Rede von
Max
Reimann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die deutsche Nation blickt in diesen Tagen mit bangem Herzen nach Bonn. Wenn es jemals in der deutschen Geschichte um eine schicksalsschwere Entscheidung ging, so trifft dies für die heutige Debatte über die Ratifizierung des Generalvertrags, seiner Zusatzverträge und des EVG-Vertrags zu. Der Auswärtige Ausschuß hat die sieben Grundfragen des „Generalkriegsvertrags", die schon in der Präambel genannt waren,
noch einmal unterstrichen. Die in diesen sieben
Punkten aufgestellten Behauptungen sind eine Irreführung des Bundestags und des deutschen Volkes.
Sie stehen mit dem tatsächlichen Inhalt der einzelnen Paragraphen des Vertragswerks in krassem Widerspruch. Diese sieben Punkte sind aufgestellt worden, um das deutsche Volk zu täuschen, damit es den wahren Inhalt und die Gefährlichkeit dieses Generalvertrags nicht erkennen kann.
Dieser Generalvertrag soll, wie es unter Punkt 1 heißt, eine „blühende europäische Völkergemeinschaft" hervorbringen. In Wirklichkeit aber haben die amerikanischen Kriegsinteressenten mit diesem Generalvertrag und der europäischen Union nichts anderes im Sinn als erstens die Zusammenfassung des europäischen Rüstungspotentials im Rahmen der Montan-Union, die unter Führung der amerikanischen Monopol- und Bankherren steht, und zweitens die Zusammenfassung des europäischen Menschenpotentials, was beides auf ein Ziel gerichtet ist, darauf nämlich, daß die amerikanischen Imperialisten dieses sogenannte vereinigte Europa für den dritten Weltkrieg zur Verwirklichung ihrer Weltherrschaftspläne ausnutzen wollen.
Bei diesem Plan verlangen die amerikanischen Imperialisten, daß die Völker Europas mittels des Generalvertrags, der Zusatzverträge und des EVGVertrags ihre Souveränität aufgeben
und sich völlig dem amerikanischen Weltgendarmen unterordnen.
Meine Damen und Herren, ein sehr schönes Wortgeklingel: Großeuropa, Kleineuropa, Kerneuropa, Europäisierung, europäische Integration.
In Wahrheit ist es ein Raub- und Kriegskomplott,
gerichtet gegen alle Völker der Welt, nicht zuletzt I auch gegen die Völker der in diese Sackgasse getriebenen Staaten, einer „Völkergemeinschaft", die, noch ehe sie ins Leben getreten ist, schon in allen Fugen kracht. Es ist dies das Kriegsbedürfnis einer Handvoll imperialistischer Kriegstreiber. Diese Herren sprechen von einer Völkergemeinschaft. Wo ist aber die Zustimmung dieser Völker? In Westdeutschland haben sich über 14 Millionen, Frauen und Männer, trotz Polizeiterrors offen gegen diesen Kriegspakt entschieden. Sie verlangen gesamtdeutsche Wahlen und einen gerechten Friedensvertrag mit ganz Deutschland.
Aber bleiben wir bei den offiziellen Volksvertretungen der anderen Staaten. Der USA-Senat, in dem es keinen einzigen Arbeiterabgeordneten gibt, hat natürlich einstimmig den Generalvertrag ratifiziert. Man kann nicht von den Urhebern dieser Verträge verlangen, daß sie gegen den Vertrag stimmen. Der Generalvertrag ist doch das größte amerikanische Geschäft seit dem Marshallplan und dem Schumanplan. Wie sollten ausgerechnet die amerikanischen Interessenten gegen den amerikanischen Kriegsplan und die Unterwerfung Westdeutschlands stimmen? Wie aber war das Stimmenverhältnis im englischen Unterhaus? 292 für und 252 dagegen!
