eine andere Frage ist nun die: Wenn diese Hoheitsrechte gegeben sind und wenn mit ihnen auch die Wehrhoheit gegeben ist, ist es dann notwendig
— wie es in den Denkschriften und Eingaben der Sozialdemokratischen Partei an das Gericht heißt
—, daß mindestens die Zuständigkeiten und auch die Zuweisung der Zuständigkeiten an die Organe konstitutiert, d. h. verfassungsurkundlich festgelegt werden müssen? Auch das ist nicht richtig. Unsere verfassungsmäßige Ordnung stützt sich mir zum Teil auf die Urkunde des Grundgesetzes. Es gibt, wie überall, auch das ungeschriebene Verfassungsrecht. Auch hier kann man sich auf Herrn Professor Loewenstein als Kronzeugen berufen. Er schreibt:
Offenbar sind die Praktiken, welche verfassungsurkundlich nicht festgelegte Kompetenzen aus dem Wesen der Tätigkeit eines Staatsorgans ableiten, in jeder Verfassung unvermeidlich, die längere Zeit in Betrieb ist.
Das heißt, die sogenannten abgeleiteten Befugnisse, die implizierten Befugnisse sind in der Verfassung der USA und auch in der deutschen vorhanden. Wenn Herr Professor Loewenstein darauf hinweist, daß diese abgeleiteten Befugnisse nur 'da in Anspruch genommen werden können, wo in der Verfassung selbst Anknüpfungspunkte, Anknüpfungsnormen vorhanden sind, so ist darauf zu sagen, daß gerade unsere deutsche Verfassung diese Anknüpfungspunkte enthält, nämlich in den Artikeln 4 unid 26 unseres Grundgesetzes.
Aber die Kompetenz des Bundes zur Regelung der Wehrgewalt ergibt sich auch aus dem Vertrags-schließungsrecht des Bundes. Dieses Recht steht dem Bund nach Art. 57 und sogar insoweit, als Angelegenheiten 'der Länder berührt werden, nach
Art. 32 zu. Auch hier können Wir uns wiederum ' auf Herrn Professor Loewenstein als auf unsern Kronzeugen berufen. Er schreibt:
Die Erfüllung _ der internationalen Verpflichtung durch den Bund ersetzte den Mangel an innerstaatlicher Kompetenz des Bundes.
Weiter schreibt er:
Die im Falle Missouri gegen Holland entwickelte Doktrin wäre, auf die deutsche Bundesrepublik angewandt, zweifellos der Stellungnahme der Bundesregierung günstig, da sie zu gestatten scheint, daß die Regierung des Oberstaates sich zum Zwecke der Erfüllung ordnungsgemäß übernommener völkerrechtlicher Verpflichtungen über die normale Kompetenzzuweisung im Bundesstaat auf Kosten der Einzelstaaten hinwegsetzen kann.
Damit ist zugleich die Frage angesprochen, ob dem Bund oder den Ländern das Hoheitsrecht der Wehrgewalt zusteht. Gehen wir von den Ausführungen von Herrn Loewenstein aus, so kann es nur der Bund sein, und die Gesetzesvorbehalte der Art. 4 und 26 des Grundgesetzes bestätigen diese unsere Vermutung.
Schließlich ist als Drittes zu sagen, daß auch, genau wie es in den USA bezüglich der sogenannten resulting powers der Fall ist, aus der Verfassungsimmanenz, dem Wesen der Verfassung Zuständigkeiten hergeleitet werden können. Loewenstein schreibt:
Auf dieser Grundlage wurde das Bundesstrafgesetzbuch aufgebaut, obwohl in der Verfassung der Jurisdiktion der Union nur fünf einzeln aufgeführte strafbare Tatbestände unterstellt sind.
Es ist gerade darauf hinzuweisen, daß die Anknüpfungspunkte und Anknüpfungsnormen, die im Recht der Vereinigten Staaten zur Entwicklung der sogenannten implizierten Zuständigkeit Anlaß gegeben haben, außerordentlich bescheidene und unscheinbare gewesen sind und daß es wiederum die Praxis des obersten Gerichtshofes war, die Verfassung so dynamisch und so labil zu gestalten, wie dies gestern abend von meinem Kollegen Kiesinger in so überzeugender Weise dargetan worden ist.
