Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz Billigung der Grundkonzeption des Herrn Kanzlers und seiner Regierung, und obwohl das Zentrum in den Mittelpunkt seiner Bestrebungen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik schon seit 1945 den Gedanken Europa stellt, obwohl auch für uns die Abwehr des Bolschewismus das oberste Gesetz unserer auswärtigen Politik sein muß und ist, — glaubt das Zentrum im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Besold, der für die Bayernpartei gesprochen hat, den Verträgen nicht zustimmen zu können.
Auch wir wollen den Anschluß an den Westen. Gerade deswegen protestiere ich mit allem Nachdruck gegen die vereinfachende These, die der Herr Bundeskanzler aufstellte: „Wer gegen die Verträge ist, ist gegen Europa, und wer gegen Europa ist, ist für Stalin!" Das ist falsch! Das ist total falsch! Und nicht nur subjektiv, sondern,
Herr Bundeskanzler, um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen und in Anlehnung an Oscar Wilde: da sind Sie von Ihrer eigenen Ebene heruntergestiegen, und da haben Sie eine Rede vollführt, die unter Ihrem Niveau liegt.
Herr Bundeskanzler, das ist das Niveau derer, die ich auch ablehne, die sagen: „Wer den Vertrag bejaht, bejaht den Krieg!" Auch das ist unrecht. Aber Sie dürfen sich nicht so weit vergessen und denen, die die Verträge ablehnen, schlechthin vorwerfen, daß sie den Bolschewismus unterstützten.
Bedenken Sie einmal die Konsequenzen dieser Ausführungen für den Teil des Verfassungsgerichts, der aus rein rechtlichen Gründen sich auch einmal gegen Ihre Auffassung über die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit stellen könnte.
Es ist mit Sicherheit jetzt schon zu erkennen, daß ein Teil — ich will gar nicht sagen ein wie großer Teil — aber zum mindesten ein Teil der Richter des Bundesverfassungsgerichts Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit haben wird.
Wir können das in Ruhe abwarten.
— Warten Sie zunächst einmal ab, bevor Sie diesen Vorwurf auch gegen Mitglieder des Verfassungsgerichts richten.
Sie billigen uns guten Glauben zu, Herr Bundeskanzler. Aber schon die objektive Schilderung, die Sie gaben, scheitert daran, daß Sie eben die Frage der Verfassungsmäßigkeit außer Betracht lassen.
Sie warfen dann denen, die nein sagen, und damit auch uns, vor, wir vergäßen, daß wir unter einer Besatzung leben, und wir übersähen, daß es sich um einen Schritt vorwärts handle. Das, verehrter Herr Bundeskanzler, ist nicht die Frage. Kein Mensch vergißt, daß wir nicht den Krieg, der verloren ist, nachträglich auf dem Papier gewinnen können. Aber es ist auch nicht richtig, wenn Sie sagen, wir seien nun ohnmächtig und wir ständen ohnmächtig den Siegern gegenüber, die alle Macht hätten. Sie erwähnten gleichzeitig auch den sowjetischen Druck. Und in der Tat, die Lehre von Korea und die militärpolitischen Erwägungen, und nicht diese allein, sondern ganz einfach der Zeitablauf sind die Momente, die nicht bloß bei den Verhandlungen in die Waagschale fallen, sondern die einfach nicht übersehen werden können.
Ist es denn denkbar, daß noch, sagen wir, im Jahre 2000 oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt die Sieger von gestern sich immer noch auf das Besatzungsstatut und die totale Kapitulation berufen können? Ist es denn denkbar, daß man nach einer Art von Kolonialstatut, das man sich weder in Persien noch in Ägypten noch in Marokko noch irgendwo sonst in der Welt gefallen läßt, noch immer weiter hier qua Besatzungsstatut regiert? Das bedeutet positiv ausgedrückt: Allein der Zeitlauf bringt es über kurz oder lang, wenn nicht schon heute, mit sich, daß die Sieger von gestern in einen vertragsmäßigen Zustand mit uns kommen müssen; und dann wäre es schlecht, den gegenwärtigen Zeitpunkt zu wählen, den Zeitpunkt zu fixieren, wo, wie Sie glauben, es noch nicht möglich ist, eine volle Gleichberechtigung herauszuholen.