Was bedeutet das? — Niemand wird behaupten wollen, daß die gegenwärtigen Volksvertretungen in den USA und in England die tatsächlichen Auffassungen ihrer Völker wiedergeben. Es fällt der Mehrheit in diesen Parlamenten immer schwerer, sich den Auffassungen der Völker ganz zu entziehen oder sie einfach totzuschweigen. Was unter solchen Umständen ein Stimmenverhältnis von 292 zu 252 Stimmen im englischen Unterhaus, was der Widerstand selbst der Regierungsparteien von Paris zu bedeuten hat, das ist ganz klar. Die Wahrheit über die Absichten der amerikanischen Imperialisten bricht sich Bahn bis in die Parlamente der imperialistischen Staaten. Immer mehr Parlamentarier, die bisher zu den Regierungen dieser Staaten hielten, erkennen heute, daß der Imperialismus die Verneinung des Lebensrechts der Völker und die Vernichtung ihres Lebens bedeutet, und deshalb weigern sie sich, an einem solchen Verbrechen mit schuldig zu werden. Die Völker Englands und Frankreichs, die Deutschen in der Bundesrepublik und die Völker der anderen vom amerikanischen Imperialismus mit dem nationalen und physischen Untergang bedrohten Staaten lehnen diese „Völkergemeinschaft" im Bauche des amerikanischen Wolfes ab. Mögen die Herren in der Wallstreet und dem Weißen Haus bedenken, was die Unterschriften von Vertretern ohne Vertretungsmacht wert sind.
Ungerechte Verträge haben kein langes Leben. Das gilt nicht nur für die Protektoratsverträge, die Hitler von jenem Gesindel unterschreiben ließ, das in den 30er Jahren als Vertreter der versklavten europäischen Völker auftrat. Das geschah auch damals im Zeichen der „streng defensiven Verteidigung" des Überfalls auf die Sowjetunion. Das geschah auch damals unter der betrügerischen Maske von der „Neuordnung Europas". Imperialistische Kriegsbündnisse — das hat die Geschichte zu oft bewiesen — halten bis zur unvermeidlichen gemeinsamen Niederlage.
Sie, Herr Dr. Adenauer, sprechen von der Grundlage der Gleichberechtigung, als ob es so etwas zwischen imperialistischen Mächten geben könnte, als ob der amerikanische Imperialismus irgendeinem seiner Satelliten in irgendeinem Teile der Welt je eine Gleichberechtigung eingeräumt hätte. Nach diesem Vertrag, der uns heute vorliegt, bleibt Westdeutschland auf unbegrenzte Zeit hinaus besetzt; aber Dr. Adenauer versucht, unserm Volke einzureden, daß es gleichberechtigt ist. Worin besteht dann die Gleichberechtigung? Etwa in dem amerikanischen, englischen oder französischen Recht, den Notstand in Westdeutschland zu verhängen und die Militärdiktatur über die Bundesrepublik zu verhängen, wie es in Art. 5 des Generalvertrags heißt? Oder in dem Verbot der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands ohne gleichzeitige Ausdehnung der amerikanisch-englisch-französischen Herrschaft auf ganz Deutschland, wie es in Art. 7 des Generalvertrags heißt? Oder in dem amerikanisch-englisch-französischen Einspruchsrecht gegen jede Wiedervereinigung Deutschlands und der deutschen Hauptstadt Berlin, wie es in Art. 2 heißt? In dem unbegrenzten Recht der Amerikaner, Engländer und Franzosen. auf westdeutschem Boden eigene und andere Truppen zu unterhalten, Truppen, die einen Strafschutz genießen wie die Hitler-Wehrmacht im Nazistaat und deren örtliche Kommandanten jederzeit auf Deutsche schießen lassen können, wie es in Art. 4 und 5 des Vertrags heißt?
Aber eine Gleichberechtigung, meine Damen und Herren, besteht allerdings. Die Staatsmänner der USA, Englands und Frankreichs haben die Abkommen ebenso mit ihrer Unterschrift gedeckt wie Dr. Adenauer mit der seinen. Aber ist das Gleichberechtigung, wenn der, der sein Lebensrecht aufgibt, ebenso zeichnet wie der, der es ihm nimmt? Ist es nicht eine besonders schändliche Verhöhnung der Gleichberechtigung, wenn man sagt: Du hast die gleiche Macht, auf deine Unabhängigkeit zu meinen Gunsten zu verzichten, wie ich die Macht habe, dir deine Unabhängigkeit zu meinen Gunsten
zu nehmen?