Es gibt nun aber keinerlei Bestimmungen, wonach die Verfassung irgendeines Landes einen Minimalinhalt, ein rechtliches Existenzminimum haben muß. Es gibt Verfassungen mit 15 Artikeln und solche mit 300. Es gibt Verfassungen, die Fragen sekundärer und 'tertiärer Bedeutung regeln und die Fragen primärer Bedeutung außer acht lassen. Es ist von Land zu Land, von Staat zu Staat völlig verschieden,. welche Teilgebiete der Struktur und der Funktion des Staates verfassungsurkundlich geregelt werden. Dies bedeutet, daß der Grundgesetzgeber, wenn auch das Grundgesetz nicht nur ein Fragment, sondern eine Vollverfassung, allerdings für einen beschränkten Geltungsbereich und für eine Übergangszeit sein sollte, sehr wohl darauf verzichten konnte, gewisse durchaus wichtige Fragen der Institutionen, der Zuständigkeiten und der Organe zu regeln, deren Regelung zur Disposition des einfachen Gesetzgebers gestellt wurde.
Was sagt uns das Grundgesetz zu diesen Fragen? Ich möchte nicht mehr auf die Frage der Behandlung im Parlamentarischen Rat eingehen. Ich möchte mir zwar nicht die Formel von Radbruch zu eigen machen, der Mitglied des Reichstags und Reichsminister der Justiz war und geschrieben hat, das
Gesetz sei klüger als die Gesetzgeber. Aber der Kern dieser Formel scheint doch der zu sein, daß jede Verfassungs- und Gesetzesinterpretation zunächst vom Gesetzestext und nicht von den Motiven auszugehen hat. Wenn wir diese Gesetzestexte beachten, dann können wir drei Dinge daraus entnehmen: erstens, daß das Grundgesetz die Wehrpflicht nicht ausschließt; zweitens, daß das Grundgesetz die Regelung der Ausübung der Wehrpflicht durch ein einfaches Gesetz durchaus offenläßt, weil die Hoheitsrechte in ihrer Anwendung zur Disposition des Gesetzgebers gestellt sind; drittens, daß das Grundgesetz die Wehrhoheit nicht nur streift, sondern in verschiedenen Bestimmungen als gegeben, vorhanden, zumindest als möglich voraussetzt.
Es ist wahr, daß sich Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes an die Gewissen wendet; aber er wendet sich an das Gewissen gerade für den Fall der Ausübung der Wehrgewalt. Es wäre sinnlos gewesen, diese Bestimmung einzufügen, wenn nicht ihre Realisierung zugleich ins Auge gefaßt worden wäre, und es wäre sinnlos gewesen, sie als einen Satz der Verfassung zu fundieren, wenn man die allgemeine Regelung der Wehrgewalt und damit auch die endgültige Regelung der Gewissensrechte des einzelnen Staatsbürgers ad calendas graecas, d. h. bis zu einer endgültigen Regelung durch die Verfassungsänderung selbst, hätte verschieben wollen. Gerade der Umstand, daß man diese Freiheit der Gewissen in der Verfassung verankert hat, scheint dafür zu sprechen, daß man im übrigen die Regelung dieses Eventualfalles der einfachen Gesetzgebung überlassen wollte.
Ebenso kann aus Art.26 Abs.1 des Grundgesetzes darauf geschlossen werden, daß, wenn nur der Angriffskrieg und — entgegen einem gestellten Antrag — nicht der Verteidigungskrieg verboten wird, die Möglichkeit der Ausübung und die Inanspruchnahme der Wehrgewalt des Staates vorausgesetzt wird.
Diese Bestimmungen sind Anknüpfungspunkte für die abgeleiteten Zuständigkeiten, die der Bund mit Recht in Anspruch nehmen kann. Der Vorbehalt des Bundesgesetzes in beiden Bestimmungen weist darauf hin, daß die endgültige Regelung dieser Zuständigkeiten nicht durch ein Landesgesetz, sondern durch ein Bundesgesetz erfolgen soll.
Es ist auch nicht richtig, daß die Einführung der Wehrgewalt deshalb ausgeschlossen sei, weil ein besonderes Gewaltverhältnis, in dem der Soldat zum Staat stehe, durch das Grundgesetz ausgeschlossen sei. Solche Gewaltverhältnisse gibt es mehr. Es gibt das des Beamten, es gibt das des Anstaltsinsassen. Sogar der Rechtsanwalt unterliegt der Residenzpflicht. Niemandem ist es bisher eingefallen, zu fordern, daß die Beschränkungen, die aus der allgemeinen oder besonderen Natur dieser Verhältnisse folgen, als Einschränkungen der Grundrechte verfassungsurkundlich verankert sein müßten.
