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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952 11301 241. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952. Geschäftliche Mitteilungen 11303A Mitteilung des Präsidenten über die Erledigung der Entschließung der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Umdruck Nr. 118) 11303B Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung der Entwürfe eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nm. 3500, zu 3500, Nachgang zu 3500 der Drucksachen, Umdruck Nr. 699 [neu]), eines Gesetzes betr. das Protokoll vom 26. Juli 1952 über die Erstreckung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichneten Abkommen über die steuerliche -Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nr. 3700 der Drucksachen), eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Nm. 3501, zu 3501 der Drucksachen); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3900, zu 3900 der Drucksachen, Umdrucke Nm. 713 bis 718, 720 bis 723) in Verbindung mit der Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nrn. 3398, 3363 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nr. 3392 der Drucksachen) 11303B Fortsetzung der Berichterstattung der Ausschüsse: Die verfassungsrechtliche, rechtspolitische und rechtliche Bedeutung der Vertragswerke: Berichte des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Frage der Vereinbarung der Vertragswerke mit dem Grundgesetz: Dr. Wahl (CDU): als Berichterstatter 11304A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11196B Dr. Arndt (SPD): als Berichterstatter 11307A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11201D, 11211C Die wirtschaftliche, finanz- und steuertechnische Bedeutung der Vertragswerke: Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11215A Dr. Fricke (DP): als Berichterstatter 11309D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11216A Stegner (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) . . . . 11218C Dr. Kreyssig (SPD) : als Berichterstatter 11310C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11224D Erler (SPD): als Berichterstatter 11315A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11227B Dr. Kneipp (FDP): als Berichterstatter 11316A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11228D, 11298 Dr. Gülich (SPD): als Berichterstatter 11316D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11231C Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 11321C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11246D Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 11323B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11249B Bausch (CDU): als Berichterstatter . . . 11323A, 11324D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11250C Schoettle (SPD): als Berichterstatter 11325D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11256C Die Vertragswerke im Hinblick auf Truppen-Stationierung und Verteidigung Deutschlands, Berichte des Ausschusses zur Mitberatung des EVGVertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen: Bericht über die politischen und militärischen Bestimmungen des EVGVertrages und ihre Auswirkungen: Strauß (CSU): als Berichterstatter 11328A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11262A Bericht über die wirtschaftlichen, finanziellen und haushaltsmäßigen Bestimmungen des EVG-Vertrages und ihre Auswirkungen: Erler (SPD): als Berichterstatter 11329D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11270B Bericht über die rechtsprechende Gewalt im Rahmen des EVG-Vertrages: Dr. Jaeger (Bayern) (CSU): als Berichterstatter 11333A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11276B Zusätzliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht über die mit der Stationierung fremder Truppen zusammenhängenden Rechtsfragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11285A Zusätzlicher Bericht zu Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11286C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11288D Zusätzlicher Bericht zu Teil VII des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Reismann (FU): als Berichterstatter 11334A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11289C Zusätzlicher Bericht zu Teil XI des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11290C Zusätzliche Berichte anderer Ausschüsse zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen zu den Verkehrsbestimmungen der Vertragswerke: Rademacher (FDP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11292A Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen zu den das Post- und Fernmeldewesen betreffenden Bestimmungen des EVG-Vertrages: Cramer (SPD): als Berichterstatter 11335B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11293D Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films zu bestimmten Abschnitten des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11295B Unterbrechung der Sitzung 11335D Fortsetzung der allgemeinen Aussprache: Reimann (KPD) 11336A von Thadden (Fraktionslos) . . . 11344B Dr. Bertram (Soest) (FU) 11346A Dr. Tillmanns (CDU) 11349D Dr. Besold (FU) 11354D Dr. Reismann (FU) 11357A Frau Wessel (Fraktionslos) . . . 11359D Euler (FDP) 11361B Dr. Arndt '(SPD) 11364B Kiesinger (CDU) 11369C Dr. Schneider (FDP) 11375C Weiterberatung vertagt . . . . . . 11378D Nächste Sitzung 11378D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Eduard Wahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat sich in zahlreichen Sitzungen mit dem Problem der Verfassungsmäßigkeit des Vertragswerks befaßt und hat beschlossen, ein Mehrheits-
    und Minderheitsgutachten abzugeben, weil gerade diese Rechtsfragen am besten im Zusammenhang dargestellt werden und weil die Mehrheit und die Minderheit Gelegenheit haben sollten, ihren Rechtsstandpunkt zusammenhängend darzustellen. Am Schluß meines Berichtes werde ich noch auf die letzte Sitzung eingehen müssen, die der Rechtsausschuß abgehalten hat. Zunächst möchte ich aber das vortragen, was im wesentlichen in meinem Schriftlichen Bericht*) niedergelegt ist.
    Wer das Grundgesetz unbefangen liest, kann nicht zu dem Ergebnis kommen, daß es einen deutschen Wehrbeitrag von der Art des im Vertragswerk vorgesehenen ausgeschlossen hat. Zwar ist nirgends die Wehrpflicht. direkt ausgeschlossen oder das traditionelle Rechtsgut einer Wehrverfassung ausdrücklich aufgenommen; aber die Erschwerungen, die für jede Art von militärischer Vorbereitung und Betätigung im Grundgesetz enthalten sind, zeigen, daß der Parlamentarische Rat als Grundgesetzgeber die Möglichkeit einer deutschen Wehrbetätigung ins Auge gefaßt hat,