Der amerikanische Weltgendarm verteilt in der Tat die niederen Dienstgrade an bestimmte Regierungen, die ihm infolge ihrer besonderen Abhängigkeit zu solcher Bevorzugung geeignet erscheinen.
Es mag sein, daß die Bundesrepublik die Rolle eines Obergefreiten in der amerikanischen Militärkolonie Westeuropa zugeteilt erhalten hat.
Das aber verschärft nur die Widersprüche innerhalb Westeuropas, z. B. zwischen Westdeutschland und Frankreich, wie sich das im Saargebiet und in der Montan-Union heute schon zeigt. In der Präambel Abs. 3 ist von der Wiederherstellung eines völlig freien Deutschlands die Rede. Aber Art. 7 Abs. 3 dieses Vertrags bindet das wiedervereinigte Deutschland an die Verpflichtung aus dem Vertrag, d. h. an die unbegrenzte Besetzung, an die Diktaturgewalt der Besatzungstruppen, an die Marionettenstellung einer deutschen Regierung, an die Gerichts-, Finanz- und Devisenhoheit der Invasionsarmeen. Also das ganze Deutschland soll an diesen Kanonenfuttervertrag gebunden sein.
Das wiedervereinigte Deutschland, das die Unterzeichnermächte zu erstreben vorgeben, soll also eine
erweiterte amerikanische Militärkolonie und demzufolge alles andere sein als ein wirklich freies Deutschland.
Selbst die Verfassung dieses Deutschlands und seine Außenpolitik sind bereits durch Art. 7 Abs. 2 in diesem Vertrag fixiert. Die Herren Amerikaner und Dr. Adenauer wünschen also ein an Händen und Füßen gefesseltes Deutschland, und diese Herrschaften wagen es noch, das Wort „Souveränität des Volkes" in den Mund zu nehmen. Um unser Volk zu verwirren, sprechen sie von einem friedlichen Weg zur Einheit Deutschlands. Meine Damen und Herren, eine Wiedervereinigung Deutschlands unter den Bedingungen der Ausdehnung, der Unterwerfung und des Anschlusses an die einseitig aggressive Militärallianz ist niemals auf friedlichem Wege durchsetzbar.
In Wahrheit handelt es sich hier um die Übertragung der Hitlerischen Anschlußpolitik auf den Osten Deutschlands.
Auch Hitler betrieb diese Politik auf "friedlichem" Wege. Erst Kriegsdrohung, dann Kriegsprovokationen und schließlich der Krieg selbst. Diese Politik verwandelte Deutschland und halb Europa in ein Trümmer- und Leichenfeld, um dann gesetzmäßig zusammenzubrechen. Leidtragende einer solchen Politik war und ist ausschließlich die deutsche Bevölkerung selbst. Mit Recht sagen die „Aachener Nachrichten" vom 22. Mai 1952 dazu:
Die wiederholten Erklärungen des Bundeskanzlers, daß man erst nach voller Einbeziehung Westdeutschlands in das westliche Verteidigungssystem die richtige Verhandlungsbasis gegenüber Sowjetrußland habe, erinnert zu stark an die Verhandlungsmethode Hitlers zur Wiedervereinigung mit Österreich, dem Sudetenland und Danzig nach vollzogener
Wiederaufrüstung Deutschlands, als .das man die Parallele zu dieser Entwicklung übersehen
könnte.
Und weiter schreibt diese Zeitung:
Dieser Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands führt mit einem so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zum Krieg, und zwar in erster Linie zum deutschen Bruderkrieg, daß jeden deutschen Politiker ein Grauen vor diesem Wege befallen sollte.
