Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe einen Schriftlichen Bericht*) erstattet und' ich möchte hoffen, daß Sie daraus ein wenig den Eindruck bekommen haben, den ich an den Anfang meiner kurzen zusammenfassenden Darstellung stellen möchte: daß nämlich dieses sehr schwierige und, ich glaube, ich muß sagen, neuralgische Kapitel der Reparationen ein Musterbeispiel dafür ist, wie man doch durch ernstes und logisches Eingehen auf den Gang der Verhandlungen alle möglichen Gesichtspunkte herausholen kann, die zur Aufklärung dessen dienen können, was in diesem manchmal seltsamen Juristendeutsch gemeint ist. Denn die Begründung, die uns die Regierung zugeliefert hat, ist natürlich einseitig und kann nur geringen Anspruch auf eine Bedeutung für die Auslegung der Verträge erheben. Es ist durch den Bericht, zu dem ich spreche, immerhin in verschiedener Hinsicht aus der Vorgeschichte etwas aktenkundig gemacht nach dem berühmten Satz „Quod non est in actis, non est in mundo", das hoffentlich in der Weiterverfolgung der Verträge, sofern sie ratifiziert werden, der Regierung für ihre Verhandlungen, sei es mit den Vertragspartnern, sei es auch mit den neutralen Staaten, von Wert sein könnte.
Es wird Sie nicht überraschen, ,daß der Ausschuß sich zunächst die Frage vorgelegt hat: War es denn überhaupt notwendig, diese Dinge vertraglich zu regeln? Wir waren natürlich geneigt, wie manche von Ihnen sicherlich auch bei anderen Teilen des ganzen Vertragswerkes geneigt sind, diese Frage zu verneinen. Es hat sich aber herausgestellt, daß die Alliierten die Absicht hatten, einen allgemein gehaltenen Vorbehalt hinsichtlich der Reparationen in diesem Vertrage zu machen, wenn es nicht möglich war, zu einer vertraglichen Regelung zu kommen. Nach dem Prinzip von dem geringeren Übel — ein Prinzip, das ja gestern und heute hier schon öfter angetönt worden ist — hat es die Regierung — nach der Ansicht der Mehrheit des Ausschusses mit Recht — vorgezogen, eine vertragliche Regelung, sagen wir einmal, zu versuchen.
Ich will Sie nicht damit langweilen, Ihnen auseinanderzusetzen, wie uns die Vertreter der Regierung über die Dauer der Verhandlungen, über den unerhört, sagen wir, tiefen Ausgangspunkt mancher Einzelberatung unterrichtet haben, und darauf dann aufzubauen, was von diesem Tiefpunkt her letzten Endes nach Ansicht der Regierung erreicht worden ist. Das steht in einigen Beispielen in meinem Schriftlichen Bericht.
*) Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11246D
Ich will drei oder vier Einzelpunkte, die mir als die wichtigsten erscheinen, aus dem Schriftlichen Bericht hervorheben.
Zunächst ist es nötig, darüber zu sprechen, ob die Artikel 2 bis 5 des 6. Teils — Reparationen — sich nur auf das Bundesgebiet und andererseits auf die Gebiete der drei Alliierten erstrecken oder ob sie in ihrer Wirkung darüber hinausgehen. Hier darf man den allgemeinen gesamtdeutschen Vorbehalt nicht vergessen. Der Ausschuß hat sich in seiner Mehrheit zu der Ansicht durchgerungen - ich glaube, dieser Ausdruck ist nicht ganz falsch —, daß gesamtdeutsche Fragen von der Regelung dieses 6. Teils ausgenommen sind, daß vielmehr der eine wie der andere Vertragspartner nur innerhalb seiner Legitimationen Vereinbarungen treffen konnte und getroffen hat. Daraus ergibt sich, daß eine Einwirkung auf die Sowjetzone, auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße nicht in Frage kommt.
Eine andere, vielleicht schwerer zu beantwortende Frage war es, wieweit die Bestimmungen des 6. Teils sich auch auf das Saargebiet auswirken können, da ja die Französische Republik Vertragspartner des Abkommens ist. Aber auch hier hat uns — ich zitiere wörtlich — die Erklärung des Regierungsvertreters eingeleuchtet, durch den Friedensvertragsvorbehalt sei deutlich gemacht worden, daß keine Absicht bestand, eine gesamtdeutsche Frage zu regeln.
Ich komme dann zu Art. 3. In der Presse und in vielen Veröffentlichungen sehr beachtlicher Interessenverbände hat eine große Rolle der Ausdruck gespielt: „Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen erheben . . .". Es ist uns dargelegt worden, daß die Verhandlungen mit den Alliierten damit begonnen haben, daß man von uns verlangt hat, bedingungslos alles das anzuerkennen, was hinsichtlich des Auslandsvermögens und sonstigen Vermögens — wozu z. B. die Demontagen gehören — bisher von den Alliierten und vorher auch von den vier Mächten uns gegenüber verfügt worden ist. Sie können aus meinem Bericht sehen, in wie zäher Verhandlung es dann letzten Endes gelungen ist, dies Anerkenntnis zu vermeiden. Nur weil diese Entstehungsgeschichte den Verträgen zugrunde liegt, wird sich die Möglichkeit ergeben, die Auslegung der Worte „keine Einwendungen erheben" als ein Anerkenntnis nicht nur zu bestreiten, sondern meines Erachtens schlüssig zu widerlegen. „Meines Erachtens" ist nicht richtig, denn ich spreche für die Mehrheit des Ausschusses.