Nur der Wesensgehalt der Grundrechte darf nicht angetastet werden. Ihre Ausgestaltung unterliegt den Forderungen des besonderen Verhältnisses.
Es ist aber auch nicht richtig, daß Strukturänderungen, die durch die Einführung der Wehrpflicht bedingt sein können, eine Verfassungsänderung notwendig machen. Der Verfassungsgesetzgeber hat das Grundgesetz geschaffen, dann hat er sich zurückgezogen; mehr als das, er hat als Verfassungsgesetzgeber aufgehört zu sein. Er hat dann die Funktionen des Staatsablaufs den Apparaturen der drei Gewalten überlassen, die er selber ins Leben gesetzt hat. In welcher Weise die Trennung und das Zusammenspiel dieser drei Gewalten erfolgen wird, das eben macht die deutsche Geschichte aus. Es können Verlagerungen des Schwergewichts erfolgen, und sie sind erfolgt. Sowohl der Finanzausgleich als auch die wachsende Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts sind Änderungen oder können Änderungen in den Strukturverhältnissen des deutschen Staatswesens begründen, die vom Verfassungsgesetzgeber in diesem Ausmaß nicht vorausgesetz worden sind.
Aber der Verfassungsgesetzgeber hat gewollt, daß die Geschöpfe, die er geschaffen hat, nämlich die Gewalten, ihre Tätigkeit antreten und vollenden nach den Gesetzen, denen sie unterworfen sind. Keine nachträgliche Änderung, die auf die Tätigkeit und die Funktion dieser Staatsgewalten zurückzuführen ist, kann die Notwendigkeit einer verfassungsurkundlichen Änderung des Grundgesetzes begründen. Die Strukturänderungen, die eintreten, sind die Folgen der vom Grundgesetzgeber ins Leben gerufenen Staatsfunktionen.
Ich komme nun zu der Bestimmung des Grundgesetzes, die von Herrn Dr. Arndt gestern als eine angebliche oder vorgebliche juristische Atombombe, die von anderer Seite als eine Verfassung innerhalb der Verfassung bezeichnet worden ist. Der Art. 24 des Grundgesetzes ist in der Tat eine Bestimmung, die durch ihre Kühnheit und durch ihre Neuartigkeit verblüfft, eine Bestimmung, der allerdings eine entsprechende Bestimmung der französischen Verfassung vorausgegangen und eine ähnliche Bestimmung der italienischen Verfassung nachgefolgt sind. Wenn wir uns die Absichten der Gesetzgeber von damals noch einmal vor Augen führen wollen, so können wir Herrn Carlo Schmid zitieren, der damals gesagt hat, es habe zum Ausdruck gebracht werden sollen,
daß wir für diesen Fall gerade kein verfassungsänderndes Gesetz verlangen, sondern ein
einfaches Gesetz als genügend ansehen wollen.
Die Entscheidung vom Range einer Verfassungsbestimmung soll nicht bei den einzelnen Akten, sondern schon in dem Augenblick, in dem wir das Grundgesetz beschließen, als eine Entscheidung allgemeiner und fundamentaler Art getroffen werden.
In den Protokollen des Konvents von Herrenchiemsee lesen wir, daß ein anderer Abgeordneter das Recht auf Selbstverteidigung als ein unverzichtbares nationales Grundrecht bezeichnet hat; es könne also nur preisgegeben werden, wenn als reziproke Gegenleistung dafür die Eingliederung Deutschlands in ein System effektiver Kollektivsicherheit erfolge. Dieser Diskussionsbeitrag ist damals geleistet worden von dem Herrn Abgeordneten Dr. Baade!
Wir können uns auch hier auf eine Beurteilung eines wirklich unparteiischen und sachverständigen Gutachters, des Herrn Professor Dr. Loewenstein beziehen, der auf Seite 34 seines Gutachtens schreibt — ich bitte, das verlesen zu dürfen —:
Die Bemühungen einzelner Abgeordneter, die
Übertragung von Hoheitsrechten an ein verfassungsänderndes Gesetz zu binden, waren nicht erfolgreich. Es blieb beim einfachen Gesetz. Man wollte eben in der Betonung der europäischen Gesinnung europäischer als alle anderen Europäer sein. Die Tür zur internationalen Zusammenarbeit sollte so weit wie möglich aufgemacht werden.