Im Sprachrohr des Herrn Bundeskanzlers, dem „Rheinischen Merkur", nennt Robert Ingrim die Dinge beim richtigen Namen. Er schreibt am 19. Juni 1952:
Entschlösse man sich zu dieser natürlichen Sprachweise, so würde jedem verständlich, daß die Aufgabe nicht Wiedervereinigung heißt, sondern Befreiung des Verlorenen.
Deutlicher kann auch der Herr Bundeskanzler nicht mehr werden. Das sollte aber jedem Abgeordneten hier im Bundestag zu überlegen geben. Wenn die Katastrophe nach der Ratifizierung dieses Militärbündnisses über unser Volk hereinbricht, kann kein Abgeordneter später sagen: Ich habe das Ausmaß meiner Entscheidung nicht gekannt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Hitlersche Ermächtigungsgesetz. Es gibt in diesem Bundestag Abgeordnete, die seinerzeit diesem Ermächtigungsgesetz die Zustimmung gaben und heute sagen, sie hätten die Auswirkung dieses Gesetzes nicht er-
kannt. Diese Ausrede, meine Damen und Herren, gibt es später, wenn Sie heute dieses Militärbündnis ratifizieren, für Sie nicht mehr.
In diesem Militärbündnisvertrag ist von der Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung die Rede, und es heißt dann weiter: „mögen auch gegenwärtig außerhalb ihrer Macht liegende Maßnahmen entgegenstehen". Diese gewundene Redeweise vermeidet bewußt das Wort „Friedensvertrag". Die einem Friedensvertrag gegenwärtig entgegenstehenden Maßnahmen sind die Verschleppungsmanöver der Westmächte und der Bundesregierung.
Einer der ältesten Rechtssätze der Menschheit verbietet es, sich zur Verneinung eines Rechtsanspruchs auf Umstände zu berufen, die man selbst geschaffen hat.
Genau darum handelt es sich hier. Die Sowjetregierung macht den alliierten Regierungen, die Organe der Deutschen Demokratischen Republik machen der Bundesregierung seit Jahr und Tag konkrete Angebote, um unter Beteiligung einer frei gewählten gesamtdeutschen Regierung einen Friedensvertrag für ganz Deutschland zu schaffen, dessen Grundlage die uneingeschränkte Souveränität des deutschen Volkes ist. Dr. Adenauer und auch Herr Ollenhauer sind den Vorschlägen der Volkskammer der DDR ausgewichen, indem sie die Ausrede erfanden, man müsse eine andere Reihenfolge für die Tagesordnung einer Viermächtekonferenz festlegen. Diese Ausrede hat der stellvertretende Ministerpräsident der DDR, Walter Ulbricht, zerschlagen, indem er erklärte: Die Frage der Tagesordnung braucht die Einberufung einer Viermächtekonferenz nicht zu verzögern. Denn es ist notwendig und möglich, daß gleichzeitig die für Deutschland höchst aktuellen Frage;_, die nationale Wiedervereinigung, der Friedensvertrag und der Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland, besprochen und entschieden werden. Es gibt unter Deutschen keine Frage, die man auf dem Wege der Verhandlung, auf dem Wege einer friedlichen Lösung nicht regeln könnte.
Vor dieser friedlichen Lösung der deutschen Frage haben die amerikanischen Monopol- und Bankherren und ihre deutschen Verbündeten, die Herren der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie mit Dr. Adenauer an der Spitze, Angst. Sie haben sich für den Krieg, für die Eroberung Osteuropas und für die „Integration Europas bis zum Ural" entschieden. Das ist die alte imperialistische Konzeption. Das ist der Versuch zur Eroberung der Weltherrschaft durch den absterbenden Imperialismus.
Im Punkt 4 des Berichts des Außenpolitischen Ausschusses heißt es, daß das Besatzungsstatut durch den Generalvertrag aufgehoben sei. Das, meine Damen und Herren, ist wohl die plumpste aller Lügen. Das einzig wahre Wort an den Behauptungen des Abs. 4 in der Präambel ist die Tatsache der Verwandlung des bisher einseitig dekretierten Besatzungsstatuts in einen nunmehr mit einer deutschen Unterschrift versehenen Protektoratsvertrag.