Wir geben Ihnen in einem Punkt ganz unzweifelhaft recht: Man darf nicht kleinlich sein, man darf nicht das Letzte schon jetzt fordern. Das ist eben eine Folge des verlorenen Krieges. Aber wenn wir im großen die Frage der Gleichberechtigung behandeln, dann bleiben hier einige diskriminierende Vorbehalte übrig, einige diskriminierende Bestimmungen, die den Kern, die Gleichberechtigung der Verträge, treffen und die zu akzeptieren nicht nötig wäre, wenn man sich eben mehr Zeit und die Dinge reifen ließe.
Und nun sagen Sie mit Recht, es bestünde dann
Gefahr, daß diese Verhandlungen nicht zu
Ende käme. Diese Verhandlungen so vielleicht nicht! Aber da zitiere ich Ihre eigenen Worte, Herr Bundeskanzler: „Auch dann, wenn etwa ein Nein das Ergebnis dieser Beratungen und Abstimmungen wäre, wären wir nicht am Ende der Weltgeschichte. Die Weltgeschichte geht auch nach der dritten Lesung und nach der zweiten Lesung weiter", und nach allen Erfahrungen würde man dann eben in Verhandlungen über die Einzelpunkte eintreten müssen, die uns Veranlassung zum Nein geben. Wenn — und das ist allerdings wichtig — nicht eine grundsätzliche Überlegung Grund der Ablehnung ist, wenn das einzige, was entgegensteht, die Gleichberechtigung Deutschlands ist und die Ausführungen sind, die Herr Kollege Bertram hinsichtlich der Wahrung der Rechte unserer eigenen Verfassung gemacht hat, dann läßt sich sehr sehr wohl mit den Partnern dieser Vertragsverhandlungen zu einem günstigeren Ergebnis kommen. Genau so, wie die Franzosen sich jetzt bemühen, in besonderen Verhandlungen mehr, anderes und bestimmte Festlegungen für sich zu erreichen, könnte das auch von unserer Seite aus sein, wenn nur rechtzeitig der Wille und der Wunsch des deutschen Volkes gehört würde und die Regierung den entsprechenden Aufforderungen Folge leistete, in solche Verhandlungen einzutreten.
Der gegenwärtige Zeitpunkt, der nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen und nach Ihren Ausführungen kein anderes Ergebnis zu
Tage fördern kann als das Festfrieren der bisherigen deutschen Unterlegenheit. die Verewigung des gegenwärtigen deutschen Tiefstandes, ist also nach Ihren eigenen Darlegungen noch nicht reif, noch nicht geeignet für den Abschluß dieser Verträge.
Sehen wir uns deswegen die größten und die wichtigsten Hindernisse politischer Art aus diesem Vertragswerk an! Und wenn wir alles berücksichtigen, was nebenbei sonst noch eine Rolle spielen könnte, und was Herrn von Rechenberg heute morgen Veranlassung gab, darzulegen, daß wir von vornherein schon mit der Absicht an dieses Vertragswerk herantreten müßten. baldmöglichst eine Verbesserung zu erzielen, dann bleiben allein schon Gründe genug übrig, es abzulehnen.
Aber lassen Sie mich mit wenigen Worten auf diese Überlegungen des Herrn von Rechenberg eingehen, der von vornherein mit dem Gedanken spielt, alsbald eine Abänderung herbeizuführen.
Bei dem normalen Zeitablauf treten naturgemäß Umstände auf, die uns demnächst, weil neue Gesichtspunkte hinzugekommen sind, Veranlassung geben, eine Änderung des Vertragswerks zu verlangen. Wenn man aber in der Zeit, wo man das Vertragswerk genehmigt und ratifiziert, von vornherein Bedenken hat und von vornherein der Ansicht ist: Das kann nicht gehalten werden, das muß abgeändert werden, das ist untragbar für das Volk!, dann darf man erst gar nicht ratifizieren. Wir mögen das, was sich in Zukunft entwickelt, der zukünftigen Entscheidung und eventuellen Abänderung überlassen. Aber das, was heute schon vorliegt, muß in dem gegenwärtigen Zeitpunkt auch berücksichtigt werden. Es wäre nach meiner und nach unserer Auffassung nicht richtig. die Vorbehalte, die wir jetzt schon machen, auf die Zukunft zu verschieben.