Weiter hat es den Ausschuß beeindruckt und demgemäß länger beschäftigt, daß in demselben Art. 3 Abs. 1 zweimal das Futurum gebraucht worden ist, d. h. daß nicht nur von Beschlagnahmen, die durchgeführt sind, geredet worden ist, sondern auch von solchen, die durchgeführt werden sollen. Von der Regierungsseite ist uns ausführlich dar-. gelegt worden, daß bei dem ersten Futurum in diesem Art. 3 Abs. 1 die Liquidation gemeint ist, die ja leider die Folge einer Beschlagnahme zu sein pflegt. Es ist uns weiter dargelegt worden, daß bezüglich des zweiten Passus, der das Futurum gebraucht, sich aus den Verhandlungen ganz deutlich ergibt — ich spreche von den drei letzten Worten des Art. 3 Abs. 1 —, auf welche Verträge sich dieses Futurum bezieht, nämlich auf Verträge für Portugal und für die Türkei. Aus Gründen, die nicht aufzuklären waren, die aber auch nicht aufgeklärt zu
werden brauchen, wenn die Verhandlung so war, wie geschildert, ist in dem Vertrag nicht ausdrücklich von diesen Ländern Portugal und Türkei gesprochen worden.
Ich komme zu Art. 4 Abs. 4. Hier ist der Versuch des Ausschusses, die Dinge aus dem Hergang der Verhandlungen aufzuklären, gescheitert. Es hat sich kein plausibler und uns einleuchtender Grund dafür ergeben, warum die Drei Mächte berechtigt sein sollen, etwaigen Abmachungen mit dritten Staaten ausdrücklich zu widersprechen. Wir sind zu der Ansicht gekommen, daß sie der Verhandlung nicht widersprechen können; denn es ist festgelegt, daß ihnen der Verhandlungsbeginn mitgeteilt werden muß. Aber das ist ja uninteressant, wenn man verhandelt und schließlich die Alliierten dem Abschluß widersprechen können. , Es können sich natürlich für die Alliierten im Einzelfall Gründe ergeben, die mit dem Gegenstand selbst zusammenhängen und die diesen Widerspruch rechtfertigen könnten. Aber diese Gründe sind in den Vertrag nicht aufgenommen. Es ist daher leider festzustellen, daß jeder Grund die Alliierten ermächtigen könnte zu widersprechen. .Es liegt nahe, nach Beispielen zu suchen. Auch wenn ich als Berichterstatter mich nicht allzu deutlich ausdrücken kann, so möchte ich doch sagen, daß man sich schon Fälle vorstellen kann, in denen dieser oder jener der Alliierten einen mit der Sache gar nicht zusammenhängenden, vielleicht auf dem Handelsvertragsgebiet liegenden Grund nehmen könnte, ohne ihn auszusprechen, um dem Abschluß des Vertrages mit anderen Staaten zu widersprechen. Es bleibt hier nur die Hoffnung, daß die Alliierten dieses ihnen ganz allgemein eingeräumte Widerspruchsrecht nicht mißbrauchen werden.
Ich komme schließlich zu Art. 5, der — das sage ich nur zum besseren Verständnis — in dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 713 Ziff. 3, betreffend Art. II b, Buchstabe c, eine Rolle spielt. Die Entschädigung der deutschen Eigentümer hat ja an sich in diesem Vertrag nichts zu tun, und es ist vielleicht nicht falsch, wenn man den Alliierten unterstellt - so steht es auch in meinem Bericht —, daß sie auf diesen Art. 5 nicht nur wegen ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den neutralen Staaten Wert gelegt haben, sondern auch, um ihr Gewissen zu beruhigen. Kein völlig einleuchtender Grund für die Aufnahme in einen Vertrag! Die Regierungsvertreter haben dargelegt, daß es durchaus dem deutschen Gesetzgeber überlassen bleiben müsse, die Art und den Umfang der Entschädigung in Übereinstimmung mit seinem Verfassungsrecht festzusetzen. Verschiedene Gesichtspunkte sind hierbei darüber hinaus zu beachten. Einmal nämlich steht ja der Umfang des entstandenen Schadens noch nicht fest. Denn die Bundesrepublik hat die feste Hoffnung, den Umfang dieser Schäden durch Verträge mit verschiedenen Staaten noch ganz erheblich einzuschränken. Das ist ja der Sinn der in Art. 4 eingeräumten Möglichkeit zu Verhandlungen. Andererseits, so meint die Regierung, müsse neben der Leistungsfähigkeit der 'Bundesrepublik auch berücksichtigt werden, welche Entschädigungen auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes gezahlt würden; das Hervorheben dieses Momentes sei schon auf Grund des Art. 3 des Grundgesetzes geboten. Der Ausschuß hat diesen Gesichtspunkt als im Augenblick nicht entscheidend für die Frage der Annahme oder Ablehnung der Verträge nicht weiter vertieft.
Damit bin ich am Schluß. Denn, nachdem dem Hohen Hause eine Entschließung des Auswärtigen Ausschusses zum Sechsten Teil des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vorliegt, brauche ich meinen Schriftlichen Bericht hier nicht in extenso mündlich vorzutragen, was ja auch nicht der Sinn der Institution eines Schriftlichen Berichts wäre.