Wenn darin gesagt worden ist, daß die Urheber dieser Gesetzesbestimmung zu gute Europäer gewesen seien, so kann ich darin nicht einen Tadel erblicken.
Ganz im Gegenteil glaube ich, daß dieser edle Optimismus eine Auszeichnung verdient und als ein Ruhmesblatt angesehen werden muß.
Was kann und was darf nun das deutsche Staatswesen auf Grund des Art. 24 tun? Es ist keineswegs so, wie Herr Dr. Arndt sagt, daß auf Grund des ersten Absatzes dieser Bestimmung lediglich das Organ ausgewechselt werden soll. Wenn Hoheitsrechte übertragen werden sollen, so kann der Sinn dieser Bestimmung nur der sein, daß nationale Hoheitsrechte zu bestehen aufhören und supranationale Hoheitsrechte einer zwischenstaatlichen Einrichtung zu funktionieren beginnen.
Der zweite Absatz dieses Artikels ist nach meiner Auffassung auch von der Gegenseite nicht zutreffend gewürdigt worden; denn diese Bestimmung spricht von zwei Dingen. Die Hoheitsrechte können beschränkt werden, aber zugleich soll und kann die Einordnung der Bundesrepublik in ein System der ) gegenseitigen kollektiven Sicherheit erfolgen. Im Wege dieser Einordnung kann der Bund alles vereinbaren, was dem Zweck der Einordnung zu dienen bestimmt ist. Richtig ist, daß sich dieses System der kollektiven Sicherheit von einem Bündnis oder einer Allianz alter Prägung unterscheidet. Nicht richtig ist — und wir haben darüber im Rechtsausschuß sehr eingehend gesprochen —, daß dieses System mondial oder universal angelegt sein müßte. Bereits gestern ist von Herrn Kollegen Kiesinger darauf hingewiesen worden, daß dieses konkrete System, in das sich die Bundesrepublik einordnen möchte, gerade diejenigen Staaten umfaßt, die sich noch vor wenigen Jahren im zweiten Weltkrieg als Gegner gegenübergestanden haben.
Dieses System soll dem inneren Frieden und der Bewährung des äußeren Friedens dienen. Es Ist aber nicht ersichtlich, wie dieser äußere Frieden gewahrt werden kann, wenn diesem System der kollektiven Sicherheit nicht auch die Mittel und die Kräfte zur Verfügung gestellt werden, deren es zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit bedarf. Darum ist auch diese Bestimmung wiederum eine Anknüpfungsnorm für die Einräumung der Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Wehrgewalt.
Es ist eingewendet worden, daß diese Einordnung nur unter Wahrung der Grundrechte und der Gewaltenteilung erfolgen dürfe. Die Grundrechte sollen nach einem Artikel des EVG-Vertrags nicht angetastet werden. Inwieweit die Ausbildung eines besonderen Gewaltverhältnisses des Soldaten die Grundrechte tangiert und tangieren darf, ohne daß der Wesensbestand der Grundrechte verändert oder erschüttert wird, ist bereits vorhin von mir gezeigt worden.
Aber auch das Prinzip der Gewaltenteilung soll in der Zukunft gewahrt werden. Wir können nicht erwarten — das hat Herr Wahl gestern ausgeführt
daß bereits im Zeitpunkt der Einordnung eines Landes in eine derartige internationale Ordnung all die strengen Anforderungen, die bezüglich der Gewaltenteilung im inneren Aufbau des Staates gewahrt sind, bereits vollkommen und in letzter Konsequenz gewahrt sein können;
denn die Gemeinsamkeit der Verbindung setzt ja voraus, daß sich Staaten verschiedenen Aufbaus und verschiedenen Rechts zusammenschließen. Aber die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist darauf angelegt und dazu bestimmt, in ihrer Fortbildung und Entwicklung, wie sie uns unmittelbar vor Augen steht, dieses Prinzip der Gewaltenteilung durchzuführen.