Wenn ich bei dem Vertragswerk von einzelnen Vorbehalten sprach, so fällt dabei zunächst die Überlegung ins Gewicht, daß wir hinsichtlich der Politik, die die Wiedervereinigung Deutschlands betrifft, an die Mitwirkung der Alliierten gebunden sind. Die Mitwirkung der Alliierten ist uns zwar in Aussicht gestellt; aber wer garantiert dafür, wann sie diese effektiv werden lassen? Wer garantiert dafür, daß sie nicht wegen ihres inneren Zwiespalts, der erklärlich wäre, wie eine Bremse wirken? Und wer garantiert dafür, daß sie nicht wegen der Verschiedenheit des Weges, auf dem sie und auf dem wir die Wiedervereinigung Deutschlands und die Regelung der Ostzone erreichen wollen, zu Differenzen mit uns kommen werden? Wir werden durch diesen Vertrag mediatisiert, und unsere Politik wird zwangsweise unselbständig. Wir haben nicht mehr die volle Macht, Art und Weise selber zu bestimmen, wenn wir hier folgen.
Noch ein weiteres. Wir schneiden uns eine Verbesserung dieses Zustandes ab, indem wir für die Abänderung dieser Verträge im Gegensatz zu dem normalen Weg der Änderung mit Zeitablauf und der Möglichkeit, Verträge abzuändern, wenn sich inzwischen eine grundlegende Änderung der Verhältnisse herausgestellt hat, ausdrücklich vereinbaren, daß alle vier Mächte einer Änderung zustimmen müssen, wenn wir eine solche herbeigeführt haben wollen. Und ferner dadurch, daß das auch nur dann möglich ist, wenn bestimmte bedeutsame Ereignisse wie die Bildung eines einheitlichen Europas oder die vollzogene Wiedervereinigung oder Ereignisse von ähnlicher Schwere und Bedeutung voraufgegangen sind. Also der nor-
malerweise ausreichende Wechsel der gesamten Zeitverhältnisse und Umstände reicht hierfür nicht aus. Auch das ist von großer Bedeutung.
Sehr am Herzen liegt uns auch das Schicksal der zahlreichen Menschen, die immer noch in Kriegsgefangenschaft im Ausland sind, auch soweit sie unter dem Vorwand oder vielleicht unter der von der anderen Seite gutgläubig noch angenommenen Beschuldigung schwerer Vergehen zurückgehalten werden. Kein Wort über die echten Kriegsverbrecher! Aber wir müssen derer gedenken, die im Ausland festgehalten werden, ohne daß nach ungefähr acht Jahren ein Urteil über sie gesprochen ist. Wenn es bis jetzt noch nicht zu einem Urteil ausgereicht hat, dann sollte man sie nunmehr freilassen. Und wir müssen derer gedenken, bei denen das Urteil, in der ersten Zeit der Nachkriegspsychose erlassen, problematisch ist. Kein Wort über die echten Kriegsverbrecher, aber der anderen müssen wir gedenken. Im Gegensatz zu der Praxis der Friedensverträge seit 1648, die alle eine Bereinigung dieser Dinge und einen Generalpardon vorgesehen haben, im Gegensatz zu dieser jahrhundertealten Praxis wird hier ein Generalpardon, eine Generalbereinigung nicht vorgesehen.