    (Unruhe — Glocke des Präsidenten)

    und zwingen im Zusammenhang mit dem Inhalt der Beratungen zu der Annahme, daß, wenn diese grundgesetzlichen Schranken beachtet werden, mindestens in einem internationalen Rahmen eine deutsche Wehrbetätigung zugelassen worden ist. Es ist nach den im Ausschuß abgegebenen Erklärungen des Vorsitzenden des Zuständigkeitsausschusses im Parlamentarischen Rat, des Abgeordneten Justizrat Wagner, sicherlich richtig, wenn man annimmt, daß eine Reihe von Mitgliedern des Parlamentarischen Rats den Antrag Strauß, in Art. 73 die Bundeszuständigkeit nicht nur für die auswärtigen Angelegenheiten, sondern auch für den Schutz des Bundes nach außen zu normieren, deshalb abgelehnt haben, weil sie den neuen Staat nicht mit dem Vorwurf belasten wollten, daß der deutsche Militarismus wiederaufleben sollte; aber die Begründungen, die damals angeführt wurden, zeigen, daß die Besorgnisse die Wiedererstehung einer deutschen Reichswehr betrafen. Die im Parlamentarischen Rat gefallene Äußerung: „Die Zeit der Nationalarmeen ist vorbei" beweist dies genügend, zumal der Parlamentarische Rat den Antrag des Kommunisten Renner gegen dessen Stimme abgelehnt hat, im Art. 24 Abs. 2 klarzustellen, daß das kollektive Sicherheitssystem, dem die Bundesrepublik durch einfaches Gesetz beitreten kann, keine militärischen Hilfeleistungen von der Bundesrepublik oder ihren Angehörigen fordern könne.
    Die Bedenken gegen einen deutschen Beitrag zu einer internationalen Verteidigungsanstrengung waren offenbar geringer. Es kommt im modernen Rechtsleben häufig vor, daß im nationalen Bereich Beschränkungen bestehen, die im internationalen Bereich entfallen. Das internationale Element verändert einen rechtlichen Tatbestand häufig so, daß seine Beurteilung nicht einfach nach den normalen Maßstäben für einen rein nationalen Sachverhalt vorgenommen werden kann. Das ist auch im vorliegenden Falle so. Wenn jetzt die Minderheit des Rechtsausschusses geltend macht, der Antrag Ren-
    *) Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11196
    ner sei deswegen der Ablehnung verfallen, weil es sich um einen kommunistischen Antrag handelte, so ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zwar ging dem Antrag Renner eine sachliche Debatte nicht voraus, aber, wie zahlreiche Präzedenzfälle beweisen, hätte die sozialdemokratische Fraktion nach Ablehnung des Antrags Renner einen Antrag gleichen oder ähnlichen Inhalts stellen können. Dies ist nicht geschehen.
    Wenn man die Formulierungen des Grundgesetzes im einzelnen ansieht, so ist nirgends das Verteidigungsrecht expressis verbis in Anspruch genommen, weil man eine den Wehrwillen direkt ausdrückende Formulierung für inopportun hielt. Aber wenn es in Art. 26 heißt: Die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist verfassungswidrig, so ist damit die Vorbereitung eines Verteidigungskrieges verfassungsmäßig. Die ursprünglich in den Entwürfen vorgesehene Bestimmung, daß die Vorbereitung jedes Krieges verfassungswidrig sei, ist bewußt eingeschränkt worden.
    Genau so liegt es bei Art. 4 Abs. 3, nach dem niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden kann, wobei die Einzelheiten der Regelung einem einfachen Bundesgesetz überlassen bleiben. Auch hier ist in der Formulierung, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, allein das Negative ausgesprochen, nämlich, wer keinen Dienst mit der Waffe zu leisten braucht. Aber der Satz besagt, daß jeder auch gegen seinen Willen zum Dienst ohne Waffe, z. B. zum Sanitätsdienst gezwungen werden kann, und daß derjenige, der sich aus dem Dienst mit der Waffe kein Gewissen macht, zum Dienst mit der Waffe gezwungen werden kann. Der grundrechtliche Schutz des einzelnen gegen die Heranziehung zum Waffen dienst ist also auf die Fälle der Gewissensnot eingeschränkt.
    Die Minderheit steht auf dem Standpunkt, daß diese Vorschrift im Zusammenhang mit dem Schutz der Religion und der Weltanschauungen lediglich ein zusätzliches Militärdienstverweigerungsrecht schaffe, ohne die Frage, ob überhaupt eine Wehrpflicht bestehe, zu präjudizieren. Da deren Einführung ihrerseits nach Auffassung der Minderheit einer Zweidrittelmehrheit bedarf, ist also dieses Grundrecht gegenstandslos, wenn die qualifizierte Mehrheit, die die Wehrpflicht wieder einführt, die Waffendienstverweigerung aus Gewissensgründen für unangemessen hält. Es läge also hier ein Grundrecht vor, dem die typische Funktion, den Gesetzgeber zu binden, überhaupt abginge, und ich glaube nicht, daß man dem Parlamentarischen Rat die Absicht einer reinen Deklamation unterstellen darf. Ganz anders, wenn durch Art. 4 Abs. 3 die Zulassung der allgemeinen Wehrpflicht impliziert ist. Dann handelt es sich um ein echtes Grundrecht, das das Ermessen des Gesetzgebers einschränkt, und schon deshalb erscheinen die von der Mehrheit aus Art. 4 per argumentum e contrario gezogenen Schlußfolgerungen unausweichlich.
    Auch für die Herstellung Und den Vertrieb von Waffen ist im Grundgesetz nur das erschwerende Erfordernis der besonderen Genehmigung der Bundesregierung herausgestellt. Aber damit ist zugleich unzweifelhaft die Verfassungsnorm anerkannt, daß trotz des damals geltenden alliierten Verbots der Waffenherstellung nach deutschem Recht, wenn auch mit Erschwerungen, die Kriegswaffenherstellung zulässig ist.