Die Verantwortung dafür hat der zu tragen, der die Unterschrift gab, und sie wird von jenen geteilt, die sie durch die Ratifikation bestätigen wollen.
Sachlich ergibt ein Vergleich zwischen dem Besatzungsstatut — das die Führung der SPD selbst als erste gefordert hat — und dem Generalkriegsvertrag folgendes: Ausgangspunkt des Besatzungsstatuts ist die Beibehaltung der obersten ausübenden Gewalt, die die drei Westmächte für sich in Anspruch nehmen. Meine Damen und Herren, ist dieser Ausgangspunkt durch den Generalkriegsvertrag aufgehoben worden? Hören Sie, was der französische Außenminister Schuman dazu sagt: Deutschland wird besetzt bleiben, nicht weil es damit einverstanden ist, sondern weil es unser Recht ist, das wir durch die Unterzeichnung der Verträge nicht verlieren.
Auch General Eisenhower sagte in Rom: Wir brauchen den westdeutschen Boden, seine Schätze und seine Menschenreserven.
Das Besatzungsstatut sieht neun Verbehaltsgebiete vor, in denen sich die Besatzungsmächte Sonderbefugnisse — z. B. das Einspruchsrecht gegen Gesetze — vorbehalten. Was ist nun aus diesen neun Vorbehalten geworden? Die Abrüstung und die Entmilitarisierung ist ersetzt durch die Aufrüstung, die Remilitarisierung auf der Grundlage unbefristeter Invasionen zugunsten der amerikanischen Bruderkriegsvorbereitungen in Deutschland. Die Kontrolle über das Ruhrgebiet ist verschärft durch die finanzielle Beherrschung und weitere Überfremdung auf Grund der Schumanplan-Gesetzgebung. Mit dem Schumanplan und seiner Hohen Behörde ist dem deutschen Volk endgültig das Verfügungsrecht über seine Grundstoffe, über die Wirtschaft entzogen worden. Bei den auswärtigen Angelegenheiten der Bundesrepublik eine Verschärfung durch Art. 3 des Generalvertrags! Dieser Artikel fesselt die Außenpolitik der Bundesrepublik an den amerikanischen Kriegskurs, überläßt den Westmächten die Führung der westdeutschen Außenpolitik mit der tatsächlich freien Welt, mit den Staaten des Weltfriedenslagers und sieht lediglich eine unverbindliche Beratung zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik vor. Die Kontrolle über Außenhandel und Devisenwirtschaft ist verschärft durch die getroffenen Bestimmungen des Truppenvertrags, der Außenhandel Westdeutschlands bleibt nach wie vor in den Händen der Amerikaner, der Engländer und Franzosen. Keine deutsche Instanz hat das Recht, selbständig Außenhandel zu treiben. Alles unterliegt der Hohen Behörde der Montan-Union, an die der ganze Generalvertrag gekoppelt ist. Ja, selbst das Gericht der Hohen Behörde hat das Entscheidungsrecht über etwaige Differenzen, die sich aus dem EVG-Vertrag unter den Unterzeichnerstaaten ergeben. Mit dem Truppenvertrag kommt die westdeutsche Bevölkerung in den geradezu grotesken Zustand, daß die in Westdeutschland stationierten fremden Truppen in jeder Beziehung frei sind von Abgaben, Steuern usw., so daß allein aus diesem Truppenvertrag sich über 110 Vergünstigungen für die Besatzungstruppen gegenüber der deutschen Bevölkerung ergeben.
Das aber nennt Herr Dr. Adenauer die Ablösung des Besatzungsstatuts durch den Generalvertrag!
Aber es kommt noch weit schlimmer. Die Beachtung des Grundgesetzes, dessen Abänderungen nach Punkt 5 des Besatzungsstatuts der alliierten Genehmigung bedürfen, ist nunmehr ersetzt und in das Gegenteil gekehrt durch die organisierte Miß-
achtung des Grundgesetzes auf Grund des Notstandsrechts und der Standrechtsbefugnisse der Alliierten nach Art. 5 des Generalvertrags.
