Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat in überzeugenden Worten darauf hingewiesen, daß sich die Zusammensetzung der Ausschüsse ja bei verschiedenen Gesetzen zu ändern pflegt. Er hat auf das Bundesvertriebenengesetz hingewiesen. Ich möchte es aber doch nicht unterlassen, gerade bei diesem Antrag darauf hinzuweisen, daß sich im Finanzausschuß im wesentlichen diejenigen wiederfanden, die den Initiativantrag unterzeichnet hatten. Sicher ist dagegen nichts einzuwenden; sicher ist das üblich. Aber es ist doch sehr die Frage, ob ein solches Verfahren, daß sich in den Ausschüssen jeweils die Unterzeichner eines Initiativgesetzesantrages zusammenfinden und ihre Fraktionskollegen bitten, dann für sie stellvertretend anwesend sein zu dürfen, nicht einen sehr starken Einfluß gewisser Interessentenvertretungen möglich macht und dadurch die Objektivität der Arbeit der Ausschüsse in manchen Fällen überhaupt zu gefährden geeignet ist.
Gerade im vorliegenden Fall ist es doch so, daß die vom Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Fassung möglicherweise — und ich möchte Ihnen das darlegen — die Not der Winzer nicht beheben wird — möglicherweise die Not der Sektkellereien, das kann ich im einzelnen nicht beurteilen —, und zwar die Not der Winzer deshalb nicht beheben wird, weil eine bloß schematische Sektsteuersenkung keinen Einfluß darauf hat, ob die Sektkellereien nun mehr inländischen oder mehr ausländischen Wein verwenden. Die Steuer wird von dem Sekt als Endprodukt erhoben. Es steht den Sektkellereien frei, dort einzukaufen, wo es für ihre kommerziellen Interessen am vorteilhaftesten ist, und wenn das im Ausland ist, dann steht es ihnen frei, ihren Weinbedarf im Ausland zu decken.
Aus diesem Gesichtspunkt war vom Bundesfinanzminister der Vorschlag gemacht worden — und dieser Vorschlag, der vom Bundesfinanzminister angeregt worden war, liegt unserem Änderungsantrag zugrunde —, die Sektsteuersenkung tatsächlich den Winzern zugute kommen zu lassen, tatsächlich dafür zu sorgen, daß nicht eine bloße finanzielle Besserstellung der Sektkellereien erzielt würde, sondern daß der Zweck des Gesetzes, wie er vom Berichterstatter vorgetragen worden ist, auch erreicht würde, indem nämlich die Sektsteuersenkung verkoppelt würde mit höheren Inlandsbezügen. Es ist so, daß bei einem Gesamtinlandsverbrauch von rund 4 000 000 1 rund 300 000 1 in die Sektindustrie gegangen sind. Davon sind im letzten Jahr 65 % aus dem Inland gekommen, und diese Menge könnte ohne weiteres, wie gerade die kleineren Sektkellereien beweisen, noch
erheblich gesteigert werden. Nehmen Sie den Gesetzesvorschlag in der Form an, wie Sie ihn uns hier gemacht haben — gerade diejenigen, die den Antrag unterstützen —, so sollten Sie sich darüber klar sein, daß keinerlei Gewähr dafür besteht, daß nunmehr auch der inländische Wein in die Sektkellereien geht. Es liegt zwar ein kartellmäßiges Abkommen zwischen dem Winzerverband und dem Verband der Sektkellereien vor, aber wer sagt Ihnen, daß nach Abschluß dieser Steuersenkungskampagne dieses Abkommen auch noch innegehalten wird? Der Vorschlag, wie er vom Bundesfinanzministerium gemacht worden ist und wie wir ihn aufgegriffen haben, sichert jedenfalls den inländischen Weinabsatz.