Vor allem aber — und das ist das Wichtigste — darf man nicht die Frage des Vorbehalts nach Art. 5, die Notstandsklausel übersehen. Diese Klausel ist in der Geschichte eines derartigen Vertrages, ja sogar in der Geschichte eines Friedensvertrages überhaupt etwas Erstmaliges, etwas Einmaliges. Es ist seit Jahrhunderten nicht mehr vorgekommen, daß der Feind von gestern sofort mit dem Friedensschluß der Verbündete von heute und morgen wird, und dem sollte man Rechnung tragen. Das geschieht aber nicht, und gerade in diesem Punkt zeigen sich das Fehlen der Gleichberechtigung und die Mangelhaftigkeit der Regelung der deutschen Interessen in diesem Vertrag. Der Art. 5 unterscheidet sich in wesentlichen Dingen von dem, was man zu seiner Rechtfertigung anführt. Es heißt, es handle sich hier um das Sicherungsrecht für die Truppen, um ein Sicherungsrecht, wie es als immanentes Notrecht das Völkerrecht für alle irgendwo in irgendeinem Lande stationierten Truppen schon vorsehe. Das trifft aber nicht zu; denn allein Art. 5 Abs. 7 regelt dieses immanente Notrecht, das keiner Regelung bedürfte, wenn es richtig wäre, daß es etwas Selbstverständliches sei. Wozu setzt man es dann in den Vertrag, wenn es schon zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts gehört? Nein, man will mit dieser Regelung des Art. 5 des Deutschland-Vertrags oder Generalvertrags, gleichviel wie man ihn nennen will, mehr erreichen.
Man will auch mehr erreichen, als der Art. 123 des EVG-Vertrages vorsieht. Der Art. 123 des E V G- Vertrages würde nach unserer Auffassung nicht zu beanstanden sein; denn hier wird die Regelung eines Notstandes erstens dem Rat übertragen, und in dem Rat sind wir vertreten. Zweitens setzt die Entscheidung des Rates in Notstandsfragen voraus, daß die Entscheidung einstimmig ergeht, und dann würde man uns nicht überstimmen können. Drittens ist eine Regelung, die der Rat dann trifft, beschränkt durch das Ziel der Gemeinschaft, die dabei ihre Interessen durchsetzen will, und begrenzt durch die Aufgaben der Gemeinschaft, während es der Notstandsartikel des Generalvertrags, Art. 5, allein auf die Interessen der Sicherheit der Truppen abstellt, die angeblich zu unserer Sicherheit hier im Lande sind.
1 Nun haben wir gewisse Erfahrungen mit der Sicherheit. Wenn einmal ein Angriff aus dem Osten erfolgen sollte, dann richtet er sich natürlich in erster Linie gegen die Sicherheit dieser Truppen. Angesichts des allein in Betracht kommenden potentiellen Gegners ist doch klar, daß weder die Bundesregierung noch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft allein eines solchen Notstandes Herr werden könnte. Es ist also schon wegen der Beistandspflicht Englands und Amerikas klar, daß der Notstandsfall des Art. 5 in seinen Voraussetzungen gegeben ist, und zwar schon dann, wenn ein solcher Angriff droht.
Nun bitte ich zu bedenken: Eine solche Klausel, die Voraussetzung eines drohenden Angriffs, wurde in den Jahren 1946/47 bei den Verhandlungen mit der ägyptischen Regierung dem Lande Ägypten vorgeschlagen. Ägypten hat in einer bedeutend schwächeren Position, als wir es sind, seinerzeit abgelehnt, und auch dann war die Weltgeschichte nicht zu Ende, sondern es wurde weiter verhandelt. Man kam trotzdem zwischen den Partnern des damaligen Vertrags zu einem für beide Teile tragbaren Ergebnis. Warum sollte man nicht hier bei hartnäckigeren und besseren Verhandlungen ein besseres Ergebnis herausholen können?
Aber ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ähnlich wie in Art. 123 des EVGVertrags in dem Art. 4 des NATO-Vertrags auch den dort Beteiligten bessere Bedingungen ausgehandelt sind. Nur und allein im Art. 5 des Deutschland-Vertrags oder Generalvertrags, in dieser Bestimmung allein wird Deutschland erschwerten und erschwerenden Voraussetzungen unterworfen, allein deswegen, weil man uns noch nicht als gleichberechtigt behandelt,
und allein im westlichen Interesse, im Interesse der
Besatzungsmächte vorgeht, welche ihre Truppen
daherschicken.