Alle Bestimmungen, die wenigstens dem Buchstaben nach noch die demokratischen Formen wahren, sowie alle Mindestsicherungen gegen eine Wiederkehr von Militarismus und Faschismus im Besatzungsstatut sind jetzt aufgehoben. Die Behauptung, daß die Auswirkungen des Besatzungsstatuts für die westdeutsche Bevölkerung durch den Generalvertrag aufgehoben seien, entspricht nicht der Wahrheit. Das Gegenteil ist der Fall. Dr. Adenauer und die hinter ihm stehenden rheinischwestfälischen Schwerindustriellen haben die nationale Freiheit und die staatliche Souveränität des deutschen Volkes weder erlangt, noch haben sie sie gewünscht.
Herr Dr. Adenauer, Herr Pferdmenges, Herr Henle, was Sie mit Abs. 4 der Präambel erreichen möchten, ist nicht die Beseitigung der amerikanischen Oberherrschaft, sondern eine Stärkung Ihrer Profitinteressen gegenüber den anderen europäischen Satelliten der USA-Monopol- und Bankherren.
Meine Herren, worum es Ihnen geht, das ist die Sicherung der verstärkten imperialistischen Entwicklung in Westdeutschland.
Sie, meine Herren, treten bereits wieder mit einem eigenen Ausplünderungsprogramm in Afrika, im Nahen Osten und in anderen Weltteilen auf. Das deutsche Volk weiß aus der Erfahrung zweier Weltkriege, was ihm von dieser blühenden „Monopolgemeinschaft" mit allen ihren Widersprüchen und Gegensätzen sehr bald blühen kann. Das deutsche Volk wird sein Souveränitätsrecht zu schützen wissen. Es wird kraft seines Selbstbestimmungsrechts jeden Eingriff in seine inneren und äußeren Angelegenheiten auf der Grundlage einer freien demokratischen Entscheidung der Nation zurückweisen, dem Besatzungsstatut die Anerkennung versagen, auch wenn es unter dem neuen trügerischen Namen „Deutschland-Vertrag" in reaktionär verschärfter Form wieder auftritt.
In Abs. 5 der Präambel wird der Generalvertrag samt seinen Vorbehaltsrechten der Drei Mächte mit den Besonderheiten der internationalen Lage begründet. Der Regierungsjurist Professor D r. G r e w e hat nach dem Bericht der Basler „National-Zeitung" vom 2. Oktober 1952 erklärt, die Besonderheit der internationalen Lage bestehe darin, daß ein Friedensvertrag zur Zeit nicht möglich sei. Auch in der offiziellen Begründung der Bundesregierung und in dem Bericht des Außenpolitischen Ausschusses wird der Generalvertrag als Ersatz für einen Friedensvertrag bezeichnet unter dem Hinweis auf die angeblich durch die sowjetische Politik entstandene Zwangslage.
Diese Erklärung der Bundesregierung ist eine offenkundige Geschichtsfälschung. Eine „besondere internationale Lage" gibt es in der Tat. Sie besteht in der Nichteinhaltung des Potsdamer Abkommens durch die drei Westmächte, in der Spaltung Deutschlands durch dieselben und in der beharrlich dem deutschen Volk und allen friedliebenden Völkern unverständlichen Weigerung der Westmächte und ihres deutschen Vertreters Dr. Adenauer, einen Friedensvertrag für ein geeintes, unabhängiges,
friedliebendes demokratisches Deutschland herbeizuführen. Gegenüber der beharrlichen Weigerung der Westmächte, unserem Volk einen Friedensvertrag zu geben, hat die Sowjetunion in zahlreichen Noten an die Westmächte immer wieder auf die Dringlichkeit, Notwendigkeit und Möglichkeit des Abschlusses eines solchen Friedensvertrages hingewiesen und bereits vor Monaten einen ausgearbeiteten Entwurf eines Friedensvertrags mit Deutschland der ganzen Welt vorgelegt.