Im einzelnen ist dazu zu sagen, daß wir mit unserem Änderungsantrag zu § -2 bitten, die Sektsteuer auf 3 DM zu belassen und — in § 9 ist das Erstattungsverfahren geregelt — den Herstellern, die im laufenden Rechnungsjahr mehr inländischen Grundwein auf Traubenschaumwein verarbeitet haben als 1951/52, bis zur Höhe von 75 % 2 DM für den Liter Mehrmenge zu erstatten. Da die Sektsteuer grundsätzlich erst zwei Monate nach Versand fällig wird — im Lauf des der Lieferung folgenden Monats —, kann bis dahin das Erstattungsverfahren als ein Vorauserstattungsverfahren durchgeführt werden, so daß eine Verrechnung der Erstattung mit der Sektsteuer möglich ist. Das bedeutet also, wenn tatsächlich eine verstärkte Verwendung von inländischen Weinen erfolgt, denselben wirtschaftlichen Effekt wie die Sektsteuer, nämlich die Verrechnung der Sektsteuerschuld mit dem Anspruch auf Vorauserstattungsforderung, und diese beiden sich gegenüberstehenden Dinge, Schulden an die Finanzverwaltung und Forderung auf Erstattung — nur abhängig von der Verwendung inländischen Weines —, stellen wirtschaftlich dasselbe dar für die Sektkellereien, es bedeutet für sie aber einen absoluten Zwang, mehr inländischen Wein zu verwenden. Die Kellereien, die nun schon mehr deutschen Wein verwendet haben und in der Vergangenheit sich nicht wie gerade die größeren Sektkellereien vorzugsweise ausländischen Wein haben kommen lassen, werden dadurch begünstigt, daß man ab 75 % der Gesamtmenge ihnen für die letzten 25 % eine absolute Vergütung von 2,50 DM je Liter zurückerstattet und dadurch gerade die kleineren Sektkellereien, denen es bekanntlich aus Mangel an Kapital für die manchmal recht eigenartige Sektreklame nicht besonders gut geht, in besonderem Maße begünstigt. Durch diese Art der Rückerstattung wird auch das Preisgefüge günstig beeinflußt. Diejenigen Kellereien, die nämlich zu stärkerem Bezug von Inlandswein übergehen — und dazu zwingt sie dieses Verfahren —, sind in der Lage, billiger zu verkaufen als die anderen, die das nicht tun. Man komme mir nicht mit dem Einwand, daß j a schon jetzt die Sektkellereien durch das Sektsteuersystem sich nicht zu Preiskonzessionen bereitgefunden hätten. Tatsächlich ist es so, daß die Preisgestellung der einzelnen Sektkellereien außerordentlich unterschiedlich ist und daß deshalb die Frage der Preisverbilligung durch ein solches System ebenfalls in günstigem Sinne beurteilt werden muß.
Unser Vorschlag bringt insgesamt eine Belastung des Haushalts von rund 5 Millionen DM im Jahre mit sich, während die Vorlage des Ausschusses eine Belastung von 10 bis 11 Millionen vorsieht. Es handelt sich bei dem Sekt um ein Konsumgut, dessen Bedarfskoeffizient nicht elastisch ist. Tatsäch-
lich ist der Sektbedarf weitgehend unelastisch. Wir wissen das aus den Absatzzahlen. In Normaljahren hat die Sektindustrie einen Absatz von 11 bis 12 Millionen Flaschen gehabt. Für eine Kindtaufe, für das Jahresfest oder für manche sonstigen Familiengelegenheiten wird eben eine Flasche Sekt verbraucht. Der Absatz von Sekt ist aber nicht wie bei anderen Gütern unbeschränkt steigerungsfähig. Es kommt also darauf hinaus, daß die jetzt vorgeschlagene Senkung einen effektiven Ausfall für den Haushalt bedeutet, ohne einen Ausgleich durch zusätzliche Umsätze möglich zu machen.
Endlich: Die Sektsteuer ist eine derjenigen Steuern, die man als Maßsteuern bezeichnen kann. Sie ist zwar eine Verbrauchsteuer, aber eine Verbrauchsteuer, die dem Ideal der Maßsteuer doch sehr nahekommt. Es ist eine indirekte Steuer, die nicht wie die Salz-, Zündholz- und Zündmittel- und die Zuckersteuer den breiten Konsum belastet, sondern den Konsum nur in dem Maße belastet, wie er belastet zu werden verdient. Eine Senkung der Sektsteuer ohne die Gewähr, daß dafür verfügbare Beträge dem notleidenden Winzer zugute kommen, würde im ganzen Steuersystem zur Herbeiführung einer ungerechten Bevorzugung dieses Artikels führen, während wesentlich wichtigere Dinge wie z. B. Zucker, Salz und Zündmittel nach wie vor auf eine Senkung warten müßten. Der Betrag von 5 Millionen, der zur Verfügung stünde, würde dann besser für eine Senkung der Salzsteuer verwendet werden, aber nicht für eine Senkung der Sektsteuer, wenn es also nicht gelingt, diesen Betrag auch wirklich den Winzern zuzuführen. Das ist der entscheidende Fehler. Deshalb o lehnen wir den Vorschlag des Ausschusses ab und bitten Sie, unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.