Nun haben wir gerade gewisse Erfahrungen mit diesen Mächten vor Augen: wir haben die Erfahrungen der Nachbarländer. Denken Sie an die Erfahrungen von Belgien und Nordfrankreich bei dem Rückzug anläßlich des Vordringens der deutschen Truppen! Ohne eine Notstandsklausel wurde damals das immanente Notstandsrecht, das also bedeutend eingeschränkter ist als das hier vorliegende, gegen die einheimische Zivilbevölkerung im Interesse der Sicherheit der Truppen ausgenutzt. Hier geht aber das Recht sehr viel weiter. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß für das gesamte Bundesgebiet der Notstand verkündet wird mit dem Erfolg, daß die Bundesregierung ungefähr in die Lage gedrückt wird wie die sogenannte Hoheitsregierung in Preußen bei dem Papen-Putsch im Jahre 1932. Daß diese Dinge nicht mehr mit Gleichberechtigung bezeichnet werden können, sollte jedem einleuchten. Daß diese Dinge untragbar sind, wenn man uns gleichzeitig auffordert, als angeblich Gleichberechtigte Europas Freiheit, unsere Freiheit und die der anderen mit zu verteidigen, auch das sollte einleuchten, Herr Bundeskanzler! Deswegen sind wir der Ansicht, daß man es dem deutschen Volke nicht zumuten kann, den Verträgen in der gegenwärtigen Fassung die Zustimmung zu geben.
Gerade der Bündnisfall bringt uns in die Notlage, daß weder das deutsche Parlament noch die Bundesregierung irgendeine Bedeutung hat. Die
Konsultativklausel ist praktisch wertlos. Sie besagt ja nicht mehr, als daß möglichst die Bundesregierung konsultiert werden soll. Aber was möglich ist, das bestimmen die anderen. Auch die Möglichkeit, an den NATO-Rat zu appellieren, ist wertlos, weil wir höchstens sehr indirekt und schwach und zu spät dabei zu Worte kommen, zunächst aber überhaupt nicht. Ich frage mich, und sage das im Namen des Zentrums im Bundestag: Was sollen denn diese Vorbehalte in einem Stadium, in einer Zeit und in einem Vertrag, wo der Auftakt für ein neues Europa gegeben werden soll?
Wenn man uns Europa mitverteidigen lassen will, so geht es nicht anders als auf der Basis der Gleichberechtigung. Das hier können wir nicht als Gleichberechtigung, nicht als eine ausreichende Wahrung der Interessen des deutschen Volkes, des deutschen Landes ansehen.
Es bleibt noch die Frage aufzuwerfen, wo und wie denn eigentlich verteidigt werden soll, eine Frage, die im Bundestag überhaupt noch nicht erörtert worden ist. Diese Frage will ich nicht zuletzt Ihrer besonderen Aufmerksamkeit anvertrauen. Nach dem, was immerhin bedeutende militärische Führer vor der ausländischen Presse seinerzeit publiziert haben, daß die Verteidigung ungefähr auf der Linie Antwerpen-Straßburg stattfinden soll, wäre das deutsche Volk überhaupt nicht daran interessiert. Allein solche Verlautbarungen sind von Übel. Denn man muß auch der psychologischen Situation Rechnung tragen. Und außerdem: Wenn man sagt, man kann die militärischen Geheimnisse nicht offenbaren — wenn man das als ein Geheimnis betrachtet —, warum dann diese Verlautbarungen? Es ist natürlich jedermann klar, daß man die Details nicht erfahren kann. Aber das es ein Bündnis gibt, in dem nicht die Garantie ausgesprochen wird, nach Möglichkeit das Gebiet des Teilnehmerstaats mitzuverteidigen, ist etwas Einmaliges und etwas Neues in der Geschichte. Wenn im Europarat die Vertreter gerade der westeuropäischen Länder in einer Resolution der letzten Sitzung allesamt und einmütig Befürchtungen in dieser Hinsicht ausgedrückt haben, Herr Bundeskanzler, so möge Ihnen das bedeuten, daß es nicht etwa bloß ein besonderes Anliegen der Opposition, nicht einmal allein ein Anliegen der Deutschen, sondern daß es ein westeuropäisches Anliegen ist, um das es hier geht,
und daß wir die Verpflichtung haben, diese Gelegenheit zu benutzen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten, nicht bloß einen Beitrag zur Sicherheit der anderen zu leisten. Solange diese Gewähr nicht offiziell gegeben ist, Herr Bundeskanzler, kann das Zentrum im Bundestag seine Zustimmung nicht geben.