Die drei Westmächte haben gegenüber diesen konkreten Vorschlägen nichts weiter als Ausflüchte gebraucht, wobei sie von Dr. Adenauer tatkräftig unterstützt worden sind. Der Präsident, die Regierung und die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik kämpfen unermüdlich für die Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung auf Grund freier demokratischer Wahlen und für den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland. Der stellvertretende Vorsitzende der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, Herr Matern, hat bei seinem Auftreten in Bonn vor der Presse wörtlich erklärt: Wir sind unbedingt für die Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung; aber wir sind der Auffassung, daß gleichzeitig die Verhandlungen über den Friedensvertrag mit Deutschland aufgenommen werden müssen, die ohnehin umfangreich und langwierig sein werden. Es geht nicht an, den Abschluß de Friedensvertrags zu verzögern und währenddessen den Generalvertrag zu ratifizieren. Das deutsche Volk wünscht nicht eine separate Teilvereinbarung irgendeines Teiles von Deutschland mit irgendeinem. Teil der Großmächte. Es wünscht die Generalvereinbarung mit allen vier Großmächten, d. h. den Friedensvertrag, der dem ganzen deutschen Volke und allen Völkern Europas einen dauerhaften Frieden sichert.
Wir denken, daß es an der Zeit ist, nun unverzüglich den ersten Schritt zu tun und eine Kommission aus Vertretern des Bundestags und der Volkskammer der DDR zur Prüfung der Bedingungen für die Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen in ganz Deutschland zu bilden. Wir erklären zugleich, daß die Kommission auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik jede erforderliche Unterstützung und die volle Möglichkeit erhalten wird, ihre Aufgaben durchzuführen. Wir setzen dabei voraus, daß die gleichen Bedingungen für die Arbeit der Kommission auf dem Territorium Westdeutschlands geschaffen werden. Wenn wir so verfahren, wird der unfruchtbare Streit darüber, womit angefangen werden soll und welcher Punkt als erster auf der Tagesordnung stehen soll, überflüssig.
Meine Damen und Herren, die Meinung des ganzen deutschen Volkes geht dahin: die gefährlichen Besonderheiten der internationalen Lage müssen durch Verhandlungen der vier Großmächte und durch gemeinsames Handeln der beiden Regierungen in Berlin und Bonn beseitigt werden.
Statt dessen aber verfährt die Bundesregierung so: erst schafft sie im Verein mit den Okkupationsmächten die Besonderheiten der internationalen Lage, die auf ihrer mangelnden Verhandlungsbereitschaft, ihrer Angst vor dem Frieden, vor dem Ende der Spaltung Deutschlands und des Rüstungsgeschäfts beruhen, dann beruft sie sich auf diese von ihr geschaffenen Besonderheiten, um noch weit
gefährlichere Besonderheiten durch diesen Generalvertrag ins Leben zu rufen,
die Spaltung Deutschlands zu vertiefen, die Abhängigkeit Westdeutschlands zu vergrößern und die Kriegsgefahr zu verschärfen.
Das deutsche Volk wird eine solche Politik niemals begreifen.
Das deutsche Volk zieht aus logischen und moralischen Gründen gerade den entgegengesetzten Schluß: Wenn die Besonderheiten die Quellen allen Übels sind, muß man sie beseitigen, aber nicht noch steigern und vermehren.
Beseitigen wir also diese Besonderheiten; stellen wir in der Praxis fest, daß sehr wohl Verhandlungen über den Friedensvertrag mit Deutschland aufgenommen und die Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen geschaffen werden können! Dann entfallen mit den Besonderheiten nach den eigenen Worten der Bundesregierung die Voraussetzungen für den Generalvertrag und den EVGVertrag,
Verträge, deren Besonderheit es ist, das deutsche Volk in die nationale Katastrophe und Europa in den amerikanischen Krieg zu führen.