    Dr. Wahl)
    Von der Gegenseite ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß das im Völkerrecht viel berufene Recht des Staates zur Selbstverteidigung es nicht ausschließt, daß ein Staat durch sein Grundgesetz sich zum absoluten Pazifismus bekennt. Aber wenn dies nicht der Fall ist — und die herangezogenen Bestimmungen des Grundgesetzes lassen eine andere Auslegung nicht zu —, dann kann sich nur noch die Frage erheben, ob die Durchführung der militärischen Organisation durch gewöhnliches Bundesgesetz daran scheitert, daß gewisse militärische Angelegenheiten nicht durch einfaches Gesetz, sondern nur durch verfassungsänderndes Gesetz geregelt werden können. Es fragt sich also, ob die Durchführung des vorliegenden Vertragswerks die Regelung von Fragen erfordert, die nach allgemeiner oder jedenfalls nach kontinentaler Rechtstradition Verfassungsrang haben. Das wäre eher der Fall, wenn der Oberbefehl bei den Deutschen stünde; denn die Weimarer Verfassung hat den Oberbefehl ausdrücklich geregelt und ihn dem Reichspräsidenten übertragen.
    Durch den EVG-Vertrag liegt aber der Oberbefehl überhaupt nicht bei einem Verfassungsorgan der deutschen Bundesrepublik, sondern bei internationalen Organen, deren Betrauung nicht Aufgabe des Grundgesetzes sein konnte und kann. Die den deutschen Verteidigungsbehörden übertragenen Befugnisse sind nicht von der Art, daß sie nur im Grundgesetz normiert werden könnten. Das gilt sowohl für das Ernennungsrecht der Offiziere bis zum Obersten als auch für die Rekrutierungsbefugnisse, die den deutschen Instanzen zustehen. Der Rechtsausschuß steht nicht auf dem Standpunkt, daß diese deutschen Befugnisse lediglich auf einer Rückdelegation seitens der Hohen Behörde beruhen — das ist höchstens im technischen Sinne der Fall —, sondern daß es sich hier der Substanz nach um Ausflüsse der deutschen Wehrhoheit handelt, die durch einfaches Bundesgesetz in Anspruch genommen werden können.