In Art. 38 des EVG-Vertrags ist die Forderung zum Ausdruck gebracht, daß sich dieses System der kollektiven Sicherheit nicht auf eine nur militärische Verteidigungsgemeinschaft beschränkt. Vielmehr soll dieses System seinen Sinn, seine Ordnung und seine Zweckbezogenheit erst durch die Schaffung einer echten politischen Autoritàt erlangen. Die Konferenz der Außenminister in Luxemburg hat erneut diesen Wunsch ausgesprochen, und der Verfassungsausschuß der ad-hoc-Versammlung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die. Vorbereitungen zu treffen, um für die Zukunft die Durchführung dieser Gedanken, vor allem auch die Durchführung der Gewaltenteilung und einer echten parlamentarischen Vertretung in einem Zweikammersystem, bei der Schaffung einer europäischen politischen Gemeinschaft in Angriff zu nehmen. Wenn diese Gewaltenteilung heute noch nicht in totalem Umfang verwirklicht sein sollte, so kann ihre Verwirklichung in Bälde und in Gänze in Aussicht genommen werden.
Herr Dr. Arndt hat gestern gerade an diesem System der kollektiven Sicherheit Kritik geübt. Er hat gesagt, daß die Rechte Deutschlands zu gering seien, daß ein einziger deutscher Mann bei Entschließungen von größter politischer Tragweite mitzuwirken bestimmt sei. Es ist dabei an die Entschließungen des Art. 123, die den Notstand, und des Art. 125, die die Anpassung der Vertragsvorschriften betreffen, gedacht. Aber es bedarf in beiden Fällen, bei der Erklärung des Notstandes und bei der Anpassung, der Einstimmigkeit des Ministerrats, dem ein deutscher Vertreter angehört. Dieser deutsche Vertreter ist parlamentarisch verantwortlich und wird sich nach den inneren Gesetzen unseres Landes vorher der Zustimmung der gesetz- gebenden Organe zu versichern wissen.
Es darf auch nicht erstaunen und es darf auch nicht kritisiert werden, wenn die Trennung der sogenannten legislativen und exekutiven Befugnisse beim Kommissariat und beim Ministerrat nicht mit aller begrifflichen Schärfe durchgeführt ist. In keiner Verfassung ist sie durchgeführt. Sie war in der Weimarer Verfassung mit ihrem weitgehenden Notverordnungsrecht sehr wenig durchgeführt; sie ist auch im Grundgesetz nicht vollkommen durchgeführt. Dia Grenze zwischen Rechts- und Verwaltungsverordnung bleibt eine flüssige. Aber auch hier bleibt es das Ziel der beteiligten Staaten und ihrer Vertreter, diesem Gebilde der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft einen echten parlamentarischen Unterbau zu schaffen. Ich glaube, daß es erwünscht wäre, 'die Anstrengungen zu verdoppeln,
11386 Beutscher Bundestag — 242. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1952
damit die Ansatzpunkte der Kritik, die gestern von Herrn Dr. Arndt geführt worden ist, dadurch hinfällig werden, daß diese Europäische Verteidigungsgemeinschaft in eine echte europäische Gemeinschaft mit einem echten europäischen Parlament umgewandelt wird.
Diese Zielsetzung ist keineswegs neu. Wenn wir uns in diesem Hohen Hause bezüglich der Frage des einzuschlagenden Weges und der anzuwendenden Mittel unterscheiden und in zwei Lager spalten, so sollten wir doch nicht vergessen, daß der Deutsche Bundestag am 26. Juli 1950 fast mit Einmütigkeit eine Entschließung angenommen hat, deren ersten Absatz ich verlesen zu dürfen bitte:
In der Überzeugung,
-- hat damals der Deutsche Bundestag beschlossen — daß die gegenwärtige Zersplitterung Europas in souveräne Einzelstaaten die europäischen Völker von Tag zu Tag mehr in Elend und Unfreiheit führen muß, tritt der in freien Wahlen berufene Bundestag der Bundesrepublik Deutschland für einen Europäischen Bundespakt ein, wie ihn die Präambel und der Art. 24 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vorsehen.
Es ist nützlich, aber auch tröstlich, zu wissen, daß der damalige Beschluß des Deutschen Bundestags den Wunsch bekräftigt und wiederholt, den das deutsche Volk, vertreten durch die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, in der Präambel seines Grundgesetzes zum Ausdruck gebracht hat, den Wunsch, als gleichberechtigtes Glied im geeinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Sollte das deutsche Volk, das durch so viele Jahre der Bitternis geschritten ist, ein erstrebtes und ersehntes Ziel in dem Augenblick nicht wieder erkeimen, in dem es nahe dabei ist, dieses Ziel zu erreichen?