Bitte, meine Damen und Herren, fangen wir sofort an! Regeln wir die Frage in Berlin: Wir schlagen Ihnen vor, daß der Bundestag erklärt:
1. Die drei Westmächte werden aufgefordert, mit der Sowjetunion in Verhandlungen zu treten mit dem Ziel des sofortigen Abzuges aller militärischen Garnisonen aus Berlin, der Aufhebung der Sektorengrenzen und der Durchführung freier demokratischer Wahlen zu einem Gesamtberliner Magistrat.
2. Die drei Westmächte werden aufgefordert, das „Kleine Besatzungsstatut für Berlin" vom 8. März 1951 aufzuheben. Die Bevölkerung Westberlins muß unverzüglich ebenso wie die Bevölkerung Ostberlins alle im Grundgesetz garantierten demokratischen Rechte und Freiheiten erhalten. Die Tätigkeit faschistischer und militaristischer Organisationen sowie die Tätigkeit der in Westberlin bestehenden Spionage- und SabotageZentren muß verboten werden.
3. Die Erhebung von Sondersteuern für Berlin von der Bevölkerung Westdeutschlands wird sofort eingestellt.
4. Diese Regelungen sind als provisorisch zu betrachten und sollen Gültigkeit haben bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung erklärt in hochtrabenden Worten, daß sie entschlossen sei, die im Grundgesetz verankerte freiheitlich-demokratische und bundesstaatliche Verfassung aufrechtzuerhalten. In der amtlichen Begründung zum Generalvertrag — auf Seite 6 — widerruft sie diesen Entschluß jedoch sogleich, auch namens und im Auftrage der drei Westmächte. Es heißt:
Die Bundesregierung übernimmt damit nicht
die Verpflichtung, das Grundgesetz in seiner
gegenwärtigen Form unverändert beizubehalten. Ebensowenig übernehmen die Drei Mächte irgendeine Art von Verfassungsgarantie, die durch Interventionen verwirklicht werden könnte.
Deutlicher konnte Herr Dr. Adenauer seine Absichten und die seiner Auftraggeber wohl nicht aussprechen. Der Weg zum Generalvertrag führt somit zur völligen Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit
und zum Faschismus.
Herrn Dr. Adenauer kommt es in Wahrheit nur darauf an, den demokratischen Schein zu wahren. Es soll so aussehen, als ob die Aufhebung der demokratischen Formen in demokratischer Form, als ob die Preisgabe der deutschen Souveränität und Unabhängigkeit mit Einverständnis des 'deutschen Volkes erfolgt wäre.
Diesem historischen Betrugsversuch begegnet das deutsche Volk nicht zum ersten Male. Auch Hitler liquidierte die demokratischen Formen der Weimarer Verfassung in der pseudodemokratischen Form des Ermächtigungsgesetzes.
Auch Hitler liquidierte die nationale Souveränität beispielsweise des tschechoslowakischen Staates „mit Einwilligung" seines damaligen Staatspräsidenten, des Verräters des tschechoslowakischen Volkes, Dr. Hacha.
Die Besonderheit bei der Wiederaufnahme der faschistischen Tradition besteht darin, daß sie sich' diesmal offen gegen das eigene Volk richtet und daß ihr betrügerischer Charakter in der amtlichen Begründung zynisch aufgedeckt wird. Wahrscheinlich denkt Herr Dr. Adenauer: „Wer liest schon die amtliche Begründung?" —
Aber, Herr Dr. Adenauer, täuschen Sie sich nicht! Das deutsche Volk nimmt diese Begründung zu seinen Akten und wird sie Ihnen später einmal vor Augen halten.
Im übrigen braucht Herr Dr. Adenauer gar nicht besonders anzukündigen, daß er sich an das Grundgesetz grundsätzlich nicht gebunden fühlt. Der verfassungswidrige Terror seiner Polizeiorgane, die verfassungsfeindliche Gesetzgebung, deren Initiator er ist, wie das Blitzgesetz, das Versammlungsgesetz, das Parteiengesetz. das Betriebsverfassungsgesetz, die Ausschaltung konsequenter patriotischer Volksvertreter, das amtliche Zusammenwirken mit Mordorganisationen wie dem BdJ — —