    (Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, darf ich einen Augenblick unterbrechen.
Ich fühle mich verpflichtet, die Geschäftsordnung zu wahren. Nach der Geschäftsordnung erfolgt die Berichterstattung in der Regel schriftlich und nur im übrigen mündlich. Ich wäre dankbar, wenn Sie freundlichst Ihre Berichterstattung darauf einrichten würden, daß nur, soweit die Berichterstattung nicht schriftlich erfolgt ist, eine Erläuterung oder Ergänzung gegeben wird.

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    Rede von Dr. Eduard Wahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! So kommt es, daß Art. 24 in den Mittelpunkt der Erörterungen rückte. Art. 24 ermöglicht es bekanntlich der Bundesrepublik, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Organe zu übertragen und sich einem kollektiven Sicherheitssystem im Wege des einfachen Bundesgesetzes einzuordnen. Wir haben uns im Rechtsausschuß mit der Frage befaßt, ob dieser Art. 24 Abs. 1 hier überhaupt Anwendung finden könne. Es war hier der Begriff der Übertragung der Hoheitsbefugnisse zweifelhaft. Die Mehrheit hat darauf hingewiesen, daß nach der allgemeinen Rechtslehre der abgeleitete Rechtserwerb, der sogenannte derivative Rechtserwerb nicht nur dann vorliegt, wenn derjenige, der ein Recht hat, gerade dieses Recht überträgt, sondern auch, wenn er zugunsten eines anderen Abspaltungen von seiner umfassenden Rechtsposition vornimmt, die nachher als Belastungen dieser l Rechtsposition erscheinen.
    Der wichtigste Punkt ist natürlich der Abs. 2, das kollektive Sicherheitssystem. Zunächst: was ist der Begriff der kollektiven Sicherheit? — Wir von der Mehrheit haben den Standpunkt vertreten, daß mit Rücksicht auf die internationale Entwicklung des Kriegsverhütungsrechtes vor allem in der Organisation der Vereinten Nationen auch Verträge von der vorliegenden Art als kollektive Sicherheitsverträge angesehen werden können, zumal sich diese Verträge bewußt dem Gesamtsystem der UNO einordnen.
    Der Begriff der zwischenstaatlichen Einrichtung war ebenfalls Gegenstand langer Erörterungen. Es ist natürlich außerordentlich schwer, von diesen rechtlichen Erwägungen hier wirklich einen Begriff zu vermitteln. Ich nehme an, daß Sie diesen Punkt in idem Bericht auf Seite 34 nachgelesen haben. Ehe ich nun zu den Einzelfragen komme, möchte ich noch auf die Ergebnisse unserer letzten Sitzung im Rechtsausschuß eingehen, über die in dem Schriftlichen Bericht noch nicht berichtet werden konnte.
    Es handelt sich darum, daß die Vertreter der Minderheit unseren Versuch, die Motive des Parlamentarischen Rates auszuschöpfen, kritisierten. In der Tat war diese Ausschöpfung der Motive des Parlamentarischen Rates von Anfang an ein schwieriges Unterfangen. Zunächst verwahrten sich die sozialdemokratischen Abgeordneten gegen die Unterstellung, die Wehrfrage sei aus Rücksicht auf die Besatzungsmächte nicht expressis verbis in den Zuständigkeitskatalog der Bundesgesetzgebung aufgenommen worden, und hoben hervor, daß es ihre Absicht gewesen sei, das junge Staatswesen nicht von vornherein dem Vorwurf auszusetzen, es solle der deutsche Militarismus wieder zum Leben erweckt werden. Als ich dann im Mehrheitsgutachten daraus die Folgerung zog, daß bei einer deutschen Teilnahme an internationalen Verteidigungsanstrengungen und bei der Teilnahme an einer internationalen Armee dieser Einwand ja entfallen müsse, wurde auch gegen diese Version protestiert und die gesamtdeutsche Situation als ihr Hauptmotiv gegen die deutsche Wiederbewaffnung bezeichnet.

    (Abg. Dr. Greve: Das stimmt nicht; das habe ich schon von Anfang an gesagt, Herr Kollege Wahl!)

    — Das bezieht sich jetzt auf Kollegen Wagner.

    (Abg. Dr. Greve: Dann müssen Sie unterscheiden zwischen Herrn Wagner und mir!)

    Es ist ja beschlossen worden, daß der Ausschußbericht — ich meine das stenographische Protokoll der letzten Sitzung des Ausschusses — verteilt werden soll; das ist mittlerweile geschehen.
    Die Frage, die ich an Herrn Justizrat Wagner stellte, ob dieses gesamtdeutsche Motiv von ihm damals als Vorsitzender des Zuständigkeitsausschusses ausdrücklich erklärt worden sei, verneinte Herr Justizrat Wagner, so daß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen diese unausgesprochenen Motive meines Erachtens außer Betracht bleiben müssen und meine Ausführungen im Mehrheitsbericht des Rechtsausschusses ihre volle Geltung behalten.
    Es ergab sich noch etwas: Nachdem die sozialdemokratischen Fraktionsmitglieder erklärt hatten, daß sie im Parlamentarischen Rat die ganze Verfassung hätten scheitern lassen, wenn die Wehrgewalt mit in das Gesetz hätte aufgenommen wer-


    (Dr. Wahl)

    den sollen, erklärte Herr Geheimrat L a f o r et, die Wehrfrage sei im Parlamentarischen Rat nicht auf die Spitze getrieben worden, und Herr Justizrat Wagner schloß sich dem an. Das heißt, man wußte, daß hier ein gewisser Richtungsgegensatz bestand, und jede Partei fand sich mit dem ab, was in dem Grundgesetz an positiven Texten stand, in der Meinung, damit für die weitere Entwicklung die nötigen Ansatzpunkte zu besitzen.
    Wenn man in diesem Sinne annimmt, daß der Parlamentarische Rat im Grundgesetz das Problemder Wehrfrage nicht auf die Spitze getrieben hat, so taucht das schon oft erörterte Problem der Auslegung von Kompromißgesetzen auf. Wenn sich die politischen Parteien nämlich zu einem Kompromiß die Hand reichten, ohne sich über das Grundprinzip, das zwischen ihnen streitig war, geeinigt zu haben, dann muß, meine Damen und Herren, der Richter, wenn er dieses Gesetz auslegt, nach Rechtsprinzipien suchen, die vor diesem Gesetz bestanden. Und dieses Prinzip kann nur das Prinzip sein, daß jeder Staat sich selbst verteidigen kann. Das Prinzip ist also die Bejahung der Wehrgewalt.
    Man kann weiter fragen, ob der Inhalt des Grundgesetzes mehr für oder mehr gegen die Wehrgewalt spricht, was also das Übergewicht hat, und da meine ich nach dem, was ich zu Beginn vorgetragen habe, daß die die Wehrgewalt implizierenden Texte das Übergewicht haben, und zwar aus dem Grund, den ich vorhin schon kurz erwähnte: Bei internationalen Organisationen stellt sich im modernen Kriegsverhütungsrecht die Frage nicht mehr im alten Sinne, welche Kompetenzen bei den nationalen Organen liegen. Das gilt für die Organisation der UNO; das gilt erst recht für die sogenannten supranationalen Einrichtungen, die wir heute haben. Daraus ergibt sich, daß die früheren Hauptstücke der sogenannten Wehrverfassung heute eine viel geringere Bedeutung haben als früher. Ich habe das in meiner Erwiderung auf den Bericht des Herrn Kollegen Arndt dargelegt und darf auf diesen Passus besonders hinweisen.
    Ich darf Sie bitten, nun vielleicht die Seite 50 des vor Ihnen liegenden Berichts aufzuschlagen. Da habe ich gesagt — und ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, diesen einen Teil ausnahmsweise wörtlich bringen zu dürfen —:
    Denn in den kollektiven Sicherheitssystemen,
    an denen sich die Bundesrepublik beteiligen
    darf, ergeben sich für beide Fragen
    — also Oberbefehl und Kriegserklärung — Gestaltungen, die mit dem traditionellen Rechtsgut der europäischen Verfassungen nichts mehr zu tun haben. Dieses war für Nationalstaaten und Kriege alten Stils zwischen solchen Nationalstaaten bestimmt, paßt aber überhaupt nicht für die modernen internationalen Gestaltungen.
    Bis zu einem gewissen Grade ist das einer der Hauptgedanken auch des Gutachtens von Professor Löwenstein.
    Für den Oberbefehl habe ich im ersten Teil des Mehrheitsgutachtens bereits das Nötige gesagt. Für die Kriegserklärung möchte ich zur Verdeutlichung noch auf folgendes hinweisen: Das Grundgesetz und das Vertragswerk haben nur einen Verteidigungskrieg für möglich erklärt. Bei einem Verteidigungskrieg gegenüber einem Angriff entfällt aber, wie schon die jüngste Geschichte eines verwilderten internationalen Lebens zeigt, die Kriegserklärung überhaupt oder wird bei praktisch schon begonnenen Kriegshandlungen zu einem reinen 1 Formalakt, dem sich mit Rücksicht auf die entstandene Lage kein Staatsorgan entziehen kann. Es bleibt höchstens — je nach der Sachlage — die Ermessensentscheidung zu treffen, ob Angriffshandlungen auf die durch den Vertrag geschützten Gebiete von der Art sind, daß sie einen allgemeinen Krieg auslösen oder nicht. Man kann annehmen, daß das Einstimmigkeitserfordernis in den vorgesehenen Beschlußgremien für diese Entscheidung nur retardierend wirken kann, weil auch die vom unmittelbaren Kriegsgeschehen nicht betroffenen, geographisch entfernt liegenden Staaten zustimmen müssen. Vor allem aber hat die moderne Verfassungsentwicklung im Zusammenhang mit der Weltfriedensorganisation der UN die Bedeutung des alten Verfassungsrechts stark abgeschwächt.
    Der Sicherheitsrat entscheidet nach der Satzung über die Reaktion auf einen Angriff auch mit Wirkung für solche Länder, die dem Sicherheitsrat nicht angehören, und kann Kriegsanstrengungen von allen Mitgliedern der UN verlangen. Die Entscheidung des Sicherheitsrats setzt keine parlamentarische Zustimmung für die an der Entscheidung mitwirkenden Regierungen voraus, der sich die Mitgliedstaaten unterworfen haben, und für den Beitritt zur UN ist trotz dieser schwerwiegenden Folgen und einschneidenden Auswirkungen auf die nationalen Verfassungssysteme nirgends verfassungsändernde Mehrheit verlangt worden.
    Das Minderheitsgutachten tut immer so, als ob wir noch um das Jahr 1900 lebten und die beiden Weltkriege mit ihrem Auftrieb für das internationale Kriegsverhütungsrecht nicht stattgefunden hätten.
    Natürlich kann man fragen, ob das Grundgesetz nicht zu weit gegangen ist, als es im Art. 24 dieser Entwicklung das Tor öffnete. Ich glaube aber, daß die Entscheidung des Parlamentarischen Rats richtig war, durch einfache Gesetzgebung solche Verträge zu ermöglichen. Jedenfalls kann angesichts dieser gesamten Entwicklung nun nicht die Ansicht der Mehrheit, die aus dem Art. 24 die Konsequenzen zieht, als ein Verfassungsbruch hingestellt werden.
    Eine andere Frage ist es, ob das Grundgesetz mit seiner schrankenlosen Zulassung der Beteiligung an internationalen Organisationen gleichviel welcher Art hier tatsächlich nicht doch über das Ziel hinausgeschossen ist. Das ist jedenfalls auch der Sinn der von dem Professor Dr. Löwenstein berichteten Anpassungsversuche in den Staaten, die eine ältere Verfassung haben und die sich nun fragen, ob eine Zweidrittelmehrheit vielleicht gefordert werden müsse. Bisher ist das nicht der Fall.
    Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, daß das Zustimmungsgesetz nicht der Zweidrittelmehrheit bedarf.
    Die Einzelfragen, die wir im Rechtsausschuß behandelt haben, werden vielleicht am besten jeweils bei den Erörterungen der einzelnen Vertragsteile behandelt. Denn es ist natürlich sehr schwer, in einem solchen zusammenfassenden Bericht alle die verschiedenen Einzelbestimmungen, die dort auf ihre Verfassungsmäßigkeit untersucht worden sind, hier in ihren Beziehungen zum Grundgesetz darzulegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deutscher Bundestag — 241, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952 11307